Der alte Senn – Vertrieben aus Undank - Stefanie Valentin - E-Book

Der alte Senn – Vertrieben aus Undank E-Book

Stefanie Valentin

0,0

Beschreibung

Mit viel Herz und Verstand geht die Heimat-Heidi zur Sache, denn sie ist eine schöne Wirtin voller Tatendrang, die ihren Gästen und Mitmenschen jederzeit hilfreich zur Seite steht. Unterstützt, wenn auch nicht unbedingt immer in ihrem Sinne, wird Heidi dabei von ihrer nicht ganz volljährigen Tochter Steffi, einem feschen Mädel mit losem Mundwerk, und ihrer Mutter Luise, die keineswegs gewillt ist, kürzerzutreten und Heidi mit der Leitung des Bergerhofs alleinzulassen. Für schwungvollen, heiteren Familienzündstoff ist also bei aller Herzenswärme unserer Titelheldin jederzeit gesorgt! »Du, Luise, schau mal wer da kommt.« Die Berger-Heidi zeigte mit einer Kopfbewegung aus dem Fenster. Luise, die Seniorwirtin des Bergerhofs tat einen Schritt zur Seite und sah hinaus. Ein alter Mann kam mit schweren Schritten einen schmalen Pfad herunter, seine Sachen waren abgetragen und er selbst wirkte eher verwahrlost. »Ja Herrschaftseiten, der Flori«, murmelte Luise. Es war halb zehn am Vormittag und sie war mit ihrer Schwiegertochter Heidi in der Küche des Bergerhofs, um das Mittagessen vorzubereiten, zu dem sie heute mehr Gäste als sonst erwarteten. »Er schaut net besonders gut aus«, sagte Heidi, »soll ich mal nach ihm schauen?« »Nein, laß mal«, antwortete Luise, »das mach' ich schon.« Dann wischte sie sich die Hände an einem Tuch ab und verließ die Küche, um den alten Mann in Empfang zu nehmen. Florian Winderdaler war vor einem Monat zweiundachtzig geworden, war jahrelang Senn auf der Bragner-Alm gewesen und seit zwei Jahren zog er von Hof zu Hof, um ein Dach über dem Kopf zu haben und etwas zu essen zu bekommen. Bis zu seinem achtzigsten Lebensjahr war er jeden Sommer auf der Alm gewesen, hatte dort seinen Dienst getan, um im Winter hinunter zu seinem Bauern auf den Bragner-Hof zu gehen und dort auszuharren, bis der nächste Sommer kam. Während dieser Zeit hatte der Flori auf dem Hof stets kleinere Arbeiten erledigt. Bis der Bragner-Andi den Hof übernommen und Flori Winderdalers Art der Überwinterung unterbunden hatte. »Du bist jetzt zu alt«, hatte er gesagt, »such bei der Gemeinde an, daß du einen Platz im Heim bekommst.« Der Flori hatte sich geschämt, als er bei der Gemeinde nach einem Heimplatz fragen sollte, weil jeder Senn bei dem Bauern, für den er jahrelang gearbeitet hatte, ein lebenslanges Einsitzrecht auf dem Hof hatte, das war ungeschriebenes Gesetz und galt gleichermaßen für Magd und Knecht. Nur für den Bragner-Andi schien das nicht zu gelten.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 120

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Heimat-Heidi – 4–

Der alte Senn – Vertrieben aus Undank

Heidi sorgt sich um den alten Flori

Stefanie Valentin

»Du, Luise, schau mal wer da kommt.« Die Berger-Heidi zeigte mit einer Kopfbewegung aus dem Fenster.

Luise, die Seniorwirtin des Bergerhofs tat einen Schritt zur Seite und sah hinaus. Ein alter Mann kam mit schweren Schritten einen schmalen Pfad herunter, seine Sachen waren abgetragen und er selbst wirkte eher verwahrlost.

»Ja Herrschaftseiten, der Flori«, murmelte Luise.

Es war halb zehn am Vormittag und sie war mit ihrer Schwiegertochter Heidi in der Küche des Bergerhofs, um das Mittagessen vorzubereiten, zu dem sie heute mehr Gäste als sonst erwarteten.

»Er schaut net besonders gut aus«, sagte Heidi, »soll ich mal nach ihm schauen?«

»Nein, laß mal«, antwortete Luise, »das mach’ ich schon.« Dann wischte sie sich die Hände an einem Tuch ab und verließ die Küche, um den alten Mann in Empfang zu nehmen.

Florian Winderdaler war vor einem Monat zweiundachtzig geworden, war jahrelang Senn auf der Bragner-Alm gewesen und seit zwei Jahren zog er von Hof zu Hof, um ein Dach über dem Kopf zu haben und etwas zu essen zu bekommen.

Bis zu seinem achtzigsten Lebensjahr war er jeden Sommer auf der Alm gewesen, hatte dort seinen Dienst getan, um im Winter hinunter zu seinem Bauern auf den Bragner-Hof zu gehen und dort auszuharren, bis der nächste Sommer kam. Während dieser Zeit hatte der Flori auf dem Hof stets kleinere Arbeiten erledigt.

Bis der Bragner-Andi den Hof übernommen und Flori Winderdalers Art der Überwinterung unterbunden hatte.

»Du bist jetzt zu alt«, hatte er gesagt, »such bei der Gemeinde an, daß du einen Platz im Heim bekommst.«

Der Flori hatte sich geschämt, als er bei der Gemeinde nach einem Heimplatz fragen sollte, weil jeder Senn bei dem Bauern, für den er jahrelang gearbeitet hatte, ein lebenslanges Einsitzrecht auf dem Hof hatte, das war ungeschriebenes Gesetz und galt gleichermaßen für Magd und Knecht.

Nur für den Bragner-Andi schien das nicht zu gelten. Seitdem er den Hof übernommen hatte, zählten nur noch die Erträge, alles andere galt bei ihm nicht.

Der Andi war ein großer Bursch von dreißig Jahren, der außer dem alten Flori auch noch zwei andere Bedienstete vom Hof gejagt hatte. Einer war auch schon über siebzig gewesen und lebte jetzt bei einer Nichte in Kempten und der andere, der Schneider-Lois, war gerade in Pension gegangen und hatte sich darauf gefreut, in der gewohnten Umgebung seinen Lebensabend zu verbringen.

Doch der Lois hatte ebenso gehen müssen, was ihm derart zugesetzt hatte, daß er im wahrsten Sinn des Wortes vor Aufregung gestorben war.

Selbst da war der Andi nicht zur Besinnung gekommen, sondern er hatte es sogar abgelehnt, für das Begräbnis aufzukommen, was selbstverständlich gewesen wäre. So hatte es in der gesamten Gemeinde für Aufsehen und böses Blut gesorgt. Doch das alles störte den jungen Burschen nicht, er tat wie er meinte tun zu müssen und spielte den großspurigen Bauern.

»Servus, Flori«, begrüßte die Luise den Alten, als der auf den Hof kam, besonders freundlich, »du bist aber schon lang’ nimmer bei uns gewesen. Schön, daß du wieder mal da bist. Wir freuen uns.«

Florian Winderdaler blieb stehen und blinzelte gegen die Sonne, dann atmete er tief durch, schließlich nickte er.

»Ja, das stimmt, ich bin lang’ nimmer bei euch auf dem Berger-Hof gewesen«, sagte er, »aber jetzt hab’ ich wieder mal herkommen müssen.«

»Das ist schön«, sagte Luise, die schon überlegte, wo sie den Flori unterbringen konnte, denn jetzt, in der Saison, waren die Zimmer des Gasthofes alle belegt.

»Ich wollt’ eigentlich nur um ein Stück Brot bitten«, sagte der Alte, der wirklich einen total

heruntergekommenen Eindruck machte.

»Ein bisserl wirst aber doch bei uns bleiben«, erwiderte Luise, »wenn du schon mal da bist, was eh selten genug der Fall ist, dann darfst nicht gleich wieder weggehen.«

Der Alte sah die Seniorwirtin des Bergerhofs daraufhin mit einem Blick an, in dem so was wie ein Fünkchen Hoffnung lag, dann lächelte er.

»Weißt du was?« fragte er. »Dir glaub’ ich’s sogar, wenn du es sagst. Aber ihr habt das Haus doch sicher voll belegt. Ich kann also gar net dableiben.«

»So belegt, daß net ein Schlafplatz für dich da ist, das gibt es gar net«, erwiderte Luise, dann zeigte sie auf seine Kleidung. »Ich hab’ ein paar schöne Sachen drinnen. Wenn du magst, dann kannst du sie haben.«

Der Flori nickte, vermied es aber, die Luise anzusehen. Er war zeitlebens ein stolzer Mann gewesen, der sein freies Leben auf der Alm über alles geschätzt hatte. Daß er jetzt, um zu überleben, quasi betteln gehen mußte, das war in seinen Planungen nicht vorgesehen gewesen.

»Ich kann auch in der Scheune schlafen«, murmelte er, »jetzt im Sommer ist das gar net schlimm. Ein Lager im Heu ist allweil besser als gar keines.«

»Du wirst net im Heu liegen«, erwiderte Luise, »sondern so, wie es sich’s für einen Menschen gehört, nämlich in einem Bett mit weißem Laken, verstehst? Jetzt kommst aber erst mal mit in die Küche, da kannst eine Brotzeit bekommen. Denn gefrühstückt haben wirst ja noch net, oder?«

Der Lois schüttelte den Kopf.

»Wo kommst denn her?« wollte die Luise daraufhin wissen.

»Vom Schuster-Bauern aus Balding«, antwortete Flori.

»Zu Fuß?« Luise sah den Alten ungläubig an.

Doch der nickte. »Sicher zu Fuß. Oder meinst, mich würd’ wer irgendwohin fahren?«

»Aber von Balding her zu uns, da gehst vier Stunden und länger«, erwiderte Luise.

»Viereinhalb Stunden bin ich gegangen, wenn du es ganz genau wissen willst.« Flori zeigte auf eine Uhr in der Küche. »Ich hab’ beim Schuster auf die Uhr gesehen und jetzt ist es grad halb zehne durch.«

Luise stutzte. »Dann bist du schon um fünf losgegangen? Wieso denn schon so zeitig?«

»Beim Schuster bin ich net gar so gern«, erwiderte der alte Flori, »da zählens dir die Stückl Brot zusammen, die du gegessen hast, solang’ du bei ihnen gewesen bist. Es sagt zwar keiner was, aber spüren tust es in jeder Sekunde.«

Luise starrte den Alten ungläubig an. »Das gibt’s doch gar net.«

Da lächelte der Alte. »Oje, Bergerin, was meinst denn, was es net alles gibt auf der Welt. Um das festzustellen, darfst net reich sein, da mußt arm sein. Dann erlebst aus erster Hand, was es heißt, auf andere angewiesen zu sein.«

Luise nickte. Sie blieb stehen und sah den Florian nachdenkend an.

»Du wirst, solang’ du hier bist, droben bei uns in einem der Privaträume wohnen«, sagte sie.

Doch der Alte schüttelte sofort den Kopf. »Das kommt überhaupt net in Frage. Wenn ich überhaupt dableib’, dann schlaf’ ich da, wo die Dienstboten schlafen.«

Die Luise schüttelte den Kopf. »Da ist wirklich alles belegt. Wir haben seit ein paar Tagen ein Madel zur Aushilfe bekommen. Es stammt aus Hindelang, studiert in München Pädagogik und will sich in den Ferien ein paar Mark dazuverdienen. In den Sommermonaten ist der Bergerhof immer voll belegt.«

»Dann… geh’ ich heut’ nachmittag weiter«, sagte Flori.

»Gar nix gehst du«, widersprach Luise. »Mir ist nämlich noch was eingefallen.«

»Was denn?« Hoffnungsvoll sah der ehemalige Senn die Berger-Luise an.

»Drüben über dem ehemaligen Stall, wo heut’ die Garage drinnen ist«, begann sie.

»Ja? Was ist damit?«

»Da sind doch oben zwei Kammern draufgebaut«, fuhr Luise fort. »Zwei Kammern und eine Vorkammer. Da haben früher die Holzknechte gewohnt, wenn sie für uns tätig gewesen sind. Und ganz früher, zu meines Vaters und Großvaters Zeiten haben da die Kutscher übernachtet, wenn sie den Bergerhof, der war nämlich lange Zeit Post- und Roßwechselstation, turnusmäßig angefahren sind.«

Der Flori nickte. »Daran erinner’ ich mich sogar noch. Einmal sind da sechs Holzknecht’ untergebracht gewesen.«

»Eine der Kammern richten wir dir her«, sagte Luise, »sofort fangen wir damit an. Ich komm selbst und ich bring’ das neue Madel mit. Laura heißt sie und eine ganz fesche ist sie.«

Da lachte der alte Flori, ihm war ein Stein vom Herzen gefallen, das sah man ihm an.

»Net daß sie mir noch so gut gefällt’«, sagte er, »daß ich über den ganzen Sommer da bei euch bleib’.«

»Wenn es dir bei uns gefällt«, sagte Luise, »dann kannst noch länger bleiben. Ich kenn’ keinen, der schönere Geschichten über Berg- und Almgeister erzählen kann als du.«

»Oje, Bergerin.« Der alte Flori atmete tief durch. »Das ist doch alles schon so lang’ her…!«

*

Als Laura Harter sich vor zwei Wochen bei der Berger-Heidi wegen des Jobs in den Semesterferien vorgestellt hatte, waren sich die beiden auf Anhieb sympathisch gewesen.

Laura war ein sehr hübsches Mädchen mit langen dunklen Haaren, die sie oft hochgesteckt trug, was ihr sehr gut stand. Sie hatte eine tolle Figur, war groß dabei, und es gab nicht wenige Burschen, die übernervös wurden, wenn sie in der Nähe war.

Laura studierte Biologie, Sport und Pädagogik für das Lehramt an Höheren Schulen, sie war vierundzwanzig Jahre alt und ihre Familie lebte in Hindelang. Dort war sie aufgewachsen, in Immenstadt war sie zur Schule gegangen und ins Allgäu wollte sie zurück, wenn sie ihr Studium beendet hatte.

Jetzt war sie seit zwei Wochen im Berger-Hof und fühlte sich

überaus wohl, wie sie sagte.

Als die Luise mit dem alten Florian vom Hof aus die Küche betrat, kam Laura gerade von der Gaststube in die Küche.

»Servus, Flori«, begrüßte die Berger-Heidi den ehemaligen Senn, »es ist schön, daß du wieder mal bei uns bist. Aber diesmal gehst net schon wieder nach einer Woch’.«

Man sah dem Alten an, wie gut ihm die Worte taten, allzu viel Nettigkeiten hatte er in seinem Leben nicht gehört, und jetzt, wo er alt und auf Hilfe angewiesen war, hatte ihn der Sohn seines Bauern hinausgeworfen. Das war zwar schon zwei Jahre her, aber es schmerzte noch wie am ersten Tag.

»Ich hab’ dem Flori gesagt, daß wir zuerst mal eine der Kammern auf den heutigen Garagen herrichten«, berichtete die Luise, »weil er in unseren Privaträumen net wohnen will.«

Die Berger-Heidi sah ihre Schwiegermutter fast ein wenig erschrocken an.

»Du meinst die beiden Holzknecht- und Kutscherkammern?« fragte sie. Dann lachte sie kurz auf. »Ja, wieso sind wir denn net längst darauf gekommen? Die sind doch wunderschön, nur viel Komfort bieten s’ halt net.«

»Auf Komfort wird der Flori net gar so viel Wert legen«, erwiderte Luise.

»Ganz gewiß net«, pflichtete ihr der Alte bei, »ich will euch vor allem keine Umständ’ machen.«

»Du machst keine Umständ’«, erwiderte Heidi, »ganz und gar net. Es ist immer schön gewesen, wenn du da warst. Keiner kann schönere Geschichten erzählen als du.«

Da lachte die Luise. »Das hab’ ich ihm auch schon gesagt. Also, die Laura und ich richten jetzt drüben deine Kammer her und die Heidi gibt dir derweil was zu essen.« Dabei sah sie den Flori ernst an. »Widersprochen wird net.«

Dem alten Senn war es peinlich, als Luise und Laura, die kein Wort gesagt hatte, hinüber zu den Garagen gingen, um eine der darüberliegenden Stuben herzurichten. Er war nämlich nicht gewohnt, daß man etwas für ihn tat, bisher war es üblich gewesen, daß er für andere hatte arbeiten müssen.

Doch dann setzte er sich an den Tisch, und als Heidi ihm eine üppige Brotzeit servierte, wischte er sich verstohlen eine Träne aus den Augenwinkeln. Er redete die ganze Zeit nichts, als wolle er unter keinen Umständen in irgendeiner Weise auffallen. Eines stand fest, das Selbstwertgefühl des alten Florian war total in Unordnung geraten.

Währenddessen richteten Luise und Laura die Kammer über den Garagen her.

»Es ist ja richtig gemütlich hier«, sagte das hübsche Mädchen, dann fragte sie nach dem alten Flori. »Was ist mit ihm, er macht einen so resignierten Eindruck.«

»Genau das ist das richtige Wort, um zu beschreiben, wie man mit ihm verfahren ist«, sagte Luise, dann erzählte sie Laura Floris Geschichte, vergaß auch die anderen beiden Bediensteten nicht zu erwähnen und schloß schließlich, indem sie sagte, daß der Bragner-Andi einen gar nicht so üblen Eindruck mache, wenn er nicht so rigoros darauf aus sei, die alten Leut’ aus dem Bereich seiner Verantwortung zu bekommen.«

»Aber er kann doch keinen Senn’, der über fünfzig Jahr’ für ihn, das heißt, seine Familie gearbeitet hat, so mir nix, dir nix auf die Straße setzen.« Laura schüttelte mit dem Kopf.

»Daß er’s kann, das siehst ja«, erwiderte Luise.

»Hat er denn nie Renten- und andere Versicherungen für die Bediensteten gezahlt?« fragte Laura.

Luise zog die Augenbrauen zusammen, dachte einen kurzen Augenblick nach, dann zuckte sie mit den Schultern.

»Das weiß ich gar net«, sagte sie, »darüber hab’ ich nie nachgedacht.«

»Wenn er gezahlt hat, dann bekommt der Florian Rente«, sagte Laura, »und wenn nicht, dann hat sich dieser Bragner-Andi strafbar gemacht. Das kann ihn teuer zu stehen kommen. Wenn der Flori der Sozialversicherung sagt, was Sache ist, dann…!«

Da lachte die Luise.

»Was gibt’s da zu lachen?« Laura schien ein wenig irritiert zu sein.

»Du meinst, der Flori würd’ den Bragner-Andi anzeigen?« erwiderte Luise.

Laura zuckte mit den Schultern. »Wenn dieser Andi nicht vernünftig ist und seinen Verpflichtungen nachkommt, dann muß man ihn an diese Verpflichtungen erinnern.«

»Oje, Madel«, sagte Luise, »wenn du darauf hoffst, dann kennst die Mentalität eines Menschen wie des alten Florians net. Der würd’ niemals gegen seinen Bauern vorgehen. Das heißt, der Andi ist ja der Sohn seines Bauern. Sein Bauer, der Bragner-Sepp, ist verstorben, und als der Andi Nachfolger wurde, da fing das Elend an.«

»Und da läßt man einen wie diesen Andi einfach davonkommen?« Laura schüttelte den Kopf. »Da denk’ ich anders. Eine Ehre ist die andere wert, hat meine Großmutter mir beigebracht. Dazu gehört, daß nie nur einer zahlt, insgesamt gesehen muß es immer ein reeller Handel sein. Jeder gibt das, was er hat: Der eine Arbeit, der andere Geld. Und beide schulden sich Zuverlässigkeit.«

Die Berger-Luise nickte. »Deine Großmutter ist offensichtlich eine gescheite Frau. Aber leider hält sich der Bragner-Andi net an die Weisheiten deiner Großmutter. Wahrscheinlich kennt er sie gar net mal.«

»Dann sollte man sie ihm schleunigst beibringen«, erwiderte Laura.

Luise lächelte. »Bist du immer so kämpferisch?«

Laura stutzte, ihr war gar nicht aufgefallen, daß sie auf eine besondere Art kämpferisch gewirkt hatte. Dann huschte ein Lächeln um ihre Mundwinkel.

»Kämpferisch bin ich gar nicht«, sagte sie, »viel eher viel zu still.«

»Sagt das auch deine Großmutter?« Luise sah Laura, die besonders hübsch aussah, wenn sie sich ein wenig aufgeregt hatte, fragend an.

Die nickte lächelnd. »Ja, das sagt auch meine Großmutter.«