Eden I - Cat Corres - E-Book

Eden I E-Book

Cat Corres

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Beschreibung

Casedy Miles ist neunzehn Jahre alt, sie arbeitet in einer Vampirbar, und lebt nach dem Unfalltod ihrer Eltern, bei ihrer Grana, Lilith Turner und Victor, dem Vampirzirkelboss, in einem Haus. Auf Ambros herrscht Frieden. Doch der Schein trügt. Eine alte Bedrohung will die Vampire Stürzen und wären da nicht diese seltsamen Flashbacks und Träume, die Casedy dazu zwingen immer tiefer in ihrer Vergangenheit zu suchen, dann wäre sie womöglich eine ganz normale Heranwachsende. Doch ist sie wirklich nur ein einfacher Mensch? Denn menschlich, so wie sie immer gedacht hat zu sein, ist sie am Allerwenigsten. Und wieso verliebt sie sich immer in die falschen Jungs, Vampire. Eine Welt, in der Vampire, Gestaltenwandler, Menschen und Hexen mehr oder weniger in Einklang zusammenleben. Eine Geschichte, die von Verlust, Liebe und Freundschaft erzählt und wo ein gutbehütetes Familiengeheimnis, Casedy Miles bisheriges Leben, völlig aus der Bahn wirft. Erkenne die Gefahren oder lauf vor dir selbst davon.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Eden II fällt
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Eden

I

erwacht

Von Cat Corres

 

 

 

 

 

 

Impressum

© 2025 / Erstauflage

Autorin:

Cat Corres

C/o WirFinden.Es

Naß und Hellie GbR

Kirchgasse 19

65817 Eppstein

ISBN: Print 9783759284778

ISBN: E-Book: 9783759284808

E-Mail: [email protected].

Instagram: @catrin_autorinmithangzumchaos

Illustrationen: Cat Corres

Covergestaltung: @_greenhousegallery

* Für MiA *

Weil ich weiß, es ist nicht immer leicht, die Tochter von mir zu sein. Ich hab dich lieb, deine Mama.

 

EDEN

I

erwacht

 

 

 

 

 

 

 

 

Von Cat Corres

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Buch:

 

Eine Welt, in der Vampire, Gestaltenwandler, Menschen und Hexen mehr oder weniger in Einklang mit und ohne Magie zusammenleben.

Eine Geschichte, die von Verlust, Liebe und Freundschaft erzählt und wo ein gutbehütetes Familiengeheimnis, Casedy Miles bisheriges Leben, völlig aus der Bahn wirft.

Denn menschlich, so wie sie immer gedacht hat zu sein, ist sie, am allerwenigsten.

 

Playlist

Skinny Beats-Give it to me

Ghost Again- Depeche Mode

Space Age Love Song-A flock of Seagulls

Feeling Good-Muse

Forget Sombody-Tom Gregory

Breathe Me- Sia

Just Like Heaven-Rockabye Baby

Hold My Hand-Lady Gaga

Sympath for the Devil-The Rolling Stones

When i Die-Sharon van Etten

Somebody-Keshi

Orange Mountains-Kids return

Little Dance-Neon Dreams

Devil-Two Feet

Ritual-Future Husband

Ranaways-Anais

House on Fire-Mimi Webb

Big City Life-Mattafix

Out of My Mind-Reuben And the Dark

When You´Re Gone

Sunroof-Nicky Youre und Dazy

Vampire-Dominic Flicke

Play with Fire-Nico Santos

Time After Time-Pink (Live)

Forget me-Lewis Capaldi

Dirty Dancing-feat.Asdis-Glockenbach

Good Riddance-Green Day

Face it Alone-Queen

Tell me8feat.Saoirse Ron-Jonny Jewel

At Break of Day-Bonnie Prince Billy

Eliots Song From Euphoria-Dominic Fike und Zendaya

Don´t Fear the reaper Live- Ble Öyster Cult

All ALong the Watchtower- Jimmy Hendrix

Nothing Else Matters-Apocalyptica

Love the way you lie-Braaten

True Colors-Jules Larson

I´m still Standing-Elton John

Forgot How to Love-alle Farbe und Moss Kena

The killing Moon-Echo and the Bunnymen

Grüne Augen lügen nicht-Jeremias

 

 

 

Content Note auf Seite 281

 

 

 

Wer edel ist, den suchet die Gefahr.

Und er suchet sie. So müssen sie sich treffen.

(Johann Wolfgang von Goethe)

-1-

In weiter Ferne zogen sich Gewitterwolken zu einem Regenguss zusammen. Es grollte schon eine ganze Weile. „Eins, zwei, drei.“ Ein Donner folgte und vereinzelte Tropfen klatschten immer schneller und erbarmungsloser gegen die Fensterscheiben. Ich war in ein Buch vertieft und hatte es mir auf meinem Bett gemütlich gemacht, als mein Blick gedankenverloren die Uhr streifte. Ich stöhnte, schüttelte wüst mein Haar und schimpfte, gegen dieses Mistwetters. „Mist Chelly wird mich umbringen“, und schnaubte ärgerlich auf, weil ein kleiner Teil in mir, viel lieber zu Hause weiter herumgammeln wollte als in meinen Wagen zu steigen, um zu meiner besten Hexenfreundin zu fahren. Zum Teufel mit dem heutigen Mittwoch, auch wenn Chellybeetime war, bei dem Wetter sollte man keine Katze freiwillig rausschicken. Versteht mich bitte nicht falsch, ich liebte diese Nachmittage mit meiner liebsten Freundin, ehrlich, doch heute war es ein absoluter Mistmittwoch. Ich war immer noch so wütend auf mich selbst. Ich sollte mich lieber auf andere Dinge konzentrieren, doch eventuell, würde ich meiner Freundin sogar dankbar sein und rappelte mich immer noch grummelnd von der Matratze auf. Kramte schnell ein paar Sachen zusammen und rannte die Treppe runter. Angelte mir beim Vorbeirauschen noch schnell einen Apfel von der Anrichte, als mir Grana kopfschüttelnd hinterherrief: „Himmel, Casedy, ist der Wolf hinter dir her?“

„Nein, nur, Chelly.“

„Ah, Mittwoch, ich vergaß, Liebes, aber vergiss Kev nicht, um fünf musst du aufschließen.“

„Ja ja, geht klar, ich hab alles im Griff, Gran. Bis später, ich habs eilig!“, und Wumms, fiel die Haustüre hinter mir zu. Mit meinem Rucksack überm Kopf, um mich wenigstens ein kleinwenig vor den Tropfen zu schützen, öffnete ich die verrostete Fahrertüre meines alten Chevrolet auf und ließ mich seufzend hinter das Lenkrad sinken. Packen wirs an. Und ein bisschen Sonne wäre jetzt echt schön. Mit Apfel im Mund startete ich den Wagen und wollte gerade auf die Straße Richtung Bruchwald losfahren, als mich ein eisiger Windhauch zum Bremsen zwang. Wie gut, dass ich gerade erst anfahren wollte. Neben mir hatte sich Summer durch das offene Seitenfenster, neben mich, auf den Sitz gepflanzt und grinste mich breit mit einer perfekten Zahnreihe an. Vor lauter Schreck bekam ich einen Hustenanfall und der Apfel landete irgendwo im Fußraum. „Himmel, Summer! Bist du voll irre?“, schimpfte ich zwischen Luftholen und Husten gleichzeitig und zischte die blonde Vampirin wütend an. „Hattest du vor mich umzubringen?“, und schnaubte ein weiteres Mal auf.

Unbeirrt grinste diese immer noch und fuchtelte ergeben mit ihren Armen: „Hey, nur ruhig mit den jungen Ponys.“

„Das heißt Pferde, Summer, aber egal, lassen wir das, was willst du?“

„Na, dich abholen fürs M, Süße oder hast du vergessen, das du heute Aufschließen sollst?“

„Hey, wer ist hier zu früh? Ich bin nicht verwirrt. Erst Grana jetzt du. Außerdem bin ich mit Chelly verabredet, Mittwoch“, und grinste in mich rein, ehe ich weiterredete: „Wenn du magst, kannst du gerne, mitkommen“, biss mir provokant auf die Unterlippe und kannte längst ihre Antwort. Ich hätte ebenso einen Elefanten überreden können, eine Maus zu streicheln.

„Wohoo, vergiss es. Ich wollte dich nur dran erinnern, Süße, am besten kommst du lieber nicht wieder zu spät!“, und Summer hatte schon wieder das Zeitliche gesegnet, ehe ich ihr antworten konnte. Nur wieso Vampire so eine Abneigung gegen Hexen hatten, verstand ich einfach nicht. Seit Jahrhunderten war das schon so und dieser Zustand sollte wohl auch für immer so bleiben, wenn es nach Hexen und Vampiren ging. Ich schaute kopfschüttelnd der imaginären Staubwolke hinterher und bog auf die Buchenstraße ab, die Straße, die auf die Brücke in Richtung Atlasssee führte. Gleich dahinter, lag das alte Anwesen von Chelly und Anthony Higgins. Ich bin wirklich spät dran. „Sei es drum, ich werde es überleben.“

Eine halbe Stunde später, bremste ich mit lauten, quietschenden Reifen, vor der Villa.

Umringt von Trauerweiden und bunten Hortensienbüschen schlängelte sich ein kleiner Kiesweg rauf zum Eingang, der von vier weißen Säulen prunkvoll in Szene gesetzt wurde. Lavendel und Rosmarinbüsche säumten die untere Auffahrt und auf der ersten Stufe stand der Feuerteufel höchstpersönlich, die Hände an die Hüfte gestemmt und funkelte ungeduldig, wie die Zahnfee in meine Richtung. „Verfluchte Scheiße!“, flüsterte ich und gab ein Stoßgebet gen Himmel. Der Scheibenwischer stolperte mittlerweile, über das Glas, weil die Schauer sich längst verzogen hatte. „Ich bin so was von im Arsch.“ Zu spät, wie sich herausstellte. Ich war viel zu spät. Stellte den Motor ab, öffnete die Türe und machte mich auf das Donnerwetter bereit, das just folgte: „Edy! Verdammt und zugenäht, wo bist du gewesen? Es ist bald drei und der Trank muss vor vier fertig sein. Wo bist du nur wieder mit deinen Gedanken?“

„Na hier bei dir, Chellybee“, grinste breit und ließ mich in eine feste Umarmung ziehen. Angewidert hielt sie mich auf Abstand.

„Du riechst, aber seltsam.“ Sie zog ihre Nase kraus und Chellys Lippen erstarrten zu einer dünnen Linie.

Fundsteufel! „Oh, das? Ich hab Summer getroffen. Na, meine Güte, das waren nicht mal fünf Minuten.“ Mit Mühe und Not versuchte ich mich im Zaun zu halten. Diese grundlosen Diskussionen war ich soooo leid und stellte auf Durchzug.

„Du weißt, das ich diese Bitch nicht ausstehen kann, sie ist nun mal nicht lebendig, Süße und ich will nicht, das du verletzt wirst.“

„Boa, das werde ich schon nicht, sie ist voll in Ordnung, ehrlich.“ Am liebsten hätte ich laut aufgeschnaubt mich umgedreht und wieder abgehauen. Doch ihr genauso plötzlicher Stimmungswechsel holte mich auf den Boden zurück. Und dennoch verdrehte ich unmissverständlich die Augen, ließ mich aber dann doch von ihr weiter mitziehen.

„Na komm, lass uns nicht weiter streiten, du bist mir halt wichtig.“

„Ich weiß, du bist mir doch auch wichtig, also was hast du heute vor?“, neugierig hob ich die Nase. In der Küche roch es auf jeden Fall schon mal fantastisch nach Salben, ätherischen Ölen, Thymian und anderen verschiedenen Gewürzen. Chelly hatte schon einige Tiegel, Töpfchen und Schalen auf der Kücheninsel neben dem großen gusseisernen Hexenkessel aufgestellt und zündete rasch die weißen Stabkerzen an, die schon auf dem Pentagramm in Reihe standen.

„Das wird ein Schutzzauber, Edy, und wenn wir danach noch etwas Zeit haben, mach ich dir noch eine Kräutermaske.“

„Das hört sich himmlisch an“, und blickte ergeben hinter Chelly in den Garten.

„Ich brauch allerdings noch ein paar Kräuter, Süße. Liebstöckel, Holunder, Lavendel, ein paar Rosenblätter und eine Handvoll Rosmarin. Bekommst du das hin? Auf dem Tischen findest du einen Korb und eine Schere.“ Ihre Laune hob sich augenblicklich.

„Klar, das mach ich mit links“, und war einen Moment ganz froh darüber, noch ein paar Minuten mit mir alleine sein zu dürfen. Noch ehe ich aus der Küchentür austreten konnte, hielt sie mich noch ein Mal auf, räusperte sich und hob mein Handgelenk mit ihrer Hand in die Luft. Ich zog eine Schnute.

„Wo ist dein Armband, Edy?“ Chellys Miene war nicht zu deuten, ich musste mir schnell etwas ausdenken. Ich hatte keine Ahnung.

„Ich hab das wohl in der Eile nach dem Duschen vergessen“, log ich und schloss kurz die Augen. Meine Freundin sollte nicht sehen, dass ich Mühe hatte, mich zu konzentrieren. Denn ich wusste ganz genau, wo das Armband lag. Und schluckte.

„Es liegt im Bad, Chelly. Ich werde es gleich anlegen, wenn ich zurückkomme, versprochen.“

„Typisch, aber nicht nötig, ich hab noch eines hier, geh du nur die Kräuter schneiden, ich bin gleich wieder da.“ Ich konnte Chelly an ihrer Mimik ablesen, dass sie nicht sonderlich begeistert war. Aber sie war nun mal nicht meine, Grana. Zudem verstand ich nicht, wieso sie immer darauf bestand, dass ich dieses dämliche Armband trug? Den Kloß in meinem Hals versuchte ich zu ignorieren und streifte durch den hiesigen Garten. Er war wunderbar angelegt. Mit dem alten Baumbestand und den Heil- und Giftpflanzen. Hier in der Gegend war das schon eine Rarität.

Die Sonne stahl sich durch die tiefhängende Wolkendecke. Es roch nach frischem Gras und wenn ich die Augen fest verschloss, hörte man das leise Geflüster der Alraunen. Ein richtiger Hexengarten eben. Und Chelly, war eine besonders tüchtige.

„Casedy, wo bleibst du denn?“, holte Chelly mich aus den Gedanken. Himmel, was war nur los mit mir? So langsam, sollte ich mir Gedanken machen, ob das alles wirklich noch gesund für mich war.

„Hier, sorry, ich hab geträumt.“

„Nun, das sehe ich, mit dir ist aber doch alles im Reinen oder nicht?“, besorgt streifte die Hexe meine Wangen und runzelte die Stirn. „Hier, ich hab noch ein Mondsteinarmband gefunden. Zieh es bitte nicht mehr aus, versprich mir das!“, eindringlich kamen ihre Worte, doch nur stumm konnte ich nicken. Wenn sie den wahren Grund erfahren würde, wo das dämliche Armband lag, wäre sie wohl noch mehr stinkewütend gewesen, daher bevorzugte ich lieber zu schweigen. Ich wollte sie nicht noch mehr verärgern. Schnell streifte ich das Edelsteinband über die Hand und spürte ebenso, wie mich eine Welle aus warmen Feuerzungen erfasste. „So, nun bist du wieder sicher.“

„Danke, Chellybee.“

„Nun, lass uns endlich anfangen. Genug Zeit vergeudet, nimm meine Hand und sprich mir nach ...“

Das alte und schwere Grimoire, das sie von ihrer Großtante Elenore Hopper vererbt bekommen hatte, umfasste mehr als viertausend Zaubersprüche. Und noch mehr Texte und alte Schriften, die in einem Antiquariat mit Sicherheit sehr viel Geld eingebracht hätte. Chelly hütete das Buch der sieben Schwestern, wie ein sagenumwobener Schatz. Auch wenn es in New Eden, wo wir uns befanden, nicht mehr allzu viele Hexen gab, tat sie alles, damit ihre Bräuche und Rituale nicht in Vergessenheit gerieten. Ich war ihr für vieles dankbar. Hatte sie mich nicht nur heute wieder ein Mal aus meinem Liebeskummerschmerz herausgeholt. Vermutlich war ich für die Einzigwahreliebe nicht sonderlich gut geeignet.

Der Schutzzauber wurde neu entfacht und nachdem mir Chelly eine Kräutermaske verpasst hatte, lag ich nun zum Entspannen auf dem Küchentisch. Doch mit der Entspannung war es schlagartig vorbei, als mein Blick die Küchenuhr streifte. Was hatte diese blöde Zeit heute nur mit mir? Vor lauter Schreck flog meine Gesichtsmaske auf den Steinboden.

„Mist, ich muss los, Chelly. Ich muss das Martins heute aufschließen“, und hüpfte schon vom Küchentisch herunter und wusch mir das Gesicht grob mit einem Handtuch sauber. Kev würde nicht erfreut sein. Schnell küsste ich Chelly zum Abschied auf ihre Wangen und stürmte schon zur Haustüre raus. „Grüß Tony von mir. Und sorry, das holen wir nochmal nach, in Ruhe, okay?“

„Lass dich nicht beißen. Bis nächste Woche.“ Ich musste mich beherrschen nicht noch etwas Falsches zu sagen. Wurde ihr das nicht langsam zu wider? Jede Woche denselben Spruch vom Stapel zu lassen? Mit staubaufwirbelden Reifen bog ich von der Einfahrt, auf die Straße ab und gab Vollgas.

-2-

Nur gut, dass es von Chelly aus keine lange Fahrt war. „Wohl mehr Glück als Verstand“, nuschelte ich gedankenverloren und sah mich um, als der Wagen in den Hinterhof des Martin´s auffuhr. Mmmm, kein weiteres Fahrzeug, noch die Maschine von meinem Chef waren zu sehen. „Puh, na dann mal nix wie rein in die gute Stube“, zog den Zündschlüssel aus dem Schloss und schlenderte zur Hintertüre. Kaum hatte ich die Türe aufgestoßen, lief ich in Holly Grimes Arme. Meine Arbeitskollegin.

„Hey, gut das du da bist, Kev hat Übelstschlechtelaune. Und wie siehst du überhaupt aus? Komm, ich lass mir schnell was einfallen.“ Völlig überrumpelt ließ ich mich von meiner Kollegin mitschleifen. Ich liebte ihre schräge Art, und wie ihr pechschwarzes Haar, mit jeder Bewegung, die sie tat, hin und her schwingte. Aber was sie an meinem Aussehen störte, verstand ich nicht im Geringsten.

„Wieso ist Kev schon da?“

„Ein Lieferant ist abgesprungen und jetzt haben wir zu wenig Blutstripes und Bier und Wodka“, sprudelte sie weiter. Ah, daher wehte also der Wind, es hatte mit meinem zu spät kommen nichts zu tun, vielmehr musste er sauer sein, weil er dennoch früher hier sein musste, wegen der fehlenden Bestellung. „Hier, zieh das an.“ Holly warf mir eines von Kevs Arbeitshirts rüber. Ich fing es auf, es war viel zu groß, aber um noch einmal nach Hause zu fahren, fehlte mir die Zeit. Zudem roch es nach, Kevins Aftershave. Grundgenug also es anzuziehen. Das rote Logo, der Schriftzug Martin´s blitzte in meinem Augenwinkel auf. Mist, doch Kev hatte mich bereits entdeckt und kam zielstrebig auf mich zugeschossen.

„Grundgütiger, Casedy, wieso stinkst du so abscheulich und wieso trägst du wieder eines meiner Shirts?“

Verstohlen biss ich mir auf die Unterlippe.

„Ähm, ich wasch das sofort ab, sorry, kommt nicht mehr vor, aber die Zeit war knapp“, und fing an, unbeholfen mit einem feuchten Küchentuch, den Rest der Tinkturen aus meinem Gesicht, zu rubbeln. Ich fand, es roch fantastisch, nun, aber die Nase von einem Vampir war durchaus feiner, viel feiner, um genau zu sein. Da konnte weder Holly noch ich etwas dran ändern. Wenn es für uns nach Blumen duftete, konnte es für die Blutsauger, nach vermoderter Butter müffeln. Bei dem Gedanken musste ich mir das Lachen verkneifen. Kev wollte ich bei besten Willen nicht noch mehr verärgern. Und als Holly mir die Haare nach ihrem Geschmack arbeitstauglich fertig gestylt hatte und ich mir sicher war, dass ich nicht mehr unsittlich stank, nahm ich den Weg direkt in die Bar.

„Schon viel besser“, streifte mich Kevs Nase an der Stirn und er stieß die Schwenktüre in den Keller auf.

„Da bin ich ja heil froh!“, sprach ich sehr leise, doch nicht leise genug.

„Das hab ich gehört, Edy!“, und ich spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht schoss. Puh, das war kein guter Start heute. Zudem war der Laden schon gerappelvoll, ich nahm die erste Bestellung auf und fing an die Cosmos mit Schuss für zwei junge Vampirinnen zu mixen. Abschätzend kam ihr Blick, als ich das Getränk vor ihnen auf die Theke abstellte. „Bitte schön, die Damen, der Erste geht aufs Haus. Kev hat heute seine Spendierhosen an“, wusste ich, dass mein Brötchengeber, sich gerade seinen Nachtisch auserwählt hatte und grinste vor mich hin. Wenn ich doch nur in Kevs Liga spielen würde.

Himmellotte, dieser Mann war eine sehr kolossale Erscheinung. Gut trainierte Arme, verschmitztes Lächeln, aber was dachte ich denn da? Bullshit. Ich hatte einfach nur Pech mit meiner Herrenauswahl. „Ach, was solls!“, räusperte mich kurz und nahm die nächste Getränkebestellung auf. Ich war froh um diese Ablenkung. Hier fühlte ich mich wohl, Holly und ich genossen unseren Sonderstatus, denn das gewöhnliche Menschen in einer reinen Vampirbar kellnerten, hatten wir nur Summer zu verdanken.

Kaum hatte ich den Gedanken zu Ende gedacht, betraten drei Vampire das Martin´s. Summer, Lenny und ein Vampir, dem ich lieber für den Rest meines Lebens aus dem Weg gehen wollte. Alle drei nahmen vor der Theke auf den Barhockern Platz. Summer beugte sich über den Tresen zu mir herüber und begrüßte mich mit einem entschuldigen Lächeln auf den Lippen.

„Casedy, tut mir echt leid, er hat sich nicht abwimmeln lassen. Sorry, Kleines.“

„Ich werde es überleben, womöglich, wie immer.“ Die Vampirin nickte versonnen und ließ sich von Lenny in eine feste Umarmung ziehen.

„Schön dich zu sehen, Casedy, gibts schon Blutstripes gekühlt?“, kam es von Lenny, der mich überschwänglich begrüßte und mich fast über die Theke dabei zu sich hochgezogen hatte. Ich drückte mich von ihm los und beugte mich hinunter.

„Dito, klar, hier fang!“, und ich warf einen Blutstripeskatheder aus dem Kühlschrank unter mir, dem Vampir entgegen. Dann wurde die kurze auffrischende Stimmung allerdings unerträglich. Denn der Vampir, den Summer und Lenny im Schlepptau hatten, war mein persönlicher Albtraum. Dabei lief es zu Anfang gar nicht mal so übel.

„Hey, Cass!“

„Noah!“ Ohne dabei aufzusehen, stellte ich ein Bier erst vor Lenny und dann vor seinem Kumpel ab und wuselte unter Herzrasen auf die andere Seite des Tresens. Wie gut, dass heute viel los war. Kev kam schon mit Nachschub aus dem Keller zurück und sah mich besorgt an.

„Ich schmeiß ihn raus, wenn du willst.“

„Das ist nett, aber nicht nötig. Ich schaff das, ehrlich.“ Kev legte den Kopf schräg, um an meinem Gesicht vorbeisehen zu können, und taxierte den Grund für meinen Liebeskummer, mit düsteren Blicken. „Hey, das ist mir bewusst, Süße, aber komm auf mein Angebot gerne zurück, er weiß, das er nur geduldet ist.“

„Auch das ist mir bewusst, Kev. Danke.“

Ich wusste, wie gern Vampire ihre Machtkämpfe ausübten. Nur war ich nicht das richtige Mädchen, um das man sich schlagen sollte. Er war nur, meine erste, große Liebe, so dachte ich zumindest, und es war schwer genug, mit den Konsequenzen klarzukommen. Vor allem, wenn man wusste, dass diese Liebe nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. Ich wollte kein Zeitvertreib sein, auch wenn ich wusste, es hätte nie so weit kommen dürfen. Egal, es war vorbei und ich war wieder frei. Frei war ich auch schon vorher, wir waren ja nie wirklich zusammen gewesen.

Es versprach eine lange Nacht zu werden. Nervös schluckte ich den Kloß in meinem Hals herunter, schnappte mir ein Schnapsglas von der Spüle und füllte es mit einer braunkaramellfarbigen Flüssigkeit und prostete mir innerlich zu.

„Zeigen wir´s dem Kerl!“, mischte sich Holly in meine Gedanken und zwinkerte mir aufmunternd zu. „Du hast etwas Besseres verdient, sei froh, dass du ihn los bist.“

„Mein Reden. Prost“, und der zweite Schnaps folgte. Die restliche Schicht verlief unspektakulär. Außer Blicke, denen ich kaum Standhalten vermochte, war ich froh, als im Morgengrauen, die letzten Gäste aus der Bar verschwunden waren. „Puh, bin ich fertig für heute. Nur gut, dass ich erst morgen Abend wieder arbeiten muss“, gähnte dabei auf und schwang den Putzlappen über die verklebte Thekenoberfläche.

„Ich dachte, du kommst noch auf nen Feierabendtrunk mit zu Enid rüber, wir haben uns so lange nicht blicken lassen.“ Holly zog schon eine Schnute. Aber für heute hatte ich wirklich Alkohol, Vampirmänner, vor allem Männer, genug. Ich wollte einfach in mein Bett schlüpfen und schlafen.

„Morgen, ja? Das Noxxys läuft uns nicht davon und Enid wird es uns nicht übelnehmen. Sie hat bestimmt längst die Schotten dicht gemacht.“ Mein Blick ging zum Frontfenster, das mit einer speziellen lichtundurchlässigen Farbe eingepinselt worden war. „Außerdem geht die Sonne schon auf, schau“, und nickte zu den kaum sichtbaren, dünnen Rissen auf der Glasfarbe, die das Licht nur minimal durchblitzen ließen.

„Nah schön, wie du willst, ich bring den Müll noch raus, komm gut heim“, rief Holly noch einen Luftkuss mir zuwerfend zu und verschwand pfeifend zum Hinterausgang. Ich räumte noch etwas auf und machte mich dann auch auf den Weg nach draußen. Von unten aus den Kellergewölben, drang leises Stöhnen zu mir rauf. Himmel! Keinen Anstand.

„BIS MORGEN ABEND!“, rief ich extra lauter der verschlossenen Türe entgegen und verdrehte dabei trotzdem genervt die Augen. So verdammt und schonungslos und schloss kopfschüttelnd die Türe zum Hinterhof ab. Wenigstens Kev hatte, was er wollte. Todmüde stieg ich in meinen Wagen und ließ ein letztes Mal laut den Motor aufheulen.

-3-

Weit kam ich allerdings nicht, denn als mein Chevy auf die lange Schnellstraße mit der alten Buchenallee einbog, stand eine Gestalt mitten auf der Fahrbahn und taxierte mich mit einem undefinierbaren Blick. Mein Herz begann zu rasen und ich spürte, wie mir der Schweiß ausbrach. Bitte nicht! Dennoch wurde ich auf der Stelle langsamer und kam nur Millimeter vor meinem Albtraum zum Stehen. Nur der Motor vibrierte leise. Warum verdammt hatte ich die Fenster offengelassen? Sie jetzt zu schließen, hätte eh keinen Sinn gebracht, bei meinem Reaktionsvermögen.

Na fabelhaft! Zudem erschwerteNoahs Allgegenwärtigkeit mir plötzlich das Atmen. Nicht mal meine Gefühle konnte ich verstecken. Das war erbärmlich. Angestrengt schloss ich die Augen und hielt immer noch das Lenkrad fest umklammert, sodass sich die Knöchel schon ungesund verfärbten und knirschte mit den Zähnen. Als ich die Augen wieder öffnete, saß Noah neben mir und baumelte mit meinem Armband, das er zwischen seinen Fingern hin und her wippte, vor meinem Gesicht herum. Seine Lippen umspielten ein überhebliches Grinsen.

„Das hast du vergessen.“ Sein Blick, der folgte, war jedoch nicht zu deuten. Bereute er etwa, was er getan hatte? Mmmm, offensichtlich, machte ihm meine Art ihm zu sagen, verpiss dich, doch zu schaffen. Diese Seite war mir neu, besonders bei einem Vampir. Ich musste Luft holen und verschluckte mich fast an meiner eigenen Spucke. Himmel, peinlicher konnte dieser einmalige Zusammenstoß nicht mehr werden. Doch konnte er. Ich schlug mich ganz gut, wie ich fand und ließ mich verkrampft auf meinen Mund küssen. So fest ich konnte, presste ich die Lippen dabei zusammen. Auf keinen Fall gebe ich nach. Ein bisschen? Ein klein bisschen. Ach Fuck, Cassy, du bist im Arsch! Und meine Haltung gab kleinbei. Ich verfluchte diesen Vampir.

Noahs Lippen verzogen sich minimal zu einem Lächeln. „Geht doch.“

Überheblich, wie immer dieser, dieser, ah, Blödmann Arsch von einem Vampir! Und normalerweise wäre hier der richtige Zeitpunkt gewesen auszusteigen, nur das es mein Wagen war und ich nicht die Kraft besaß, dem Vampir die nötige Parole zu bieten. Mit noch einer minimalen Selbstwürde schob ich den Vampir von mir.

„Ich denke, du solltest jetzt gehen“, zog tief die Luft ein und spürte, wie Noahs kühle Hand unter mein Shirt auf den Rücken wanderte. „Bitte.“ Mein Herz galoppierte mittlerweile, doch er hatte verstanden, küsste meine Stirn und nur einen Wimpernschlag später, saß ich wieder allein in meinem Chevy. Dennoch zitterte ich am ganzen Körper. Ich hasse dich! Hasse, hasse, hasse dich. So wird das nie was. Warum musste ich mir auch immer die komplizierten Typen raussuchen? Frustriert stieß ich die Luft aus. Ambros war einfach nicht groß genug, um ihn aus dem Weg zu gehen.

Während der restlichen Fahrt sah ich immer wieder in den Rückspiegel. Doch Noah hatte zum Glück das Interesse verloren. Für heute zumindest. Erschlagen bremste ich den Wagen vor dem Haus meiner Großeltern ab und döste einen momentlang, mit dem Kopf, auf meinem Lenkrad. Ich musste mich erst beruhigen, ehe ich reingehen konnte. Grana machte sich eh schon genug Sorgen um mich. Dabei war ich eigentlich eine vorzeigbare Enkelin. Einige Minuten der Stille folgten. Und doch raffte ich mich auf und schlurfte auf die Veranda. Zu meiner Überraschung war es seelenruhig im Haus, als ich die Türe aufschloss. Jedoch keinesfalls ungewöhnlich, denn die beiden gingen gerne zusammen und ausgiebig spazieren. Auch wenn Victor Mayson nicht mit mir verwandt war, weil er ein Vampir und dazu einer der einflussreichsten in Eden und Umgebung war, liebten sie mich beide, als wäre ich hier geboren. Victor war der Clanchef von den Engeln der Nacht. Kurz: Eden. So wie sich die Vampirzirkel auf Ambros nannten. Für mich war es nichts Ungewöhnliches, dass Menschen und Vampire eng miteinander lebten, sich liebten und zusammen wohnten. Nicht alle teilten diese Liebe offen und nicht alle mochten Vampire. Das war normal. Mir war es egal. Ich kannte es nicht anders. Hauptsache, ich landete nicht auf irgendeinen Küchentisch als Dessert. Bei dem Gedanken musste ich unweigerlich auflachen. Hatte ich nicht gestern erst noch auf Chellys Küchentisch mit Kräutertinktur gelegen? Chellybee war ja auch kein Vampir. Nein das war sie wirklich nicht. Gähnend rieb ich mir die Augen. Wenn ich so darüber nachdachte, wusste ich von meiner Herkunft eigentlich viel zu wenig. Meinen richtigen Großvater hatte ich nie kennengelernt und auch im Haus war kein Bild oder dergleichen vorhanden. Er lag schon seit etlichen Jahren auf dem Friedhof von Green Town.

Ich selbst war nicht in Eden geboren worden, sondern kam nach dem Unfalltod meiner Eltern von Portas Küste hierher. Es war schwer, an die Vergangenheit zu denken. Vor allem nach dem Vorfall in der Nacht, als meine Eltern starben. Ich konnte mich nicht mehr an alle Details erinnern, dafür war ich einfach noch zu klein gewesen. Außer dass man mich von meinem Bruder fernhalten wollte, wusste ich kaum noch etwas aus dieser Nacht. Ihn brachte man, so wurde es mir zumindest immer erzählt, in eine Einrichtung für schwer erziehbare Jugendliche. Ich glaubte nicht wirklich daran. Auch wenn die Erinnerungen sehr blass waren, musste noch etwas anderes passiert sein. Die Umstände wurden einfach totgeschwiegen und mich brachte man zu der einzigen Verwandten, die wir noch hatten. Zu meiner Grana, Lilith Turner.

Grana kannte ich bis dato nur von Bildern her. Ab und zu war eine Karte mal zu Weihnachten und ein Päckchen an Geburtstagen angekommen. Und trotzdem fand ich nach allem, was passiert war schnell Anschluss und Freunde, die mich immer weniger an die Vergangenheit, denken ließen. Auch wenn die Hälfte von ihnen Untote waren, fühlte ich mich unter ihnen angenommen. Von meinem Bruder Nolan hatte ich nie wieder etwas gehört. Ob er noch lebte, wusste ich ebenso wenig. Grana ließ das Thema meistens aus, wenn ich etwas über unsere Familie wissen wollte. Ich war auf den Tag X gespannt, denn irgendwann musste sie es mir erzählen. Spätestens dann, wenn sie sterben würde. Bevor Victor mit ihr zum Fluss der Unendlichkeit gehen würde, um sie zu verwandeln. Ich wollte doch nur wissen, wo ich herkam, wo meine Wurzeln lagen.

Müde streifte mein Blick die Wände. Diese Gedanken kamen nicht häufig, aber sie ließen sich auch nicht leugnen. Ich wusste nicht, ob ich mich aus Liebe verwandeln lassen würde. Die Vorstellung allein fand ich auf der einen Seite sehr faszinierend, doch auf der anderen Seite hatte ich viel zu großen Schiss. Nun, ich müsste wohl erst einmal die große Liebe finden. Irgendwann. Wenn es sie überhaupt für mich gibt, die Liebe. Momentan verkümmert die eher, als das sie aufleben kann.

Ein flüchtiger Blick in die Küche. „Mmmm, alles ausgeflogen.“ Schlafen war jetzt meinewichtigste Option, man sollte nicht zu tief in der Vergangenheit wühlen, meinte Summer immer, aber, dass da irgendetwas sein musste, machte mich einfach rastlos. Was war in unserer Vergangenheit so Grausames passiert, dass man nicht darüber sprechen wollte? Alles konnte man von mir auch nicht mehr fernhalten, ich war keine vier mehr.

Ich ließ die Küche links liegen und erklomm die Treppe. Warum musste ich mich ausgerechnet heute wieder daran erinnern? Mein Leben war schon so nicht einfach. Eigentlich war ich eine ganz normale Neunzehnjährige mit menschlichen Bedürfnissen und ja, vielleicht lag es auch irgendwie in der Familie, dass ich keine normalen Freunde hatte. Irgendwoher musste ich diese Vorliebe ja herhaben. Ein müdes Lächeln sah mich im Badezimmerspiegel an. Warum waren sie überhaupt für unseren Schutz da? Das hatte ich nie verstanden. Vampire, Wandler und Menschen, aber auch andere Wesen lebten schon immer hier, auf Ambros. Es war nichts Komisches daran. Mit kleinen Aufmerksamkeiten und freiwilligen Blutspenden war es für mich völlig normal, mit gefährlichen Geschöpfen aufzuwachsen und zu arbeiten. Menschen waren auch nicht immer Unschuldslämmer, im Gegenteil. In den Chroniken unserer Welt lernten wir in der Schule viele boshafte Menschen kennen, da war der Todesbiss noch harmlos gegen. Jeder hatte ein Revier und alle hielten sich an die Gesetze.

Müde gähnte ich auf, spritzte mir ein paar Wassertropfen ins Gesicht, knipste die Lampe aus und schlurfte in mein Reich. Auf dem Weg zum Bett zog ich mir beim Laufen die Stiefel und Jeans aus und ließ mich quer auf die Matratze fallen. Das letzte Bild der Erinnerung schob sich in meinen Kopf. Ein starrer Blick, gelber Augen.

 

Wenn die Liebe dir winkt, folge ihr, sind ihre Wege auch schwer und steil. Und wenn ihre Flügel dich umhüllen, gib dich ihr nicht hin, auch wenn das unterm Gefieder versteckte Schwert dich verwunden kann. Und wenn sie zu dir spricht, glaube an sie, auch wenn ihre Stimme deine Träume zerschmettern kann wie der Nordwind, den Garten verwüstet.

(Khalil Gibran der Prophet)

-4-

Als ich am Mittag die Augen aufmachte, schien die Sonne auf die Bettdecke. Die Gardine bewegte sich leicht im Wind. Das Fenster stand sperrangelweit offen. Mit Argwohn sah ich mich im Zimmer um und runzelte die Stirn. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich das Fenster nicht geöffnet hatte. Unsicher wurde mein Blick. Nicht, dass Noah doch noch hergekommen war. Ohne Einladung war es ein Unding. Aber wir spielten eh nicht nach den Regeln, daher würde es mich nicht wundern. Doch zu meiner Erleichterung war ich allein. Mit Blick auf den kleinen Beistelltisch registrierte ich, dass neben meinem Wecker, ein Zettel lag. Ich hangelte mit den Fingern hin und faltete das Stück Papier auseinander.

Komm um vier zum Atlasssee.

Müssen reden.

Noah

Dieser Mistkerl. Klar. Und warum sollte ich ausgerechnet auf diese blöde Nachricht reagieren? Ich hatte ganz andere Dinge zu tun. Und da kam kein Noah vor. Zumindest war ich mir mal einig. Auch wenn die Verlockung groß war, sollte dieser Idiot von einem Vampir mir gehörig am Arsch vorbeigehen. In Wahrheit tat er alles andere, nur das nicht, was mit Sicherheit, klüger gewesen wäre. Ob ich mir selbst damit schadete? Natürlich, es war offensichtlich, dass ich mir selbst damit keinen Gefallen tat. Aber manchmal musste man wohl eben das genaue Gegenteil tun, um glücklich zu werden.

„Cassy! Bist du schon auf?“, dröhnte die Stimme von Grana hinauf. Victor hatte meinen tiefen Atemseufzer wohl gehört. Ab und an verabscheute ich diese Vampirfähigkeiten.

„Gibt mir fünf Minuten, ja?“, redete ich in Zimmerlautstärke und schälte mich aus meiner Bettdecke. Ich erledigte die Dinge, die ein Mensch nun mal so machte, und schlurfte wenig später die Treppe runter in die Küche. Victor goss sich gerade eine Tasse mit Kaffee ein und stellte sie ohne Kommentar auf der Theke ab, die den Wohnbereich zum Flur trennte. Sein Blick schien mich zu lesen und er räusperte sich.

„Es kommen auch wieder bessere Zeiten.“

„Wenn du das sagst, wird es wohl stimmen.“ Der Sarkasmus in meiner Stimme war volle Absicht gewesen. Und ich trank einen großen Schluck. Spuckte den Inhalt nur gleich wieder in die Tasse zurück. „Das ist aber kein Kaffee“, stellte ich mit verzerrte Miene fest und füllte mir ein Glas mit Wasser aus dem Kran.

„Oh, ich hab die Kannen vertauscht.“ Grana lachte laut und biss sich ertappt auf die Unterlippe. Victors Blick sah mich entschuldigend an.

„Das Em ist ne neue Eigenkreation. Warmes Blut auf Apfelrettisch und einen Schuss Kaffee.“

„Ist ja widerlich!“, würgte ich den abscheulichen Geschmack immer noch herunter. Was Lilith allerdings daran so komisch fand, verstand ich nicht. Seit geraumer Zeit benahm sie sich seltsam. Sollte das ein Test werden, ob ich noch menschlich war? Oder wieso veranstaltete sie nicht gleich einen Basar, an heiratswütigen, jungen Männern, auf der Terrasse? Mit mir war alles in Ordnung, ehrlich. Ich hatte beide wirklich schrecklich gern, aber sie spürten beide, dass sie nicht mehr die Jüngsten waren und mich wohl gut aufgehoben wissen wollten, wenn. Der Gedanken war absurd. Victor mit seinen gutgesetzten Fünfzigern sah man die Zeit nicht an. Ich kannte ihn fast mein ganzes Leben lang, da übersah man wohl das offensichtliche manchmal. Grana hatte in letzter Zeit körperlich abgebaut. Doch die beiden so innig und engumschlungen im offenen Türrahmen zu betrachten, ließ mein Herz minimal reißen.

„Ich bin gleich noch mal weg. Ihr habt also freie Bahn“, zwinkerte ich leicht rotwerdend und machte, das ich aus dem Haus kam.

„Lass dich nicht unterkriegen.“

„Ach, lass Cassy, sie weiß schon, was sie tut.“

„Ich kann euch immer noch hören“, rief ich hinter vorgehaltener Hand und ließ die Haustüre ins Schloss fallen. Wieso waren Erwachsene immer so, fürsorglich? Ich wusste allerdings, dass es auch anders ging, und nicht jede Heranwachsende diese Option hatte, noch im wohlbehütenden Haus wohnen zu können. Gut mit neunzehn war ich wohl ein Nesthocker, denn die meisten meiner Altersgenossen lebten längst in eigenen kleinen Wohnungen oder arbeiteten im Steinbruch, neben der Wolfsschlucht. Meine Ausrede war, dass sich jemand um Grana kümmern musste, später mal. Auch dieser Gedanke war völlig abstrus. Grana würde ohne mich klarkommen, sie hatte Victor. Und bald würde ihr die Zeit ebenso wenig, wie gar nichts mehr anhaben können, ich hatte wohl eher Angst vor dem allein sein. Ich schluckte die bittere Wahrheit herunter. Summer hatte recht, ich sollte die Schatten endlich rauslassen und Leben. Die Sonne schien, ich hatte frei und ein nicht Date wartete. Casedy, mit dir stimmt etwas ganz und gar nicht. Der winzige, klügere, Teil wollte umkehren, der andere stritt sich, mit meinen kognitiven Fähigkeiten, den Wagen ordentlich auf der Straße zu halten. Es war eine ziemlich dumme Idee, hier raus zu fahren. Vor allem alleine. Der Atlasssee lag zwischen Green-Town und dem Bruchwald und endete auf der anderen Seite, fast in Chellys Garten. Vor allem heute und die nächsten vier Nächte sollte man den Bruchwald, wenn möglich besser meiden. Das wusste jedes Kind, jeder Vampir und jeder Nachtalb. Aber es war Tag und man hatte mich immer nur vor den Nächten gewarnt. Natürlich machten wir uns als Kinder eher einen Spaß aus dem Verbot.

Da gab es Mutproben, die an einer Lichtung oder Abzweigung abgehalten wurden, dort musste man sich in der Mitte mit verbundenen Augen hinstellen, und eine Stunde nach Mitternacht warten, auf das, was da kommen sollte. Es war nie etwas Ungewöhnliches passiert, außer, dass wir uns fast in die Hosen geschissen hatten. Ich wusste, dass wir sicher waren. Der Schutz der Engel der Nacht griff hier und außerdem, was sollte hier schon groß passieren, es war die meiste Zeit über eher totenlangweilig. Was für ein Wortspiel. Das einzige Highlight, das es gab, war das jährlich stattfindende Lichtfest zu Halloween mit Kürbissen, das die Hexen bei ihrer Ankunft auf Ambros ins Leben gerufen hatten. Chelly liebte diese Nacht, doch bis dahin waren es noch einige, lange Monate.

Es war angenehm warm, als ich aus dem Chevy ausstieg und mich links hielt, immer am Ufer entlang. Rechts lag der Bruchwald, düster, herrisch und wunderschön. Die Sonnenstrahlen fielen kaum bis auf den Boden, so dicht, war das Blätter und Nadeldach. Schatten tanzten neben mir her, von überall hörte ich Summen und leises Knacken. Und dann, war da noch etwas anderes. Unbehagen kroch meinen Nacken hinauf, denn ich fühlte mich plötzlich beobachtet.

„Noah, das ist nicht witzig!“, versuchte ich die seltsame Stimmung zu durchbrechen, indem ich anfing ein Lied vor mich her zu summen, und weil ich keine Antwort bekommen hatte. Stattdessen schoben sich wieder gelbe, durchdringende Augen in mein Gedankenfeld. Wieso hatte ich diese Erinnerung ständig? Auch wenn diese Augen mir nicht wirklich Angst einjagten, taten sie es jetzt in dieser Situation schon. Ich schüttelte mich. Es ist alles gut, sprach ich mir innerlich Mut zu, denn als ich den Wald hinter mir gelassen hatte, verschwand auch das Gefühl beobachtet zu werden einfach so.

Unten an der kleinen Bucht wartete bereits der Vampir, dem ich doch lieber aus dem Weg gehen sollte. Mit hochgekrempelten Jeanshosen und mit den Füßen im Wasser genoss er offensichtlich die Stille um sich. Er hatte Glück, dass die Berge den nötigen Schatten boten, sonst wäre er jetzt gebrutzelter Noah am Spieß. Auch wenn die Sonne ihn nicht unbedingt umbringen würde. Ich musste augenblicklich auflachen und gab meine Tarnung somit auf. Hatte er mich doch längst meilenweit gewittert.

„Hey Schöne, Casedy, was amüsiert dich denn so? Doch nicht etwa meine Wenigkeit?“

„Ach, nicht so wichtig. Nur gut, dass du im Schatten sitzt.“ Ich schloss kopfschüttelnd die Augen. Das Bild werde ich wohl nie wieder los undgab mir einen Ruck. Ich bin nicht hier, um zu flirten, nahm einen tiefen Atemzug und schloss schnell zu Noah auf, der sich jetzt in voller Lebensgröße in mein Blickfeld schob.

-5-

Noahs Lippen legten sich verheißungsvoll auf meine und er zog mich am Nacken und an der Hüfte zärtlich zu sich heran. Das war der Noah, den ich liebte. Ein minikleiner Teil meines Herzens schrie mich aus voller Verzweiflung an. Tu das nicht Cassy! Du weißt, dass er dich nicht wirklich liebt!

Aber!

Nichts, aber du weißt, was er vorletztes Wochenende getan hat, und du bist feige und sprichst ihn nicht einmal darauf an!

„Was ist los! Cass? Du bist nicht wirklich bei der Sache, hu?“ Und ich war wieder voll in der Gegenwart. Schubste den Vampir von mir weg, nicht dass ich die nötige Kraft dazu gehabt hätte, aber ich war aufgebracht. Dennoch froh, dass er seine offensichtliche Überlegenheit mir gegenüber nicht ausnutzte.

„Wolltest du nicht reden?“, reden war noch nie seine Stärke, und drehte mich schon wieder, um zu verschwinden, als er mich in Vampirgeschwindigkeit umrundete und ich mit voller Wucht in ihn knallte. Pure Berechnung, Blödmann! Seine Hände hielten mich an den Schultern fest und er sah zu mir hinunter. Er versuchte offensichtlich, zu verstehen, warum ich so reagierte, und weichte kläglich seinem wüsten Blick aus. So im nach hinein, kam ich mir völlig albern vor. Aber gegen Noah war ich noch nie bei klaren Verstand. Im Grunde waren wir auch nie wirklich zusammen gewesen. Er war frei, ich war frei. Ich hatte also keinen Grund, eifersüchtig zu sein, und dennoch war ich es mit jeder Faser meines Körpers.

„Du hast dich in mich verliebt, Cass, aber es tut mir leid. So bin ich nicht, das wusstest du und ich werde auch niemals so sein, so wie du es dir wünschst. Das mit uns ist ...“

„Ist was?“, wollte ich störrisch wissen. Dem Vampir fielen ein paar dunkelbraune Haarsträhnen ins Gesicht und er zog scharf die Luft ein, ehe er fahrig mit einer Hand die losen Haare wieder nach hinten schob. Er hielt mich immer noch fest. Sonst wäre ich längst davongerannt. Scheiße verdammt!

„Ich dachte, das mit uns wär ein kleiner Zeitvertreib, wenn du Bock hast oder ich, die Einsamkeit zu teilen, du verstehst?“

„Zeitvertreib, ok“, trotzig zog ich die Lippe vor und zog eine Schnute. Es sollte mich nicht jucken, aber es tat trotzdem verdammt weh.

---ENDE DER LESEPROBE---