Ein Hauch von Seele - Sandra Busch - E-Book

Ein Hauch von Seele E-Book

Sandra Busch

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Beschreibung

Dämonen jagen ist anstrengend. Vor allem für Jeremy, britischer Ex-Adel, dessen Partner Zedrik ein Halb-Succubus ist, der gewöhnlich von einem Schlamassel in den Nächsten gerät. Ein uralter Fluch, Vollmondrausch, ein amoklaufender Seelenfresser, eine eisherzige Vampirkönigin und ein Poltergeist erschweren ihm zusätzlich das Leben. Aber was hat die Dämonenjagd mit Gartenzwergen und Karamellnüssen zu tun? Als Jeremy und Zedrik in der Hölle stranden, müssen sie mit dem Prächtigsten aller Wissensdämonen einen ebenso verrückten wie verzweifelten Pakt schließen ...

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Sandra Busch & Sandra Gernt

Ein Hauch von Seele

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2013

http://www.deadsoft.de

© the authors

www.sandra-gernt.de

www.sandra-busch.jimdo.com

Umschlaggestaltung: M. Hanke nach einer Idee von Sandra Gernt

Coverfoto:

Fire @Elena Okhremenko

Portrait of man© Serguei Kovalev - Fotolia.com

Erfundene Personen können darauf verzichten, aber im realen Leben gilt: Safer Sex!

Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

1. Auflage

ISBN 978-3-943678-65-9 (print)

ISBN 978-3-943678-66-6 (epub)

Inhalt

Prolog

Kapitel 1:   I’m singing the blues … den Halbdämon-Blues …

Kapitel 2:   Die Porzellanschnecke lässt bitten

Kapitel 3:   Regel Nummer 17: Niemals über die Stränge schlagen

Kapitel 4:   Aussterbende Butler und Scheiß in üblichen Mengen

Kapitel 5:   Können Dämonen Karies bekommen?

Kapitel 6:   Hüpft die Maus aus dem Haus …

Kapitel 7:   Ein Unglück kommt selten allein …

Kapitel 8:   Vollmondiges Prickeln

Kapitel 9:   Rache ist süß

Kapitel 10: Und führe mich nicht in Versuchung …

Kapitel 11: Sport der besonderen Art

Kapitel 12: Kobolde am Morgen bringt Kummer und Sorgen

Kapitel 13: Nicht ohne Gummi …

Kapitel 14: Einmal heiß und heftig, bitte!

Kapitel 15: Erstens kommt es anders als man zweitens denkt

Kapitel 16: Höllische Erinnerungen

Kapitel 17: Vertrauen ist gut, paktieren ist besser

Kapitel 18: Privatparty: Bitte nicht stören!

Kapitel 19: Schockschwere Not

Kapitel 20: Liebloses Fischfutter

Kapitel 21: Haustiere und Hoffnungen

Kapitel 22: „Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen …“ Oder: Die Dankbarkeit der Madame

Kapitel 23: Gartenzwerge sind die besseren Gesprächspartner

Kapitel 24: Das Fehlen der Schmetterlinge

Kapitel 25: Wo ist der Fahrkartenschalter zur Golden Gate?

Kapitel 26: Per Geisterexpress zur Himmelsbrücke

Kapitel 27: Im Himmel ist die Hölle los

Kapitel 28: I’m on the highway to hell …

Kapitel 29: Einmal Seele zum Mitnehmen, bitte

Kapitel 30: „Das, was mein, bleibt mir allein …“

Kapitel 31: Vollmondgeflüster

Epilog

Prolog

In einem entlegenen Winkel der Civitas Diaboli klirrten alte, schwere Ketten, als der Gefangene den Kopf hob. Das Kratzen seiner Klauen auf dem rauen Stein kündigte stets seinen Besuch an, der von dem Menschen teils erwartungsvoll, teils voller Furcht erwartet wurde. Tag für Tag, Jahr für Jahr … Taznaks Schuppen rieben leise übereinander, als er sich zu dem Gefesselten hinabbeugte, um ihn prüfend anzusehen. Er wusste, dass er mit den riesigen Schwingen, den langen widderartigen Hörnern und der Reptilienschnauze eine angsteinflößende Erscheinung bot. Zumindest in den Augen eines Menschen. Für einen Bewohner der Hölle war er ein fesches Exemplar der Gattung Dämon.

„Karl, geht es dir gut?“, fragte er und gab sich dabei Mühe, seiner Stimme einen mitfühlenden Klang zu geben. Immerhin hoffte er, dass Karl eine plötzliche Sinneswandlung durchlebte und ihn mit einer Antwort überraschte, auf die er seit langer, langer Zeit wartete. Daher stellte er die Frage nach dem Wohlbefinden seines Gefangenen an jedem einzelnen Tag. Menschen waren höflich zueinander. Das konnte er auch – wenn er sich anstrengte.

„Den Umständen entsprechend“, antwortete Karl mit müder, dumpfer Stimme. Ebenfalls wie jeden Tag.

„Glaubst du, dass du mich heute lieben kannst?“ Mit der Klaue streichelte er behutsam Karls eingefallene Wange. Er musste schon zugeben, dass sein Gefangener im Laufe der Jahrzehnte irgendwie an Frische verloren hatte. Ob das an der schwefelhaltigen Luft lag?

„Ich habe dich gestern nicht geliebt, ich liebe dich heute nicht und auch morgen werde ich dich nicht lieben“, erklärte Karl zu Taznaks Leidwesen.

Er stieß ein enttäuschtes Knurren aus.

„Drei Seelen habe ich heute verschlungen. Es muss doch eine dabei sein, der du dein Herz schenken kannst.“

„Es sind gestohlene Seelen. Ich leide mit deinen Opfern, Taznak.“

Karl selbst litt unter seinem Aufenthalt in der Hölle. Das war Taznak natürlich auch bewusst. Doch wo sonst hätte er einen Gefangenen sicher unterbringen können?

„Du musst zugeben, Karl, dass ich mit dir außerordentlich geduldig bin. Offenbar kannst du mich ohne Seele nicht lieben und mit Seelen ebenfalls nicht. Ich werde dich morgen noch einmal fragen.“ Ein letztes zärtliches Streicheln, wobei er seine Klauen sehr vorsichtig bewegte. Dann ließ Taznak den erbärmlichen Menschen allein.

Kapitel 1

I’m singing the blues … den Halbdämon-Blues …

Hastig rollte Zedrik seinen Schlafsack zusammen und stopfte ihn in die unterste Schublade seines Schreibtischs, um anschließend sein zerknittertes Hemd zu richten. Um ein Haar hätte er verschlafen. Gleich würde Jeremy zum Dienst erscheinen und er sollte nicht merken, dass Zedrik wieder eine Beziehung in den Sand gesetzt hatte. Die fünfte innerhalb dieses Jahres – und sie hatten erst Januar.

Schuld war wie immer sein dämonisches Blut, der Erbteil seiner Mutter, einer Succubus. Er war leidenschaftlich, ja, aber das reichte seinen Lovern nicht. Die wollten alle die große Liebe, und dazu war er nicht fähig. Um zu lieben, fehlte ihm eine menschliche Seele, die ihm bei seiner Geburt verwehrt worden war. Wenigstens äußerlich war er von menschlicher Gestalt. Seine dämonische Herkunft konnte man lediglich an seinen sehr hellen grünen Augen erkennen, die eine Kälte ausstrahlten, die die meisten Menschen von vornherein abschreckte. Aus diesem Grund trug er beinahe ständig eine Sonnenbrille.

So wie sein Partner aussah, dürfte der ebenfalls keinen Mangel an eindeutigen Angeboten leiden. Jeremys very britische Vornehmheit wirkte durchaus anziehend. Sicherlich hatte er ein kleines, verführerisches Häschen auf seiner Bettkante sitzen, das allabendlich auf ihn wartete. Und im Gegensatz zu ihm würde Mr. Perfect seine Beziehung halten können.

Zedrik suchte die kleine Toilette ihres Büros auf, um sich schnell die Zähne zu putzen. Jeremy war immer pünktlich, eine weitere Tugend auf der langen Liste seines Partners, gleich hinter dem Eintrag Mir fällt alles leicht.

„Du bist eifersüchtig auf das perfekte Leben deines perfekten Partners“, sagte er zu seinem Spiegelbild, das ihm ein stoppelbärtiges Gesicht und wuscheliges braunes Haar zeigte. Abrupt wandte er sich von dem Spiegel ab, setzte seine Sonnenbrille auf und kehrte ins Büro zurück. Sein Partner hatte sich zwar im Laufe der Zeit an seine Augen gewöhnt, aber selbst er konnte ab und an ein Frösteln nicht unterdrücken. Da Zedrik dank seiner Dämonenaugen kein Problem hatte im Dunkeln zu sehen, machten ihm die getönten Gläser der Brille nichts aus.

Ein Blick auf die Uhr an seinem Handgelenk zeigte ihm, dass er noch fünf Minuten hatte. Dann wäre es 08.00 Uhr und Mr. Perfect würde erscheinen. Er sollte sich daher beeilen, die restlichen Spuren seiner Übernachtung verschwinden zu lassen. Eine fettige Pizzapackung verschwand im Mülleimer, gefolgt von dem Inhalt eines übervollen Aschenbechers und der nahezu leeren Flasche Schnaps. Anschließend riss er das Fenster auf, um frische Luft hereinzulassen. Jeremy konnte abgestandenen Rauch nicht ausstehen. Jetzt musste er sich bloß noch einfallen lassen, wieso er bereits um diese Zeit im Büro war. Sein Blick fiel auf den großen Stahlschrank, der sein liebstes Spielzeug beinhaltete: ihre Waffensammlung. Geweihte Silberkugeln gegen Werwölfe lagerten neben angespitzten Pflöcken für Vampire. Etliche gesegnete Klingen aller Größen und Formen hingen nach ihrem Verwendungszweck sortiert ordentlich nebeneinander und dann waren da noch die Schusswaffen ... Zedrik streckte die Hand aus und strich zärtlich über eine kleine Armbrust, die ihm schon oftmals gute Dienste geleistet hatte. Sie war leicht, handlich und mit ihr konnte er Bolzen verschießen, die mit einem Sud aus Eberesche gefüllt waren. Ein besseres Mittel gegen Dämonen gab es nicht. Gerade als er zu überlegen begann, was sie ersetzen oder auffüllen mussten, hörte er Schritte vor der Tür. Rasch versuchte er ein letztes Mal sein Hemd zu glätten, da tauchte sein Partner auch schon mit gezogener Waffe und wachsamer Miene auf.

~*~

In der Tür blieb er stehen und musterte Zedrik von oben bis unten. Nahm den schalen Rauchgestank, den Stoffzipfel eines Schlafsacks, der aus dem Spalt einer geschlossenen Schreibtischschublade hervorlugte sowie den Piratenlook seines Partners wahr – und schmolz innerlich dahin. Schmerzhaft war es mitanzusehen, wie Zedrik sich selbst zerstörte mit seiner Suche nach etwas, was es für ihn nicht gab. Es kostete ihn viel Überwindung, missbilligend mit dem Kopf zu schütteln und etwas übertrieben zu seufzen, während er die Waffe sicherte. Ein Glück, dass es nicht wie befürchtet Einbrecher waren, die so früh am Morgen das Büro heimsuchten!

„Zedrik, wenn ich nicht wüsste, dass dieser Lebensstil dir nicht schadet, hätte ich dich schon längst in die nächste Entzugsklinik geschleppt. Und wenn ich erst selbst eine bauen müsste, damit du Zutritt hast.“

Zedrik murmelte etwas, das mit viel gutem Willen als Entschuldigung verstanden werden könnte. Wenn man wollte. Der Halbdämon war alles das, was Jeremy nicht sein wollte: lässig, geheimnisvoll und leidenschaftlich. Sie hatten sich in einem Club kennengelernt, in dem Jeremy mit seinem damaligen Partner David einem Vampir nachgeschnüffelt hatten.

Nicht. Daran. Denken!, ermahnte er sich rasch. Davids Tod hatte ein Loch in Jeremys Seele hinterlassen. Schuld, die er niemals würde begleichen können.

Jetzt war allerdings nicht der richtige Moment für Trauer. War seine Miene noch angemessen streng? Zedrik brauchte eine starke Hand. Er war wie ein wilder Teenager, der einfach nicht erwachsen werden wollte. Seine Kampffähigkeiten waren begnadet, er war der beste Armbrustschütze diesseits des Äquators – jenseits vermutlich auch. Sein dämonisches Blut verschaffte ihm Zutritt in finsterste Winkel, die Jeremy niemals gefunden hätte, und verlieh ihm Fähigkeiten, die Jeremys Hintern mehr als einmal gerettet hatten. Er konnte im Dunkeln sehen wie eine Katze, war übermenschlich stark und schnell, sprang aus dem Stand mehrere Yards weit oder auch hoch …

Das alles war keine Entschuldigung dafür, sich wahllos durch sämtliche Betten zu rollen und eine Unzahl gebrochener Herzen zu hinterlassen. Jeder verliebte sich in Zedrik.

Ich nicht!, dachte er entschlossen. Zedrik war sein Partner. Sein Bruder im Geiste. Ein kleiner Bruder, dem es eindeutig an Erziehung mangelte.

„Bring den Müll raus“, brummte er schließlich, als er nicht länger mitansehen konnte, wie Zedrik vor schuldbewusster Scham zappelte – gewiss die Hälfte davon gespielt, das war klar.

„Jawohl, Sir!“ Zedrik salutierte schwungvoll und schnappte sich den Mülleimer, sichtlich froh, einer Gardinenpredigt entkommen zu sein.

Jeremy hängte den Ledermantel ordentlich auf, strich seine dunklen Haare zurecht, die noch vom Schneeregen feucht waren, ließ sich seufzend auf den Bürostuhl fallen und schaltete den Computer an. Er war dankbar, den Gestank von Pizza und Zigaretten loszuwerden. Allzu leicht setzte der sich in der Kleidung fest. Misstrauisch schnupperte er an seinem maßgeschneiderten dunkelgrauen Anzug. Dämonenjagd war schließlich kein Grund, sich schlampig zu kleiden, auch wenn sein Partner darüber anders denken mochte … Nein, alles war gut gegangen. Andernfalls hätte er Zedrik die Reinigungskosten vom Gehalt abgezogen.

Jeremys Postfach quoll über. Es gab keinen Mangel an Arbeit für Dämonenjäger in einer Welt, die von der Höllenbrut überrannt zu werden drohte. Oh, viele der Seelenlosen waren unglaublich zivilisiert. Die Vampire etwa lebten in elitären Familienclans in sämtlichen Großstädten und waren zumeist ein angesehener Teil der Gesellschaft. Werwölfe bedeuteten ebenfalls selten ein Problem. Alle Rudel wurden von fähigen Alphas geleitet, die mithilfe menschlicher Angestellter dafür sorgten, dass niemand bei Vollmond hinaus konnte. Wenn alles gut lief, jedenfalls. Jeremy hatte schon mehr als einmal in düsteren Verliesen ermitteln müssen. Doppelte Stahlverkleidungen und Türen mit Sicherheitsschlössern waren Standard, nutzten allerdings wenig, wenn irgendein Wahnsinniger die sterblichen Helfer niedermetzelte, um die Werwölfe zu befreien …

Schlimmer waren die hochrangigen Dämonenfürsten, die nicht einmal einen Beschwörer brauchten, um ungehindert zwischen den Welten zu wechseln.

„Irgendwas Interessantes dabei?“ Zedrik war zurückgekehrt und setzte sich auf Jeremys Schreibtisch, als gäbe es nicht genügend Stühle in diesem Raum. Sein Partner reagierte weder auf strafende Blicke, erhobene Augenbrauen oder andere subtile Zeichen von Verärgerung, darum sparte Jeremy sich die Mühe. Heute war Daves Todestag. Er war gestorben, weil Jeremy nachlässig gewesen war. Zu unaufmerksam, zu sehr darauf bedacht, cool zu sein und die Dämonenjagd als großen Spaß zu betrachten. Das würde ihm niemals wieder passieren. Keine Partys, keine One-Night-Stands, keine Ausreißer in Disziplin und Selbstbeherrschung.

Zedrik wusste von alledem nichts, und genau so sollte es auch bleiben.

Seitdem war kaum ein Tag vergangen, an dem er das morgendliche Krafttraining in Nahkampf- und Waffenübungen hatte schleifen lassen. Er war kein Muskelprotz, sondern auf Kraft, Schnelligkeit und Präzision trainiert. Alles, was notwendig war, um gegen Dämonen zu bestehen, die ihm körperlich in jeder Hinsicht überlegen waren … Das war der Hauptgrund gewesen, warum er Zedrik nicht nur als Partner angestellt hatte, sondern auch dessen Fehler tolerierte – mit einem Halbdämon an der Seite stieg die Lebenserwartung.

Jeremy konzentrierte sich wieder auf das halbe Dutzend E-Mails, das er vom Betreff her als bedeutsam eingestuft hatte.

„Zwei verschwundene Kinder im Westbezirk, deren Eltern fürchten, dass Vampire dahinterstecken.“ Sie wechselten einen echten Blick – Zedrik linste über den Rand seiner Sonnenbrille. Gleichzeitig schüttelten sie die Köpfe, während Jeremy die E-Mail bereits an die zuständige Polizeistation weiterleitete. Die Zeiten, in denen Vampire wahllos Opfer von der Straße geholt hatten, waren seit fünfzig Jahren vorbei, seit dem Holy Treaty of Peace and Community, der das friedliche Miteinander der verschiedenen Spezies regulierte. Und dennoch steckte dieses Vorurteil im Bewusstsein der Bevölkerung und wollte einfach nicht weichen.

„Ein Mann, der …“ Jeremy verdrehte gereizt die Augen und löschte die Mail kommentarlos. Schon wieder ein Spinner, der nach einem Hundebiss fürchtete, sich in einen Werwolf verwandeln zu müssen!

„Eine Grundschullehrerin glaubt, einen Poltergeist in der Klasse zu haben.“

„Wer das bloß glaubt, hat garantiert keinen.“ Zedrik grinste und auch Jeremy musste sofort an den Poltergeist denken, der ihnen letzten Sommer mehrere Tage lang das Leben schwer gemacht hatte. Eine Erfahrung, die er nicht so schnell hatte wiederholen wollen.

„Hm, klingt aber schon ernst“, sagte Jeremy, nachdem er weiter gelesen hatte. „Zerschlagenes Mobiliar, zerfetzte Bücher, obszöne Schriftzüge, die aus dem Nichts erscheinen, all das könnte auch von einem Kobold stammen, ja. Oder von einem der Schüler selbst. Nur würde kein Kobold hingehen und den Klassensprecher mitten in der Stunde ins Aquarium stopfen. Jedenfalls nicht in eines von gerade mal hundert mal fünfzig Zentimetern Ausmaßen.“

„Hat der Bengel überlebt?“ Zedrik starrte in verdrehter Körperhaltung auf den Monitor, um selbst nachzulesen; er war deutlich interessiert.

„Yepp, hat er. Gefahr zu ertrinken bestand auch nicht wirklich, trotzdem musste er mit hässlichen Gesichtsverletzungen ins Krankenhaus. Die Wasserschildkröte fand seinen Besuch nicht angenehm, wie es scheint.“

„Ein Poltergeist oder irgendwas von ähnlichem Kaliber also.“ Zedrik seufzte leise. Poltergeister waren extrem selten. Sie entstanden, wenn eine finstere Seele nach dem Tod von den Dämonen verschmäht wurde, was ausschließlich bei solch verdorbenen Geschöpfen geschah, die selbst der Hölle zu schmutzig waren. Diese Geister waren nicht an den Ort ihres Todes gebunden und randalierten ohne Sinn und Verstand durch die Weltgeschichte.

Die nächste E-Mail war wieder bedeutungsloser Unfug. Die Letzte hingegen ließ Jeremy schlucken. Verdammt, er hätte auf den Absender achten müssen!

„Was?“, fragte Zedrik sofort.

Schweigend drehte Jeremy ihm den Monitor so, dass sein Partner mühelos lesen konnte. Der nahm die Sonnenbrille ab und starrte ihn alarmiert mit seinen grünen Dämonenaugen an.

Es galt Schlimmes zu befürchten, wenn eine Vampirkönigin sie zu einem sofortigen Treffen bat – bei hellem Tageslicht! – und dabei den Namen Taznak erwähnte.

„Wie es scheint, hat der Seelenfresser beschlossen, mal wieder in unserem Revier zu wildern“, murmelte Jeremy. Methodisch fuhr er den Computer herunter und suchte seine Ausrüstung zusammen. Madame Vivienne de Lorville, Königin des größten Vampirgeschlechts des Kontinents, ließ man nicht warten.

Kapitel 2

Die Porzellanschnecke lässt bitten

Auf der Fahrt zu Madame Vivienne warf Zedrik einen verstohlenen Seitenblick auf seinen Partner. Er konnte den Ärger über seine Sauferei auf Jeremys markant geformtem Gesicht und in der Anspannung seines athletisch gebauten Körpers ablesen. Zedriks übermäßiger Alkoholkonsum und die Qualmerei waren ein ständiger Streitpunkt zwischen ihnen. Wieso Jeremy dauernd versuchte, ihn zu bevormunden, erschloss sich ihm nicht. Die ewige Nörgelei kotzte ihn allerdings an. Natürlich würde er es niemals wagen, das Jeremy direkt zu sagen. Sein Partner hatte da seine eigenen Methoden, um ihn in seine Schranken zu verweisen. Die waren alle höchst unangenehm und nur dank seines verdammten Dämonenbluts machbar. Mit einem Schaudern erinnerte er sich, wie ihn Jeremy einmal in einen Bannkreis aus Eberesche gelockt und ihn dort zwei Tage lang hatte schmoren lassen. Zedrik hatte schweißgebadet geheult, gebettelt und gejammert, um freigelassen zu werden. Das waren die schlimmsten Stunden seines Lebens gewesen. Bestimmte Siegel waren genauso wirksam wie Eberesche. Jeremy kannte sie alle und hatte damit eine gewisse Kontrolle über ihn. Die Tatsache, dass Jeremy keinerlei Scheu hatte, Eberesche gegen ihn einzusetzen, sorgte dafür, dass er nicht über die Stränge schlug und unausgesprochene Grenzen nicht überschritt.

Aber heute war da noch etwas anderes in der Miene seines Partners. Ein trauriger Zug, den Mr. Perfect nicht verbergen konnte und der bei einem Menschen sicherlich eine Regung ausgelöst hätte. Ohne Seele jedoch konnte er lediglich den unterdrückten Schmerz von Jeremys Gesicht ablesen und sich zumindest bemühen, wie ein mitfühlendes Wesen zu reagieren.

„Ist was?“

„Abgesehen davon, dass du dich wie der letzte Stadtpenner benimmst?“ Jeremy schnupperte demonstrativ. „Und auch so riechst?“

Hätte er man bloß nicht gefragt. Zedrik fischte eine Packung Zigaretten aus seiner Hemdtasche, die ihm Jeremy aus den Fingern riss, ohne den Blick von der Straße zu nehmen. Die Packung flog aus dem Seitenfenster.

„Im Auto wird nicht geraucht.“

Arsch! Das wagte er jedoch nicht laut zu sagen. Dafür nahm er die Sonnenbrille ab und genoss das Frösteln, das Jeremy angesichts seiner Augen überlief.

„Hast du Stress mit deiner Freundin?“ Er hatte Jeremys Freundin nie gesehen, wusste nicht einmal genau, ob sein Partner überhaupt in einer Beziehung steckte. Mr. Perfect erzählte kaum etwas Privates. Daher war diese Leidensmiene eine Chance mehr zu erfahren.

„Interessiert es dich gar nicht, was uns Madame Vivienne über Taznak sagen will?“

„Das werde ich früh genug erfahren.“ In solchen Dingen war er sehr gelassen.

„Ich hoffe, sie sieht über deine Schnapsfahne hinweg.“

Zedrik hüllte sich in Schweigen. Er verlor regelmäßig, wenn er sich auf Diskussionen mit Jeremy einließ. Warum arbeitete er überhaupt weiter mit diesem Scheißkerl zusammen, der ihm dauernd Vorschriften machte und Regeln unterwarf?

Weil du sonst ganz allein wärst, flüsterte eine fiese Stimme in seinem Inneren. Und weil Jeremy darin geübt ist, dich von der schiefen Bahn abzuhalten. Deine Rolltreppe fährt ständig abwärts.

Ihm war allerdings nicht entgangen, dass Jeremy vom Thema abgelenkt hatte und dies wiederum ließ ihn neugierig werden. Vielleicht würde er auf etwas Interessantes stoßen, wenn er noch ein bisschen nachbohrte.

Die Sicherheitsmaßnahmen in de Lorvilles Residenz waren hoch, und seine Augen huschten hinter der Sonnenbrille aufmerksam hin und her, um jedes einzelne Detail in sich aufzusaugen und abzuspeichern. In einer Halle mit Marmorfußboden mussten sie ihre Waffen ablegen und den Adler machen. Die Hände eines durchaus attraktiven Vampirs aus der persönlichen Garde der Königin tasteten ihn länger als angebracht ab. Er musste schon zu den Alten zählen, da er ungeschützt im Tageslicht herumlief – die Jungbeißer bekamen allzu rasch Sonnenbrand, selbst an schwer bewölkten Tagen wie diesem. Was wenig mit der Sonne selbst zu tun hatte, sondern mit der Tatsache, dass untote Körper anders funktionierten als lebendige.

„Hey, ich habe da noch eine Knoblauchknolle in meinem Arsch versteckt“, schnurrte er und fing sich prompt von Jeremy einen warnenden Blick ein.

„Brille runter!“, wurde er aufgefordert.

„Warum?“

„In Madames Anwesenheit werden keine Sonnenbrillen getragen. Oder wollen Sie tatsächlich so respektlos sein?“ Das war keine Frage, sondern eine Warnung.

Jeremy nickte nachdrücklich, und folgsam nahm Zedrik die Brille herunter. Er bedachte den Vampir mit einem extra kalten Blick, woraufhin der einige Schritte zurücktaumelte.

„Lass den Unsinn!“, zischte Jeremy, sichtlich am Ende seiner Geduld. Vielleicht sollte er sich nun wirklich etwas zurückhalten, sonst würde ihn doch noch eine Gardinenpredigt der ungemütlichen Art erwarten. Er stopfte die Sonnenbrille in seine Jackentasche und folgte seinem Partner zu einem ungeduldigen Herrn im grauen Maßanzug.

„Madame Vivienne erwartet Sie bereits.“ Der vornehme Schnösel begleitete sie zu einer gewaltigen Flügeltür, die er schwungvoll öffnete und ihnen den Weg zur Königin der Blutsauger öffnete.

Madame de Lorville trug ein cremefarbenes Kleid mit Perlenstickerei, in das sie eingenäht sein musste, so eng lag es an ihrem Körper. Ihr weißblondes Haar war raspelkurz, was ihn ein wenig irritierte. So hatte er sich eine Königin nicht vorgestellt. Er hatte mit wallenden Gewändern in der Farbe der Nacht und mit langem lockigen Haar gerechnet. Diese Frau wirkte eher wie eine glatte, perfekte Porzellanpuppe, und sie saß so kerzengerade auf ihrem samtbezogenen Stuhl, dass er unwillkürlich nach einem Pflock Ausschau hielt, der sie in diese aufrechte Position brachte. Jeremy, der zwei Schritte Vorsprung hatte, blieb stehen und verbeugte sich elegant.

„Madame de Lorville“, grüßte sein Partner mit weicher Stimme.

Die Vampirin nickte ihm huldvoll zu und starrte dann Zedrik ungehalten an. Herausfordernd hob er das Kinn. Wenn diese hoheitsvolle Zicke glaubte, er würde sich mit einem Kniefall lächerlich machen, dann hatte sie sich entschieden geirrt. Zufrieden stellte er fest, dass auch Madame Vivienne seinem Blick nicht standhalten konnte. Sie wandte sich direkt an Jeremy:

„Taznak hat zwei meiner Männer und einen einflussreichen Geschäftspartner ihrer Seelen beraubt. Kümmern Sie sich darum. Ich dulde nicht, dass … dieses Ding weiterhin durch meinen Bezirk streift.“ Dabei glitten ihre Augen für einen kurzen Moment zurück zu Zedrik. Selbstverständlich wusste sie um seine Abstammung. Dämonen erkannten einander unweigerlich. Gewiss lag das an dem Hauch der Civitas Diaboli, der ihnen anhaftete.

„Natürlich, Madame.“

Natürlich, Madame? Wie kam Jeremy darauf, dass sie sich von dieser Porzellanschnecke wie zwei Lakaien behandeln lassen mussten? Er jedenfalls ließ sich das nicht bieten.

„Ein kleines Bitte wäre für unsere Arbeitseinstellung durchaus hilfreich“, sagte er deshalb und registrierte, wie Jeremy neben ihm regelrecht versteinerte.

~*~

Jeremy überlegte noch hektisch, ob er sich entschuldigen oder seinen Partner vor die Tür schicken sollte, doch da erhob sich Madame de Lorville bereits und schritt majestätisch auf Zedrik zu.

„Ich hatte mich darauf gefreut, dich kennenzulernen, Zedrik, Sohn der Alvahar. Ich habe deine Mutter gekannt.“ Sie gurrte regelrecht und strich über Zedriks Schultern, während sie um ihn herumschritt und ihn abschätzig musterte.

Jeremy sah das unheilvolle Glühen in Zedriks Augen. Sein Partner hasste es, wenn die Sprache auf seine Mutter kam, die er nie kennengelernt hatte. Er hatte seine Kindheit in einem Waisenhaus verbringen müssen, denn Succubi fraßen ihre Geschlechtspartner auf, um das ungeborene Kind nähren zu können. So war er also von Geburt an elternlos und der Gnade der Wohlfahrt ausgesetzt gewesen. Kein schöner Lebensbeginn, ohne die Liebe eines fürsorglichen Elternpaars.

„Du bist ein Rebell, ganz wie man es mir geschildert hatte.“ Die Vampirin blieb dicht vor Zedrik stehen. Zähneknirschend hielt Jeremy still, die Hand am Gürtel, in dem er ein geweihtes Stilett verborgen hielt. Er berechnete seine Chancen, lebendig aus dieser Festung zu entkommen, sollte er dieses verdammte Weib abschlachten müssen. Niemand bedrohte seinen Partner, auch nicht die gefährlichste Frau dieser Hemisphäre. Danach würde er ihn in Ruhe selbst eliminieren, aber erst einmal galt es zu überleben.

„Von meinen Leuten würde niemand es wagen, auch nur an solche Respektlosigkeiten zu denken, die du gelassen ausspricht“, hauchte sie. „Abschaum wie dich würde ich für gewöhnlich nicht in meinem Reich dulden, doch Alvahar war mir eine gute Freundin. Ich will ihr Andenken nicht zerstören, indem ich ihren Sohn so einfach umbringe.“ Sie tätschelte Zedriks Wange mit ihrer schlanken, bleichen Hand, was ein amüsiertes, arrogantes Grinsen auf das Gesicht seines Partners zauberte. Jeremy wagte nicht, sich zu entspannen, obwohl es schien, als wäre Madame Vivienne heute in gutmütiger Stimmung. Zedrik war es jedenfalls nicht; der Himmel mochte wissen, was in dem verkaterten Kopf gerade vorging.

„Du hast die Schönheit der Mutter geerbt, und nach allem, was man so hört, verschleißt du mindestens genauso viele Männer wie sie.“

Das entsprach leider beides der Wahrheit; Zedrik war so schön, auf sehr männliche Weise, dass die Leute sich auf der Straße staunend nach ihm umdrehten. Unauffällig kam man mit ihm nirgends hin, seine Ausstrahlung als halber Succubus zog Männer wie Frauen magisch an.

„Ein Verlust für die Hölle, dass du keine Seelen rauben kannst … Jeder Fürst würde sich alle sechs bis zwölf Finger danach lecken, um dich versklaven zu dürfen.“

„Es würde ihnen nicht allzu gut bekommen“, murmelte Zedrik mit einem gelangweilten Unterton in der Stimme.

Madame Vivienne lachte glockenhell. Sie war unglaublich verführerisch, wenn sie es wollte, und im Augenblick wollte sie ganz offensichtlich.

„Du bist ein unartiger Junge, mein Schöner. Ein unglücklicher, unartiger Junge … Dein armes, mutterloses Herz würde bluten, wenn du genug Seele dafür besitzen würdest, nicht wahr? Du hast den Fluch deiner Mutter geerbt, wusstest du das?“

„Madame de Lorville, ich denke …“, begann Jeremy mit gewinnendem Lächeln. Es war höchste Zeit einzugreifen! Doch Zedrik starrte ihn nur eisig an und schüttelte den Kopf.

„Du möchtest mehr wissen?“ Die Vampirkönigin schwebte zurück zu ihrem Stuhl, der wohl lediglich aus Versehen kein Thron war, und ließ sich wieder sehr aufrecht nieder.

„Ich habe euch beide mit Bedacht gewählt“, fuhr sie fort. „Ihr seid erfahren, erfolgreich und habt schon einige Dämonenfürsten überlebt. Eure Namen sind in der Civitas Diaboli bekannt und nicht unbedingt beliebt. Vor allem aber ist unser Zedrik hier in der Lage, in dieses Reich der Finsternis einzudringen, ohne Rituale und aufwändige Beschwörungen hilfreicher Dämonen. Dafür nehme ich seine … nachlässige Erscheinung gerne in Kauf.“ Ihr Blick streifte herablassend über Zedriks zerknitterte, unrasierte Gestalt. „Wenn Ihr also bitte so freundlich wäret, Taznak in seine Schranken zu verweisen, dann wäre ich geneigt, euch gut zu bezahlen. Mit Geld“, sie nickte in Jeremys Richtung, „und mit Informationen. Ich bin für meine Großzügigkeit bekannt.“ Ihr Lächeln war kühl genug, um nervöse Schauder über Jeremys Rücken zu jagen. Madame Vivienne brauchte nicht auszusprechen, wofür sie sonst noch bekannt war – Geschäftspartner, die sie enttäuschten oder betrogen, pflegten an bedauerlichen Unfällen zu versterben.

„Wir werden unser Bestes geben, um Sie zufriedenzustellen, Madame“, sagte Jeremy und verbeugte sich so elegant wie möglich. Es zahlte sich einmal mehr aus, der Spross einer der letzten britischen Adelsfamilien zu sein und die beste Erziehung an den teuersten Internaten und Universitäten genossen zu haben, die Europa zu bieten hatte. Nun gut, den Adelstitel besaß seine Familie inzwischen nicht mehr, dafür mehr als genug Geld.

„Es wird Zeit kosten, Taznak aufzuspüren. Ich kann ihm nur folgen, wenn ich mich direkt an seine Fersen hefte, sobald er ein Portal öffnet.“ Zedrik zückte seine Sonnenbrille und setzte sie auf. „Weitere Opfer werden nicht zu vermeiden sein.“

„Das ist mir wohl bewusst. Von Versagen werde ich erst sprechen, wenn ihr dieser missratenen Kreatur folgen könntet und aus Feigheit davor zurückschreckt.“

Sie blickte zu Jeremy, als sie fragte: „Wie geht es Ihrem Vater eigentlich?“

Der hatte mit einem solchen Seitenhieb gerechnet, darum konterte er entspannt: „Er hat das Rudel im Griff, Madame. Blandford blüht und gedeiht.“ Es war schwierig gewesen, seinen Vater vom Selbstmord abzuhalten, nachdem dieser zum Werwolf gewandelt worden war. Inzwischen regierte er als Alpha eines der größten Rudel Englands mit eiserner Hand. Jeremys Mutter war bei dem Angriff des streunenden Werwolfs ebenfalls verletzt worden, hatte die Wandlung jedoch nicht überlebt.

„Mit Ihrer Erlaubnis, Madame, würden wir uns nun gerne zurückziehen, um die Überwachung des Bezirks zu koordinieren“, sagte Jeremy und verneigte sich erneut ehrerbietig.

„Ihr könnt jederzeit mit meiner vollen Unterstützung rechnen.“ Madame de Lorville winkte gnädig. Sie waren entlassen.

Wie aus dem Boden gewachsen stand plötzlich der Butler bereit, der sie bereits hergeführt hatte. Ein Mensch, entschied Jeremy anhand der frischen Gesichtsfarbe. Vampire besaßen zumeist zahllose menschliche Bedienstete, die freiwillig ihr Blut gaben, um die Herrschaft zu nähren – für Geld, oder das Versprechen, eines Tages gewandelt zu werden und damit die Vorteile ewiger Gesundheit und Jugend genießen zu dürfen. Ein Glück, dass Vampire sich wie Schlangen nur alle paar Monate einmal sättigen mussten. Sie brauchten nicht das Blut selbst, sondern die Seelenkraft, die sie auf diesem Wege filtern konnten, gerade genug, um ihre untoten Körper am Leben zu erhalten.

„Was sollte das?“, fauchte Zedrik, kaum dass sie außer Hörweite waren. „Sie hätte mir noch mehr verraten, musstest du dich unbedingt einmischen?“

„Sie hätte dir vielleicht noch zwei, drei Brotkrümel hingeworfen, aber nur, um deine Neugier noch weiter anzustacheln. Glaubst du, dieses Weib verschenkt irgendetwas aus reiner Herzensgüte?“ Jeremy schüttelte gereizt den Kopf und stieg ins Auto. Er selbst war ebenfalls neugierig. Er wusste, dass Succubi starben, wenn sie ein Kind zeugten und austrugen. Auch Zedriks Eltern hatte dieses Schicksal ereilt. Seinen Vater unmittelbar nach der Zeugung und seine Mutter direkt nach seiner Geburt. Dieses Problem war der Hauptgrund, warum es kaum noch Succubi gab – sie waren nicht sonderlich erpicht darauf, sich fortzupflanzen. Und eines fernen Tages würden sie aussterben.

Zedrik schnaubte bloß übellaunig, als er sich neben Jeremy setzte. Ihnen stand nun eine Menge Arbeit bevor. All die Sensoren, die sie in der gesamten Umgebung verteilen mussten, damit sie beim Erscheinen eines Dämonenfürsten sofort alarmiert werden würden …

Es würde mehrere Tage dauern, bis sie damit fertig waren, zumal sie neben dem Gebiet von Madame de Lorvilles Machtbereich auch das hiesige Wolfsrudel, die Kobolde und diverse andere, zumeist niedere höllische Kreaturen mit einbeziehen mussten. Das bedeutete Überstunden, zähe Verhandlungen und deutlich mehr Ärger, als Jeremy lieb war. Den Poltergeist nicht zu vergessen, dessen Erscheinen möglicherweise nicht so zufällig war, wie er zuerst gedacht hatte …

Kapitel 3

Regel Nummer 17: Niemals über die Stränge schlagen

Zedrik war gereizt. Den ganzen Tag über hatte Jeremy ihn die Sensoren verteilen lassen, empfindliche kleine Geräte, die sofort Signale ins Büro oder auf ein mobiles Datengerät sendeten, sobald sich ein Dämonenfürst blicken ließ. Wie erwartet hatten sich die Kobolde gegen die Sensoren in ihrem Gebiet ausgesprochen. Erst als Zedrik ihnen drohte, ihr komplettes Nest in Brand zu setzen und eine nette Grillparty zu veranstalten, hatte ihr Anführer Hruss hastig eingelenkt. Schließlich war er dafür bekannt, keine leeren Drohungen auszusprechen.

Auf dem Rückweg ins Büro schaute er immer wieder in den wolkenverhangenen Himmel hinauf. Der Mond hatte nahezu seine volle Rundung erreicht. Der Blick zum Trabanten war eigentlich nicht nötig, er spürte die Gezeiten in seinem Blut kochen. Schon bald würde er seinen Trieb, ein Erbe seiner Mutter, ausleben müssen, wollte er bei Verstand bleiben. Denn Vollmond bedeutete Sex. Wilden, hemmungslosen Sex. Die Form von Nahrung, die sein dämonischer Anteil benötigte.

Ein Großteil seines Einkommens ging für diese eine besondere Nacht drauf, da er dann einen speziellen, sehr versteckt liegenden Club aufsuchte, in dem ausgefallene Orgien gefeiert wurden. Diskret, tabulos und für jede Spielart offen. Ein Ort, an dem auch Halbdämonen geduldet wurden. Dieser Zwang war für ihn eigentlich Fluch genug. Wovon mochte diese königliche Zicke gesprochen haben? Und wäre diese Vampirtussi nicht die ideale Freundin für seinen Partner? Verdammt! Wie die ihn gemustert hatte … Als wäre er ein Stück Dreck. Okay, okay, er brauchte wirklich dringend ein Bad, frische Kleidung und einen ordentlichen Schluck. Auch ihre Majestät hätte derangiert ausgesehen, wenn sie in einem Schlafsack auf dem Boden ihres Büros genächtigt hätte. Ohne einen Butler, der ihr das Kissen aufschüttelte.

Vielleicht konnte er später bei Yori im Kupferbecher eine Dusche und eine Mahlzeit schnorren. Oder sollte er es noch mal bei Tim versuchen? Resigniert schüttelte er den Kopf. Sein fünfter Ex in diesem Jahr hatte deutlich gemacht, ihn niemals wiedersehen zu wollen. Schade. Aber als halber Succubus war er nun einmal potenter als ein reinblütiger menschlicher Geliebter. Nun, vielleicht hätte er Tims bestem Kumpel nicht derart öffentlich an die Hose gehen sollen. Eigentlich war es schade um diese allzu kurze Beziehung. Tim hatte so niedliche Grübchen am Kinn gehabt.