Ein jeder trägt sein Schicksal - Franziska König - E-Book

Ein jeder trägt sein Schicksal E-Book

Franziska König

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Beschreibung

Franziska, Wandermusikantin, besucht das Schwabenland und besucht alte Freunde. Jeder trägt sein Schicksal. Katharina, Mutter eines schwer erziehbaren 13-jährigen versucht verzweifelt, einen passenden Mann zu finden. Nicole wurde ohne Grund von ihrem Mann verlassen. Ute kämpft gegen die schändliche Stadtbildverschandelung durch den bösen Turm zu Rottweil. Veronika leidet unter ihrem rasend eifersüchtigen Lebenspartner. Frau Reimer, wurde Witwe. Und Hilde, Klavierlehrerin kann ihre erste Liebe, einen verheirateten Herrn mit magischer Sogwirkung auf Frauen, nicht vergessen.

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Seitenzahl: 218

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Meinem lieben Bruder Ming

zum Dank für die wunderschönen Zeichnungen!

Franziska (Kika) mit ihrer Violine – fotografiert von ihrer lieben Freundin Ute aus Rottweil.

„Wenn ich dereinst verstorben bin, so schweigt auch meine Violine!“ so denkt sie.

Und drum bringt Franziska alle vier Wochen ein schlankes Taschenbuch heraus:

Erzählt werden Geschichten aus ihrem Leben, die von erhöhtem Interesse sein dürften.

Jeden vierten Dienstags um 18.05 wird das fertige Manuskript in die Umlaufbahn entsandt.

Alle Vorkömmlinge finden sich am Schluß des Buches im Personenverzeichnis

Hier aber vorneweg meine Familie:

Buz, mein Papa (*1938)

Rehlein, meine Mutter (*1939)

Ming, mein Bruder (*1964)

Julchen, seine Lebensgefährtin (*1983)

Pröppilein (Yaralein), kleines Töchterlein von

Julchen und Ming (*2012)

Oktober 2014

Mittwoch, 1. Oktober

Grebenstein

Freundlich, wenn auch herbstlich umhüllt.

Das Lächeln der Sonne erinnerte an das Lächeln

einer runzeligen, lebensgegerbten Frau.

Abends wurde der kleine Ort Grebenstein aber

leider wieder in Watte gepackt

Am Morgen durchbebten mich unschöne Ängste: Das Ultimatum im Finanzamt, das mir die Finanzamtsdame Frau Gerke bis zum 15. Oktober aufgestockt hat, lag mir wie ein Stein im Magen.

Vom Flur aus sah man den Schattenriss vom Schröder, auf den ich mich nun, in einer durch die Milchglasscheibe gänzlich verfremdeten Ausstrahlung, scheinbar auf Art eines mürrisch erwachten, morgens ungenießbaren Frauenzimmers drauf zuwälzte, um sodann grußlos ins Badezimmer abzubiegen.

Sehnsuchtsvoll dachte ich an Schröders gemütlichen Amtstubenjob als Kollegienassessor:

Man erhebt sich früh, verlässt das Haus, kehrt abends müde nach Hause, und weiß, wozu man da ist, bzw. war.

Über Nacht hatte sich ganz überraschend eine Mail vom Onkel Andi angesogen, den ich gestern aus einer Laune heraus nach seinen Doppelhausnachbarn, den Loses, befragt hatte.

Jahrelang hatte man nicht an die Loses gedacht, und nun traten sie einem unversehens in den Kopf.

Hallo, Ihr ewig an mich Denkenden! Ich bin seit dem 1. August Rentner, und habe demgemäß gar keine Zeit mehr – und hier an dieser Stelle spürte man, wie sich das süße Anderle an dieser kleinen Lustigkeit vergnügt hatte.

Man sah sein lachendes Hunnengesicht vor sich.

Renate Lose sei letztes Jahr gestorben, und ihr Mann Josef laboriere an einer beginnenden Demenz.

Dies ist nun alles, was von einem Ehepaar - bestehend aus einer völlig undurchschaubaren Frau, in einem nach außen hin korrekten Gewande, und einem harmlosen Herrn - übriggeblieben ist.

Mit Lisels Demenz sei es leider schlimmer geworden, fuhr das Anderle in seinem brieflichen Berichte fort. Unlängst mußte sie wegen einem leichten Schlaganfall drei Tage lang ins Krankenhaus. Doch darauf kommt es nun auch nicht mehr an.

Sie frägt den Andi oft, wo denn nun der Andi sei, und wenn das Anderle dann sagt: „Ich bin doch da. Ich selber bin der Andi!“ Dann sagt die Lisel nett, er sei ihr Liebster.

Euer an niemanden mehr Denkender! schloß der Andi seinen Brief an die Verwandtschaft.

Anders als früher handelte es sich hierbei um einen richtig schönen Brief, in dem auch wirklich etwas drinstand, und so beantwortete ich ihn spontan und ohne es geplant zu haben. Nach einer Weile schälte ich mich innerlich gar aus dem steifen Kostüm einer Nichte, die ihrem Onkel schreibt, und wurde lustig:

Alle Probleme würden nichtig und klein, wenn einen jemand in einen kleinen grünen Laubfrosch verwandeln würde! ← (schrieb ich.)

Ich hatte mich warmgeschrieben, und berichtete nun, wie ich von allem Irdischen entblößt telefonfrei in Omis Wohnung lebe, und daß böse Hände den Münzschlitz im einzig verbliebenen öffentlichen Telefonhäusl von Grebenstein mit einem Kaugummi verklebt haben.

Dann fügte ich auch noch ein PS an:

Ich würde tatsächlich immer an ihn denken, da ich das Paßbild, das er mir geschenkt hat, an den Schrank geheftet hab, so daß ich beim Geigeüben und auch sonst, immer draufschaue.

In meinen Pausen schaute ich einen Film über Hank Skinner im Todestrakt von Texas. Ein Film von Werner Herzog, (einem Spezi von Klaus Kinski) der unter die Haut geht:

In der Tat hatte Hank Skinner Unglaubliches zu berichten: Er erzählte, wie er dem Tod mitten ins Auge blickte.

Und hierfür mußte er ein wenig ausholen:

Man wird im Auto zur Hinrichtungsstätte gefahren, und sieht die Welt ein letztes Mal. Dann hat man von 16 – 18 Uhr Zeit, seine Henkersmahlzeit einzunehmen, und dazu telefoniert man.

Der Pfarrer bedeutete ihm, daß er nun genug telefoniert habe.

„Ich muß noch ein Telefonat führen!“

„Wen wollen Sie denn noch anrufen, Hank?“

„Meinen Anwalt!“

„Na gut….“

Und der Anwalt rief schenkelhiebnerisch wie in einer amerikanischen Seifenoper: „Das gibt’s doch nicht, Hank! Ihr Timing ist einfach umwerfend!

Eben in dieser Sekunde kam ein Anruf. Ihnen wird ein Aufschub gewährt!!!“

Eine zentnerschwere Last wälzte sich von Hank Skinners Seele herab, doch die Beamten dämpften seinen frischen Frohsinn: „Da drüben sind zwei Telefone: Das eine für den Gouverneur, das andere für den Justizpräsidenten. Einen anwaltlichen Aufschub akzeptieren wir nicht!“

„Das waren die längsten 23 Minuten meines Lebens!“ sagte Hank Skinner melodisch und bedächtig, wieder auf Art eines Amerikaners in einer Seifenoper wie beispielsweise den Gilmore-Girls.

Und dann hieß es tatsächlich: „Sie hatten recht! Ihnen wird ein Aufschub gewährt!“

Auf nette Weise freuten sich die Beamten mit ihm. Plötzlich bekam er einen Bärenhunger. Von seiner Henkersmahlzeit war noch etwas übrig, und das sollte nun zusammengeräumt werden.

„Halt! Das esse ich noch alles auf!“ rief Hank aus.

„…die geben sich wirklich Mühe. Es soll lecker sein, zumal man ja weiß, daß die meisten Häftlinge keinen Bissen hinabbekommen, - und dann essen es die Beamten selber auf!“ lachte er.

Auch Hank S. will unschuldig gewesen sein.

Jemand hat seine Freundin totgeprügelt, und ihre beiden geistig behinderten Söhne erstochen, doch wer dieser Jemand gewesen sein soll, weiß niemand.

Ich bin ein bißchen in Sorge, weil Rehlein derzeit mit dem Hans-Herbert alleine ist, und hört man nicht immer wieder, daß sich hinter der biederen Fassade eines Apothekers ein Frauenmörder verbergen könnte?

Vielleicht ist der Hans Herbert nach Ofenbach gereist um einen Mord zu begehen? bangte ich plötzlich unfroh los.

„Sonstiges“ kreuzt er auf einem Zettel in der Eisenbahn an, in der die Reisenden in einem Fragebogen sehr höflich nach dem Grund ihrer Reise befragt werden.

DienstlichVerwandtenbesuchVergnügenSonstiges

Die beiden Hausaufgabenbrocken „joggen“ und „Tagebuchschreiben“ liegen eigentlich immer wie schwere Wackersteine auf meinem Tagespfad und behindern meine Leichtigkeit des Seins. Nun aber, da ich zur Neige gedichtet, und auch pflichtgemäß die Schulstunde „Sport“ nach Art einer ratternden Nähmaschinennadel abgehoppelt hatte, besuchte ich beide Supermärkte nacheinander (wie sonst?), und erinnerte mich an die Worte von Hank Skinner, der in der Todeszelle davon träumt, endlich mal wieder einen riesengroßen Supermarkt zu besuchen, und seine Leibspeisen zusammenzutragen – z.B. eine frische Avocado, Salz & Pfeffer, und dazu vielleicht auch noch eine Flasche Tequila?

Ich las in der „Frau im Spiegel“, daß Ralf Schumacher, der derzeit einen Rosenkrieg ausfechten muß, sage und schreibe geschätzte hundert Millionen € auf dem Konto habe. Die Cora soll mit 10 000 € im Monat abgespeist werden, doch dies ist ihr zu wenig.

Das „Riesenbaby“ an der Kasse heißt „Frau Rari“, und in diese appetitlichen Riesenspeckärmchen möchte man doch am liebsten hineinbeißen. Und dazu noch der süße Babykopf mit einem Ausdruck, als habe sie im Leben noch niemals einen wüsten Gedanken gehabt.

Drum ist Frau Rari trotz ihrer allerhöchstens zwanzig Jahre ja auch schon verheiratet.

Wahrscheinlich mit einem dunkelhäutigen Beau, wie der hierzulande selten zu hörende Name vermuten lässt. Einmal habe ich gehört, wie sie zu ihrer Kollegin sagte: „Mein Männe sagt…“

Ein junger Türke hatte so unfaßbar viel eingekauft, und vorn in seiner Karre saß ein zirka einjähriger Bub, den ich so goldig fand. Er hielt eine Tüte mit Weihnachtsleckereien in Händen, und bedeutete mir durch Blicke und Gesten multipel, daß er sie mir zu reichen gedachte. Doch einfach zuzugreifen? Und so begnügte ich mich damit, ihn freundlich anzulächeln und mich bescheiden zu geben, denn wie gerne hätte man von Natur aus wohl doch zugegriffen?

Der junge Papi stak etwas im Stresse, die alptraumartig vielen Einkäufe auf das Rollband zu legen, und ließ drei Leute vor. Darunter auch mich.

Der „Filmmittwoch im Ersten“ handelte heut von der Odenwaldschule, die z.Zt. in aller Munde ist, so daß bereits eine Diskussionsrunde um Anne Will herum Stramm Gewehr bei Fuß im Studio saß. U.a. Alice Schwarzer, um die es nach der Steueraffäre still geworden ist. Doch nun saß sie ganz brav da, und nahm das Thema wohl als Ablenkung von ihren eigenen Sünden? Mir war´s zu langweilig, und außer der Alice interessierte mich kein Mensch, und so schaute ich mir Spiegel-TV-Flickerl an. Z.B. über einen jüngst hingerichteten Mohren namens Trotti, der eigentlich ganz süß aussah.

Vor 21 Jahren zum Tode verurteilt wegen Mordes an seiner Frau und seinem Schwager.

Sein Pflichtverteidiger erlaubte ihm nicht, im Prozess zu reden, und sagte selber auch nichts, und somit wurde kurzer Prozess gemacht.

Der Trotti hatte eine deutsche Brieffreundin, die ihren Job nach Art von Frau Münch in der Hospitzbewegung zwar mit Herzblut, so jedoch gleichzeitig auch neutral ausübte. Die lud er nun zu seiner Hinrichtung ein, ebenso wie seinen Sohn. Der Sohn schaute ganz nett aus, litt jedoch an Übergewicht, und sah ansonsten gespuckt so aus, wie sein Vater. Er gab ein kleines Interview, und ein schüchternes Lächeln beleuchtete das Gesicht eines Herrn, der vom Schicksal mit der Kneifzange angepackt worden war.

„Mit zwei Jahren verlor ich meine Mutter, und nun verliere ich auch den Vater. Das ist nicht leicht für mich!“ lächelte er tapfer, und später sah man ihn noch ein letztes Mal:

Als die Zeugen nach der herzzerreißenden Hinrichtung ganz still über eine Außenstiege wieder zum Parkplatz liefen, grad so, als sei die Parole ausgegeben worden: „Nach der Hinrichtung gehen wir still auseinander“.

Donnerstag, 2. Oktober

Grebenstein

Z.T. schön sonnig, wenn auch herbstlich eingetönt,

und einmal schwebte eine dunkelgraue, fast

schwarze Wolke über das Himmelszelt

Zum Frühstück schaute ich „Brisant“:

Berichtet wurde über den Übeltäter Ibrahim B., der den kleinen Dano ermordet hat, und dem derzeit in Bielefeld der Prozess gemacht wird.

Die Verwandten vom kleinen Dano wurden laut und heftig, da man eine solche Freveltat nicht auf sich sitzen lassen kann. Ibrahim B. versteckte sich hinter einem rosa Aktenordner, um sich von den verbalen Wurfgeschossen zu schützen, und die polternden Verwandten wurden des Saales verwiesen, denn so, wie die Tante Bea das Wort „Arsch“ in ihrer Wohnung nicht duldet, so duldet man in deutschen Gerichten ebenfalls keine wüsten Worte oder gar Drohungen.

Ibrahim B. wohnte in einem so widerlich anzusehenden, gänzlich verschmutzten graumodrig oder industrieweiß eingetönten unheilverheissenden Mehrfamilien-Mietshaus, und es hieß, der kleine Dano habe dort geklingelt, weil er mit seinem Freund spielen wollte.

Doch Ibrahim B. war, wie meist, grad auf 180, da ihn seine Frau mitsamt der Kinderschar verlassen hatte, und dies wiederum geschah aus jenem Grunde, weil das Leben mit dem Psychopathen einfach nicht auszuhalten war.

Nun schlug er den kleinen Dano, weil er nicht gehen wollte, und der Kleine drohte, seinem Papi davon zu berichten. Da mußte Ibrahim B. ihn ja umbringen, weil es sonst Ärger gegeben hätte, - und außerdem hat er vor einigen Jahren auch noch die kleine Jenisa ermordet, um es einer verfeindeten Familie „heimzuzahlen“! (?)

Ferner erfuhr man, daß Prinz Carl Philip demnächst ein strahlendes Frauenzimmer, das mich sehr an Birgit Böhme erinnert, vor den Traualtar führt, wobei man allerdings sagen muß, daß der Carl-Philipp ein ganz Lieber ist!

Einmal schrieb mir Pastor Geyer aus Bamberg. Gütig zwar, („Herzlichen Dank für Ihr Angebot!“) so jedoch mit dem Grundtenor, daß dies in Bamberg keinen Zweck habe. Man sei mit guter klassischer Musik mehr als gesegnet, und unbemannte←(hier vertippte sich der Geistliche ein wenig) Künstler hätten es in Bamberg schwer. Dann beeilte er sich, zu versichern, daß dies keinesfalls abwertend über meine Kunst zu verstehen sei.

Auch wenn´s vielleicht ein lieber älterer Herr ist, so spürte man ja doch die fränkische Grundmentalität: „Davon würdi abrraade!“

Lieber Herr Geyer!

Ich habe doch schon in Bamberg gespielt, und zwar vor über 300 Hörfreudigen – soo unbekannt bzw. unbemannt, wie Sie schreiben, bin ich nun auch wieder nicht!

Freitag, 3. Oktober

Grebenstein

Traumhaft schön und warm

Ich hatte mir etwas vorgenommen:

Aufs Finanzamt zu fahren!

Und wenn sich in Hofgeismar auch noch eine „Debitel-Filiale“ finden sollte, so könnte ich doch mein Problem anbringen, daß ich mit meinem Internet-Stick der Firma „Debitel“ nur noch mit stark reduzierter Geschwindigkeit sörfe, und dies hinzu noch bis zum 22. Oktober!

Dann wollte ich mich noch mit dem Verkäufer beratschlagen, wie dies Problem wohl am geschicktesten an den Hörnern zu fassen wäre – doch mitten in diese schönen Überlegungen hinein, die doch einen gewissen Aufwind in meinem Leben zu verheißen schienen, quetschte sich die unbequeme Frage, wo wohl meine Papiere sind?

„Ohne Ihre Kundennummer kann ich da gar nichts ausrichten!“ sagte der Fachmann in meinem Kopf.

„Gar nichts?“

„Gar nichts!“

Als ich „Brisant“ schauen wollte, dämmerte mir, daß heut doch ein Feiertag sei, und so knickte ich den Ausflug in die benachbarte Kreisstadt und versuchte stattdessen, das Debitel-Problem selber in die Hand zu nehmen. Ich blätterte eine Seite auf, wo man beispielsweise ein „Einmal-Paket“ für 4,99€ buchen konnte. Diesen Button klickte ich etwas zag an, und das ansonsten so lahmarschige Gerät reagierte wie ein Feuerwerk.

Wenn Sie jetzt weitermachen, so surfen sie wieder highspeed – yippiiieeeh!!! las man stimmungserhellend.

Ming ging leider nie ans Telefon, und dabei brannte ich doch vor Neugierde, wie „der Fall Mareike Spams“ wohl ausgegangen sei?

*Der Fall jener Tastenfee, die sich so über die Ostfriesenzeitung aufgeregt hat, in welcher faktisch falsch über sie zu lesen war, daß sie „entgegen der vorherigen Absprache“ ohne Cembalo angereist sei, so daß das Team noch in der Nacht ein passendes Instrument auftreiben und herbeikarren mußte.

Und Ming hatte die Presseberichte auf unserer Facebookseite eingestellt.

Die Mareike hatte ein Säbelrasseln mit der angespitzten Anwältin veranstaltet, („da geht dem König wohl doch der Arsch auf Grundeis, dort wo er hingehört?“) aber die Anwältin (ihre Schwester?) hat vermutlich nur gelacht und gesagt: „Mareike, wie naiv bist du eigentlich??“

Ich tippte der Margarethe einen Brief, und tatsächlich entfaltete sich ein ungeheurer Tippschwung. Binnen Kürzestem hatten sich vier Themenausläufe gebildet, die nun erstmal in Form gebracht werden mußten.

„Hattest Du nicht geschrieben, daß bei Euch Flohalarm herrscht? – Aber vielleicht habe ich mir dies auch nur eingebildet, und es könnte ja zumindest sein, daß man sich noch ganz andere Dinge einbildet, um sodann auf Seniorenart zu denken, dies sei wahr!“

„Hattest Du nicht geschrieben, daß Du einem Herrn in der Stadt verfallen bist, und drum nicht zum „Musikalischen Sommer“ anreisen konntest?“ Ich habe es ja versucht, aber auf der Bahnhofsplattform mußte ich wieder umdrehen – wie fremdgesteuert! ← dies dachte die Margarethe in meinem Kopf unfroh, da man es nicht fassen kann, daß man plötzlich nicht mehr Herr seines Tun und Denkens ist.

Draußen war´s schööön.

Ich plante eine kleine Besuchsrunde durch Grebenstein.

Die Edith wackelte die Straße entlang, und meine Lippen schienen sie zuerst gesichtet zu haben, denn die riefen nun einfach: „Hallo Edith!“ bevor ich die Edith überhaupt wahrgenommen hatte.

Ich durfte bei der Edith Kaffee trinken, und freute mich: Man macht sich schick, sieht mal zu, ob sich jemand findet, der einen als Kaffeegast dabehalten würde, und dies Glück findet sich gleich vor der Haustüre.

Ediths Sohn Thomas habe bereits aus Passau angerufen, und die Reise im Wohnmobil verliefe bislang angenehm und geschmeidig.

Und was kann es für die welken Ohren einer Mutter schöneres geben als ein zufrieden stimmender Satz wie diesen hier?

„Mein Leben verläuft angenehm und geschmeidig.“

Ich erzählte, daß der Johannes Neckermann jeden Monat einen interessanten, so jedoch meist verdrießlichen Rundbrief schickt.

Und tatsächlich muß man zugeben, daß sich das Verdrießliche, zumindest auf dem Papier, interessanter ausnimmt als das Unverdrießliche.

Was in seinem Bekanntenkreis so herumgestorben wird – dies ginge auf keine Kuhhaut!

Von meinem ehemaligen Streichquartett sprach ich auch. Sieben Kinder habe es mittlerweile, und so richtete ich das Lupenglas auf Katharinas Sohn, den 13-jährigen Marius:

Die Katharina wollte eigentlich gar keine Kinder. Dann allerdings besuchte sie zusammen mit ihrem Freund Krischdoff ein Selbstfindungsseminar, und dabei wurde sie schwanger! Etwas, das sie sich nicht erklären konnte!

Die Edith lächelte trocken und wissend zu diesen Worten.

Ich rief Ming an und erfuhr Schockierendes:

Daß Buz nämlich im Wiener AKH sei!

Dort wo zwischen seinen Lungenflügeln vormals Wasser war, befindet sich nun Luft, so daß Buz sich praktisch genauso schlecht fühle wie zuvor. Ich war geschockt und verzweifelt, während Ming Dinge babbelte, die einem nicht wirklich helfen: Daß Buz immer glaube, alles würde gleich wieder gut.

Ming befand sich wie alle Tage „auf dem Sprung“: Man wolle nach Ihlow zur Massage, und zu diesen Worten erübrigte sich natürlich meine Frage, ob man wohl schon in Malle sei?

Ich lief am Optikersalon vorbei, und rief Rehlein auf dem Händi an, denn meine Sorgen um Buz brachten mich schier um den Verstand, und bereiteten mir eine unerhörte Pein.

Verzweifelt versuchte ich, mit meinen Ohren peinzersetzende Worte aus Rehleins Mund herauszulösen.

Rehlein erzählte von ihrer großen Müdigkeit im Theater. Sie konnte die Augen gar nicht mehr offen halten. Zuvor sei sie mit dem Hans-Herbert durch Wien geschlendert, und die Feier zu Udo Jürgens 80. Geburtstag in der Kärntner Straße war einfach grauenhaft!

Der Udo selber wäre entsetzt gewesen: Aus den Lautsprechern dröhnten völlig übersteuert und in unverschämter Lautstärke seine schönsten Songs, die somit in eine Qual verwandelt wurden.

In den Straßen von Grebenstein standen dröge die Altpapiertonnen, und man hätte doch zu gerne die vereinzelten Deckel gelupft, um zu schauen, ob sich darin womöglich ein altes Tagebuch befindet? Doch nirgends ging´s, weil fast immer jemand dastand, oder ein Fenster geöffnet war.

„Was suchen Sie denn da?? Das ist unser Müll!“

„Ich suche alte Tagebücher!“

Jetzt hatte ich mich verlaufen, doch nach einer Weile hatte ich mich wieder entlaufen, und nun lief ich auf Ullas Haus zu. Ich hatte direkt das Gefühl, die Ulla stünde oben am Fenster und wünke mir in einer weit ausholenden Winkbewegung mit beiden Armen zu – doch es war bloß ein Spiel mit dem Licht. Wieder ne Verarsche von OBEN!←(wie ein desillusionierter Mensch nun wohl schrüb?)

Mir wurde jedoch mit einem sonnigen Lächeln geöffnet, und ich, mit meinem halbaufgegessenen Riesenapfel aus Ediths Garten, wurde nun in Ullas Garten gebeten, wo die Ulla auf eine nach Außen hin dröge Weise ihre Sudokus löste.

Später am Tage:

Vor dem Rose´schen Anwesen stand ein rotes Auto mit Bonner Kennzeichen, so daß man 2+2 zusammenzählen konnte.

Tochter Doro war aus Bonn angereist!

Ich klingelte, und Doros Töchterlein, die kleine Martha, öffnete mir die Tür.

„Was ist da los?“ brummte Opi Dietrich vom oberen Stockwerk herab auf seine unwirsche Art.

Aber Omi Ilse, ein äußerst wohltuender Kontrast zu ihrem poltrigen Ehemann, ist immer ganz aus dem Häuschen vor Freude, wenn sie mich sieht.

Die kleine Martha ist ganz weiß und durchsichtig – sie wiegt so gut wie nichts, und zuweilen wird sie schrill und übermütig.

Bislang hat sie nur kleine Milchzähnchen im Mund.

Mutti Doro saß auf dem Balkon und häkelte, und ich setzte mich neben sie.

Die Doro war ja eigentlich zum Klassentreffen angereist, dadurch aber, daß ihre absolute Lichtgestalt (ein Lehrer) nicht dabei sein würde, war ihre Motivation sich auch wirklich dort hinzubegeben ganz zusammengeschnurrt, so daß sie nun von einer Entscheidungsschwäche gequält wurde. Ob sie nun hier sitzen und weiterhäkeln, oder aber sich nochmals dazu aufraffen solle, um trotz allem das Klassentreffen zu besuchen?

Die kleine Martha wollte nicht, daß ihre Mutti weggeht, weil sie es viel lieber gesehen hätte, wenn die weiterhäkeln würde.

Omi Ilse wollte mir einen Geigenbogen schenken, der im Flur zierend an der Wand hing.

Er habe damals, als man ihn einem armen Trödelhändler abgekauft hat, nur 29 Mark 90 gekostet, und da frägt man sich nun wirklich, warum andere wohl 40 000 € für einen Bogen ausgeben?

Ja, das frage ich mich auch. ← (sagte ich.)

Ming hatte über den Tag verteilt immer wieder Pröppifotos und –videos geschickt, die sich mit meinem erlahmten Gerät jedoch leider nur so schwer aufpixeln ließen.

Jede noch so kleine Geste vom Pröppilein möchte der stolze Ming mit seinen Lieben teilen, und bestimmt kann er es jetzt verstehen, daß unser Vetter Heiner einst „ganz hin mit dem Marius“ war, und am liebsten „mit ihm im Kinderwagen am Rhein entlanggefahren wäre“ – bzw. die Verwandten mit Marius´ Klavierkünsten, die stellenweise wie „Free-Jazz“ klangen, zu beglücken suchte.

Ferner kam ein sog. „Newsletter“ von Jens Söring, der immerhin Besuch von einem Menschenrechtsbeauftragten bekommen hatte – doch das innerlich herbeibeschworene Bild erinnerte an Ming & Julchen im Ministerium: Vielleicht sitzt einem für eine Weile ein ernstes und anteilnehmendes Gesicht gegenüber, und doch bewegt sich hernach nichts!

Jens schrieb, daß man es sich dreimal überlegen möge, gegen die Todesstrafe zu kämpfen, denn der Tod wäre doch für die meisten von denen eine echte Erlösung.

Ein Häftling pinselt immer Bilder für seinen erwachsenen Sohn. Er schickt sie los, bekommt jedoch nie eine Antwort.

Samstag, 4. Oktober

Grebenstein

Ein goldener Oktobertag,

auch wenn mein Auto am Morgen ganz nass war

Wenn man meine Lage pessimistisch oder auch nur realistisch betrachtet, so muß man ja sehen, daß ich auf einem Strudel des Verderbens tänzele.

Ein Lottogewinn ist nicht in Aussicht, - aber dafür schlief ich wie ein Stein oder eine Tote, und die Traumeswogen beplätscherten mich. Ich träumte beispielsweise, daß ich ein schlechtes Gewissen bekam: Der Opa lebte noch, und zusammen besuchten wir eine Feier auf einem Rasen vor einem Bungalow. Und auf dieser Feier habe ich mich wie selbstverständlich überhaupt nicht um den Opa gekümmert! Ich hatte ihn einfach nur abgestellt, und seinem Schicksal überlassen…

Etwas, was ich im wahren Leben doch niemals gemacht hätte. Aber dies träumte ich womöglich aus jenem Grunde, weil ich öfters mal darüber nachsinniere, daß sich die Tante Bea auf der Feier von Jim & Roberta wie selbstverständlich überhaupt nicht um mich gekümmert hat. Hätte ich jedoch die Bea im Hinblick darauf, daß man sich doch so gut wie nie sieht, in Beschlag genommen, so hätt´s mit Sicherheit bereits in den ersten zwanzig Sekunden geheißen: „Du Schätzle, jetzt muß ich mich aber auch mal um die Anderen [Klugen und Ernstzunehmenden] kümmern!“

Ich erhob mich, machte mich ein bißchen schick, und wusch gar mein Gesicht. Dann sputete ich mich zum Netto, und tat leider alles ganz sputsam. (Nach vorne preschend, statt genußvoll zu verweilen.)

Ich besuchte meine liebe Freundin Ulla zum Frühstück, und erzählte fremdprahlend, so wie es Buz zuweilen tut, daß Herr Rose ein alter Spezi von Helmut Schmidt sei. Die Herren seien „per Du“, und zum 65. Geburtstag von Schmidts Tochter Susanne habe man ihn gebeten ein paar Goldberg-Variationen auf dem Klavier zu fingern, die er doch schon sein Leben lang geübt hat!

Die Schmidts wohn(†)en seit vielen Jahrzehnten unverdrossen in einem Reihenhaus in Hamburg, wo man rein theoretisch einfach auf lose Art an der Türe schellen konnte. („Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt“ oder „einen Kaffee mit Loki Schmidt“, und dies, wo doch auch die Loki gequalmt hat wie eine Lokomotive, so daß man nicht wissen möchte, wie es bei denen in der Stube wohl gerochen hat?)

Eine Freundin habe der seit einigen Jahren verwitwete Helmut mittlerweile auch.

Zu diesen Worten las man in Ullas Gesicht das Ungläubnis, was sich die Männer wohl bloß so alles erlauben?

Die habe er, weil die Loki sich das so gewünscht hat, fuhr ich fort. Die Loki habe auf dem Sterbebett geraten, er möge sich doch bitte etwas Frisches und Krispes an Land ziehen, und ihr nicht allzu lange hinterhertrauern! Früher oder später – meist früher als einem lieb ist - sähe man sich ja doch wieder.

Am heutigen strahlend schönen Sonnentag wollte die Ulla eigentlich nach ihren Enkelkindern schauen, aber vielleicht wollte auch ihr jüngster Sohn Noah zu Besuch kommen?

Tatsächlich aber habe man mit dem Noah kaum Kontakt, und die Ulla weiß auch nicht so recht, wie es mit seinem binationalen Eheglück mit einer Amerikanerin wohl so aussieht?

Große Sorgen macht sie sich auch wegen ihrem Erstling Mathias mit seiner Heike: Seit zwölf Jahren haben die beiden keinen Schritt ohne einander gemacht, und zumindest vom Mathias habe man den Eindruck, daß er ohne die Heike überhaupt nicht leben könne.

Ich erzählte, wie sich mein Onkel Andi einen Hund anzuschaffen plane, doch der bestellte Hund müsse erst einmal geboren und sodann abgestillt werden, so daß sich ein Hundebesteller leider erstmal in Geduld üben müsse.

Die Ulla hatte gar ein Handbuch für Hundehalter im Regal stehen, und darin blätterten wir nun interessiert.

Die Autoren vom Hundehalterbuch hatten sich so viel Mühe gegeben, die Hunde alle mit einem fröhlichen Lächeln im Gesicht abzulichten, aber ich verstand trotzdem nicht so recht, warum sich die Ulla wohl ein Hundehalterbuch hält, obwohl sie eigentlich fast alle Hunde ekelhaft findet.

Zum Schluß durfte ich auch noch etwas ausdrucken: Das lose Blatt, das ich am Montag ins Finanzamt bringen will, und jene beiden Werke von Rheinberger, die ich morgen mit Herrn Frenzen beim Konzert in Melsungen als Zugabe spielen möchte.

Die Ulla nörgelte sehr über ihren Computer, und konnte es überhaupt nicht einsehen, warum das Mozilla-Zeichen plötzlich verschwunden war.

„Ich versteh das nicht!“ sagte die Ulla nach Art einer Mutter, die sich mit einem schwer erziehbaren Kind abplagen muß, gereizt.

Nach meinem Besuch bei der Ulla besuchte ich die Roses erneut, da deren unscheinbares Haus auf meinem Heimweg liegt, und es befremdlich wäre, einfach so daran vorbeizulaufen.

Die kleine Martha öffnete mir die Türe.

„Ist die Omi da?“ (frug ich.)

„Ja, die wäscht auf!“

„Waaas?? An ihrem Geburtstag?“

Das luftige Treppenhaus ist so unnatürlich steil und hoch, und da turnt das Kind so rum.

Oben in ihrer engen Küche stand die kleine tapfere Frau Rose, die heute 76 Jahre alt wurde.

Man servierte mir einen Kaffee, und ich malte drei Zehen von einem Nilpferd in einem Malbuch bunt, und zu dieser „Tätigkeit“ zeigte sich die älteste Tochter des Hauses, Barbara, die - wenig löblich - immer sehr spät zu frühstücken pflegt.

Nämlich gegen zwölf Uhr, wenn das Mittagessen bereits vorbereitet wird.

Am Abend würde die Schwägerin aus Bad Arolsen zum Essen erwartet, und einmal rief eine Gratulantin an, und man hörte, wie sich die Damen über Zipperlein austauschten.

Daran anknüpfend erzählte ich hernach die Geschichte, wie sich der junge Buz - von der Familie Neckermann als Ziehsohn aufgenommen - stets geweigert habe mitzukommen, wenn die ganze Familie Neckermann einmal im Jahr prophylaktisch den Zahnarzt aufzusuchen pflegte.