Ein Monster sieht rot - Larry Correia - E-Book

Ein Monster sieht rot E-Book

Larry Correia

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Beschreibung

Unheil naht mit großen Schritten ...

Agent Franks ist etwas ganz Besonderes. Zusammengesetzt aus verschiedenen menschlichen Teilen und versehen mit unmenschlichen Kräften, gehört er zu den effektivsten Waffen, die das Amt für Monsterkontrolle zu bieten hat. Doch nur unter einer Bedingung stellt er seine durchschlagenden Fähigkeiten der Regierung zur Verfügung: Sie musste ihm versprechen, keine weiteren Wesen wie ihn zu erschaffen. Franks Schöpfer ist jedoch unersättlich. Im Rahmen eines Geheimexperiments will er dreizehn neue Monster zum Leben erwecken. Als Franks davon Wind bekommt, bahnt sich Ärger an ... und das nicht auf leisen Sohlen.

Die Monster Hunter - spannende Urban Fantasy von Bestsellerautor Larry Correia:

Band 1: Die Monster, die ich rief
Band 2: Der Club der toten Monster
Band 3: Ein Monster kommt selten allein
Band 4: Monster sehen und sterben
Band 5: Ein Monster sieht rot
Band 6: Monsterzähmen leicht gemacht

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.


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Inhalt

Cover

Grußwort

Über dieses Buch

Titel

Widmung

TEIL 1: DER PLAN

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

TEIL 2: DIE ABMACHUNG

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

TEIL 3: DER VERTRAG

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Über den Autor

Weitere Titel des Autors

Impressum

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Über dieses Buch

Agent Franks ist etwas ganz Besonderes. Zusammengesetzt aus verschiedenen menschlichen Teilen und versehen mit unmenschlichen Kräften, gehört er zu den effektivsten Waffen, die das Amt für Monsterkontrolle zu bieten hat. Doch nur unter einer Bedingung stellt er seine durchschlagenden Fähigkeiten der Regierung zur Verfügung: Sie musste ihm versprechen, keine weiteren Wesen wie ihn zu erschaffen. Franks Schöpfer ist jedoch unersättlich. Im Rahmen eines Geheimexperiments will er dreizehn neue Monster zum Leben erwecken. Als Franks davon Wind bekommt, bahnt sich Ärger an … und das nicht auf leisen Sohlen.

LARRY CORREIA

EIN MONSTER SIEHT ROT

Aus dem amerikanischen Englisch von Michael Krug

Für Jake

TEIL 1DER PLAN

Kapitel 1

»An Ihren Händen klebt unschuldiges Blut. Wie viele Bundesagenten, Zivilisten und Monsterjäger haben Sie im Einsatz getötet?«, verlangte der Verhörleiter zu erfahren.

»Ich zähle längst nicht mehr mit.«

Die beiden Männer saßen in einem kleinen, hell erleuchteten weißen Raum und waren nur durch einen schmalen, rechteckigen Tisch voneinander getrennt. Franks konnte sich nicht daran erinnern, wie er hierher gelangt war.

»Nennen Sie für das Protokoll Ihren Namen.«

»Franks.«

»Und welche Position haben Sie bis vor Kurzem bekleidet?«

»Special Agent des Amts für Monsterkontrolle der Vereinigten Staaten.«

Der Verhörleiter war so klein, bleich und unscheinbar wie das Zimmer. »Sie sollten sich klarmachen, dass dies Ihre einzige Gelegenheit ist, Ihre Handlungen zu erklären. Ihre Zukunft hängt davon ab, dass Sie bei diesem Verhör absolut entgegenkommend sind.«

»Erwarten Sie ein Geständnis?«

»Ich will die Wahrheit, Agent Franks.«

»Sind Sie mein Richter?«

»Ihr Schicksal liegt nicht in meinen Händen. Alles, was Sie hier sagen, geht geradewegs ganz nach oben. Er trifft die Entscheidung. Verstehen Sie das?«

Franks nickte.

»Beginnen Sie ganz am Anfang. Erzählen Sie mir alles.«

Der Zwischenfall in KalifornienVor 18 Monaten30 Kilometer vor der Küste von Kalifornien

Das letzte Ritual hatte begonnen.

Eine weitere gewaltige Welle hob das Fischerboot an. Blitze zuckten über den Himmel, als es wieder nach unten krachte. Ein mächtiger Schwall Wasser schwappte über die Seite und fegte einige Kultanhänger von den Beinen, der Rest leierte weiter einen Sprechgesang herunter und kreiste um die auf das Deck gemalten Runen.

Kaltes Wasser sickerte durch die Fugen der Kiste und durchnässte ihn, befeuchtete das getrocknete Blut an seinem Anzug so weit, dass es wieder zähflüssig wurde. Seine Kiste hatte ungefähr die Größe eines Sargs. Falls sie über Bord gespült würde, müsste er aus ihr ausbrechen, an die Oberfläche schwimmen und versuchen, das Boot zu finden, das von sechs Meter hohen Wellen hin und her geschleudert wurde. In Anbetracht der Tatsache, dass er in dieser Nacht bereits mehrfach angeschossen worden war und auch eine Stichwunde hatte einstecken müssen, käme ihm das eher ungelegen.

Der Regen prasselte heftig und hart herab. Nur selbstmörderische Idioten würden mit einem Boot in einen solchen Sturm hinausfahren. Aber nachdem das Amt für Monsterkontrolle ihre Pläne auf dem Festland durchkreuzt hatte, waren die verbliebenen Kultisten verzweifelt genug gewesen, um zu versuchen, ihr großes Finale direkt über ihrem Zielpublikum abzuziehen. Kultanhänger verkörperten in der Tat eine besonders lästige Art von Gewürm.

Ein Teil des Decks ließ sich durch die seitlich in die Kiste geschlagenen Luftlöcher erkennen. Das Schiff kreuzte ohne Beleuchtung, und die Gewitterwolken blockierten das Licht des Mondes, doch für sein erweitertes Sehvermögen spielte beides keine Rolle. Einmal im Monat stachen ihm die Wissenschaftler des Amts für Monsterkontrolle eine Nadel ins Auge und injizierten ihm eine Spritze voll brennender Chemikalien, die ihm dabei halfen, in der Dunkelheit besser zu sehen. Das ursprünglich von der DARPA entwickelte Sichtverstärkungsserum hatte die menschlichen Testobjekte vor Schmerzen so weit in den Wahnsinn getrieben, dass sie sich selbst die Augen ausgekratzt hatten. Er hingegen empfand die Nebenwirkungen als allenfalls unangenehm. Zwar musste er seine Augen alle paar Jahre austauschen, weil die Injektionen unausweichlich Augenkrebs verursachten, doch das betrachtete er als geringen Preis für die taktischen Vorteile eines optimierten Sehvermögens.

Bisher hatte er fünfzehn Kultanhänger gezählt. Sie schienen menschlich zu sein. Größtenteils. Wahrscheinlich befanden sich noch mehr an Bord, und irgendjemand musste auch noch im Ruderhaus stecken, um das Boot irgendwie durch den Sturm zu manövrieren. Die Kultisten hatten einen Kreis gebildet, und eine größere Gestalt bewegte sich zwischen ihnen umher, erteilte Anweisungen, um sie bei ihrem Beschwörungszauber zu unterstützen. Franks bemühte sich, den Größeren im Auge zu behalten, hatte jedoch durch die Luftlöcher keinen guten Sichtwinkel. Kurz gerieten Beine in sein Blickfeld, die in Ziegenhufen endeten, dann verschwand der Dämon wieder außer Sicht. Flüchtig schnappte er den Gestank von Schwefel auf, bevor ihn der Sturm wegfegte.

»Ziel erfasst«, meldete Franks, ohne zu wissen, ob es sein Funksignal durch das Holz und das üble Wetter schaffte.

»Verstanden.« Special Agent Myers’ Stimme war durch die statischen Hintergrundgeräusche kaum zu verstehen. »Die USS Cheyenne beschattet Sie. Team Bravo ist mit einem Kutter der Küstenwache unterwegs zur Ihrer Position. Geschätzte Ankunft zehn Minuten.«

Die Wellen hatten einen eigenartigen Rhythmus angenommen, der dem fieberhaften Sprechgesang der Kultisten entsprach. Franks hatte genug Rituale schwarzer Magie miterlebt, um zu wissen, wohin das führte. Ihnen blieben keine zehn Minuten mehr. »Erbitte Erlaubnis zum Angreifen.«

Sein Vorgesetzter seufzte. »Warum machen Sie sich überhaupt die Mühe, zu fragen, wo Sie es doch sowieso tun werden?«

»Protokoll.«

»Moment … Mir wird gerade mitgeteilt, dass wir seismische Aktivitäten direkt unter Ihnen verzeichnen. Wir haben da etwas auf Satellit. Auf dem Meeresboden ist eine Wärmesignatur erschienen. Die wecken irgendetwas auf … Großer Gott! Es ist riesig. Unterbrechen Sie das Ritual, Agent Franks. Beenden Sie es sofort!«

Myers’ Anordnung war das Beste, was er den ganzen Abend lang gehört hatte. »Ja, Sir.«

Jemand fing an, Befehle zu brüllen, wesentlich lauter als der Sprechgesang der Kultisten. »Es ist soweit, Brüder! Der Leviathan kommt.« Der Dämon, der den Kult mit seinen Informationen über schwarze Magie versorgte, verkörperte Franks’ Ziel. Sobald der erst ausgeschaltet war, würden diese Trottel nicht einmal in der Lage sein, einen Shoggothen zu befehligen, geschweige denn ein riesiges Meeresungeheuer, das in der Lage war, ganze Städte zu verschlingen. »Lasset es werden Licht, auf dass wir seine Pracht sehen können.« Grelle Strahlen stachen durch die Löcher der Kiste, als die Kultisten mehrere große Scheinwerfer einschalteten. »Holt die Jungfrau für das Opfer. Beeilung, Brüder! Vergießt das Blut der Jungfrau mit der geweihten Klinge in dem Kreis, auf dass der Leviathan unsere Ergebenheit bezeugen kann.«

Bei der Razzia hatte Franks in der Kiste auf der Ladefläche eines Trucks eine gefesselte und mit Drogen betäubte Frau entdeckt. Da hatte er sich schon gedacht, dass sie für irgendetwas in dieser Art vorgesehen war. Obwohl er verletzt gewesen war und seine gesamte Munition für die Kultanhänger aufgebraucht hatte, war Franks klar gewesen, dass diese Frau seine beste Chance darstellte, sein Ziel zu erreichen. Also hatte er die junge Frau aus der Kiste geladen, ihren Platz eingenommen und anschließend seinen Männern befohlen, sich so weit zurückzuhalten, dass die restlichen Kultisten fliehen konnten. Und tatsächlich, wenig später war eine Gruppe der nach Fisch und Kreaturen der Alten stinkenden Loser eingestiegen und in Richtung der Docks losgebraust.

Rings um die Kiste wurde es unruhig, als sich mehrere Männer zusammentaten, um sie vom Deck zu heben.

»Das ist ja ’ne richtig fette Jungfrau. Kommt schon, Leute. Eins, zwei, drei.« Mühsam hoben sie die Kiste an und wankten damit über das rutschige Deck.

Das Boot ächzte. Blitze zuckten. Kultisten schrien. Irgendein Teil ihres Gottes war aus den Tiefen aufgetaucht und hatte sich ihnen offenbart. Dem Tumult nach zu urteilen, vermutete Franks, dass es ein ziemlich beeindruckender Anblick sein musste. Andererseits: Wenn diese Penner nicht leicht zu beeindrucken wären, dann wären sie gar nicht erst Kultanhänger geworden.

»Schnell!«, drängte der Dämon. Franks’ Sarg wurde in der Mitte der gemalten Muster abgesetzt. Einige der Kultanhänger schnappten über und rannten davon, weil ihr Verstand nicht in der Lage war, die uralte Monstrosität zu begreifen, die sich rings um das Boot aus den Fluten erhob. Ein neuer Geruch lag in der Luft, der überwältigende Gestank von verfaultem Fisch. »Stellt die Geduld des großen Leviathans nicht auf die Probe!«

Franks schloss die Augen und holte tief Luft. Seine beiden Herzschläge gingen langsam und gleichmäßig. Jemand zwängte unnötigerweise ein Brecheisen zwischen die Fugen, ahnungslos, dass Franks den Deckel schon einmal geöffnet hatte, um in das sargähnliche Gebilde zu steigen.

Sie hoben den Deckel von der Kiste. »Das soll unser Jungfrauenopfer sein?« Zwei Männer in unpraktischen Zeremoniengewändern glotzten auf ihn herab. Weit hinter ihnen stieg eine buchstäbliche Wand aus Dornen und Tentakeln aus dem Ozean auf. »Ich dachte, wir kriegen ’ne Tussi, nicht irgendeinen großen, potthässlichen Kerl.«

»Was zum …«

Franks streckte den Arm aus, packte den ersten Kultanhänger an der Kehle und drückte zu, plättete seine Luftröhre. Den anderen ergriff Franks an den Haaren und rammte sein Gesicht durch den Rand der Kiste. Der Mann ließ sein Brecheisen geradewegs in Franks’ Schoß fallen.

In der Nähe stand ein weiterer Kultist mit einem juwelenbesetzten Zierdolch; einem protzigen Ding der Art, wie es solche Arschlöcher gern benutzten, um damit Jungfrauen zu opfern. Der Mann drehte sich mit einem Ausdruck raubtierhafter Begeisterung im Gesicht zu dem Sarg um. Jene Miene schlug prompt in Entsetzen um, als er sah, wie Franks aus der Kiste stieg. Das war definitiv nicht die gefesselte, halb bewusstlose Sterbliche, die der Mann erwartet hatte. Vielmehr handelte es sich um eine Abrissbirne aus blankem Hass, zusammengehalten von reichlich Muskelmasse. Der Kultanhänger ließ die Klinge fallen und hob kapitulierend die Hände, was jedoch keine große Rolle spielte, zumal Franks das Brecheisen so wuchtig in die Stirn des Mannes rammte, dass Hirnmasse zu beiden Ohren herausschoss.

»Ein Eindringling! Ergreift ihn!« Diesen Befehl erteilte der Dämon noch mit gebieterischer Stimme, dann jedoch erkannte er, um wen es sich bei dem Eindringling handelte, und er kreischte schrill und verängstigt auf. So gut wie alles von der anderen Seite wusste, wer Agent Franks’ war. »Oh Scheiße! Das ist Franks! Flieht!«

Franks erkannte die Art des Dämons. Der physische Körper war eine erbärmliche alchemistische Schöpfung, zusammengeflickt aus Tierteilen und alten Kadavern, zusammengehalten von Magie, die sich kaum dafür eignete, einen Zombie zu reanimieren. Ein solcher Körper taugte höchstens dazu, einen ausgesprochen schwachen Wirt in die Welt der Sterblichen zu versetzen. Franks schnaubte verächtlich. Dafür war ihm in den Bauch geschossen worden? Dämlicher Kobold. Er hatte wenigstens auf einen guten Kampf gehofft.

»Hilf uns, oh großer Schläfer aus der Tiefe«, bettelte der Dämon, als das Gebrüll des uralten Tintenfischgottes das Meer zum Erzittern brachte. »Bitte rette uns vor Franks.« Anscheinend hatte der mindere Dämon vor Franks tatsächlich so viel Angst, dass es ihm weniger Sorgen bereitete, das Wesen der Alten beschwichtigen zu müssen, das er gerade aus einem tausendjährigen Schlummer erweckt hatte.

Gute Wahl.

Die meisten Kultanhänger kauerten immer noch in ängstlich geduckter Haltung auf dem Deck. Das äonenalte Monster, das sie heraufbeschworen hatten und das sich jetzt rings um ihr Boot aus dem Wasser erhob, jagte ihnen einfach eine Heidenangst ein. Aber diejenigen, die sich im Runenkreis befunden hatten, griffen Franks an. Ihre Bemühungen wären ja unterhaltsam gewesen, wenn er nicht wichtigere Dinge zu erledigen gehabt hätte. Franks schwang das Brecheisen in weitem Bogen und traf gleich mehrere von ihnen, wobei Rippen zertrümmert und Gliedmaßen zerschmettert wurden. Die Wucht des Hiebs genügte, um einen der Männer über die Reling kippen und schreiend ins Meer stürzen zu lassen. Viel Glück beim Schwimmen in diesen idiotischen Roben.

Jemand packte Franks am Hemd, doch der ergriff das Handgelenk seines Angreifers und hebelte es herum, bis es brach. Dann drehte er sich und schleuderte den Mann gegen mehrere seiner Freunde, die er allesamt mit sich zu Boden riss. Einem anderen gelang es beinahe, Franks zu schlagen, aber der Bundesagent wich nur mit dem Kopf aus, hakte das Brecheisen hinter der unteren Zahnreihe seines Gegners ein und zog mit einem Ruck daran. Der Mann schaffte noch ein paar Schritte, bevor er zusammenbrach und die Hände auf das klaffende Loch an der Stelle presste, wo sich bis vor Kurzem die untere Hälfte seines Gesichts befunden hatte. Als Franks den Unterkiefer vom Ende seines Brecheisens schnippte, fiel ihm auf, dass sich am Hals des Sterbenden Kiemen öffneten und schlossen.

Diese Volltrottel schienen das Produkt einer Kreuzung von Menschen und Tiefseekreaturen zu sein. Daraus waren offenbar diese Hybriden hervorgegangen. Nun, an Land wurden sie dadurch wahrscheinlich nur matschiger. Franks bestätigte seine Hypothese, indem er einem weiteren Kultisten den Schädel einschlug. Das herausspritzende Blut war ölig und grünlich. Das gehörte später in seinen Bericht, doch im Augenblick musste er sich konzentrieren. Eine Kultanhängerin besaß die Geistesgegenwart, eine Pistole zu ziehen, aber Franks schleuderte das Brecheisen quer übers Deck und zerschmetterte so ihren Schädel.

Das riesige Unterwassermonster mochte beeindruckend sein, doch vorerst tötete es niemanden aktiv, daher wandte auch der Rest der Kultisten die Aufmerksamkeit stattdessen Franks zu. Der Dämon schwenkte seine langen, unförmigen Gorillaarme und heulte in seiner eigentlichen Sprache. Offensichtlich flehte er die uralte Kreatur aus der Tiefe an, seine Bitte zu erhören, Franks zu töten und dann die Menschenstädte entlang der Küste anzugreifen. Das Primärziel dieser Operation bestand darin, genau das zu verhindern. Das Sekundärziel sah vor, den Dämon zu fangen, um ihn zu verhören. Als Tertiärziel stand an, jeden Kultanhänger zu töten, der Franks verärgerte. Letzteres hatte der Agent selbst hinzugefügt.

Er bückte sich, hob den Zeremoniendolch auf – oh, ein solides Stück! – und überwand blitzschnell den Abstand zu dem Dämon. Der krallte nach ihm, während er schreiend weiter darum bat, das Monster möge sie retten. Franks schlug dem Dämon in die Brust und spürte, wie Knochen förmlich explodierten. »Du wirst gesucht und sollst verhört werden.« Handschellen hatte Franks nicht dabei, also packte er einfach den Arm des Dämons, drückte ihn auf das Deck und rammte den Dolch mitten in die Hand und tief ins Holz darunter. »Bleib hier.«

Er ließ den wild zappelnden Dämon zurück, der den Dolch in dem nutzlosen Versuch umklammerte, sich davon zu befreien, doch wenn Franks eine Klinge in etwas stieß, dann tat er das mit Überzeugung, und der Dämon war nicht stark genug, um sie herauszuziehen.

Es musste etwas unternommen werden, bevor die verbliebenen Kultisten ihre Sinne wieder ausreichend zusammenbekamen, um das große Monster doch noch dazu zu bringen, ihren Willen auszuführen. Franks’ Erfahrung nach bestand die sicherste Methode, jemanden von etwas abzuhalten, schlicht darin, ihn zu töten.

Das Wesen, das tief im Meer geschlafen hatte, befand sich direkt unter ihnen, und es schien wütend darüber zu sein, dass man es geweckt hatte. Ein Tentakel vom ungefähren Umfang des gesamten Bootes tauchte über der Wasseroberfläche auf und peitschte durch den Regen und die Lichtstrahlen der Scheinwerfer, bevor es nur sechs Meter von ihrer Steuerbordseite entfernt zurück ins Wasser klatschte. Franks knurrte. Er hatte wenig Geduld mit außerweltlichem Grauen. Die halten sich immer für ach so taff … Die Navy hatte wenige Kilometer entfernt ein Kampf-U-Boot. Denen würde er das Ding zeigen. Während er zu der fallen gelassenen Pistole der von ihm getöteten Kultanhängerin ging, aktivierte er sein Funkgerät. »Kommen, Kommandozentrale.«

»Wie ist die Lage bei Ihnen, Franks?«, fragte Myers und klang dabei ein wenig aufgeregt, aber so benahm sich der Boss immer, wenn er über Satellitenbilder beobachtete, wie sich ein übernatürliches, weltveränderndes Ereignis entfaltete.

»Situation unter Kontrolle.« Die Kultanhänger eilten zu ihren Waffen. Ein an der Tür zum Ruderhaus stehender Kultfreak fing an, mit einem AR-15 auf Franks zu schießen. Franks bückte sich seelenruhig, hob die fallen gelassene Handfeuerwaffe auf, eine alte GI 1911, ließ die Mündung im Laufen nach oben kommen und feuerte eine einzige Kugel ab. Der Schütze ging zu Boden und hinter ihm zersprang das Glas des Ruderhauses, da das Projektil ihn glatt durchschlagen hatte. Mehrere andere griffen zu ihren Waffen, also machte sich Franks daran, sie planvoll abzuknallen, während das feindliche Blei links und rechts an ihm vorbeisauste. Er ging hinter einigen Lagerboxen aus Metall in Deckung. »Ersuche um Torpedobeschuss für das große Vieh.«

Durch die statischen Interferenzen konnte er Myers’ Erwiderung nicht verstehen. Das würde reichen müssen. Er beugte sich um die Ecke, schoss einem weiteren Kultisten in den Mund und jagte seine letzte Patrone einem anderen Mann ins Herz. Franks ließ die leere Waffe fallen und setzte sich in Bewegung, als seine Gegner vergeblich durch das Blech ballerten, hinter dem er Deckung gesucht hatte. Nach menschlichen Maßstäben war Franks gewaltig, dennoch bewegte er sich schneller als so gut wie alles Sterbliche auf Erden. Er erreichte den Rand des Ruderhauses, erwischte einen Kultisten von hinten, brach ihm das Genick und stieß den Gelähmten in den nächsten Angreifer, sodass dieser seine Schrotflinte harmlos in die Luft abfeuerte. Jenem Mann schlug Franks mitten ins Gesicht, brach ihm mit einem Hieb die Nase, den Kiefer und mehrere Zähne. Er nahm ihm die Schrotflinte weg und schleuderte anschließend ihn und seinen gelähmten Kameraden über die Seite des Boots. Franks schwenkte die Flinte herum, lud eine Patrone ins Lager und blies einem weiteren Kultanhänger den Schädel von den Schultern. Sogleich zielte er auf den nächsten, doch beim Durchladen spürte er, dass die Remington leer sein musste. Die meisten Projektile hatte der Vorbesitzer der Waffe längst auf ihn abgefeuert. Franks ließ die Schrotflinte fallen und duckte sich, als der überlebende Rest auf dem Schiff ihn wieder unter Feuer nahm.

Ein Blick zurück offenbarte Franks, dass der Dämon offensichtlich so viel Angst davor hatte, von ihm gefasst zu werden, dass er sich in dem Versuch zu fliehen tatsächlich den eigenen Arm durchnagte. Franks bewegte sich blitzschnell. Er entdeckte eine lange Stange mit einem Haken am Ende und benutzte sie, um einen der Scheinwerfer zu erreichen und so zu schwenken, dass er die auf ihn feuernden Kultisten vorübergehend blendete. Dann pfählte er einen alten Mann mit der Stange, rannte einen weiteren Kultfreak mit ausgestrecktem Arm dermaßen wuchtig über den Haufen, dass der auf der Stelle starb, und erreichte seinen Gefangenen gerade noch rechtzeitig, als dieser damit fertig wurde, sich den Arm abzubeißen.

Sogleich kroch er weg, doch Franks fing ihn mühelos ein. »Das kannst du nicht machen, Franks! Du bist ein Verräter an den Heerscharen. Dafür wirst du bezahlen!«, kreischte der Dämon, als ihn Franks dorthin zurückschleifte, wo er ihn beim ersten Mal ans Deck geheftet hatte.

Der Dämon kratzte und biss nach ihm, womit er Franks nur verärgerte. Als der Bundesagent den Zeremoniendolch erreichte, zog er ihn aus dem Holz. Eine abgetrennte Dämonenklaue rutschte vom Ende der Stahlklinge. Franks drückte den Kopf des Dämons aufs Deck und rammte ihm den Dolch durchs Gesicht. Das heftete ihn genauso sicher an die Planken wie zuvor. Die Kreatur quiekte und zappelte, aber zumindest konnte sie nicht mehr reden. Aus dieser Lage würde sich der dämliche Kobold nicht so schnell rauskauen.

Franks wandte sich wieder dem Töten der Kultanhänger zu. Einige der Vollpfosten versuchten, mit dem Leviathan zu kommunizieren, aber ein Mensch brauchte Jahre, um die Ursprache zu meistern, und der dämonische Übersetzer der Kultisten war jetzt verhindert. Die alte Sprache war für einen sterblichen Geist überaus schwierig zu begreifen, geschweige denn zu sprechen, doch einer der Kultanhänger, anscheinend der Anführer, gab sich alle Mühe. Er hatte die Arme weit ausgebreitet und brüllte zu der Kreatur hinauf. »Oh großer Schläfer aus der Tiefe, vergib uns, dass wir deine Ruhe gestört haben. Untertänigst bitten wir dich, unsere Feinde durch Verschlingen zu beseitigen!«

Ein baumgroßes Tentakel hielt über dem Boot inne, und fünfzig Augen öffneten sich daran, um den Kultisten in seiner im heftigen Wind flatternden Robe zu betrachten. Franks fand eine weitere Schusswaffe und ging in Stellung, um auf den Kultanführer zu feuern. Er musste zugeben, dass er beeindruckt war – für einen Sterblichen stellte sich der Mann wirklich gut an … Nun, zumindest bis zu der Stelle, an der er es vermasselte. »Unsere Leben sind Nahrung für dich!«

Das ließ sich der Leviathan nicht zweimal sagen. Tausende Stacheln schossen aus dem Tentakel hervor, als es sich herabsenkte. Kultisten kreischten, als sie aufgespießt, umschlungen, in die Luft gehoben und in riesige, pulsierende Mäuler gestopft wurden.

Primärziel erfüllt. Nun würde sich das Monster nicht mehr so schnell auf die Zivilbevölkerung stürzen, doch Franks musste immer noch seinen Gefangenen fürs Verhör sicherstellen, bevor der Leviathan das Fischerboot versenkte. Eine Hybridin griff an. Fischaugen glupschten unter der Kapuze, und dicke Froschlippen schmatzten, als sie versuchte, Franks ins Gesicht zu beißen. Der trat ihr einfach in den Bauch, ließ sie davonsegeln, und bevor sie auf dem Deck aufschlagen konnte, schnappte ein Tentakel sie aus der Luft, hob sie zu einem der schnappenden Schlunde des Monsters und schob die Hybridin hinein, um genüsslich auf ihr zu kauen.

Überall stießen Tentakel herab. Das Monster hätte das Boot mühelos in Trümmer schlagen können, aber es schien sich zuerst an den Snacks gütlich tun zu wollen. Allerdings hatte sich das Boot mittlerweile nahezu geleert. Franks wollte nicht, dass auf ihm herumgekaut wurde, ebenso wenig wollte er Zeit damit vergeuden, sich den Weg aus den Eingeweiden eines Riesenmonsters sägen zu müssen. Es war an der Zeit für die Evakuierung.

Weit unter der Wasseroberfläche gleißte ein weißer Blitz auf, und eine Explosion erschütterte den Fischkutter. Der Leviathan kreischte in Frequenzen, die Wale ertauben ließen. Entweder war Franks’ Nachricht durchgegangen, oder der Kapitän des Kampf-U-Boots hatte das Riesenmonster auf seinem Sonarbildschirm gesehen und die Entscheidung selbst getroffen. Ein Kreis von Wasser mit einem Durchmesser von hundert Metern schoss hoch, als ein zweiter Torpedo den Leviathan traf.

Eine schwarze, glitzernde Masse von der Größe eines dreigeschossigen Gebäudes prallte gegen den Fischkutter, und das Boot krängte zur Seite. Die wenigen verbliebenen Kultanhänger wurden ins Meer geschleudert. Franks fiel, fand jedoch an irgendeinem Maschinenteil halt. Dann, verärgert über diese Wendung der Ereignisse, kroch er in Richtung seines Gefangenen, der an seinem Gesicht über den schäumenden Fluten baumelte. »Team Bravo, hier Franks. Haltet im Wrack Ausschau nach mir.«

Das Boot richtete sich kurzzeitig wieder auf, aber der Rumpf war durchschlagen, und das Gefährt sank rasch. Franks streckte sich nach dem Dämon und zog den Dolch aus dem Deck. Die Kreatur sprang auf und krallte nach ihm, doch Franks wehrte den Arm ab und schlug dem Dämon in den durchstochenen Mund. Das sandte den zurück aufs Deck, wo er mit einem krachenden Aufprall zum Liegen kam. Der Bundesagent ragte über dem Wesen auf. »Wer hat dich geschickt?«

»Verräter«, stieß der Dämon keuchend hervor. »Du bist ein Verräter an den Heerscharen.«

Franks trat dem besseren Kobold ins Gesicht. Fette Tropfen leuchtenden Blutes spritzten in den Regen hoch. Auch animierte Körper spürten grundsätzlich Schmerzen, doch in Anbetracht der Tatsache, dass der Kobold sich bei seinem Fluchtversuch den eigenen Arm abgebissen hatte, musste er eine beachtlich hohe Schmerzgrenze haben. Ihn zu foltern würde demnach zu lange dauern. Das Boot ging bereits unter. Außerdem schlugen gerade weitere Torpedos in das wild zuckende Riesenmonster ein, deren Detonationen den Ozean erschütterten. Für Spielchen blieb da keine Zeit. »Rede, oder ich schicke dich zurück in die Hölle.« Ein Scheißhaufen wie dieser würde tausend Jahre brauchen, um den Weg zurück aus der Leere zu finden.

»Nein, bitte nicht«, zischte die Kreatur. Franks erwiderte nichts, doch der Dämon blickte ihm in die Augen, sah, was ihn dort erwartete, und wurde von einem unwillkürlichen Schauder durchgeschüttelt. »Na schön, schon gut.« Er tauchte die verbliebene Hand in die Pfütze des leuchtenden Blutes und zeichnete mit einer Kralle ein kompliziertes Symbol auf die hölzernen Decksplanken. Der Dämon brauchte dazu nichts zu erklären. Sie wussten beide haargenau, wofür das Zeichen stand.

Franks betrachtete das Muster mit finsterer Miene. Ein weiteres zusammenhängendes Ereignis … Der Regen begann bereits, das Zeichen wegzuwaschen, doch es war unverkennbar. Das würde ebenfalls in seinen Bericht müssen. Und seine Vorgesetzten würden darüber alles andere als glücklich sein.

Eines der kleineren, vor Augen und Stacheln strotzenden Tentakel näherte sich, suchte nach einem letzten Snack vor der Flucht zurück in die Tiefe. Franks schaute unbekümmert auf, erblickte die gewaltige Fleischmasse und hämmerte ansatzlos eine große Faust mitten in einen weichen Augapfel. Eiter spritzte heraus, und das Tentakel zog sich zurück.

»Ganz recht, Franks. All die Jahre tief vergraben, aber er ist wach, und er schart seine Armee um sich. Das Ende beginnt gerade, und du hast dir die falsche Seite ausgesucht, Bruder. Lass mich nicht hier draußen zurück. Ich kann dir helfen. Lass mich mitkommen, und ich erzähle dir alles, was ich weiß.«

Trau niemals einem Dämon. Der Fischkutter krängte jetzt stark, aber es sah danach aus, als wollte der Hauptkörper des Leviathans zurückkehren, um sie am Stück zu verschlingen. Franks ergriff die andere Hand des Dämons, drückte sie auf das Deck und stieß den Dolch kraftvoll durch die Handfläche. Der Kobold schrie gellend auf. »Nag besser schnell.« Damit begann Franks, davonzugehen.

»Warte! Ich habe noch mehr Informationen! Ich habe etwas, das du bestimmt hören willst. Mach mich los«, bettelte der Dämon. Franks erreichte den Rand des Kutters. Ein fünfzehn Meter langes Tentakel fegte vorbei und riss das gesamte Ruderhaus in einem Stück vom Boot. Der Schlund, der sich nun aus dem Meer erhob, war locker groß genug, um den gesamten Kutter zu verschlingen. Es war an der Zeit, schwimmen zu gehen. »Das ist etwas Persönliches, Franks! Dein alter Feind hat den Weg zurück auf die Erde gefunden.«

Franks hielt inne. Er schaute zu dem Kobold zurück. »Wer?«

»Kurst!«

Es kam nicht oft vor, dass irgendetwas Franks erschütterte. Er setzte sich zurück in Richtung des Dämons in Bewegung.

»Er hat einen neuen Körper gefunden, der ihn zu beherbergen vermag. Er wird es auf dich abgesehen haben. Lass mich frei, und ich …«

Das nächste Tentakel wies den Umfang eines Busses auf, und als es krachend auf dem Fischerboot landete, löste sich das ganze Gefährt in seine Bestandteile auf. Sie wurden von dem uralten Ungeheuer hochgehoben, während unter ihnen weitere Torpedos explodierten. Franks stolperte über die splitternden Balken, aber der Kobold war verschwunden. Eine Reihe von Saugmündern hatte den Großteil des Dämons vom Deck geschlürft und nur eine hamburgerähnliche Masse und blubbernde Säure zurückgelassen.

Kurst … Entweder hatte ihn der Kobold aus Gehässigkeit verarscht, oder das waren wirklich sehr schlechte Neuigkeiten.

Franks knurrte frustriert und sprang über die Seite des Kutters. Das Meer raste ihm entgegen.

*

»Nein, Agent Franks, ich sagte, Sie sollen ganz am Anfang beginnen.«

Franks verschränkte die gigantischen Arme vor der Brust. Seine breiten Schultern schienen den kleinen Raum förmlich auszufüllen. »Nein.«

Normalerweise schrumpften Menschen förmlich unter Franks’ vernichtendem Blick, aber der Verhörleiter zuckte mit keiner Wimper. »Das ist keine Bitte. Es ist für uns von entscheidendem Interesse, die gesamte Geschichte zu kennen. Entweder kommt jetzt alles auf den Tisch, oder wir sind hier fertig. Ich glaube, Ihnen ist nicht ganz das Ausmaß des Schlamassels bewusst, den Sie angerichtet haben. Das hier ist Ihre letzte Chance. Er muss entscheiden, auf welcher Seite Sie wirklich stehen.«

Die ganze Geschichte war noch nie erzählt worden. Franks wusste nicht einmal, ob er das konnte.

»Nun? Was darf’s sein? Ich weiß, Ihre Antwort würde normalerweise lauten: Geheim. Aber das trifft in diesem Fall wohl kaum zu, oder?«

»Ich hab’s nicht so mit Reden.«

»Tja, dann klingt es ganz so, als stünde mir etwas sehr Besonderes bevor, denn wenn Sie mir nicht sofort Ihre gesamte Lebensgeschichte erzählen, blase ich die Sache hier ab.«

Franks atmete aus. »Schreiben Sie mit. Ich wiederhole mich nicht gern.«

Kapitel 2

Aussage des als Franks bekannten Wesens, ehemaliger Special Agent des Amts für Monsterkontrolle der Vereinigten Staaten von Amerika.

Anmerkung des Verhörleiters: Um der besseren Lesbarkeit willen finden in der vorliegenden Abschrift meine Fragen, die ausgedehnten Schweigephasen und die wütenden, finsteren Blicke des Befragten keine Erwähnung. Ich bin in all meinen Jahren nie jemandem oder etwas derartig Mürrischem und Bedrohlichem begegnet. Franks ist vollkommen unfähig zu jeglicher Art von Gnade oder Freundlichkeit. Im Verlauf der Befragung begann er, sich ein wenig zu öffnen und mir einen ausgiebigen Blick in seine Gedankengänge zu gewähren. Mir ist bewusst, dass eine derartige Entscheidung nicht bei mir liegt, aber meiner professionellen Meinung nach sollte man das tiefste nur erdenkliche Loch auf Erden suchen und Franks darin begraben.

BEGINN DER ABSCHRIFT

Wo soll ich anfangen? Bei meinem Vertrag? Ich habe Wort gehalten. Es war die Regierung, die gegen Benjamin Franklins Vertrag verstoßen hat. Stricken hätte mich nicht wütend machen sollen.

Davor also …

Die ersten Worte, die ich in meinem sterblichen Leben gehört habe, waren: »Es lebt! Es lebt!« Ist es das, was Sie hören wollen?

Noch früher? Hmmm … normalerweise würde ich Sie dafür töten, dass Sie überhaupt fragen.

Sie wollen den wahren Beginn, aber es ist schwierig, sich daran zu erinnern, und noch schwieriger, ihn zu erklären.

Schnallen Sie sich an. Das wird jetzt schräg.

Im Anschluss an das Ereignis der Stufe 5 bei der IKPMJVor 12 TagenLas Vegas, Nevada

Auf dem Ausweis des Mannes stand »Foster«. Das Kommandozelt war voll von Leuten mit dem Titel Agent, seiner jedoch lautete schlicht Mister. Ungeachtet dessen hatte er de facto das Sagen. Franks hätte ihn am liebsten umgebracht, allerdings hätte das die Dinge nur verkompliziert. Foster gehörte zum Sondereinsatzkommando Einhorn, war einer von Strickens handverlesenen menschlichen Lakaien und keiner der monströsen Fußsoldaten. Er wäre somit durchaus ein würdiger Kandidat gewesen, ihm das Genick zu brechen. Aber da man Franks in Ketten gelegt hatte und Wachleute ihn umzingelten, die bereit waren, bei der kleinsten Provokation zu schießen, würde Fosters Tod warten müssen.

»Wenn Franks auch nur zuckt, tötet ihr ihn«, hatte Foster befohlen.

Die versammelten Agenten des Amts für Monsterkontrolle befolgten zwar Befehle, fühlten sich dabei jedoch sichtlich unwohl. Mehrere Häuserblocks von Las Vegas lagen rings um sie in rauchenden Trümmern. Die Lage war in ein totales Chaos ausgeartet. Die Befehlskette war unterbrochen. Es gab Hunderte Augenzeugen. Statt ihre Primärmission erfüllen zu dürfen, die darin bestand, die Existenz von Monstern und übernatürlichen Bedrohungen vor der Öffentlichkeit geheim zu halten, waren diese Agenten des Amts für Monsterkontrolle damit beauftragt worden, den berühmtesten Mitarbeiter in der Geschichte ihrer Organisation zu bewachen. Sie sollten eine Legende behandeln, als wäre er ein Verräter.

Einer der Männer sprach seine Bedenken aus. »Ich halte das nicht für notwendig. Franks hat voll und ganz kooperiert, als wir ihn verhafteten, Mr. Foster.«

Das stimmte. Es hätte nichts gebracht, Widerstand zu leisten, also hatte er sich von der eintreffenden Verstärkung in Gewahrsam nehmen lassen, bis deren Vorgesetzte kamen. Franks hatte zwar äußerst wenig Vertrauen in die Weisheit der Menschen, aber er vertraute Dwayne Myers. Und Myers würde die Sache in Ordnung bringen.

»Kommen Sie mir bloß nicht vorlaut.« Foster lief nervös auf und ab, überprüfte immer wieder sein Handy. Er wartete offensichtlich auf eine Nachricht von seinem geheimnisvollen Vorgesetzten. »Dafür landen Sie auf der Schnauze, Franks, und zwar richtig hart.«

Vor einer Stunde war Franks von einem aus Ektoplasma und Albträumen bestehenden Drachen quer über den Strip von Las Vegas gefegt worden. Im Vergleich dazu empfand er bürokratische Intrigenspiele als belanglos.

Auf der anderen Seite des Zelteingangs tat sich etwas. Wachleute verlangten nach Identifikation, Ausweise wurden vorgezeigt, eine Flut von Entschuldigungen folgte. Die Eingangsklappe öffnete sich, und mehrere Männer betraten das riesige Kommandozelt. Als Erste kamen die Mitglieder des mobilen Elite-Einsatzteams des Amts für Monsterkontrolle herein. Sie waren abgehärtete Krieger, mit denen Franks schon viele Male zusammengearbeitet hatte. Hinter ihnen folgte ein unscheinbar wirkender Mann mittleren Alters in einem billigen Anzug.

Franks’ Arme waren an den Stuhl gekettet, daher neigte er nur leicht den Kopf. »Sir.«

»Warum ist mein Stellvertreter gefesselt?«, verlangte Dwayne Myers, der kommandierende Special Agent des Einsatzteams, zu erfahren. »Was hat das zu bedeuten?«

Fosters Antwort fiel erwartungsgemäß streitlustig aus. »Agent Franks wird zur Last gelegt, direkte Befehle missachtet und gegen Sicherheitsprotokolle verstoßen zu haben, indem er einen zivilen Zeugen in einen Monsterverwahrungsbereich mitgenommen hat. Anschließend ist er in eine Lagereinrichtung in Nevada eingebrochen, um beschlagnahmte Beweismittel zu stehlen.«

»Ist das wahr?«, fragte Myers.

Franks nickte. Das klang ungefähr richtig, aber Myers kannte den Großteil der Einzelheiten ohnehin bereits, zumal es ja insgeheim seine Idee gewesen war. Franks hatte Owen Pitt nach Dugway mitgenommen, weil er gedacht hatte, die medialen Fähigkeiten des Monsterjägers könnten ihren Ermittlungen dienlich sein. Er hatte drei uralte, geheimnisvolle Waffen aus Area 51 geholt, um gegen den Nachtmahr zu kämpfen: Lord Machados Axt, das Attilius-Schwert und das Schwarze Herz des Leidens. Letzteres hatte die gewünschte Wirkung gezeigt und die Kreatur vernichtet.

»Als Franks mit seinen Handlungen konfrontiert wurde, hat er versucht, den Direktor des Amts für Monsterkontrolle, Douglas Stark, umzubringen.«

Franks schnaubte höhnisch. Die fünf Männer, die ihn mit gezogenen Waffen in Schach hielten, wichen nervös zurück. Sie befolgten nur Befehle, aber sie alle hatten schon irgendwann mit Franks zusammengearbeitet, daher wussten sie, dass es Franks meist ziemlich aufregte, wenn er angeschossen wurde.

»Ich kenne Agent Franks seit zwanzig Jahren. Er versucht nicht, jemanden zu töten. Stecken Sie die Waffen zurück in die Halfter und nehmen Sie ihm die Ketten ab. Franks kommt mit mir.« Myers war zwar unlängst degradiert worden, war davor jedoch amtierender Direktor gewesen und verkörperte den wahrscheinlich meistrespektierten Agenten der gesamten Behörde.

»Halt«, widersprach Foster. »Franks ist in SEKE-Gewahrsam.« Foster schien zu glauben, dass die Erwähnung des ultra-geheimen Sondereinsatzkommandos Einhorn geeignet war, Angst im Herzen des altgedienten Bundesagenten zu entfesseln.

Myers sah sich theatralisch um. »Wirklich? Hier scheinen aber nur Männer vom Amt für Monsterkontrolle zu sein, und meinem letzten Wissensstand zufolge nehmen vereidigte Agenten des Amts für Monsterkontrolle keine Befehle von einer Institution entgegen, die gar nicht existiert.« Streng genommen gab es auch das Amt für Monsterkontrolle offiziell nicht, zumal es nur als unscheinbare Zeile im Budget des Heimatschutzministeriums aufschien, aber in dieser Branche gab es verschiedene Abstufungen der Nicht-Existenz.

»Direktor Stark …«

»Versteckt sich vor dem gewaltigen Durcheinander, das seine mangelnden Führungsqualitäten verursacht haben«, fiel Myers dem Mann ins Wort. »Unser guter Direktor muss wohl vergessen haben, dass es gegen Vorschrift zweiundsiebzig Schrägstrich B verstößt, die Verantwortung des Amts für Monsterkontrolle für die Eindämmung eines Ereignisses der Stufe fünf ohne Genehmigung des Präsidenten an eine andere Institution wie die Ihre zu übertragen. Somit verkörpere ich hier vorläufig den ranghöchsten Mitarbeiter des Amts für Monsterkontrolle, und ich treffe die Entscheidungen. Machen Sie Franks los. Ich gehe jetzt wieder raus und versuche, das Chaos zu begrenzen, dass Sie und Ihre Amateure aus einer von Amerikas beliebtesten Touristenattraktionen gemacht haben, bevor jede Nachrichtenagentur der Welt Videos von einer Straße voll Ektoplasma und Drachenteilen aufzeichnet. Ist das klar, Mr. Foster?«

Es war dem Mann eindeutig klar, nur schien es ihm nicht sonderlich zu gefallen. »Wir sind noch nicht fertig, Myers.«

»Oh doch, ich glaube, das sind wir.« Myers schaute zur Seite und vergewisserte sich, dass die Männer ihre Waffen weggesteckt hatten. »Entfernen Sie Mr. Foster aus meinem Kommandozelt.«

»Ich mach’ das«, meldete sich Franks freiwillig. Einer der Agenten hatte bereits nach einem Schlüssel für das Vorhängeschloss gesucht, aber Franks ergriff die Kette einfach mit bloßen Händen und verdrehte sie, bis ein Glied nachgab und brach. Ehe irgendjemand mitbekam, was vor sich ging, waren die Ketten bereits auf dem Boden gelandet, und Franks packte Foster am Arm. Er hob ihn mühelos vom Boden, und Foster verzog schmerzhaft das Gesicht, als Franks den Einhorn-Mitarbeiter zur nächstbesten Zeltklappe trug und ohne Federlesens auf die Straße hinauswarf.

Foster landete hart und schlitterte über den Asphalt geradewegs hinein in einen Haufen Ektoplasma, das aus dem Albtraumdrachen gesprengt worden war. Entrüstet und wüst schimpfend rappelte er sich auf, über und über bedeckt von schimmerndem Glibber. »Stricken wird von all dem hier erfahren!«

»Nimm lieber die Beine in die Hand, Kleiner«, riet Franks dem Mann, bevor er die Zeltklappe zufallen ließ und zu Myers zurückkehrte. »Sie hätten mir einfach auftragen sollen, ihn zu eliminieren.«

»Er ist bloß ein unbedeutendes Rädchen im Getriebe einer großen, gefährlichen Maschinerie.« Myers trug einen dunkelgrauen Anzug statt Körperpanzerung, doch soweit das Amt für Monsterkontrolle wusste, lag das daran, dass er eben erst am Schauplatz eingetroffen war. In Wirklichkeit hatte sich Myers die ganze Zeit vor Ort aufgehalten und insgeheim versucht, den Nachtmahr so schnell wie möglich aufzuhalten, während er gleichzeitig Strickens intrigante Machtkämpfe sabotierte. »Wir haben auch so genug zu tun. Agent Jefferson hat die Öffentlichkeit bisher überraschend gut gehandhabt, aber wenn wir es versäumen, jetzt schnell zu handeln, könnte sich das als der schlimmste Ausbruch in der Geschichte des Amts für Monsterkontrolle erweisen.«

Myers erteilte den wartenden Agenten eine rasche Abfolge von Befehlen zur Koordination des Militärs und der örtlichen Gesetzeshüter und schickte Agenten in Zivil los, um sich den Medien gegenüber als Augenzeugen auszugeben, alles zu beseitigen, das übernatürlich aussah, und gefälschte Beweise zur Untermauerung ihrer Vertuschungsgeschichte anzubringen. »Martinez, treiben Sie ein paar Schauspieler zusammen und liefern Sie den Medien Berichte aus erster Hand über diesen Terroranschlag. Aber vorläufig noch nichts allzu Detailliertes. Denken Sie daran: alles schön emotional. Auf Tränen und Gestammel springen die Medien immer an. Barber, kontaktieren Sie die Technikabteilung. Alles, was im Internet herumschwirrt, ist zu beseitigen. So groß wie dieser Drache war, müssen Videos davon kursieren, und ich will, dass sie verschwinden. Die sollen den übelsten Virus auspacken, den wir haben, und ihn darauf ansetzen.«

Es war, als beobachte man den Dirigenten eines Symphonieorchesters.

»Tobler, wo bleiben die Verlustzahlen? Von wie vielen Toten reden wir? Und von wie vielen Verletzten?« Myers verstummte, als ihm ein Tablet gereicht wurde. Rasch überflog er die darauf angezeigten Zahlen, dann fluchte er über die ziemlich beträchtliche Menge. »Bei dieser Geschichte wird ein ganz schöner Haufen Augenzeugenbearbeitung anfallen …«

Die Männer stöhnten auf, als Myers weitere Aufgaben verteilte. Zeugen einzuschüchtern, um sie zum Schweigen zu bringen, galt als eine Aufgabe, vor der den meisten Agenten graute. Franks konnte nicht wirklich nachvollziehen, weshalb. Für ihn stellte es lediglich einen weiteren Bestandteil der Gesamtmission dar. Die Hauptverantwortung des Amts für Monsterkontrolle bestand darin, die Existenz von Monstern vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. So lautete der Gründungsgrundsatz der Behörde. Es war schlicht notwendig, den meisten Agenten widerstrebte es aber trotzdem, unschuldige Überlebende von Monsterangriffen zu bedrohen. Menschen waren in der Hinsicht einfach verweichlicht.

Franks hingegen störte es kein Stück. »Befehle?«

Myers gab das Tablet zurück. »Gehen Sie ein Stück mit mir, Franks.«

Die beiden verließen das Zelt.

Dutzende Autos waren umhergeschleudert, umgekippt und zerquetscht worden. Im Asphalt klaffte ein gewaltiges Loch, wo sich der Nachtmahr aus der Erde hervorgegraben hatte. Die meisten Brände waren mittlerweile eingedämmt worden, aber Diamond Steves Hotel und Casino stand lichterloh und außer Kontrolle in Flammen. Der Komplex des Last Dragon glich nur noch einer bröckeligen Ruine, nachdem die Anlage von Feuer, improvisierten Sprengkörpern, einer Albtraumarmee und mehreren hundert verzweifelten Monsterjägern verwüstet worden war. Das Ereignis hatte mit der medizinisch begründeten Quarantäne eines Kasinos eigentlich recht harmlos begonnen, war jedoch durch einen übernatürlichen Dimensionsriss, der die Evakuierung der gesamten Stadt erforderlich gemacht hatte, schnell vollkommen außer Kontrolle geraten. Als Höhepunkt des Ganzen hatte ein Albtraumdrache entlang des Strips von Las Vegas für heillose Zerstörung gesorgt.

Allerdings verkörperte Dwayne Myers den begabtesten Propagandakünstler, den das Amt für Monsterkontrolle je gehabt hatte, und wenn irgendjemand diese Sache würde vertuschen können, dann er. Eine lange Weile ließ Franks’ Vorgesetzter den Blick prüfend über den Ort des Geschehens wandern. »Ja … Das wird eine Herausforderung, aber ich bekomme das hin …«

»Natürlich, Sir.«

»Allerdings werde ich das ohne Ihre kompetente Hilfe schaffen müssen. Sie brauche ich für etwas anderes. Stricken hat seine nächste Karte ausgespielt.«

»Nemesis?«

»Natürlich.« Myers holte ein Päckchen Zigaretten hervor, zog eine Kippe heraus und zündete sie an. »Anscheinend will er den Neustart des Projekts so sehr, dass er bereit ist, dafür eine ganze Stadt zu gefährden. Das Spiel ist in vollem Gange.«

»Nemesis ist kein Spiel.«

»Er benutzt dieses Ereignis hier als Vorwand. Stricken scheint dem Eindruck zu unterliegen, dass Nemesis eine unfehlbare Superlösung gegen übernatürliche Kräfte ist. Nun will er den Präsidenten davon überzeugen, dass unsere Sicherheit davon abhängt, dass er ihm einen Freibrief dafür ausstellt. Der Vertrag mit Ihnen, Franks, ist das einzige juristische Hindernis, das ihm dabei im Weg steht. Und jetzt werden Sie für eine umfassende Nachbesprechung in die Zentrale zurückkehren. Dieser Drecksack von einem Albino hat bereits einen Bericht über die Gesamtheit Ihrer Verfehlungen eingereicht.«

»Versucht er, für meine Entlassung zu sorgen?«

»Für Ihre Zerlegung.«

Franks grunzte bestätigend.

»Keine Sorge. Das ist unwahrscheinlich. Jeder weiß, dass Sie dafür als Aktivposten zu wertvoll sind.« Myers blies eine Rauchwolke aus, während er die Stätte der Verwüstung betrachtete. »Aber mussten Sie den neuen Direktor wirklich bewusstlos würgen?«

Franks zuckte mit den Schultern.

»Dacht’ ich mir schon … armer Doug. Ich wette, inzwischen wünschte er sich, er hätte meinen alten Job nie übernommen. Und ich habe ihn noch davor gewarnt, dass es stressig ist.« Myers kicherte. »Stricken ist ausgekocht genug, um zu wissen, dass ich hier festsitze, bis die Vertuschung dieses Ereignisses gesichert ist, also kann ich nicht gegen ihn vorgehen. Er wird das Eisen schmieden, solange es heiß ist, und auf die Genehmigung für Nemesis drängen, während noch alle in Panik sind. Tut mir leid, Franks. Ich muss in erster Linie die Mission im Auge behalten.«

Das hätte eigentlich keiner Erwähnung bedurft. Die Mission hatte immer oberste Priorität. Je mehr Menschen an Übernatürliches glaubten, desto eher glaubten sie auch an andere Welten, und je stärker der Einfluss dieser Welten wurde, desto mehr verschwammen die Grenzen dazwischen. Das durfte nicht geschehen. Die Menschheit kam nie gut damit zurecht, wenn Grenzen verschwammen.

Die beiden Agenten beobachteten eine Weile schweigend, wie das Kasino vor sich hin brannte, bis Myers schließlich seufzte. »Wir können die Verschleierung nicht ewig aufrechterhalten.«

»Nein, Sir.«

»Das Amt für Monsterkontrolle gibt sein Bestes, aber es wird unweigerlich eine Zeit kommen, da die Wahrheit ans Licht dringt. Und ich fürchte, wenn es soweit ist, wird jemand wie Stricken mit einem Heilmittel bereitstehen, das schlimmer ist als die Krankheit … Vertrauen Sie mir, Franks?«

Agent Franks nickte. Mehr als jedem anderen derzeit lebenden Menschen. Obwohl Franks das Wort Freund benutzte, um die Kommunikation mit Menschen zu vereinfachen, und obwohl er bestimmte Kollegen im Verlauf der Jahre als Freunde bezeichnet hatte, verstand er das menschliche Konzept von Freundschaft nicht wirklich. Aber nach logischen Gesichtspunkten qualifizierte sich Myers wahrscheinlich als Freund.

»Dann wünschte ich, Sie würden mir den wahren Grund nennen, weshalb Sie so unverrückbar gegen Projekt Nemesis sind.«

Franks erwiderte nichts.

»Schon gut. Geheim. Sogar für mich …« Myers schüttelte den Kopf. »Wissen Sie, eins muss ich Stricken lassen: Er ist geschickt. Sie verkörpern das Einzige, was zwischen ihm und dem steht, was er will, indem Sie die Regeln seines eigenen Systems gegen ihn verwenden. Und solange dieses System besteht, hängt er darin fest. Also hat er Sie in eine Lage manövriert, in der Sie sich zwischen einem Verstoß gegen das System und dem Versagen bei einer Mission entscheiden mussten.«

»Ich habe noch nie bei einer Mission versagt.«

»Dann lassen Sie uns nicht jetzt damit anfangen. Es ist ein Blackhawk unterwegs hierher, der Sie zum Stützpunkt Nellis bringen wird. Ich habe veranlasst, dass dort ein Flugzeug auf Sie wartet. Da ich beschäftigt bin, haben Sie derzeit keinen Partner. Ich schicke Ihnen einen meiner loyalen Männer als Unterhändler mit.«

»Brauche ich nicht.«

»Ihre zwischenmenschlichen Fähigkeiten habe ich schon zur Genüge erlebt. Hier geht es mittlerweile um behördenübergreifende Politik, Franks. Sie brauchen jemanden, der in der Lage ist, zu lächeln und Kongressmitgliedern den Arsch zu küssen. Ich teile Ihnen Grant als Berater zu. Wenn ich’s mir recht überlege, habe ich noch ein paar andere Agenten mit Begabungen, die sich bei dem Unterfangen als nützlich erweisen könnten … Insbesondere einen …« Myers verstummte, wirkte tief in Gedanken versunken. »Pfeif auf den Dienstplan. Ich kümmere mich darum. Fliegen Sie zurück zur Zentrale und erzählen Sie Ihre Version der Geschichte. Wahrscheinlich wird es eine Anhörung geben. Seien Sie einfach Sie selbst, dann kommt alles wieder ins Lot.«

Mit fragendem Blick sah Franks seinen Vorgesetzten an.

»Ich sollte das wohl besser klarstellen. Als ich sagte, Sie sollen Sie selbst sein, meinte ich, Sie sollen die unverblümte Wahrheit sagen. Nicht, dass Sie irgendjemanden umbringen sollen … Stricken spielt mit dem System, aber ich glaube nicht, dass er es demolieren will. Noch nicht. Normalerweise würde ich Ihnen raten, vorsichtig zu sein, aber ich weiß ja, dass Sie Augen im Hinterkopf haben.«

»Hab ich mal versucht. Zu verwirrend.«

»Sie nehmen manche Dinge zu wörtlich, Franks … Wie dem auch sein mag, die Machthaber kennen Stricken. Er ist so etwas wie ihre Haus- und Hofschlange, aber ihnen ist klar, dass sie es trotz allem mit einer Schlange zu tun haben. Sie hingegen können seit über zwei Jahrhunderten einen beispielhaften Dienstlebenslauf vorweisen. Sie verkörpern eine bekannte Größe. Einige von denen haben vielleicht Angst vor Ihnen, aber selbst die wissen, dass Sie ihnen keine heiße Luft erzählen. Ich denke also, es wird klappen … Hoffentlich sind wir nicht zu spät dran.«

Myers durfte es nicht wissen, aber falls es ihnen nicht gelingen sollte, Projekt Nemesis zu verhindern, würde die Zerstörung, die sie gerade hier erlebt hatten, im Vergleich dazu nichts sein.

*

»Franks-Dienst?«, meinte Grant Jefferson zu seinem Partner Henry Archer, als sie sich dem wartenden Flugzeug näherten. »Was haben wir verbrochen, um das zu verdienen?«

»Wahrscheinlich will Myers uns einfach raus aus Vegas verfrachten, weil wir ihm geholfen haben, SEKE zu verarschen«, gab Archer zurück.

»Schhh.« Grant sah sich auf dem Rollfeld um. »Sag das nicht so laut. Hier könnte alles verwanzt sein.«

Grants Mangel an technischen Überwachungskenntnissen war unterhaltsam, aber nur ein geringer Teil des Personals beim Amt für Monsterkontrolle verfügte über Archers technisches Know-how, der zuvor im Technikzweig der Abteilung für Verwaltung und Logistik des Amts gearbeitet hatte. Grant gehörte zum Bereich Medienkontrolle, und dort ging es mehr um Redegewandtheit als um Intellekt. »Wenn die von Einhorn Richtmikrofone haben, die gut genug sind, um uns über all die startenden Motoren hinweg zu hören, dann verdienen sie es, von unserer großen Verschwörung aus dem Waffle Hut zu erfahren.«

Grant nickte. »Ich hoffe, du hast recht.«

»Da mache ich mir eher Sorgen, dass Stricken dafür gesorgt haben könnte, dass unser Flugzeug auf mysteriöse Weise abstürzt.«

»Das wird nicht passieren.« Aber da sie beide für eine Schattenregierungsinstitution arbeiteten, die sich darauf spezialisierte, Verschwörungstheorien zu fabrizieren und Beweise zu fälschen, klang Grant nicht allzu überzeugt. »Wahrscheinlich nicht. Stricken mag bereit sein, tatenlos mit anzusehen, wie mehr Unschuldige als nötig sterben, aber er wird nicht anfangen, andere Bundesagenten zu ermorden … Allerdings … falls die Besatzung mit Fallschirmen aussteigt, mach’ ich das auch.«

»Du meinst, Stricken könnte die Air Force eingeschaltet haben? Glaub ich kaum. Ich an seiner Stelle würde einfach einen unserer Flügel so manipulieren lassen, dass er gepflegt abbricht.« Archer hatte in der 82. US-Luftlandedivision gedient und in seinem Leben schon viele Absprünge absolviert, allerdings immer aus einem Flugzeug von tadelloser Verfassung. »Man kann die Zentrifugalkraft nicht überwinden und sauber aus einer Maschine aussteigen, die sich im Sturzflug in Richtung Boden schraubt. Na ja, Franks könnte es vielleicht, aber ich hab gehört, solange genug von ihm übrig bleibt, um die Reste in einen Plastikbeutel zu kratzen, kann man ihm einen neuen Körper machen, also zählt es nicht, wenn Franks etwas Dummes anstellt. All die militärischen Schulungsunfälle, über die man liest, bei denen Flugzeuge ins Meer stürzen, ohne dass je Leichen geborgen werden – die schreien förmlich nach Monstervertuschung. Nur weil wir keine Nachbesprechung darüber haben, heißt das noch lange nicht, dass wir es nicht waren. Ich kannte da mal diesen Kerl, de…«

»In Ordnung, das reicht. Ich hasse es so schon, zu fliegen, wenn ich nicht der Pilot bin.« Grant musste brüllen, als sie dem Flugzeug näherkamen. Beide holten ihre Ohrstöpsel raus und setzten sie ein. Maschinen des Typs C-17 waren beim Starten verflucht laut. Da das Amt für Monsterkontrolle innerhalb der Regierung eine sehr spezielle Behörde darstellte, bekam man militärische Ressourcen ziemlich schnell, wenn man sie brauchte. »Das ist nicht fair. Ich habe mich bei der Öffentlichkeitsarbeit hervorragend angestellt. Franks-Sitting aufs Auge gedrückt zu bekommen … Also, das ist so lange der langweiligste Job bei unserer Behörde, bis er sich schlagartig in den gefährlichsten verwandelt. Wie hoch ist die Sterblichkeitsrate beim Franks-Sitting?«

»Als wir zuletzt mit Franks zusammengearbeitet haben, ist nur die Hälfte unseres Teams draufgegangen. Und dieser Arsch Torres hatte es obendrein verdient. Jetzt mach dir nicht ins Hemd, Grant. Wir sind ja nicht unterwegs zu einer Mission mit Franks. Wir sehen ihm nur dabei zu, wie er Papierkram ausfüllt und vielleicht einen Kongressabgeordneten anknurrt. Ich bin wahrscheinlich bloß dabei, weil ich schnell tippen kann.«

»Es ist einfach echt enttäuschend. Das ist eine der größten Vertuschungen in der Geschichte des Amts für Monsterkontrolle, und ich habe mich verflucht gut dabei geschlagen, sie unter Dach und Fach zu bringen.«

Der Fairness halber musste man Grant zugestehen, dass er damit recht hatte. Manche Mitarbeiter des Amts waren einfach die geborenen Lügner, und andere, wie Archer, waren besser darin, die Lügner zu unterstützen. »Deine Karriere wird es überleben. Unsere letzten beiden Direktoren waren auch beides Partner von Franks, bevor sie auf ihre Posten kamen. Den Großen zu unterstützen, ist anscheinend so was wie ’ne Prestigesache. Halt dir einfach vor Augen, dass es sich gut in deinem Lebenslauf macht. Jeder weiß, dass du letzten Endes auf eine Führungsposition spitzt.«

Grant errötete ein wenig. Beim Amt für Monsterkontrolle herrschte eine sehr praxisorientierte Kriegerkultur. Kein Feldeinsatzagent wollte sich den Ruf einhandeln, ein politischer Schmock zu sein, schon gar nicht jetzt, da der größte, politischste Schmock der Behörde zu ihrem neuen Direktor ernannt worden war. Stark war nicht unbedingt populär.

Archer sprach es zwar nicht an, da Myers noch keine Gelegenheit gehabt hatte, sie über die Einzelheiten dieses speziellen Auftrags aufzuklären, aber bei allem, was sich im Augenblick in Las Vegas abspielte, konnte es sich Myers kaum leisten, irgendjemanden zu entbehren, geschweige denn vier Agenten. Irgendetwas lief hinter den Kulissen ab, und da Grant und er zu den wenigen gehörten, die über Strickens illegale Aktivitäten Bescheid wussten, musste es etwas damit zu tun haben.

Die Lademeisterin der Air Force führte sie die Rampe hinauf und zeigte ihnen, wo sie ihre Ausrüstungstaschen verstauen konnten. Unwillkürlich schenkte sie Grant einen flüchtigen koketten Blick. Dieser Typ war so ärgerlich klassisch-attraktiv, dass er eine solche Wirkung auf nahezu jede Frau hatte, der sie begegneten. Die meiste Zeit gelang es Grant, ihre Augenzeugen allein durch seinen Charme zum Schweigen zu bringen. Sie trugen noch ihre Panzeranzüge vom Amt für Monsterkontrolle, doch da es beiden gelungen war, nicht in Brand gesteckt oder mit Ektoplasma vollgekleistert zu werden, präsentierten sie sich in Anbetracht der Umstände recht respektabel. Nur war Archer spindeldürr und sah ein wenig trottelig aus. Die Lademeisterin würdigte Grant eines ausgiebigen, musternden Blickes, bei Archer hingegen nahm sie kaum Notiz davon, dass der Mann lebte, bevor sie zurück die Rampe hinunter verschwand, während sie beide den Weg hinauf fortsetzten. Grant nahm ihr Hinterteil in Augenschein, das von ihrer Fluguniform fein zur Geltung gebracht wurde, und drehte sich grinsend zurück nach vorn. »Dankeschön, Fräulein Stewardess … Was?«

»Deshalb bist du Franks zugeteilt worden. Myers denkt, du hättest genug Charme für euch beide.«

»He, ich würde auch eine Kongressabgeordnete verführen, wenn es der Mission dienlich wäre. Behaupte bloß nie, ich wäre nicht bereit, Opfer für das Team zu bringen.«

Der Frachtraum war groß genug, um einen Panzer zu befördern, und wies entlang der Bordwände Sitze auf. Zwei andere Agenten des Amts für Monsterkontrolle in Panzeranzügen warteten bereits angeschnallt. Natürlich gab es bei einer solchen Mission keine Namensschilder, aber einen der beiden kannte Archer. Der muskelbepackte Kerl hieß Radabaugh. Wie viele Mitglieder des Amts war er vom Militär abgeworben worden, ein harter Knochen von irgendeiner Spezialeinheit. Radabaugh war ein langjähriges Mitglied des Einsatzteams und in Natchy Bottom dabei gewesen. Mit solchen Einsätzen erwarb man sich als Feldeinsatzagent einen guten Ruf. Archer schüttelte den Kopf. »Schön, dich hier zu sehen.«

»Hey, Henry«, rief er zurück. »Grant. Seid ihr auch zum Franks-Sitting eingeteilt?«

»Fürchte ja«, antwortete Grant, bevor er sich dem letzten Agenten zuwandte, einem recht durchschnittlich wirkenden jungen Mann mit bereits schütter werdendem blondem Haar. Er war nicht besonders groß und ein wenig übergewichtig für einen Agenten, was bedeutete, dass er wahrscheinlich nicht vom Einsatzteam stammte. »Dich kenne ich nicht. Zu welcher Abteilung gehörst du?«

»Thomas Strayhorn.« Der junge Agent streckte die Hand aus. »Ich bin eben erst vom Marshals Service hierher versetzt worden und noch nirgends zugeordnet.«

»Freut mich, dich kennenzulernen, Agent Strayhorn.«

»Agent auf Probe. Er hat erst vor einer Woche die Akademie abgeschlossen«, meldete sich Radabaugh zu Wort. »Ich bin sein Ausbildungsbegleiter.«

»Noch in der Ausbildung, und schon zu Franks-Dienst eingeteilt?« Das kam überraschend. Archer wechselte einen nervösen Blick mit Grant. Dem Ausdruck in seinem Gesicht nach ging ihnen beiden dasselbe durch den Kopf. Als man Franks das letzte Mal Neulinge als Agenten zugewiesen hatte, war das in der Absicht geschehen, einen Maulwurf auszuräuchern. Bei der Operation war dann zwar auch der Verräter Torres aufgeflogen, allerdings war im Zuge dessen Agentin Herzog umgekommen.

»Seit einer Woche, ja?«, fragte Grant misstrauisch nach. »Was sagt man dazu? Weiß er über Franks Bescheid?«

»Weiß er. Aber er kennt noch nicht die ganze Fassung, nur die entschärfte Version aus der Akademie. Ich habe erst vor einer halben Stunde von Myers erfahren, dass wir hier antraben sollen.«

»Du musst Myers entweder höllisch beeindruckt oder irgendwie stinksauer gemacht haben. Willkommen beim Franks-Dienst, Strayhorn. Ist ’n wahres Vergnügen, mit ihm zu arbeiten. Bei den meisten Vorgesetzten muss man erst rausfinden, ob sie einen wirklich mögen oder nicht, aber bei Franks stellt sich die Frage nie. Er hasst jeden. Unsere Aufgabe besteht darin, ihm den Rücken freizuhalten und als öffentliches Gesicht aufzutreten …«

»Ihm Snacks holen. Die Füße massieren«, warf Radabaugh ein. »Im Wesentlichen tun wir, was immer er sagt, und sorgen gleichzeitig dafür, dass ihm keine dummen Leute in die Quere kommen.«

»Dumme Leute hasst Franks ganz besonders. Und er hält jeden für dumm.« Archer setzte sich neben den Neuen. Er war schon in vielen C-17 geflogen, und die waren im Vergleich zu einigen der anderen Militärmaschinen, die das Amt für Monsterkontrolle regelmäßig in Beschlag nahm, geradezu komfortabel. Man konnte sich sogar unterhalten, wenn man sich nicht daran störte, beinahe brüllen zu müssen. »Ein Grünschnabel, also, ja?«

»Ich habe drei Jahre als Bundespolizeibeamter gearbeitet …«

»Je früher du in den Kopf reinbekommst, was für einen Scheißdreck das beim Umgang mit Monstern wert ist, desto besser«, fiel ihm Radabaugh ins Wort. »Das ist Henry Archer, mit dem du da redest. Lass dich von dem Bürstenhaarschnitt nicht täuschen. Er mag aussehen wie Vanilla Ice, aber er hat’s echt drauf. Archer hat bei der Operation in Neuseeland die Spitze übernommen. Hast du vom Arbmunep gehört?«

»Oh.« Das erregte die Aufmerksamkeit des Neulings. »Darüber ist bei der Ausbildung gesprochen worden. Beeindruckend.«

»Der Baum war echt ein hartes Stück Arbeit, aber es war ein Erfolg des gesamten Teams.« Den Großteil der Schwerarbeit hatte dabei Monster Hunter International verrichtet. Aber da die Meinungen der Agenten des Amts für Monsterkontrolle weit auseinanderklafften, angefangen bei manchen, die fanden, dass die Leute von MHI Cowboys seien, die ein wenig widerwilligen Respekt verdienten, bis zu denen, die sie für geldgierige, fast schon kriminelle Halsabschneider hielten, wollte Archer dieses spezielle Thema lieber vermeiden.

Radabaugh schnitt es trotzdem an. »Und Grant hier war früher bei MHI. Er hatte in wenigen Jahren mit mehr Eigenartigkeiten zu tun als die meisten von uns in ihrer gesamten Laufbahn.«

Strayhorn zeigte sich neugierig. »Das ist eigenartig. Ich habe schon von einigen Mitarbeitern des Amts für Monsterkontrolle gehört, die gekündigt haben und zu Privatunternehmen gegangen sind, aber noch kaum von privaten Jägern, die zur Regierung wechseln. Ist doch irgendwie verkehrt, oder? Angeblich scheffeln die Privaten tonnenweise Geld, während wir in Gehaltsstufe GS-12 anfangen. Von MHI habe ich schon gehört. Die sollen ja irgendwie durchtrieben sein.«

»M-hm …«, machte Grant, holte sein Handy heraus und tat so, als überprüfe er seine E-Mails. »Aber bevor du zu viel in ihren Charakter hineininterpretierst, unser Boss, die Legende des Amts für Monsterkontrolle, Dwayne Myers, hat früher auch für MHI gearbeitet. Er war sogar mal ganz dicke mit Earl Harbinger befreundet.«

»Das wusste ich.« Dennoch brachte es den Neuling zum Schweigen. Archer verspürte ein wenig Neid darauf, wie mühelos Grant eine soziale Situation wie diese zu meistern vermochte. Die meisten erfahrenen Agenten hätten den Neuen einfach ruppig eingeschüchtert, Grant hingegen hatte ihn in die Schranken gewiesen und stand trotzdem als netter Kerl da.

»Myers hat im Augenblick genug Probleme, auch ohne dass irgendjemand von uns seine Vergangenheit ausgräbt«, sagte Archer. »Nur für den Fall, dass du dich fragst: Er ist ein guter Boss. Und er kennt die Monster besser als jeder andere.« Und wenn er uns hier haben will, dann gibt es dafür einen verflucht guten Grund. Myers galt als sturer Hund, aber er war kompetent, und vor allem sagte Archer sein Bauchgefühl, dass Myers im Wesentlichen ein ehrenwerter Mensch war. Vor allem anderen lag ihm die Sicherheit seines Landes am Herzen, was Archer von Myers’ Ersatz nicht behaupten konnte. Stark war ein Vollidiot.

Unmittelbar nach dem Zwischenfall in Copper Lake hatte Archer – wie die meisten Agenten des Amts für Monsterkontrolle – gedacht, Doug Stark wäre ein Held. Archer war nur wenige Kilometer von Copper Lake entfernt aufgewachsen. Ohne Starks Geistesgegenwart wäre die gesamte obere Halbinsel von Michigan von Zombie-Werwölfen überschwemmt worden. Erst später, als Archer mit der Vertuschung und der Befragung der Einheimischen betraut worden war, hatte er erfahren, dass Starks wahre Handlungen im Gegensatz zur offiziellen Version überwiegend aus Feigheit und Dummheit bestanden hatten. Harbinger von MHI, einige Monsterjäger eines Konkurrenzunternehmens und eine Handvoll Einheimischer waren die wahren Helden gewesen. Das hatte Archer herbe enttäuscht. Während er sich durch die Nachwehen des Zwischenfalls wühlte, hatte Archer zudem herausgefunden, dass der Urheber der Vulkodlak-Plage, die seinen Heimatort bedroht hatte, eines von Strickens Haus- und Hofmonstern bei SEKE gewesen war.

Angesichts dieser beiden Fakten stellte es keine Überraschung dar, dass Archer sich bei dem internen Machtkampf beim Amt für Monsterkontrolle auf Myers’ Seite geschlagen hatte.

»Ich würde nie schlecht über Myers reden. Bislang habe ich nur Positives über ihn gehört.« Strayhorn ließ die Aussage im Raum stehen und wartete ab, ob ihn einer der erfahreneren Männer korrigieren würde. Er wirkte zufrieden, als es niemand tat.

»Zerbrich dir darüber nicht den Kopf, Neuling …«, sagte Grant. »Und ja, die von MHI sind durchtrieben. Sie kümmern sich nur um sich selbst und sind ein Haufen von Glücksrittern und Angebern. Aber sie sind nicht durch und durch schlecht.«

»Schließt du gerade von dir auf andere?«, murmelte Archer bei sich.

»Was?«

»Nichts.« Gott sei Dank für den Lärm der Triebwerke. Tatsächlich mochte Archer die MHI-Leute, mit denen er zusammengearbeitet hatte. Aber schließlich war er auch nicht derjenige, der von seiner Verlobten abserviert worden war, damit sie stattdessen einen magischen Buchhalter heiraten konnte.

Grant steckte sein Handy zurück in die Tasche. »Tja, jedenfalls bin ich sicher, dass dieser Auftrag entweder sterbenslangweilig wird, oder wir gehen alle beim Einsatz drauf und Franks erntet von unseren Leichen Ersatzteile … Wenn ich’s mir recht überlege, Archer, hoffe ich inständig, dass du recht hast und ich hier bin, weil ich so gut mit Leuten kann … und nicht, weil Franks uns ausgesucht hat, da er neue Teile braucht.« Grant deutete mit einer übertriebenen Geste auf sein Gesicht. »Denn, wer würde das nicht haben wollen?«

»Klingt sinnvoll«, gab Archer zurück. »Mir hat Holly Newcastle erst neulich gesagt, dass ich schöne Augen habe.« Und da er gerade an Mitarbeiter von MHI dachte, mit denen er durchaus gern zusammenarbeiten würde … Wow. Das war mal ein »Feind«, mit dem er sich mit Freuden verbrüdern würde.