Ein Sommer auf Fiskmas oder die Kunst sich zu verlieben - Sina Winter - E-Book

Ein Sommer auf Fiskmas oder die Kunst sich zu verlieben E-Book

Sina Winter

0,0

Beschreibung

Florentine Brückner, von allen kurz Flori genannt, arbeitet in einer Kunstgalerie. Ihr Arbeitgeber Max Hamisch, in den sie heimlich verliebt ist, schenkt ihr kaum Beachtung. Warum auch? Sie ist eine pragmatisch veranlagte junge Frau, die nicht viel Wert auf ihr Äußeres legt. Unsichtbar und still erledigt sie die Aufgaben, die ihr aufgetragen werden. Erst als sie Boris Brandt, einem exzentrischen Künstler zugeteilt wird, wächst sie über sich selbst hinaus. Dies bemerkt auch Max Hamisch und schenkt Flori weit mehr Beachtung, als es einer gewissen Dame recht ist. Arne Pedersen, kämpft seit dem Tod seiner Frau mit seinen inneren Dämonen. Er gibt sich die Schuld an ihrem Tod und lebt zurückgezogen auf einem Hausboot auf der Insel Fiskmås, seiner alten Heimat. Die Insulaner, vor allem Jule Jensen, eine gute Freundin aus Kindertagen, findet, dass es an der Zeit ist, dass Arne wieder aktiv am Leben teilnimmt. Da kommt die junge Frau vom Festland, Florentine Brückner, genau zum richtigen Zeitpunkt. Fortan versucht sie, die beiden zu verkuppeln, was letztendlich immer wieder im Desaster endet. Schließlich hat sie genügend eigene Probleme und wenn auch noch Kristin Andersen, die Inselschönheit, mit ins Spiel kommt, ist das Chaos vorprogrammiert.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 215

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Buchbeschreibung:

Florentine Brückner, von allen kurz Flori genannt, arbeitet in einer Kunstgalerie. Ihr Arbeitgeber Max Hamisch, in den sie heimlich verliebt ist, schenkt ihr kaum Beachtung. Warum auch? Sie ist eine pragmatisch veranlagte junge Frau, die nicht viel Wert auf ihr Äußeres legt. Unsichtbar und still erledigt sie die Aufgaben, die ihr aufgetragen werden. Erst als sie Boris Brandt, einem exzentrischen Künstler zugeteilt wird, wächst sie über sich selbst hinaus. Dies bemerkt auch Max Hamisch und schenkt Flori weit mehr Beachtung, als es einer gewissen Dame recht ist.

Arne Pedersen, kämpft seit dem Tod seiner Frau mit seinen inneren Dämonen. Er gibt sich die Schuld an ihrem Tod und lebt zurückgezogen auf einem Hausboot auf der Insel Fiskmås, seiner alten Heimat. Die Insulaner, vor allem Jule Jensen, eine gute Freundin aus Kindertagen, findet, dass es an der Zeit ist, dass Arne wieder aktiv am Leben teilnimmt. Da kommt die junge Frau vom Festland, Florentine Brückner, genau zum richtigen Zeitpunkt. Fortan versucht sie, die beiden zu verkuppeln, was letztendlich immer wieder im Desaster endet. Schließlich hat sie genügend eigene Probleme und wenn auch noch Kristin Andersen, die Inselschönheit, mit ins Spiel kommt, ist das Chaos vorprogrammiert.

Über den Autor:

Sina Winter lebt mit ihrem Mann im schönen Unterfranken, direkt vor den Toren der Rhön. Schon früh entdeckte sie ihre Leidenschaft für Bücher. Zunächst kompensierte sie ihre Kreativität im Zeichnen und Gestalten, bis sie vor zwei Jahren mit dem Schreiben begann. „Ein Sommer auf Fiskmås oder die Kunst sich zu verlieben“, ist ihr zweiter Roman. Bereits erschienen ist „Rosalie, weil es dich gibt“. Sina Winter schreibt nicht nur Romane, sondern auch Kurzgeschichten. Entdecken Sie hierzu über skoobe.de ihren ersten Kurzkrimi „Die Neue“.

Inhaltsverzeichnis

Florentine

Arne

Boris Brandt

Inselleben

Die nackte Sirene

Book of Love

Epilog

1. Florentine

<<Leute! Bitte, lasst uns zurück zur Tagesordnung kommen>>, rief Max Hamisch, der Inhaber einer Kunstgalerie, seine Mitarbeiter zur Räson. <<Der Verkauf des „Charlet Gemäldes“ ist jetzt nicht das Thema. Zunächst ist zu klären, wer den Fall „Brandt“ übernimmt!>> Abrupt verstummten alle Gespräche und Hamisch besaß die volle Aufmerksamkeit seiner Mitarbeiter. Sobald der Name Brandt fiel, suchte in der Regel jeder das Weite. Dummerweise saßen sie in einem Besprechungsraum und jeglicher Fluchtversuch war zwecklos. Hamisch ließ sich Zeit. Er sah jeden seiner Mitarbeiter an, doch niemand hielt seinem Blick stand. Claudia Fuchs blätterte scheinbar hochkonzentriert in ihren Unterlagen, Martina Lorenz sah hilfesuchend zu Holger Becher, der kaum merklich den Kopf schüttelte. Einzig Lutz Wiegand räusperte sich geräuschvoll und sagte: <<Max, das ist der denkbar ungünstigste Zeitpunkt. Wir stecken alle in Projekten mit Künstlern, die unsere volle Aufmerksamkeit benötigen.>>

<<Ach tatsächlich?>>, erwiderte Max sanftmütig, doch jeder der ihn kannte, wusste, dass er kurz vor dem Explodieren stand. Florentine Brückner, die seit einem Jahr für Hamisch arbeitete, kannte die Anzeichen nur zu gut. Sie beobachtete, wie sein rechter Kiefermuskel kaum merklich zuckte und die Finger der linken Hand ungeduldig auf den Tisch trommelten. Plötzlich sauste Hamischs rechte Faust auf die Tischplatte und schreckte jeden der Anwesenden auf. Einschließlich Florentine, obwohl sie es vorhergesehen hatte. Doch die Intensität des Schlags war so heftig, dass sie ebenso erschrak. Hinzu kam, dass durch die Erschütterung die Gläser und Tassen, gefährlich schepperten. <<Wollt ihr mir allen Ernstes erzählen, dass keiner von euch Zeit hat Herrn Brandt zu betreuen? In acht Wochen ist Ausstellung! Womöglich soll ich mich selbst um ihn kümmern?>>, brüllte Max und sah wütend in die Runde. Florentine gab ihm insgeheim recht. Nach ihrem aktuellen Wissen hätte jeder von den Anwesenden Zeit genug um Brandt zu betreuen, doch keiner gab sich gerne mit ihm ab. Brandt war ein egozentrischer, selbstverliebter, sturer Mistkerl. Es war schwierig, mit ihm zusammenzuarbeiten. Martina hatte schon mit Brandt gearbeitet und heulend die Flucht ergriffen. Seitdem versuchte sie, um den Künstler einen weiten Bogen zu schlagen. Vorsichtig lugte Florentine zu Max. Sie wusste, dass sie sich kindisch benahm. Dennoch himmelte sie ihren Chef verstohlen an. Für sie war es Liebe auf den ersten Blick. Er sah umwerfend aus und war ihr heimlicher Traummann. Jedoch blieb er für sie unerreichbar. Sie spielte nicht in seiner Liga! Für Max existierte sie nicht, außer er benötigte ihre Dienste, die darin bestanden, ihm jeden Morgen den Kaffee zu bringen, seine Hemden aus der Reinigung zu holen, die Korrespondenz zu erledigen und anstehende Termine zu verwalten. Die Liste ihrer Aufgaben hätte sie unendlich weiterführen können. Kurz gesagt, sie war sein Mädchen für alles, und trotzdem war sie bis über beide Ohren in Max verknallt. Selbst jetzt schlug ihr Herz für ihn. Seine blaugrauen Augen funkelten wütend in die Runde. Verwegen hing ihm eine schwarze Haarsträhne in die Stirn. Flori juckte es in den Fingern, ihm diese zärtlich zur Seite zu streichen. Trotzdem er saß, überragte er die Anwesenden. Zudem trainierte Max regelmäßig. Er legte Wert auf sein Äußeres, war angenehm gepflegt und adrett. Sein Kleidungsstil, der überwiegend aus Anzügen bestand, unterstrich seine Perfektion. Nur selten traf man ihn in legerer Kleidung an. Für Flori sah er in allem gut aus. Selbst in einem Kartoffelsack. In ihrer naiven Schwärmerei bekam sie nicht mit, was Claudia soeben vorschlug.

<<Was ist mit Florentine, kann sie nicht Brandt betreuen? Sie hat keine festen Kunden>>, stellte sie sachlich klar. Flori bemerkte zu spät, dass sie zum Mittelpunkt der Diskussion geworden war. Plötzlich waren alle Augenpaare auf sie gerichtet. Nervös schob Flori ihre Brille nach oben und sah verständnislos in die Runde. <<Worum ging es überhaupt? Warum hatte sie nicht aufgepasst?>>

Hilfesuchend sah sie zu Holger. Dieser war ihr bisher, von allen Anwesenden, am nettesten entgegengekommen. Doch diesmal senkte er verlegen den Blick. <<Nein!>>, bitte nicht, flehte sie stumm. Plötzlich fühlte sie sich wie das Lamm auf der Schlachtbank. Selbst Max schenkte ihr mehr Aufmerksamkeit als sonst. Langsam nickte er, als würde er sich soeben von etwas überzeugen. Schließlich meinte er: <<Florentine, Sie bekommen die Chance Ihr Talent unter Beweis zu stellen. Sie werden Brandt bis zur Ausstellung betreuen. Enttäuschen Sie mich nicht!>> Flori schnappte nach Luft. Ihr blieben jegliche Widerworte im Halse stecken. Sie konnte unmöglich einen Kunden wie Brandt alleine betreuen! Dafür fehlte es ihr an Erfahrung. <<Sie werden noch heute nach Fiskmås fahren>>, befahl Max.

Claudia strahlte siegessicher in die Runde. Alle anderen atmeten erleichtert auf. Florentines Gedanken überschlugen sich. Sie brachte kein vernünftiges Wort mehr zustande. <<Aber… Ich… das… >>

<<Keine Widerrede Frau Brückner! Sie schaffen das schon. Ich stehe Ihnen telefonisch zur Seite, sollten Sie Schwierigkeiten mit Brandt bekommen.>> Demonstrativ sah Max auf seine Uhr. <<Beeilen Sie sich Florentine, damit Sie den Zug und vor allem die Fähre erwischen. Morgen erwarte ich einen ersten Bericht von Ihnen.>>

Wie immer, wenn es darum ging sich zu verteidigen, hatte Flori sich kampflos ergeben. Sie war mit der U-Bahn nach Hause gefahren und hatte in Windeseile einen kleinen Koffer gepackt. Nebenbei buchte sie sich ein online Ticket für die Bahn. Wenn alles glatt lief, schaffte sie es rechtzeitig zur Fähre. Noch einmal drehte sie sich in ihrer kleinen Zweizimmerwohnung um und vergewisserte sich, dass alles in Ordnung war. Schließlich schnappte sie sich ihren Koffer und ihre Tasche und ging. Sie trat in dem Moment vor die Tür, als das Taxi hielt.

Als sie endlich im Zug saß, nahm sie ihren Laptop zur Hand und suchte nach einer Unterkunft. <<Verflixt!>>, dachte sie. Jedes Hotel auf Fiskmås schien ausgebucht. War ja auch kein Wunder, da gerade Hauptsaison war. Endlich entdeckte Flori eine kleine Pension, die noch Zimmerkapazitäten frei hatte. Auf den Bildern wirkte die Unterkunft recht nett. Fragte sich nur, ob dies auch mit der Realität übereinstimmte. <<Egal, ein paar Nächte würde sie es schon aushalten!>>, dachte Flori. Sie buchte zunächst für eine Woche, und den angebotenen Fahrservice, der sie von der Fähre abholen würde, gleich mit dazu. Zufrieden klappte sie ihren Laptop zu und verstaute ihn in der Tasche. Flori versuchte, sich zu entspannen. Die letzten zwei Stunden waren Hektik pur gewesen. Sie hatte keine Gelegenheit bekommen auch nur fünf Minuten durchzuatmen. Jetzt hatte sie Zeit. Die Fahrt mit dem Zug würde vier Stunden dauern. Allmählich realisierte Flori, auf was sie sich hier eingelassen hatte. Brandt war nicht nur ein egozentrischer Künstler, er war eine tickende Zeitbombe. Ihres Wissens nach, hatte er schon in der Vergangenheit Galeristen in letzter Minute hängen gelassen. Die Gründe waren ihr nicht bekannt, aber das Ausmaß einer geplatzten Vernissage schon. Plötzlich wurde ihr übel. Was, wenn sie es verpatzte. Wenn Brandt sie nicht für würdig hielt.

Panisch versuchte sie, sich selbst zu beruhigen. Max hatte ihr zugesichert, sie zu unterstützen. Zwar nur telefonisch, aber besser als nichts. <<Du schaffst das schon!>>, sprach sie sich selber Mut zu. Wenn es zu keiner Verspätung käme, könnte sie noch heute bei Brandt vorbeischauen und sich vorstellen. Ja, genau das würde sie tun. Je eher sie dem Problem gegenübertrat, desto schneller konnte sie ihre Vorgehensweise planen.

Ihre Gedanken wanderten wieder einmal zu Max. Er hatte sie heute zum ersten Mal länger als fünf Sekunden angesehen. Zwar abschätzend, aber dennoch ausreichend genug, um sie bis zu den Haarspitzen erröten zu lassen. Unbewusst rückte sie ihre monströse Brille zurecht. In Momenten wie diesen verfluchte sie ihre Sehhilfe. Warum trug sie keine Kontaktlinsen? Im Geiste erstellte sie eine To-do-Liste. Der erste Punkt lautete, zum Optiker zu gehen. Sie würde es dieser Ziege von Claudia zeigen. Ihr selbstgefälliges Grinsen würde ihr bald vergehen.

Flori wunderte sich über ihren Kampfgeist. Aber hier ging es um sie und Max! Sie wusste, dass Max und Claudia eine heimliche Liaison pflegten. Deshalb zog er ja Claudias Vorschlag überhaupt erst in Erwägung. Fest entschlossen, um Max zu kämpfen, lehnte sie sich zurück in den Sitz und schloss zufrieden die Augen.

Es herrschte reger Betrieb am Bahnhof von Stanna, und Flori beeilte sich, ein Taxi zu bekommen. Ihr nächstes Ziel war der Fährhafen, der circa sechs Kilometer entfernt lag. Ein rüpelhafter Kerl schnappte ihr das Taxi vor der Nase weg. Aber sie hatte Glück, das nächste Taxi rollte schon heran.

Dachte sie, der Bahnhof wäre überfüllt gewesen, wimmelte es am Fährhafen nur so von Menschen. Flori steckte in einer endlos langen Schlange am Ticketschalter fest. Nervös sah sie immer wieder auf ihre Uhr. In zwanzig Minuten legte die Fähre ab. Wenn sie die nicht bekam, würde sie heute nicht mehr von hier wegkommen. Die nächste Möglichkeit zur Abfahrt bestand erst wieder Morgen kurz vor zwölf. Max würde ausrasten, wenn sie ihm mitteilte, dass sie die Fähre verpasst hatte.

Endlich hielt sie ihr Ticket in der Hand und begab sich an Bord. Flori suchte sich einen Platz im Restaurant und atmete zunächst einmal erleichtert durch. Ein Anflug von Hunger überkam sie. In der ganzen Aufregung hatte sie völlig vergessen zu essen. Wie auf Kommando knurrte ihr Magen.

Flori entschied sich für einen Krabbensalat mit Baguettescheiben, dazu eine Flasche Wasser und zur Feier des Tages gönnte sie sich einen Piccolo. Den hatte sie sich reichlich verdient. Keiner ihrer Kollegen hätte heute die Fähre erreicht. Zufrieden und stolz auf sich nahm sie den letzten Schluck Sekt. Allmählich bemerkte sie den Alkohol, aber das war ihr egal. Leichtfüßig holte sie sich noch einen Nachtisch. Schwarzwälder Kirschtorte mit einem doppelten Cappuccino.

Flori beobachtete die Menschen um sich herum. Das Bordrestaurant war voll und vertrat sämtliche Nationalitäten. Links von ihr saß eine Gruppe Chinesen, deren Reiseleitung einen scheinbar fesselnden Vortrag hielt. Als der Mann fertig war, applaudierten alle begeistert und lächelten freudig. Rechts von ihr saß ein junges Paar mit zwei kleinen Kindern. Die Eltern hatten alle Hände voll zu tun die beiden Racker im Zaum zu halten. Das Kind im Hochstuhl strahlte bis über beide Ohren und matschte dabei in seinem Brei herum. Flori lächelte das Kind an. <<Süß!>>, dachte sie mit einem kleinen Anflug von Wehmut. <<Ob sie jemals Kinder haben würde?>>, kam es ihr in den Sinn. Entschlossen schüttelte sie diesen Gedanken beiseite. Dafür war jetzt keine Zeit. Sie konzentrierte sich wieder auf die Menschen um sich herum und bemerkte plötzlich, dass das Schiff schwankte. Oder war das die Wirkung vom Alkohol? Nein, die Menschen hatten auf einmal Mühe die Speisen und Getränke heil an die Tische zu bekommen. Flori wurde es flau im Magen. Sie beschloss, an Deck zu gehen. Frische Luft tat allgemein gut.

An Deck tummelten sich vermehrt die Passagiere. An den Gesichtern konnte sie erkennen, dass es vielen ähnlich erging wie ihr. Der Wind hatte aufgefrischt und die Wellen klatschten gegen den Schiffsrumpf, sodass die Gischt meterhoch spritzte. Ihr Blick richtete sich zum Himmel und sie sah, dass die Wolken sich verdichtet hatten. <<Eben hatte doch noch die Sonne geschienen!>>, wunderte sich Flori. Neben ihr schnappte sie die Unterhaltung von zwei älteren Herren auf. <<Das geht schnell hier draußen. Der Wind dreht sich und zack, ändert sich das Wetter. Ich glaub, auf Fiskmås ist davon nichts zu sehen. Da scheint die Sonne.>> <<Hm.>>, nickte der andere zustimmend. <<Hoffentlich!>>, dachte Flori, denn für Regentage hatte sie keine passende Kleidung dabei. In der Hektik glaubte sie sowieso nicht daran, etwas Sinnvolles eingepackt zu haben. Angefangen bei ihren Schuhen bis hin zum Rest. Panisch krallte sie sich an der Reling fest, als sie bemerkte, dass die Fähre schwankte. <<Hoffentlich waren sie bald da!>>, denn ihr Magen hob sich mit jeder Bewegung des Schiffes.

Im Gegensatz zu manch anderem Passagier hatte Flori die Fahrt überstanden, ohne sich zu übergeben. Die Menschen strömten von Bord und die Fahrzeuge fuhren nach und nach aus dem Rumpf der Fähre. Auf den ersten Blick sah es aus, als herrschte das reinste Chaos. Aber bei genauerem Hinsehen erkannte man ein System dahinter. Der ältere Mann hatte recht behalten. Die Sonne strahlte. Vereinzelt zogen ein paar Schäfchenwolken vorüber und eine sanfte Brise wehte über Deck. Ein Schwarm Möwen zog kreischend über ihr, in der Hoffnung gefüttert zu werden. Flori blieb einen Moment stehen. Ihr Magen hatte sich noch nicht beruhigt. Aber sie schlug sich tapfer. Entschlossen griff sie nach ihrem Koffer und schwankte von Bord. Inmitten all der Menschen hielt sie Ausschau nach dem Fuhrunternehmen der Pension. Sie ging davon aus, dass der Wagen, der sie abholen sollte, zumindest den Namen der Pension repräsentierte. Zu ihrer Enttäuschung entdeckte sie kein Auto, das darauf zutraf. Nachdem sie zehn Minuten herumgestanden und gewartet hatte, beschloss sie, schon mal loszulaufen. Die Bewegung an der frischen Luft würde ihr guttun und so weit konnte die Pension ja nicht sein. Immerhin war sie auf einer kleinen Insel. Stellte sich nur die Frage, in welche Richtung sie laufen sollte. Flori entschied sich für rechts herum, denn dort bogen die meisten Autos ab. Sie war ein paar Schritte gelaufen, als ein Auto langsam neben ihr herfuhr. Der Fahrer rief ihren Namen. Flori blieb stehen und starrte auf einen völlig verdreckten Pickup.

<<Frau Brückner?>>, rief der Mann aus dem Wageninneren erneut. Flori nickte stumm. <<Ich bin Arne, ihr Taxi.>> Er kam um den Wagen herum, nahm ihr den Koffer ab, legte ihn auf die Ladefläche seines Pickups und öffnete ihr die Beifahrertür. Misstrauisch musterte Flori den Mann. Er steckte in einem schmutzigen Overall und sein Gesicht zierte ein Dreitagebart. Unschlüssig sah Flori zu dem Pickup, dann wieder zu dem Fahrer. <<Wie um alles in der Welt, sollte sie da hinein kommen?>> Ihr Rock war zu eng, als dass sie auch nur ein Bein in den Wagen gebracht hätte. Zögernd blieb sie stehen.

Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Arne sie abwartend an. Allmählich dämmerte ihm, warum sie nicht einstieg. Ohne sie groß zu fragen, hob er sie hoch und hievte sie in den Pickup. Flori quiekte erschrocken auf, und ehe sie protestieren konnte, ließ Arne sie auf den Beifahrersitz plumpsen und schloss die Autotür. Sorgfältig strich sie ihre Kleidung glatt und prüfte, ob der ungehobelte Kerl ihr mit seinem Overall keine Flecken darauf hinterlassen hatte. Peinlich berührt beobachtete sie ihn beim Einsteigen. Er schien ihren Blick zu spüren, denn plötzlich fixierten sie zwei stahlblaue Augen. Für Sekunden blieb die Zeit stehen und unbewusst hielt Flori den Atem an.

Arne beendete den Augenkontakt und fuhr los. Nervös sah Flori zur Seite und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die Landschaft. Sein intensiver Blick hatte sie irritiert. <<Er hat kräftige Arme>>, schoss es ihr durch den Kopf, denn er hob sie mühelos hoch. Die Stellen, an denen er sie berührt hatte, kribbelten immer noch. Es war seltsam, welche Empfindungen ein fremder Mann bei ihr auslöste. Ein Schlagloch holte sie zurück in die Realität. Sie hüpfte in ihrem Sitz nach oben und plumpste unsanft zurück. Instinktiv hielt sie sich am Türgriff fest, denn die Straße wurde nicht besser. Ihr Magen rebellierte erneut und Flori hatte Mühe sich nicht doch noch zu übergeben.

Arne ärgerte sich. <<Warum hatte er nur in ihre Augen gesehen?>> Hinter der Monsterbrille starrten ihn zwei rehbraune Augen unschuldig an. <<unschuldig!>>, dachte er verbittert. <<Welche Frau war schon unschuldig?>> Er warf ihr einen schnellen Seitenblick zu und bemerkte, dass sie sich am Türgriff festkrallte. Doch er dachte nicht im Traum daran langsamer zu fahren. Im Gegenteil, je schneller er diese Frau aus seinem Auto hatte, desto besser.

<<Mist!>>, fluchte Arne stumm. Die Ampel am Tunnel war rot. Jetzt hieß es warten. Mindestens zehn Minuten. Nach Arnes Geschmack zu lange. Womöglich fing sein Fahrgast mit Smalltalk an, doch darauf würde er sich nicht einlassen. Warum auch?

In dem Moment als Arne anhielt, riss Flori die Beifahrertür auf, sprang aus dem Wagen und übergab sich am Straßenrand. Genervt schnaubte Arne. So katastrophal war sein Fahrstil nun auch wieder nicht. Zögernd wartete er. Letztendlich gab er sich einen Ruck, schnappte sich eine Wasserflasche und stieg aus. Mit etwas Abstand blieb er hinter ihr stehen und sagte: <<Hier, nehmen Sie einen Schluck>>, dabei hielt er ihr die Wasserflasche entgegen. Erschrocken drehte Flori sich zu ihm. Peinlich berührt, presste sie ihr Taschentuch gegen den Mund und starrte Arne regungslos an.

Frau Brückner war weiß wie eine Wand, stellte Arne überflüssigerweise fest. Nachdem sie sich nicht rührte, näherte er sich, um ihr die Flasche in die Hand zu drücken. <<Hier, nehmen Sie>>, wiederholte er. Ihre zitternden Finger klammerten sich um die Flasche. <<Danke>>, wisperte sie und lief leicht schwankend an ihm vorbei.

Flori spülte zunächst ihren Mund mit Wasser aus, erst dann nahm sie einen Schluck. Allmählich beruhigte sich ihr Magen wieder. Zittrig atmete sie ein paar Mal ein und befeuchtete ein frisches Taschentuch mit Wasser, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Zu ihrem Verdruss spürte sie Arnes Blick auf sich. <<Hatte der Kerl keinen Anstand?>> Als wäre es nicht schon peinlich genug, dass sie sich vor seinen Augen übergeben hatte. Musste er sie derart anstarren? Verlegen sah sie sich um und als ihr Blick auf die offene Beifahrertür fiel, ließ sie frustriert die Arme sinken.

Arne folgte ihrem Blick. Diesmal wartete er auf ihr Einverständnis. Ein Hauch rosé überzog ihre Wangen, als sie kaum merklich nickte. Arne trat zu ihr heran und hob sie mit einer Leichtigkeit hoch. Aus einem ihm unerfindlichen Grund ließ er sich Zeit. Ihr Körper fühlte sich angenehm weich und anschmiegsam an. Diesmal setzte er sie vorsichtig auf den Beifahrersitz ab und schloss die Tür.

Nachdem sie den Tunnel passiert hatten, konzentrierte sich Flori auf die Straße. Der Weg führte an der Küste entlang und bot ein Postkartenpanorama. Die Sonne spiegelte sich auf der Wasseroberfläche. Das Meer funkelte und glitzerte wie tausend Diamanten. Ein paar Möwen flogen kreischend an der Küste entlang. Flori hatte das Gefühl entschleunigt zu sein. Überwältigt von der anmutigen Schönheit seufzte sie unbewusst. Dieser Arne schien es nicht mehr eilig zu haben und drosselte sein Tempo. Er achtete sogar darauf, die Schlaglöcher zu umfahren. Ob aus Rücksicht auf sie oder wegen seines Autos, wusste sie nicht zu sagen. Sie war ihm schlicht dankbar dafür. Die Strecke zog sich und Flori hoffte, bald an der Pension zu sein. Die Enge in dem Wagen mit einem fremden Mann empfand sie als unangenehm. Hinzu kam, dass es ihr peinlich war, dass sie sich übergeben hatte. Aber wäre er nicht so rasant gefahren, dann hätte ihr Magen nicht rebelliert. Mit einem tiefen Atemzug versuchte sie, sich zu beruhigen.

<<Alles okay?>>, fragte Arne sie und sah sie immer wieder prüfend aus dem Augenwinkel an. <<Soll ich anhalten?>>

<<Nein!>> , schüttelte Flori den Kopf. <<Alles, bloß das nicht!>>, dachte sie. Erleichtert stellte sie fest, dass die ersten Häuser auftauchten. Jetzt konnte die Pension nicht mehr weit sein. Kleine Fachwerkhäuser mit Reetdächern zogen an ihr vorbei. Kurz darauf folgte der Ort, das Zentrum der Insel. Hier verdichtete sich der Verkehr und Menschen, mit und ohne Fahrräder, strömten links und rechts an ihnen vorbei. Arne hielt ein paarmal an, um Fußgänger über die Straße zu lassen. Ampeln schien es hier nicht zu geben, dafür jede Menge Zebrastreifen, Kreisverkehr und Fahrradwege. Flori stellte fest, dass es mehr Fahrräder als Autos gab.

Zudem gab es alles, was ein Touristenherz höher schlagen ließ. Souvenirläden, Bekleidung, Drogerie und Lebensmittel. Hinzu kamen Restaurants, Eisdielen und viele kleine Kunsthandwerkerläden. Die Geschäfte reihten sich hier aneinander. Flori drehte sich im Sitz zur Seite, um die angebotene Ware besser zu erkennen. So schnell wie möglich würde sie den Ort erkunden. Aber erst, nachdem sie sich bei Brandt vorgestellt hatte.

Arne beobachtete seinen Fahrgast. Sie entsprach nicht dem typischen Frauenklischee. Auf den ersten Blick wirkte sie unscheinbar und Arne schob sie in die Kategorie graue Maus. Sie trug ein züchtiges dunkelblaues Kostüm mit Highheels, deren leuchtendes Rot im völligen Kontrast zu ihrem restlichen Outfit standen. Er würde sogar so weit gehen, ihre Schuhe und die darin steckenden Beine als sexy zu bezeichnen. Ihre Frisur hingegen sah altbacken aus. So wie bei Hanne Olsen, einer der Inhaberinnen der Pension. Wobei deren Dutt streng und ordentlich frisiert war. Die Frisur von Frau Brückner dagegen wirkte zerzaust und weiblich. Einzelne Strähnen lösten sich und ließen sie weich und sinnlich erscheinen. Soviel er erkannte, war sie nicht geschminkt, bis auf ein wenig Wimperntusche, die ihre rehbraunen Augen zur Geltung brachte. Diese versteckte sie hinter einer monströsen Brille, was Arne irritierte. Welche Frau zeigte sich freiwillig unvorteilhafter, als sie in Wirklichkeit war?

Frau Brückner, stellte er fest, war nicht sonderlich redselig, was er insgeheim begrüßte. Dennoch entfachte sie seine Neugierde und er überlegte, ob er sie nicht ein wenig ausfragen sollte. Doch den Gedanken schob er so schnell, wie er gekommen war wieder auf Seite. Sie war nur eine von vielen Touristinnen, die tagtäglich auf die Insel kamen und schon bald wieder zurück auf den Weg zum Festland waren. Warum sollte er sich die Mühe machen und die Beweggründe dieser Frau erkunden? So argumentierte zumindest sein Verstand, doch eine andere Stimme in ihm drängte darauf, mehr über diese Frau zu erfahren.

<<Ist es noch weit bis zur Pension?>>, riss sie ihn aus seiner Grübelei. Schnell warf er ihr einen Seitenblick zu. <<Mist! Diese Augen können einen Mann verrückt machen!>>, fluchte er stumm, antwortete aber: <<In fünf Minuten sind wir da.>> Erleichtert lächelte sie ihn an, was für Arne einem Schlag in den Magen ähnelte.

Die Pension lag tatsächlich nur fünf Autominuten entfernt, stellte Flori zufrieden fest. Es wäre somit ein leichtes, zu Fuß in das Zentrum zu laufen. Neugierig betrachtete sie durch die Windschutzscheibe das kleine Fachwerkhaus. Mit dem liebevoll angelegten Garten und dem Reetdach wirkte es wie ein Abzug von einer Postkarte. Die Gartentür, die zum Haus führte, wurde von einem Rosenbogen umfasst. Die rosé farbenen Rosen standen in voller Blütenpracht.

Arne stieg aus, noch ehe er den Wagen richtig geparkt hatte. Er umrundete das Auto, öffnete die Beifahrertür und hob seinen Fahrgast kurzerhand aus dem Wagen. Flori stützte sich auf Arnes Schultern ab, um Abstand zu ihm zu halten. Nachdem ihre Füße den Boden berührten, ließ Arne sie nicht gleich los, sondern bedachte sie erneut mit einem intensiven Blick. Erst als die Stimme der Pensionswirtin erklang, ließ Arne sie ruckartig los. Er holte ihren Koffer und lief großen Schrittes zum Haus. Verwundert sah Flori ihm hinterher.

<<Da bist du ja endlich Arne! Wir haben uns schon Sorgen gemacht>>, empfing ihn Smilla Thomson aufgeregt. Sie und Hanne Olsen führten gemeinsam die kleine Pension. <<Wo ist unser Gast?>>, fragte Hanne und reckte den Kopf, um an Arne vorbei zu schauen.

Flori schritt ehrfürchtig durch den Rosenbogen und folgte dem Kiesweg, der zum Eingang der Pension führte. Den Weg säumten links und rechts bunte Blumen, die in allen erdenklichen Farben blühten. Im Abendschein der Sonne tanzten kleine Insekten durch die Luft, und sie vernahm das Summen der Bienen. Diese labten sich eifrig an den Blüten. Der Geruch von Lavendel stieg ihr in die Nase und für einen kurzen Augenblick blieb Flori stehen, schloss die Augen und inhalierte den ätherischen Duft. Die Stimmen der Frauen, die Arne begrüßt hatten, ließen sie schlagartig die Augen öffnen. <<Frau Brückner? Willkommen auf Fiskmås. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise?>>, fragte eine der älteren Damen und kam freundlich lächelnd auf sie zu. <<Ja, danke>>, erwiderte Flori verlegen und war sich bewusst, dass Arne sie mit Argusaugen beobachtete. <<Ich bin Smilla Thomsen und das ist Hanne Olsen. Sie können Smilla und Hanne zu uns sagen.>>

<<Gerne. Ich bin Florentine Brückner, von allen Flori genannt.>>

<<Oh Florentine, das ist aber ein hübscher Name>>, meinte Hanne freudig. <<Sie kommen aus Hamburg?>>

<<Ja, ich wohne und arbeite dort.>>

<<Wie aufregend!>>, klatschte Hanne in die Hände. <<Sie müssen uns unbedingt vom Festland erzählen. Es gibt bestimmt viel zu berichten! Findest du nicht auch, Smilla?>>

<<Ja, ja Hanne, nu lass erstma unseren Gast richtig ankommen>>, wies sie ihre Freundin leicht tadelnd zurecht. <<Kommen Sie Florentine, ich zeige Ihnen Ihr Zimmer. Ach Arne, trägst du bitte den Koffer von Florentine nach oben?>>