Ein unsichtbarer Schutzengel - Melany de Isabeau - E-Book

Ein unsichtbarer Schutzengel E-Book

Melany de Isabeau

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Beschreibung

Dieses Buch sind Geschichten von und mit Schutzengeln. Es beinhaltet - Die schönsten 40 Bilder von Engeln - Denn jeder von uns hat einen Schutzengel ...

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Inhaltsverzeichnis

Erste Geschichte

Zweite Geschichte

Dritte Geschichte

Vierte Geschichte

Fünfte Geschichte

Erste Geschichte

„Freitag ist schlecht“, erklärte Elke Otto ihrer Schwester am Telefon. „Ich komme so gut wie nie vor zwanzig Uhr aus dem Geschäft.“

„Ich weiß“, erwiderte Claudia Hempel mit leicht zynischem Unterton, den ihre Schwester durchaus registrierte. „Ohne dich bricht der Betrieb natürlich zusammen! Aber Spaß beiseite, Wolfgang und Heidi wünschen sich einfach sehr, dass du bei ihrer Aufführung im Publikum sitzt. Du bist schließlich ihre Tante“, setzte sie nach einer Pause mit einem leicht vorwurfsvollen Unterton hinzu.

Elke schloss die Augen und atmete hörbar durch. Claudia war wie eine Klette, was Familienbande anging. Die beiden hatten keine weiteren Geschwister, und Wölfi, Claudias Ehemann, war ein Einzelkind, zudem war sie, Elke, die Ältere. Seit dem Unfalltod der Eltern vor gut zehn Jahren suchte Claudia den Kontakt zu ihr noch intensiver, registrierte Elke. Da Claudia keine Ruhe gab und nun sogar aufzuzählen begann, wie viele Geburtstage, Schulaufführungen und Feste sie in den letzten drei Jahren bei den beiden versäumt hatte, lenkte Elke ein.

„Na gut“, stimmte sie zu. „Ehe du noch weiter ausholst, sage den beiden, ich freue mich!“

„Du bist ein Schatz! Ich wusste, dass sie dir viel bedeuten“, verabschiedete sich Claudia.

Elke legte die Stirn in Falten und schob sich nebenbei ein Fertiggericht in die Mikrowelle. Für sich selbst kochte sie kaum. Zudem war es bereite nach einundzwanzig Uhr. Ihr Magen rumorte. Seit dem Croissant auf dem Weg ins Geschäft am Morgen hatte sie nichts mehr gegessen.

Die nächsten Tage verliefen so hektisch, dass Elke kaum zum Luftholen kam, geschweige denn zu tieferen nachdenken über ihre latente Abneigung gegen die bevorstehende Weihnachtsaufführung. Als Geschäftsführerin eines großen Kaufhauses war sie von frühmorgens bis spätabends auf Trab. Den Gedanken an die im Januar bevorstehende Inventur verdrängte sie noch tapfer, jetzt waren erst einmal die vorweihnachtlichen Großkampftage angesagt, an denen Heerscharen von Kaufwilligen auf der Suche nach dem ultimativen Geschenk ihr Haus stürmten. Natürlich wollten alle ein Schnäppchen machen, versuchten sogar mit ihren Verkäufern zu feilschen wie auf einem türkischen Basar. Doch am schlimmsten waren die Unsicheren. Sie meinten es mit Sicherheit wirklich gut, raubten ihr und allen anderen Angestellten aber den letzten Nerv, weil sie sich alles Mögliche zeigen ließen und jede noch so gut gemeinte Idee verwarfen. Vielleicht waren es die fünfundzwanzig Jahre im Handel, die sie hatten so zynisch werden lassen. Alle meinten, mit großen Geschenken an den paar Feiertagen des Jahres ihre Defizite in Sachen Aufmerksamkeit, Nähe und Zeit wieder gutmachen zu können. Sie selbst nahm sich da nicht aus. Natürlich bekam Wolfgang seine Playstation und Heidi das heißersehnte iPad. Ihre Schwester stand finanziell auch gar nicht so schlecht da, konnte sich aber auch nicht, mit Elke vergleichen. Und auch wenn Elke ahnte, dass manche ihrer Geschenke für die Kinder viel zu teuer waren, es stimmte sie auf diese Weise die Familie gnädig. Kein Wunder,dass die Kinder, Wolfgang war zwölf, Heidi wurde im Frühjahr schon vierzehn, sie für die beste Tante der Welt hielten. Sie verwechselten teure Geschenke mit echtem Interesse und Elke konnte ihnen da nicht mal einen Vorwurf machen, denn genau das lag durchaus in ihrer Absicht. Zudem fielen Millionen andere auf die gleiche Masche herein. Die weihnachtliche Geschenkverpackung hatte der Internethändler, bei dem Elke die beiden Geräte geordert hatte, sogar gratis angeboten – so musste Elke sich nicht einmal hier noch bemühen. Für ihre Schwester hatte sie ein Abo für das neue Spa erworben,ihr Schwager,bekam ein Heimwerkergutschein für einen Baumarkt. Somit war alles bedacht ...“

Eine Woche später, am Sonntag, begutachtete Elke die neusten Dekorationsvorschläge für die Zeit nach Weihnachten an ihrem Computer daheim. Im Fernseher liefen die Nachrichten. Elke hörte zwar nur mit halben Ohr zu, aber das reichte schon aus.

Hier ein Krieg, dort ein Krieg, Terroanschläge, Amokläufe, Morde, tödliche Unfälle durch betrunkene Fahrer. Einer davon war in eine Bushaltestelle gerast. Vier Tote, sechs Schwerverletzte. Die Größen der internationalen Politik hat ein Gipfeltreffen anberaumt und auch das Ozonloch wurde ständig größer. Fassungslos starrte Elke in den Fernseher und überlegte, ob sich der Chefredakteur dieser Nachrichtensendung eigentlich mal selbst die Mühe gemacht hatte, all die Toten zu zählen, von denen gerade berichtet wurde. Auf einmal fiel ihr ihre Großmutter wieder ein. Oft hatte sie nicht vom Krieg und alldem großen Leid, das sie in dem Zusammenhang erlebt hatte, erzählt, doch ein Spruch hallte Elke heute noch in den Ohren: „Auch der bitterste Feind hat eine Mutter, die ihn unter Schmerzen auf die Welt gebracht hat!“

Der Gedanke an all die Mütter der Toten machte sie traurig. Mit der Kaffeetasse in der Hand starrte sie eine ganze Weile in den Fernseher, der inzwischen schon Skispringer und Rodler auf dem Siegertreppchen zeigte. Dann griff sie entschlossen zur Fernbedienung und schaltete ab. Was nur nur mit ihr los?

Sie war doch sonst nicht so sentimental! Dann kam der Tag der Weihnachtsaufführung und Elke saß pünktlich neben Schwester und Schwager in der zweiten Reihe. Claudia und Wölfi platzten fast vor Stolz. Elke zwang sich zu lächeln. Und natürlich bestanden Schwester und Schwager darauf, dass Elke hinterher noch mit zu ihnen kam. Ihren Einwand, dass sie daheim noch eine Menge Arbeit zu erledigen hatte, wischten sie beiseite. „Ich mache mir wirklich Sorgen um dich!“, sagte Claudia halb scherzend und halb tadelnd. „Du arbeitest zu viel! Ein Privatleben hast du kaum! Nicht, dass du irgendwann noch an Brun-out erkrankst! Weißt du, es gibt noch ein paar andere Dinge im Leben außer Kariere und Erfolg. Die Familie zum Beispiel! Und wir sind deine Familie, wir sind für dich da!“

Elke zwang sich zu lächeln und die überschwänglichen – Dankesbekundungen, von von Nichte und Neffe zu ertragen.

Am Morgen des heiligen Abends fuhr Elke in den Supermarkt. Vor lauter Arbeit war sie in den vergangenen Tagen weder zum Einkaufen gekommen noch sich über die bevorstehenden Feiertage große Gedanken zu machen.

Ihr vager Plan sah vor, dass sie Liegengebliebenes Aufarbeitete. Und sie wollte kochen – nur für sich. Nicht unbedingt, weil Weihnachten war, sondern eher, weil sie sich diesen Luxus im Alltag aus Zeitgründen nicht gönnte. Im Grunde kochte sie recht gern. Am liebsten mit frischen Zutaten. Es war noch früh am Morgen, sehr früh, der Supermarkt war gerade erst geöffnet worden. Nur wenige Leute waren um diese Zeit unterwegs. Es wehte ein laues Lüftchen, es schien, als würde sogar das Wetter Weihnachten ignorieren. Die Temperaturanzeige in Elkes Wagen zeigte jedenfalls stolze neun Grad plus. Im Supermarkt drehte Elke ausgiebig ihre Runden. An der Kasse war kein einziger Kunde vor ihr. Dann verstaute sie ihren Einkauf im Kofferraum.Neben dem Parkplatz war ein Weihnachtsbaumverkäufer. Gerade dabei, seine Zelte für dieses Jahr abzubrechen. Er stellte die drei kleinen Bäumchen, die so mickrig waren, dass sie keiner haben wollte, an den Stacheldrahtzaun und begann den, vom anderen Ende her einzurollen. Als die Bäume ihm im Weg waren, nickte er einer älteren Dame, die offenbar die ganze Zeit bereits gewartet hatte zu. Elke war sie eben erst aufgefallen.

„Wenn Sie wollen, können Sie die gern mitnehmen!“,rief er ihr zu.Die verkaufe ich jetzt auch nicht mehr! Außerdem will ich heim!“

Elkes Blick wanderte zum Nummernschlid seines Anhängers, bis Bayern war es ein gutes Stück, stellte sie fest. Die alte Dame hatte sich indes der kleinen, mickrigen, Bäumchen angenommen. Auch wenn sie nicht die größten waren, leicht waren sie sicherlich nicht. Unschlüssig blieb Elke stehen. Die alte Dame war einen guten Kopf kleiner als sie, dazu mindestens dreißig Jahre älter, sie schätzte sie so auf siebzig. Zudem war sie ziemlich zart. Wo auch immer sie die Dinger hin haben wollte, Elke bezweifelte, das ihr das so ohne Hilfe gelingen würde. Sie wusste selbst nicht, warum sie sich nicht einfach hinters Steuer setzte und losfuhr. Vielleicht lag es daran, dass niemand anders in der Nähe war, der seine Hilfe hätte anbieten können. Die alte Dame hielt sich tapfer, versuchte, die Bäume irgendwie zu fassen zu bekommen, doch die sträubten sich. Und der Tannenbaumverkäufer war eifrig damit beschäftigt, einzupacken. Als ob er Elkes missbilligenden Blick gespürt hätte, er war schließlich ein großer, starker Mann.

„Nein sorry, ich will heim. Ich habe Familie!“, rief er ihr zu und nickte der alten Dame freundlich zu. „Wirklich,ich würde Ihnen ja helfen, aber ich verliere dann mindestens eine ganze Stunde!“