Ein Viertelstündchen Frankfurt – Band 4 - Meddi Müller - E-Book

Ein Viertelstündchen Frankfurt – Band 4 E-Book

Meddi Müller

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Beschreibung

Frankfurt ist bekannt für sein Bahnhofsviertel, für seinen Fußballclub, seine Rivalität zur Nachbarstadt und seine Grüne Soße. Aber auch für seine hervorragende Literatur. In diesem Sinne machen wir die Stunde voll mit dem vierten Band von »Ein Viertelstündchen Frankfurt«. Erneut finden Sie eine prominente Auswahl hervorragender Autor:innen aus dem Rhein-Main-Gebiet in einem Buch vereint. Eine bunte Mischung voller Kreativität, gepaart mit interessantem Hintergrundwissen zu der Stadt im Herzen Europas. Von Krimi über Geschichtliches bis zu Fantasy und spannender Unterhaltung ist in diesem Buch für jeden Geschmack etwas dabei. Alle Geschichten sind in altbekannter Tradition bequem innerhalb einer Viertelstunde zu lesen. Mit Beiträgen von Meddi Müller, Oliver Baier, Thorsten Fiedler, Susanne Reichert, Tim Frühling, Andreas Heinzel, Andrea Habeney, Esther Schmidt, Franziska Franz und Peter Luyendyk.

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Seitenzahl: 209

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Meddi Müller (Hrsg.): Ein Viertelstündchen Frankfurt 4.

Hamburg, Charles Verlag 2022

ISBN: 978-3-948486-44-0

Print: ISBN 978-3-948486-44-0

Lektorat: Annika Friedrichs, Hamburg

Umschlaggestaltung: © Annelie Lamers, Charles Verlag

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://www.dnb.de abrufbar.

Der Charles Verlag ist ein Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH, Hermannstal 119k, 22119 Hamburg.

_______________________________

© Charles Verlag, Hamburg 2022

Alle Rechte vorbehalten.

www.charlesverlag.de

Inhalt

Vorwort

Alles nur ein schlechter Traum?

Eine Kurzgeschichte von Peter Luyendyk

Frankfurter Spitzen

Ach, guck mal an

Die Frankfurter Tafelrunde

Eine Kurzgeschichte von Thorsten Fiedler

Ist das Kunst oder kann das weg?

Schwarzlicht. Rotlicht. Blaulicht

Eine Kurzgeschichte von Oliver Baier

Wasser Marsch

Summer in the city – nur manche mögen’s heiß

Eine Kurzgeschichte von Susanne Reichert

Der Handel mit Feenstaub

Der goldene Füller

Eine Kurzgeschichte von Meddi Müller

Der launige Adler

Einmal Star und zurück

Eine Kurzgeschichte von Tim Frühling

Der Rote Hahn

Die Stippvisite

Eine Kurzgeschichte von Andreas Heinzel

An der Spitze der Stadt

ER

Eine Kurzgeschichte von Andrea Habeney

Peanuts

Der Wildschütz und die Wetterfahne

Eine Kurzgeschichte von Esther Schmidt

Wasserratten

Stiletto-Hedi

Eine Kurzgeschichte von Franziska Franz

Vorwort

Die Stunde ist voll. Mit dem vierten Band des Viertelstündchens vollenden wir die Serie. Wenn es am schönsten ist, soll man bekanntlich aufhören. An dieser Stelle ist es Zeit, sich bedanken. Zu bedanken bei all denen, die das Projekt unterstützt haben, die es zu dem gemacht haben, was es ist, nämlich einem umfassenden Werk der Frankfurter Literaturszene unserer Zeit. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Das einzigartige Konzept ist – wie in allen Viertelstündchen – das gleiche. Bekannte Frankfurter AutorInnen schreiben spannende und unterhaltsame Geschichten über ihre Stadt. Aber nicht nur das finden Sie in den Viertelstündchen. So entstand über die Jahre ein umfassendes literarisches Zeitzeugnis. Nebenbei wurden die vier Bände zu einem interessanten Lexikon des Frankfurter Insiderwissens, das man in Fremdenführern lange suchen kann. Der Grund dafür ist in der Tatsache zu finden, dass alle Beiträge aus Überzeugung und Liebe zur Stadt geschrieben wurden. Aus Überzeugung, in der besten Stadt zu leben, die man sich aussuchen kann. Aktuelle Umfragen haben ergeben, das Frankfurt auf Platz sieben der lebenswertesten Städte der Welt zu finden ist. Wir haben es ja schon immer gewusst, aber jetzt ist es offiziell. Frankfurt ist eine geile Stadt!

Es ist ein Abschied mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Das Projekt hat sehr viel Spaß gemacht, aber auch sehr viel Arbeit. Und wenn wir ehrlich sind: Viel mehr ist nicht rauszuholen. Ab jetzt kann es nur noch schlechter werden und das wollen wir nicht. Deshalb beenden wir die Sache hiermit in dem Wissen, noch einmal ein tolles Buch für Sie gemacht zu haben.

Besonderer Dank gilt auch all den dienstbaren Geistern hinter den Kulissen, ohne die ein Buch überhaupt nicht entstehen kann. Aber den Wichtigsten sei zuletzt gedankt und das in besonderer Form: Ihnen, liebe Lesenden. Denn ohne Ihre Unterstützung hätten wir die Stunde ja gar nicht erst vollbekommen. Im Namen aller Beteiligten: Herzlichen Dank!

In diesem vierten Band haben wir – wie gewohnt – neben den unterhaltsamen Kurzgeschichten jede Menge Insiderwissen für Sie kompakt zusammengestellt. Lesbar alles in maximal einer Viertelstunde. Ideal für unterwegs und den kurzen Lesespaß zwischendurch. Sie werden nicht nur gut unterhalten, sondern bekommen interessante Fakten zur Stadt gleich mitgeliefert. Mit dem Wissen aus unserem Buch sind Sie der Star auf der nächsten Cocktailparty.

Aber jetzt wünschen wir Ihnen spannende Unterhaltung mit den Geschichten unserer AutorInnen und viel Spaß beim Entdecken der informativen Artikel über Frankfurt.

Ach ja: Auch wenn das Viertelstündchen mit diesem Band seinen Abschluss findet, finden Sie die AutorInnen des Buches bei vielen Gelegenheiten in unserer Stadt und der Umgebung bei Lesungen und anderen literarischen Events. Wir freuen uns, wenn Sie uns bei den Veranstaltungen besuchen und uns weiterhin unterstützen.

Bis dahin

Ihne Ihr’n

Meddi Müller

Herausgeber

Alles nur ein schlechter Traum?

Eine Kurzgeschichte von Peter Luyendyk

Der Stuttgarter Stadtpfarrer, Christian Adam Dann, hatte im Jahre 1822 eine Schrift mit dem Titel ›Eine Bitte der armen Thiere, der unvernünftigen Geschöpfe, an ihre vernünftigen Mitgeschöpfe und Herren, die Menschen‹ verfasst. Dass er hiermit den Anfang der deutschen Tierschutzbewegung beförderte, hätte er wohl nie für möglich gehalten.

Heute, 200 Jahre später, gibt es 750 Tierschutzvereine mit mehr als 800.000 Mitgliedern, die sich für das Tierwohl in Deutschland einsetzen.

Carl Ehrlich ahnte nicht, dass auch er eines Tages für den größten Tierwohlfahrtsverein, kurz TWO, tätig werden sollte.

Ehrlich war am Abend, so wie immer, schnell eingeschlafen und in tiefen Träumen versunken. Dort fand er sich plötzlich beim monatlichen Skatabend wieder. Eben war das letzte Spiel gespielt worden, das Carl, wie die übrigen Spiele an diesem Abend, ebenfalls verloren hatte.

Zähneknirschend musste er zwölf Euro in die Skatkasse zahlen.

Seufzend und in Trauer um seine eigentlich exzellente Spielfähigkeit wollte Carl sich gerade Jürgen, der seine Jacke vom Haken nahm und gutgelaunt die Kneipe verließ, anschließen, als Marius Müller, der dritte im Bunde, ihn aufhielt.

»Warte, hast du noch einen Moment? Setz dich doch, ich will dich was fragen«, sagte Marius und zog den Stuhl, den Carl schon beiseitegeschoben hatte, wieder an den Tisch zurück.

»Sag mal, kannst du dir vorstellen, die Buchhaltung unserer Frankfurter TWO Filiale zu übernehmen? Unser Mann geht nächsten März in Pension.«

Carl Ehrlich brauchte nicht lange zu überlegen. Wow, das war sein Job. Er war jetzt 50 Jahre alt und hatte vor kurzer Zeit auf Grund von Rationalisierungsmaßnahmen bei OPEL in Rüsselsheim seine Stelle als Buchhalter verloren.

Na klar wollte er für den Verband arbeiten. Hatte er doch bei mehreren Gelegenheiten feststellen können, dass die Leute, die er bei diesem Tier-Wohlfahrtsverein kennengelernt hatte, gut, nein, sehr gut verdienten.

Um sein Gesicht zu wahren, zögerte Ehrlich zunächst ein wenig und sagte dann begeistert zu.

Es war der 1. März, an dem er seinen neuen Job antrat. Marius Müller, jetzt offiziell sein Chef, hatte ihm angeboten, dass Ehrlich beim TWO zunächst sein altes Gehalt bekäme. »Übrigens wird Herr Wendig, unser bisheriger Buchhalter, noch ein paar Tage da sein, um dich mit der Materie vertraut zu machen«, sagte Marius, und führte Carl Ehrlich in sein zukünftiges Büro.

Wie versprochen wurde er von Herrn Wendig einige Tage eingearbeitet. Allerdings merkte Carl schon bald, dass der es bei den Kontrollen nicht so genau nahm. Wenn etwas nicht stimmte, suchte er nicht lange, sondern machte es einfach passend. Als der scheidende Buchhalter sich nach einer Woche von Ehrlich verabschiedete, gab dieser ihm einen guten Rat mit auf den Weg: »Und wenn Ihnen mal etwas Spanisch vorkommt, sprechen Sie einfach mit Marius. Der übersetzt es schon passend für die Bilanz.«

Kurz nachdem Carl Ehrlich den Job offiziell übernommen hatte, schaute er sich den Umsatz des TWO an, der zuletzt jährlich bei gut 35 Millionen Euro gelegen hatte.

Anschließend las er sich intensiv in die Materie ein und machte sich vertraut mit den Filialen, den Tierheimen, den Tierärzten, den Tierpflegern, der Ethikkommission und den Verhaltensforschern. Ja, er lernte sogar, dass es Tieranwälte gibt, die als unabhängige Vertreter im Sinne von Treuhändern oder Anwälten, in behördlichen und gerichtlichen Verfahren stellvertretend für die Tiere deren Interessen erkennen und durchsetzen sollen.

Beim Überprüfen der Lohnlisten machte er einige merkwürdige Entdeckungen und sprach Müller darauf an. »Sag mal, Marius, ich habe bei meinen Kontrollen festgestellt, dass mein Vorgänger es mit den Zahlen nicht so genau genommen hat.«

Müller nickte: »Habe ich auch schon gesehen. Allerdings hat er sich dem Unternehmen gegenüber immer sehr loyal verhalten, und das ist bei der TWO am wichtigsten.«

Einige Tage darauf erhielt Ehrlich eine erste Reklamation, und zwar von einem Tierheim.

Es handelte sich dabei um drei Arbeitstische, dessen Platten schon nach wenigen Jahre größere Risse aufwiesen.

Er suchte die Rechnung heraus, rief den Lieferanten an und ließ sich mit dem Kundendienst verbinden. Ein Techniker der Firma, der am nächsten Tag vorbeischaute, stellte fest, dass hier wohl eine Verwechslung vorlag und zeigte Marius anhand eines Lieferscheins, dass das Unternehmen damals 12 Tische zu einem Gesamtpreis von knapp 3.000 Euro an das Tierheim ausgeliefert hatte. In der Rechnung, die Marius abgeheftet vorfand, waren 21 hochwertige Tische für 19.500 Euro aufgelistet.

Carl wandte sich wieder an Marius. Müller schaute sich die Unterlagen an und seufzte tief. »Das ist sehr ärgerlich, der Lieferschein über die billigen Tische sollte schon längst verschwunden sein.«

»Aber es sind doch die billigen Tische«, sagte Carl.

»Ja, stimmt schon. Wir haben dort ein wenig Geld gespart, damit wir unseren Mitarbeitern Ende des Jahres etwas Gutes tun können.«

»Aber … in Ordnung ist das nicht, oder?«, hielt Ehrlich zaghaft dagegen.

Marius legte seine Hand auf Carls Schulter. »Vielleicht nicht, aber wir schaden ja niemandem. Na ja, eventuell den Steuerzahlern.« Er lachte laut auf. »Aber das sind wir ja selber.«

»Aber ich, ich gehe da doch hoffentlich kein Risiko …?«

»Nein Carl, mach dir keine Gedanken, nur ich bin für die Niederlassung verantwortlich und unterzeichne den Jahresabschluss. Die anderen Verbände arbeiten genauso. Und wenn wir schon dabei sind, du hast bisher gute Arbeit geleistet. Ich glaube, dass wir dein Gehalt jetzt angleichen sollten.«

Das Salär wurde schon im darauffolgenden Monat merklich angepasst und auch Carl Ehrlich passte sich an.

Nur manchmal stolperte er noch über sich und die finanziellen Eskapaden des Vereins.

Zum Beispiel las er auf einer Überweisung an ein kleines Unternehmen, das, wie er später herausfand, Marius Cousin gehörte, ›Deutschkurs Tiere‹. Als er bei Müller anfragte, wie gut denn das Deutsch der Tiere schon wäre, schaute dieser sich die Überweisung an und musste laut lachen. »Nein, wir haben eine Sicherheitsfirma damit beauftragt, unbegleitete Jungtiere in einer alten Fabrik in Griesheim, die zum Tierheim umgebaut wurde, zu bewachen.

Unter den Mitarbeitern sind viele Leute mit Migrationshintergrund, die der Sprache nicht so richtig mächtig sind. Die werden dort unterrichtet.

Carl ordnete sich unter und machte weiter.

Eines Tages las er in der Frankfurter Neue Presse, dass ein Professor Hansen, in seiner Funktion als Sprecher des Verbandes für das deutsche Hundewohl, einen Vortrag im Dominikanerkloster über »Mensch und Tier« halten würde.

Er hatte schon häufiger gepfefferte Rechnungen von diesem Herrn gesehen, der oft für den TWO auftrat. Carl entschloss sich, das Referat, das im Saal einer großen Gastwirtschaft in Enkheim abgehalten werden sollte, anzuhören.

Der Mann war etwas tatterig, versprach sich oft und verlor immer wieder den Faden. Immerhin klärte er Carl und die wenigen Zuhörer darüber auf, dass körperliche Aktivität chronische Erkrankungen wie Diabetes, Krebs, Bronchitis und Bluthochdruck positiv beeinflusst. Und er meinte, dazu wäre nichts besser geeignet als ein Hund, mit dem man sich jeden Tag an der frischen Luft bewegen könne. Ferner führte er aus, dass Hunde ein sogenanntes episodisches Gedächtnis besitzen. Leider sei es nicht einfach, dies nachzuweisen, da man schlecht nachfragen könnte, an was sich das Tier erinnere.

Die Rechnung über 1.950 Euro kam prompt. Carl fragte sich, wer sonst noch etwas von diesem Hundekuchen abbekam.

Auch Müllers Kollegen schienen es mit der Genauigkeit ihrer Abrechnungen nicht so eng zu sehen. Einer der Herren reichte monatlich seine Tankrechnungen ein, ohne dabei genau auszuführen, weshalb der TWO sie zahlen solle. Das er manchmal Benzin, manchmal Diesel tankte, führte er darauf zurück, dass er bei Transporten für den TWO den Kombi seiner Frau nehme, der dafür besser geeignet wäre als sein Cabrio.

Ein anderer musste offensichtlich jeden zweiten Tag mit Geschäftsfreunden speisen, und das offensichtlich in den besten Restaurants von Frankfurt.

Müller segnete es ab und damit war auch für Carl die Sache erledigt.

Ein Anwalt aus einem benachbarten Landesverband, der mit Müller befreundet war, sprach in Carls Beisein ungeniert über einen Bargeldpool, der bald wieder aufgefüllt werden sollte.

Es erstaunte Carl kaum, dass er nur wenige Tage später von diesem Herrn eine Rechnung über knapp 12.000 Euro erhielt für die juristische Ausarbeitung eines Vertrags.

Bei der am selben Abend stattfindenden Geburtstagsfeier von Carls Bruder, der auch Anwalt war, fragte Carl ihn so nebenbei, ohne Ross und Reiter zu nennen, was er für solch eine Arbeit in Rechnung stellen würde.

»Ein paar Hunderter«, war die Antwort.

Natürlich blieb es Carl auch nicht verborgen, dass das Führungspersonal überdurchschnittlich gut entlohnt wurde. Auch bei deren Reisen wurde nicht gespart.

Ein 5-Sterne Hotel musste es für die Tierfreunde mindestens sein.

Bei einem Heimtierkongress in Hamburg, der eigentlich zwei Tage dauerte, und an dem drei TWO Mitarbeiter teilnahmen, wurden fünf Tage abgerechnet, da das Trio sich vor Ort noch ausgiebig über die gewonnenen Erkenntnisse beratschlagen musste.

Über die Geschäfte der Ehegattin von Marius erfuhr Carl eher zufällig durch ein Telefonat.

Er rief die Firma Animalis Welfare GmbH an, um eine Rechnungsangelegenheit zu besprechen. Es meldete sich eine Frau Müller, die Carl sofort an ihrem leichten tschechischen Akzent als Marius Frau erkannte. Sie war als freiberufliche Maklerin tätig und berechnete nicht zu knappe Gebühren für ihre Arbeit bei der Anmietung von Tier-Auskunfts- und Beratungsstellen der TWO. Auch die Räume der Geschäftsstelle, in der Carl arbeitete, wurde ursprünglich von ihr vermittelt und in Rechnung gestellt. Bei einer Recherche lernte Carl, dass sie unter anderem auch Tierbedarf und Tiernahrung an mehrere TWO Zweigstellen verkaufte.

Bei einem Bier mit Marius nach der Arbeit wagte Carl seine Bedenken über solche Konstellationen ihm gegenüber zu äußern. »Meinst du nicht, dass so etwas eines Tages publik wird? Hast du denn keine Angst vor dem Entzug der Gemeinnützigkeit?«

»Ach Carl«, sagte Marius: »Wir haben 35 Millionen Haustiere in Deutschland. Damit werden jährlich in etwa fünf Milliarden umgesetzt. Davon sollten wir doch ein wenig abbekommen. Und außerdem werden die Zuwendungen der Stadt jedes Jahr im Schnitt um 10 Prozent erhöht. Wir müssen die Gelder ausgeben, bevor man sie uns streicht. Meine Anja betätigt sich beim Makeln ehrenamtlich, macht das alles in ihrer Freizeit, nur die effektiv entstandenen Kosten bekommt sie erstattet und was übrigbleibt, wird wieder gespendet.«

»Na ja, wenn das so läuft …«, antwortete Carl leise. »Dann könnte ich ja vielleicht eines Tages auch mal einen Firmenwagen bekommen. Meine alte Kiste ist … also, nicht mehr so ganz frisch mit fünfzehn Jahren.«

Marius schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Ach du liebe Zeit, dass ich daran nicht gedacht habe, ich wollte dich schon lange darauf ansprechen. Wir wäre es mit einem Corsa?«

Carl zuckte leicht zusammen und murmelte: »Ihr habt doch auch Ford Fiestas im Autopool. Die sind genauso teuer.«

Marius lachte: »Verstehe, verstehe, du hast ja noch dieses Opel-Syndrom. Du, das ist gehüpft wie gesprungen. Ich fülle den Bedarfsantrag heute noch aus.«

Beim jährlichen Welttierschutztag, den Carl als Tierfreund interessenhalber besuchte und der in der Festeburgkirche Kirche an der Wolfsweide stattfand, traf er eine ehemalige Schulfreundin, die sich als Mitglied des Vereins »Tiere als therapeutische Begleiter« zu erkennen gab. Sie schwöre auf die pädagogisch-therapeutische Arbeit des Vereins und meinte, dass der Umgang mit Tieren allen pflegebedürftigen Menschen guttut.

Auf Carls Frage, ob der Verein auch von der TWO Gelder bekäme, meinte sie, dass diese Organisation recht knauserig wäre.

Am Anfang des neuen Jahres stand für die TWO Frankfurt der Jahresabschluss an.

Als Carl die Zahlen mit Marius durchnahm und ihm eine Liste mit Fragen vorlegte, musste Marius bei der ersten Frage laut lachen: »Was hast du da geschrieben? Ich verdiene mehr als die Bundeskanzlerin? Das stimmt doch nicht.«

»Doch, du hast fast 300.000 Euro bekommen.«

»Zeige mal her. Tatsächlich, das war gar mir nicht so bewusst. Na ja, das ist eben eine leistungsorientierte Vergütung. Davon spende ich die Hälfte wieder. Du weißt, dass niemand sich persönlich bereichert bei uns.«

Bei der nächsten Frage, ob die Gehälter nicht jenen des öffentlichen Dienstes entsprechen sollten, wich er aus. »Es liegt letztendlich in unserer Verantwortung, die Gehälter unserer leitenden Angestellten zu bestimmen. Das ist so Usus.«

Bei anderen Anliegen, zum Beispiel ob bei es nicht gewisse Kontrollmechanismen beim Bundesverband der TWO gäbe, die bei den wechselseitigen Beraterverträgen ihr Veto einlegte, oder wie Marius es rechtfertigen könnte für eine Studie über Kühe, die bekanntlich bezüglich des Reinkarnationsgedankens eine besondere Stellung im Hinduismus haben, einige tausend Euro auszugeben, wurde seine Stimme ungeduldig oder er wich aus.

Die Studie über eine Tierberatungsstelle für benachteiligte Tiere, die von einem seit 20 Jahren emeritierten Tierarzt erstellt wurde und einige tausend Euro kostete, wurde von Marius allerdings leidenschaftlich verteidigt.

Carl fügte sich, aber sehr wohl war es ihm nicht dabei.

Drei Jahre lang lief alles wie am Schnürchen. Carl fuhr zwischenzeitlich einen flotten BMW und sein Chef einen Ford Mustang mit vielen Pferdestärken.

Aus heiterem Himmel wurde es in Carls Traum unerwartet dramatisch. In diesem wurde er eines Morgens durch ein anhaltendes Klingeln geweckt wurde. Er stand auf und schaute aus dem Fenster. Da standen zwei Polizeiautos vor seinem Haus. Nervös öffnete er die Tür.

Einer der Herren wies sich als Polizeihauptkommissar aus und teilte Carl Ehrlich mit, dass die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen die TWO eröffnet hat und ein Durchsuchungsbefehl ausgestellt wurde. Er übergab Carl ein von einem Richter unterschriebenes Papier.

»Aber unser Büro ist doch in der Mainzer Landstraße, hier wohne ich nur«, sagte Carl.

»Das wissen wir Herr Ehrlich«, antwortete der Polizist. Wir sind berechtigt sowohl die Geschäfts- als auch die Wohnräume zu durchsuchen. Zuerst möchten wir uns gerne Ihre Aktenordner und ihren Rechner anschauen.«

Jetzt lief es Carl eiskalt über den Rücken. Sie hatten die Unregelmäßigkeiten entdeckt.

Er hatte doch immer gewarnt. Was wäre, wenn Marius sein Wort nicht hielt, und die Verantwortung auf ihn abschob? Er könnte im Gefängnis landen!

Den Gedanken an das Gefängnis riss Carl schlagartig aus all seinen Träumen.

Endlich erwachte er, rieb sich die Augen, griff nach seiner Brille, die auf dem Nachttisch lag, und schaute sich im Zimmer um. Er war allein. Alles war wie immer.

Er stand auf und lief zum Fenster, keine Polizeiautos zu sehen. Erleichtert atmete er durch. Jetzt hatte er definitiv ausgeträumt.

Irgendetwas muss mich doch sehr beschäftigt haben, überlegte er, denn so seltsam detailliert habe ich noch nie geträumt. Er wusste, dass Träume höchstens 20 Minuten dauern, gefühlsmäßig mussten es Stunden gewesen sein.

Was für einen Unsinn hatte er sich in dieser Traumwelt bloß zusammengereimt?

Zum Beispiel, dass er entlassen worden wäre, und dass Marius ihm einen Job bei diesem Tierverein angeboten hatte. Er musste lächeln, und einen BMW hatte er gefahren, leider nur im Traum. Nur, dass er früher bei Opel gearbeitet hatte, das stimmte.

Was ihm allerdings gar nicht gefallen hatte, war seine Rolle in diesem Traum. Er hatte dort mitgemacht. Nicht zu leugnen. Wieso bloß? Das ist doch gar nicht meine Art, dachte er.

Er setzte sich in seinen Lieblingssessel, lehnte sich zurück und überlegte. Wieso habe ich das nur gemacht? Habe ich doch gar nicht nötig. Ich habe einen interessanten Job, verdiene gut und bin jetzt seit fünf Jahren bei einem seriösen Unternehmen, bei der AWO in Frankfurt.

Dort könnte mir so etwas nie passieren!

Über den Autor – Peter Luyendyk

Peter Luyendyk ist Niederländer. Mit knapp fünf entdeckte er die Buchstaben. Dabei stellte er fest, dass Buchstaben Wörter und Wörter Geschichten ergeben. Daraufhin musste seine Großmutter ihm kurzerhand das Lesen beibringen. Nach seiner Ausbildung arbeitete er zunächst als Foto-Journalist in England und Frankreich. Später ging er nach Deutschland und wechselte dort in den Vertrieb eines internationalen Unternehmens, bevor er den Sprung in die Selbstständigkeit wagte. Angeregt durch Erfahrungen und Erlebnisse auf seinen zahlreichen beruflichen und privaten Reisen rund um den Globus, begann Peter Luyendyk zu schreiben.

Durch die Teilnahme an mehreren Schreibseminaren, u. a. an der Frankfurter Goethe-Universität, verfeinerte er seinen Schreibstil. Der Autor lebt in Hofheim/Taunus, ist verheiratet und hat drei Söhne. Fünf Bände mit Kurzgeschichten sowie ein Kriminalroman sind beim Uniscripta Verlag und in der Edition Pauer erschienen. Außerdem beteiligte er sich an mehreren Anthologien.

Frankfurter Spitzen

Ach, guck mal an

Frankfurt an sich ist eine Spitzenstadt. Da erzählen wir Ihnen nichts Neues. Wir wissen, dass wir die Stadt mit den höchsten Häusern sind, den Fußballclub mit den besten Fans haben und die schönsten Menschen leben hier sowieso. Wir haben den besten Apfelwein und den leckersten Handkäse. In der ganzen Welt sind unsere Würstchen bekannt und wir haben die neueste Altstadt der Welt.

Alles bekannt und durchaus respektabel. Aber das sind nur die offensichtlichen Rekorde und Höchstleistungen, die unsere Mainmetropole zu verzeichnen hat. Es geht in diesem Artikel nicht nur um Rekorde, sondern auch um bemerkenswerte Leistungen, die sich in Frankfurt zugetragen haben oder durch Frankfurter*innen vollbracht wurden und noch immer werden. Aber auch Dinge, die an sich schon so bemerkenswert sind, dass sie hier erwähnt werden müssen, wie zum Beispiel unser Stadtwald.

Der Frankfurter Stadtwald ist zwar nicht der größte Stadtwald Deutschlands, jedoch ist er mit rund 3866 Hektar (ca. 5414 Fußballfelder) Fläche der größte innerstädtisch zusammenhängende Wald Deutschlands.

Insgesamt hat Frankfurt eine Wald- bzw. Forstfläche von etwa 5785 Hektar (ca. 8100 Fußballfelder). Auf seinen insgesamt 450 Kilometer Wald- und Arbeitswegen lässt sich die Schönheit unseres Stadtwaldes hervorragend erkunden.

Den Größten haben wir mit unserem Flughafen, zumindest was Deutschland angeht. Aber das ist ja nun auch nicht die Knallermeldung, denn das weiß jedes Kind. Aber in diesem Artikel geht es nun mal um Spitzenleistungen aus Frankfurt und das gehört der Flughafen natürlich dazu. 2019 sind hier insgesamt rund 70 Millionen Fluggäste gezählt worden. Das ist schon enorm. Fast die gesamte deutsche Bevölkerung ist hier abgeflogen oder gelandet. Zumindest theoretisch.

Bei so vielen Menschen bekommt man Hunger.

Entschuldigen sie die schlechte Überleitung ... was wir Ihnen eigentlich mitteilen wollten, ist die Anzahl der Sterneküchen in Frankfurt. Derer gibt es insgesamt 7 Stück. Wenn Sie also mal Ihre Ersparnisse für einen sparsam belegten Teller ausgeben wollen, dann können Sie das in Frankfurt leicht tun. Mit dem Restaurant Lafleur im Palmengarten haben wir seit Kurzem sogar eine Zweisterneküche in der Stadt. Guten Appetit.

Wenn wir über Rekorde und Spitzenleistung reden, darf natürlich unsere Adlerelf nicht fehlen. Die Eintracht hat in der Europacup-Saison 2018/19 einen Europarekord aufgestellt. Keine andere Mannschaft hatte es bis dahin geschafft, alle sechs Gruppenspiele zu gewinnen. Jeder Eintracht-Fan, erinnert sich gerne an die Festabende im Waldstadion zurück, an denen die SGE fast jeden Gegner an die Wand gespielt hat. Mit insgesamt 12.000 mitgereisten Fans zum Auswärtsspiel gegen den FC Girondins de Bordeaux, stellten die Fans der Eintracht in derselben Saison ebenfalls einen Rekord auf. Für den Transport der Fans wurden drei Flugzeuge, 70 Busse und hunderte Minibusse benötigt. Reden wir jetzt mal nicht über die Umweltbilanz dieses Ausfluges, denn es war ein Fest und ein Rekord für die Ewigkeit.

Frankfurt ist ja nicht nur eine internationale Drehscheibe für Verkehr und Geldgeschäfte, sondern auch für das Internet. In Frankfurt schießen die Rechenzentren aus der Erde, wie die Krokusse durch den feuchten Boden im Frühling. Kein Industriegebiet in der Stadt, das was auf sich hält, bleibt ohne Rechenzentrum. Im Jahre 2020, dem Pandemie-Jahr mit Homeoffice, Online-Home-Schooling, Videokonferenzen, Videotelefonie und -streaming und der wohl spannendsten US-Wahl aller Zeiten, wurde der Datentransfer in bis dahin unerreichte Höhen getrieben. Das führte am 3. November um kurz nach 20 Uhr dazu, dass die Rechenzentren in Frankfurt eine Schallmauer im Datenverkehr durchbrachen. In diesem Moment wurden über 10 Terabit pro Sekunde durch Frankfurts Internetleitungen gejagt. Um einen Vergleich zu haben: Diese Datenmenge entspricht in etwa 2,2 Milliarden beschriebener DIN-A4-Seiten. Pro Sekunde, wohlgemerkt.

Und das ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Experten rechnen mit einem Wachstum von 10% pro Jahr. Mit diesem Datentransfer liegt Frankfurt mit Städten wie New York, Madrid, Marseille, Istanbul und Dubai auf Augenhöhe, was den Datenverkehr angeht. Also nicht wundern, wenn in Ihrer Nachbarschaft demnächst ein fensterloser Riesenbau entsteht, der Tag und Nacht bewacht wird und mit Panzersperren und NATO-Draht bewehrt ist. Das ist nur das Internet und kein neuer Knast.

Wenn man von Spitzenleistungen schreibt, kommt man am Sport nicht vorbei. Aber die Welt hat natürlich noch mehr zu bieten als Fußball. Und sind wir mal ehrlich, für weitere Rekorde spielt die Eintracht einfach nicht gut genug. Mal abgesehen von den Zuschauerrekorden, die wir oben beschrieben haben und der einmaligen Europacup-Saison, ist da nicht viel zu berichten, auch wenn der gemeine Eintracht-Fan nach einem Heimsieg über Schalke 04 in der Regel selbstbewusst einen Championsleague-Platz als Saisonziel anpeilt.

Wir wollen an dieser Stelle mal die Sportler*innen würdigen, die »nur« am Rand Berühmtheit erlangten, aber durchaus Spitzenleistungen vollbracht haben.

Zugegeben, einen waschechten Frankfurter zu finden, der sportliche Spitzenleistungen vollbracht hat, ist nicht so einfach. Also dehnen wir das mal auf Leute aus, die für Frankfurter Vereine an den Start gingen.

Da hätten wir zu Beispiel Armin Harry.

Nie gehört?

Jetzt aufgepasst.

Armin Erich Harry, so sein voller Name, startete als Leichtathlet für den FSV Frankfurt und war der erste Sprinter, der auf einer Aschenbahn handgestoppte 10,0 Sekunden auf 100 Meter lief. Im Jahre 1958 eine Sensation. Kurios dabei ist, dass er diese Zeit das erste Mal in Friedrichshafen lief und diese aberkannt wurde, weil die Bahn ein Gefälle von 11% aufwies. Erlaubt waren 10%. Aber er bestätigte die Zeit zwei Jahre später in Zürich und war somit offiziell der erste Mensch, der nur 10 Sekunden über 100 Meter benötigte. Armin Harry hatte allerdings abseits der Aschebahn fortwährend Probleme mit den Funktionären. Im Jahre 1958 wurde er wegen einer falschen Spesenabrechnung (im Wert von 70 D-Mark) gesperrt. Es ging dabei wohl darum, dass er anstatt mit dem PKW mit der Bahn gefahren war.