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Wir dürfen nicht zulassen, dass Kinder ihre angeborene Freude am Lernen verlieren. Kinder möchten ihre Potentiale entdecken und Selbstwirksamkeit entwickeln. Lebendig, aktuell und praxisnah zeigt dieses Buch, was Kinder stark macht und welche pädagogischen Grundgedanken der Montessori-Pädagogik gerade für Kinder unserer Zeit eine Hilfe sind. Dieses Buch richtet sich an pädagogische Fachkräfte, Eltern und Interessierte, die erfahren möchten, wie es gelingen kann, mit Hilfe der Montessori-Pädagogik Kinder einzuladen, mit Freude und Interesse zu lernen.
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Seitenzahl: 104
Veröffentlichungsjahr: 2021
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1.
Interesse macht aufmerksam
Die Beachtung der sensiblen Phasen in der kindlichen Entwicklung
Beachtung der sensiblen Phasen am Beispiel des ersten Tages in der Kindertagesstätte
Wie lässt sich die sensible Phase eines Kindes erkennen?
Was fördert die Entstehung eines Interesses?
Im Leben kann man doch nicht immer nur machen, was einem Spaß macht
Kreativer Einsatz der sensiblen Phasen
Das Interesse an Medien
Interesse lenkt den Blick
2.
Der innere Bauplan des Kindes
3.
Wo erleben Erwachsene die Wirkung einer vorbereiteten Umgebung?
Warum Ordnung hilfreich ist
Die Umgebung sagt etwas aus
Ästhetik in der Montessori-Pädagogik
Welche Bedeutung hat die Umgebung für das Kind?
Die vorbereitete Umgebung lässt die sensiblen Phasen des Kindes erkennen
Praxisbeispiel einer vorbereiteten Umgebung in der Montessori-Pädagogik
Kinder brauchen Natur
Pädagogisches Personal in der Umgebung des Kindes
Rituale
4.
Aufmerksamkeit
Wie gut konzentrieren wir uns eigentlich selbst?
Medienkonsum und Aufmerksamkeit
Aufmerksamkeit der Eltern durch Medien
Aufmerksames Zuhören
Sprachgestaltung und Konzentrationsförderung
Termine, Termine
Polarisation der Aufmerksamkeit in der Montessori-Pädagogik
Wann ist es zu einer Polarisation der Aufmerksamkeit gekommen?
Wo sind die polarisierten Kinder?
Geräusche und Aufmerksamkeit
5.
Ohne Bewegung geht nichts
Vom Greifen zum Begreifen
Analyse der Bewegung
6.
Selbstständigkeit
Laufen erlernt man Schritt für Schritt
Der Leitgedanke der Montessori-Pädagogik
Wodurch wird die Selbstständigkeit gefördert?
Selber aktiv werden und Kinder einladen
Abhängige Entdecker
„Hilf mir, es selbst zu tun“ meint Eigeninitiative
Montessori und der Leitgedanke ihrer Pädagogik
Was der Leitgedanke der Montessori-Pädagogik mit Ressourcenbildung zu tun hat
7.
Fehler
Wer macht schon gerne Fehler – die Angst vor dem Scheitern
Durch Fehler lernen
Der eigene Umgang mit Fehlern
Fehlerkultur in sozialpädagogischen Einrichtungen
Montessori und der Fehler
8.
Warum wir nicht immer über Grenzen gehen
Wozu Regeln und Grenzen?
Kinder brauchen Bindungen
Gute Bindungen helfen
Freiheit – Bindung – Grenzen in der Montessori-Pädagogik
Was sollte beim Grenzensetzen bedacht werden?
9.
Vorbild
Warum brauchen Kinder Vorbilder?
Vorbildverhalten in der Montessori-Pädagogik
Die neuen Vorbilder der Jugend
Veränderungen im sozialen Miteinander
Soziale Kompetenzen brauchen Übung
Übungen des sozialen Lebens
10.
Kinderrechte
Schutz vor Konsum
11.
Beobachtung
12.
Kinder und Jugendliche im Wandel der Zeit
Warum die Montessori-Pädagogik hochaktuell ist
13.
Montessori war mit ihrer Sinneserziehung der Zeit voraus
Das Sinnesmaterial
a.
Der Geruchssinn
b.
Der Geschmackssinn
c.
Der Hörsinn
d.
Der Tastsinn
14.
Was uns ein Virus vor Augen führen kann
Vorbereitete Umgebung
Polarisation der Aufmerksamkeit
Langeweile
Freiheit und Bindung
Interesse
Globalität
Soziale Kompetenz
Beobachtung
Bewegung
Angst
Hilf mir, es selbst zu tun
15.
Anregungen für Elternabende
Interesse
Beobachtung
Mit der Stimme schafft man Stimmungen
Bewegung
Abschluss
Ausblick
Aus dem Leben Maria Montessoris
Literaturnachweise
Über die Autorin
„Es gibt nur eine ideale Form des Lernens: tiefstes Interesse (...).“ (Montessori 2016, aus: „Dem Leben helfen, 45“)
Kennen Sie das? Sie sind zu einer Feier eingeladen, Sie haben aber nicht viel Lust, hinzugehen? Sie gehen aber trotzdem. Der Abend scheint fast den erwarteten Verlauf zu nehmen. Plötzlich offenbart Ihnen ein Gast, dass er das gleiche Hobby hat wie Sie. Spätestens, wenn Ihr Gegenüber etwas für Sie Interessantes zu berichten hat, wird Ihr Zustand ein anderer sein.
Denken Sie an frühere Schulstunden, erinnern Sie sich vielleicht an Schulfächer, in denen die Unterrichtszeit nicht zu vergehen schien. Sicher gab es auch Schulfächer, bei denen Sie das Gefühl hatten, die Stunden würden viel zu rasant verlaufen.
Wo unser Zeitgefühl uns sagt, die Zeit vergeht viel zu schnell, wird immer unser Interesse angesprochen sein. So war es bei Schulfächern, die wir gerne mochten, und so ist es bei allen Tätigkeiten, die wir mit Freude machen.
Wenn unser Interesse erwacht, werden wir lebendiger, wacher und dem Leben zugewandt erscheinen. Wo ein wirkliches Interesse ist, wird niemand von uns dauernd auf die Uhr schauen, um zu sehen, wann die Zeit endlich um ist.
Unser Interesse an einer Sache, einer Idee oder einer Person vermag es, unsere ganze Aufmerksamkeit zu fesseln. Interesse ist die größte und wichtigste Motivation zum Lernen.
Interesse macht immer aufmerksam. Nicht nur in dem Moment der Tätigkeit, nein, es wirkt auch noch nach.
Wie ermüdend können hingegen Tätigkeiten sein, zu denen wir uns aufraffen müssen, die nicht unserem Interesse entsprechen. Müssen wir beispielsweise aus beruflichen Gründen einen Computerkurs absolvieren und mögen die Arbeit am Computer nicht, wird unsere Motivation eine andere sein, als würde die Arbeit am Computer uns Freude bereiten. Begeisterung für eine Tätigkeit lässt uns mit Freude lernen. Genau das ist der Ansatz der Beachtung der sensiblen Phasen in der Montessori-Pädagogik.
Montessori unterscheidet drei Stufen der Entwicklung: von 0 - 6 Jahren, von 6 - 12 Jahren und von 12 - 18 Jahren.
Zu bestimmten Zeiten gibt es in jeder der drei Phasen Zeiträume, in denen ähnliche sensible Phasen bei Kindern beobachtet werden können. Allerdings lassen sie sich nie genau zeitlich festlegen.
Jedes Kind entwickelt im Laufe seines Lebens ganz eigene Interessenpunkte. In einer sensiblen Phase ist das Kind sehr empfänglich.
Gerade in der heutigen Zeit, wo immer mehr Schüler offensichtlich die Freude am Lernen verloren haben, bekommt der Ansatz Montessoris eine besondere Bedeutung. Er zeigt einen Weg auf, wie Kinder motiviert lernen können.
Genau aus diesem Grund ist es wichtig, die sensiblen Phasen des Kindes zu erkennen und dem Kind Angebote zu seinen jeweiligen Interessenpunkten bereitzustellen.
Es ist schon erstaunlich, zu welchen Leistungen ein Kind fähig ist, wenn sein Interesse erwacht ist. Wie schnell können zum Beispiel Kinder, wenn sie sich für Dinosaurier interessieren, die kompliziertesten Namen behalten und aussprechen. Tyrannosaurus rex oder Pachycephalosaurus sind keine einfachen Namen. Kinder, die sich für Dinosaurier interessieren, sprechen sie aber mit Freude und Leichtigkeit aus.
Sensible Phasen bei Kindern sind in der Regel zeitlich begrenzt. Findet ein Kind keine Angebote, die seiner aktuellen sensiblen Phase entsprechen, dann würde eine Gelegenheit, mit Begeisterung zu lernen, verstreichen.
In einer Montessori-Schule oder einem Montessori-Kinderhaus kann sich das Kind während der Freiarbeitsphase Tätigkeiten aussuchen, die seiner jeweiligen sensiblen Phase entsprechen.
Hierbei macht es die wichtigste Erfahrung, die ein Kind beim Lernen machen kann: dass Lernen Freude macht.
In einem Montessori-Kinderhaus oder einer Montessori-Schule hat daher die Beachtung und das Erkennen der sensiblen Phasen oberste Priorität.
Schon wenn das Kind das erste Mal in das Kinderhaus kommt, könnte die sensible Phase des Kindes Beachtung finden.
Es wäre im Sinne der Montessori-Pädagogik, beim Erstgespräch mit den Eltern nach den Vorlieben und Interessen des Kindes zu fragen. Es könnte auch durch einen Fragebogen, den die Eltern vor Beginn des ersten Kindergartentages abgeben, nach den Interessen des Kindes gefragt werden.
Interessiert sich ein Kind beispielsweise für Dinosaurier, könnte es mit einem Bilderbuch über Dinosaurier oder mit etwas anderem, das seinem Interesse entspricht, empfangen werden.
Das Bilderbuch oder das, was ansonsten für das einzelne Kind vorbereitet wird, sollte mit einem Namensschild und eventuell einem Symbol versehen werden.
Das Namensschild dient der individuellen Ansprache, und es macht dem Kind deutlich, dass es wirklich gemeint ist. Das Schriftbild des eigenen Namens kennen die meisten Kinder lange, bevor sie ihren Namen schreiben können.
Auch wenn das Kind den eigenen Namen nicht erkennen sollte, wird es emotional die Geste dieser persönlichen Begrüßung erfassen.
Gerade am ersten Tag kann ein solcher Empfang dem Kind Sicherheit geben.
Es könnte sein, dass ein Kind nur guckt oder sich schüchtern wegdreht. Das Kind hätte aber die Möglichkeit, sich später damit zu befassen, wenn die ersten neuen Eindrücke verarbeitet sind. Durch eine solche Begrüßung, die die individuellen Neigungen des Kindes berücksichtigt, beginnt der erste Beziehungsaufbau zwischen dem Kind und den pädagogischen Mitarbeitenden.
Das Kind erfährt, jemand ist mir wohlgesonnen, ich werde in meiner Individualität gesehen.
Die sensiblen Phasen der Kinder sollten nicht aus denAugen verloren werden. Gerade in den ersten Jahren machen Kinder die wichtigsten Erfahrungen, wie Lernen erfolgt. Dürfen sie hier mit Interesse und Begeisterung lernen, nehmen sie die besten Lernvoraussetzungen auf ihren Lebensweg mit.
Lässt sich durch den Wunsch des Kindes bezüglich eines Spiels oder Arbeitsmaterials seine sensible Phase des Kindes erkennen? In unserer heutigen Konsumgesellschaft sind die sensiblen Phasen des Kindes auf den ersten Blick schwerer zu erkennen als zu Lebzeiten Maria Montessoris.
Werbung und Medien hinterlassen ihre Spuren, aber auch Kontakte zu anderen Kindern. Kinder möchten häufig das Gleiche haben wie ihre Freunde.
Dinge, die nicht dem wirklichen Interesse des Kindes entsprechen, wünscht sich das Kind scheinbar genauso, wie etwas, das der wirklichen sensiblen Phase entspricht.
Ein klares Anzeichen für eine sensible Phase ist die Intensität der Beschäftigung. Wenn das Kind sich nur kurz mit dem Spiel oder Arbeitsmaterial befasst und es dann desinteressiert zur Seite legt, handelte es sich nicht um etwas, was der wirklichen sensiblen Phase entsprochen hat.
Etwas, was der sensiblen Phase entspricht, wird immer das Interesse des Kindes wecken. In einer sensiblen Phase zeigt das Kind eine große Motivation und eine erhöhte Konzentrationsfähigkeit. Kinder, denen es schwerer fällt, sich auf eine Sache zu konzentrieren, bleiben dort, wo sie etwas interessiert, länger als gewohnt bei einer Tätigkeit.
Was ist aber, wenn ein Kind sich immer wieder neue Sachen wünscht und diese dann sehr schnell zur Seite legt? Sollten wir hier aufmerksam werden? Kinder, die immer wieder zu schnell neuen Reizen ausgesetzt sind, entwickeln eine Neugierde, die immer nach Neuem giert. Dadurch wird verhindert, dass aus Neugierde ein wirkliches Interesse werden kann.
Die Beachtung der sensiblen Phasen gerade in jungen Jahren lässt Lernerfahrungen hingegen in die Tiefe gehen. Damit wir Kindern dazu verhelfen, die Erfahrung zu machen, ein tiefes Interesse zu entwickeln, ist es wichtig, einige pädagogische Grundgedanken zu berücksichtigen.
Damit ein Interesse bei Kindern überhaupt zustandekommt, muss sie etwas herausfordern und ansprechen.
Zuerst ist es aber wichtig, darauf zu achten, dass die Grundbedürfnisse des Kindes befriedigt sind.
Ein krankes Kind kann sich schwerer auf etwas einlassen. Es ist verständlich, dass es für die Entwicklung einer sensiblen Phase kontraproduktiv ist, wenn ein Kind zum Beispiel fiebert oder schwere häusliche Probleme zu verarbeiten hat.
Angst hat auch einen Einfluss auf die Entstehung des Interesses bei einem Kind. Sehr ängstliche Bezugspersonen erlauben aufgrund der eigenen Angst oft weniger und reduzieren dadurch das natürliche Interesse des Kindes. Kinder, die immer gesagt bekommen, dass sie aufpassen müssen, können verständlicherweise nicht frei ihre Umgebung erkunden.
„Das Interesse des Kindes hängt alleine von der Möglichkeit ab, eigene Entdeckungen zu machen.“ (Montessori 2016, aus: „Grundlagen meiner Pädagogik, 25“)
Die Bedingungen der Umwelt sind von elementarer Bedeutung für das Zustandekommen der sensiblen Phasen. Montessori spricht immer wieder von der Wichtigkeit der vorbereiteten Umgebung. Hierzu gehört auch die Reflexion der Umgebung, die das Kind erlebt. Hier sollte immer wieder genau hingeschaut und gefragt werden:
Was bewegt das Kind?
Wie sollte die Umgebung aussehen, damit sie Sicherheit und Anregungen gibt?
Was braucht das Kind, damit sich sein Interesse entfalten kann?
Zu der Umgebung des Kindes gehören auch Geschwister und andere Kinder.
Kinder gehen generell auf Neues viel mehr zu als Erwachsene. Aus diesem Grunde können Kinder sich gegenseitig begeistern. Die Begeisterung kann hier sozusagen anstecken. Andere Kinder können neugierig machen und Interesse wecken. Wenn ältere Geschwister eingeschult werden, erleben jüngere Geschwisterkinder Ausschnitte aus dem Schulalltag mit. Nicht selten begeistern die Jüngeren sich auch für Buchstaben und möchten plötzlich lesen lernen.
Auch in Kindertagesstätten springt der Funke der Begeisterung vielfach von einem Kind zum anderen. Aus diesem Grund sind soziale Kontakte zu anderen Kindern für jedes Kind so wichtig. Nicht nur das Sozialverhalten in einer Gruppe kann hier eingeübt, sondern auch Interesse wachgerufen werden.
Die Fantasie regt das Interesse an. Wenn jemand sich etwas in Bildern ausmalen kann oder die Vorstellungskraft da ist, wird die Umsetzung in die Handlung leichter.
Kreative, fantasievolle Menschen haben selten Langeweile, da die Fantasie eine anregende Wirkung hat.
Durch die freie Wahl der Tätigkeit in einer Montessori-Einrichtung während der Freiarbeitsphase kann jedes Kind sich mit dem Material oder Thema befassen, das seinem Interesse entspricht.