Ein wunderbarer Arzt - Sandra zu Gumppental - E-Book

Ein wunderbarer Arzt E-Book

Sandra zu Gumppental

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Beschreibung

Der Roman EIN WUNDERBARER ARZT - die unglaubliche Geschichte eines Hochstaplers - ist eine interessante, lehrreiche, kritische und spannende Erzählung mit einem Schuss Erotik über einen jungen Mann, der als Vertretungsarzt in Hausarztpraxen unterwegs ist.

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Seitenzahl: 148

Veröffentlichungsjahr: 2014

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„Behandle Deine Patienten so,

wie Du Dein eigenes Kind behandeln würdest.“

Dr. Dr. med. Friedrich Wetzel (1911–1996)

Er erreichte die nordbayerische Kreisstadt an einem Sonntagabend gegen 21 Uhr.

Bereits im letzten Sommer hatte er dieses nette Städtchen ausgiebig kennengelernt.

Nun war er wieder Anfang März für zwei Wochen als Honorararzt an diesen Ort gerufen worden.

Honorarärzte nennt man in den letzten Jahren Ärzte aller möglichen Fachrichtungen, die als Vertreter wegen Urlaub oder Krankheit, oder auch wegen Personalnotständen, meist über Agenturen, an Krankenhäuser oder Arztpraxen vermittelt werden.

Das Navigationsgerät seines Autos leitete ihn bei der Dunkelheit sicher zum Haus des Allgemeinarztes Dr. Mayer.

Er hatte eine angenehme Fahrt gehabt, da die Straßen schnee - und eisfrei gewesen waren.

Er stoppte vor dem Sektionaltor der Doppelgarage, stieg aus, um den Schlüssel der hinteren Garagentüre aus einem Versteck zu holen, wie er es mit dem Hausherren abgesprochen hatte.

Er griff am Gartentor durch den Jägerzaun und öffnete dieses mit der inneren Türklinke. An der Garagenwand ging die Außenlampe an, sie war mit einem Bewegungsmelder ausgerüstet. Er erschrak ein wenig, da im gleichen Moment eine schwarz-weiße Katze direkt am Gehweg blitzschnell die Flucht ergriff und hinter das Haus rannte.

Nach wenigen Sekunden hörte er das Geräusch eines schwingenden Katzentürchens.

Das heimische Ehepaar war bereits am Samstag mit dem Auto zum Skiurlaub in die Schweiz aufgebrochen und er sollte nun für diese Zeit die Vertretung in der Hausarztpraxis übernehmen.

Es war eine kleine, feine Praxis, die der ältere Herr selbst aufgebaut und schon mehr als 30 Jahre geführt hatte.

Alexander betätigte den Elektroschalter für das Licht und den Torantrieb der Garage.

Auf den rechten freien Platz fuhr er nun seinen Wagen. Links stand der silberfarbene Golf der Arztehefrau, den er in dieser Zeit für die Praxisfahrten nutzen sollte.

Aus seinem schwarzen BMW 3er Touring xdrive lud er die beiden mittelgroßen Reisekoffer aus.

Seine braune Arzttasche und den Alu-Notarztkoffer stellte er hinter die Vordersitze in den Fond des Volkswagens. Dessen Autoschlüssel steckte bereits.

Sein Fahrrad, ein Mountainbike, lud er ebenfalls aus und lehnte es an die Garagenwand.

Das Sportgerät wollte er bei seinen Ausflügen nie missen. Er musste sich ja die freie Zeit alleine vertreiben und wollte nicht nur vor dem Fernseher oder dem Computer sitzen müssen.

Mit dem Schlüssel konnte er die Einliegerwohnung, die direkt unter dem Praxisanbau lag und einen separaten Eingang hatte, aufsperren.

Der Schlüssel passte auch für das Türschloss der Praxis.

Dr. Mayer hatte großes Vertrauen zu Alexander, da dieser ihn schon letztes Jahr tadellos vertreten hatte und auch die Gästewohnung einwandfrei hinterlassen hatte.

Er hatte ihn damals noch mal angerufen und sich bedankt, und nachgefragt, ob die Honorarüberweisung korrekt angekommen sei.

Alexander verdiente hier pro Woche 2500 Euro.

Er arbeitete 7 bis 8 Stunden pro Tag in der Praxis.

Die Sprechzeiten waren täglich von 8 bis 12 Uhr und nachmittags von 15 bis 18Uhr.

Mittwochnachmittag hatte die Praxis geschlossen. Hausbesuche waren wenige zu fahren, da die medizinischen Fachangestellten der Praxis und die Patienten wussten, dass man den Vertreter, da er die Patienten nicht so genau kannte, nicht überlasten durfte.

Außerdem war der gewohnte Hausarzt ja bald wieder da.

Die nächtlich angeforderten Einsätze wurden hier am Ort durch den Arzt durchgeführt, der das vergangene Wochenende Dienst gehabt hatte.

So hatte Alexander immer seine Nachtruhe, da er keinen Wochenenddienst machen wollte und dieser auch nicht gefordert wurde.

Andere Vertretungsangebote waren teilweise schlechter bezahlt.

Aber Alexander konnte sich die besten Angebote inzwischen auswählen, da er diese Tätigkeit nun bereits seit fast drei Jahren ausübte und seine Erfahrungen gemacht hatte.

In dem 2-Zimmer-Appartement mit Bad und kleiner Küche stand alles Nötige zur Verfügung und die Arztehefrau hatte sogar den Kühlschrank mit einem beliebten bayerischen, alkoholfreien Weizenbier gefüllt.

Ein Kasten Mineralwasser und ein paar haltbare Snacks waren ebenfalls vorhanden.

Die erwachsenen Kinder des Ehepaars waren aus dem Haus und Dr. Mayer bezog bereits Rente. Seine Kinder hatte er nicht zum Medizinstudium überredet, und weil er bisher noch keinen Praxisnachfolger gefunden hatte, wollte er nun einfach länger Urlaub machen. Er konnte sich dies inzwischen leisten, da er Rente bezog und nicht mehr in das berufsständische Versorgungswerk, die Bayerische Ärzteversorgung, einzahlen musste.

Und er hatte es sich verdient, wie er selbst sagte.

Alexander kam inzwischen als Hausarzt-Vertreter auf eine Gesamtarbeitszeit von maximal fünf Monaten pro Jahr.

Das genügte ihm.

Die beste Zeit für Vertretungen waren die letzten Wochen jeden Jahres-Quartals oder die Urlaubszeit.

Also März, Mai und Juni.

Dann auch der August und der September, sowie die letzten Dezemberwochen, - wenn er wollte.

Die Einnahmen von den Gesetzlichen Krankenkassen waren budgetiert und die Hausärzte arbeiteten am Ende jeden Quartals fast umsonst, was dem Arzt als Pseudo-Freiberufler zu keiner übermäßigen Motivation verhalf.

Die große Politik hatte es anscheinend so gewollt.

Alexander packte seine Sachen aus und verstaute sie im Schlafzimmerschrank. Er wollte nicht aus dem Koffer leben. Dann rief er noch seine Lebensgefährtin Lisa an, um ihr mitzuteilen, dass er gut angekommen war.

Handtücher und Bettwäsche brauchte er selbst nicht mitzubringen, dies war alles vorrätig, wie in einem Hotel.

Die Zugehfrau der Praxis hatte alles perfekt hergerichtet.

Seine Freundin Lisa arbeitete in einer großen Drogerie und war es gewohnt, dass Alexander beruflich ein oder zwei Wochen mal weg war.

Sie sprachen dann oft abends länger miteinander über skype. Alexander war treu, er liebte seine Lisa sehr.

Seine Hörner hatte er sich schon vor ihr genügend abgestossen.

Nun machte er es sich auf der Couch bei einem Bier bequem und zappte noch ein bisschen über die Sportkanäle. Auch einen großen Flachbildschirm mit Satellitenprogramm gab es. Alexander fehlte es hier an nichts.

Kurz vor 24 Uhr legte er sich ins Bett, da er um 7 Uhr aufstehen wollte.

Er hatte sehr gut geschlafen und aß zum Frühstück nur ein großes Fruchtjoghurt, das er sich selbst mitgebracht hatte.

In der üblichen kurzen Pause gegen zehn Uhr gab es in der Hausarzt-Praxis immer eine kleine Brotzeit.

Er freute sich schon auf die netten Arzthelferinnen, die neuerdings als medizinische Fachangestellte bezeichnet wurden.

Mit den MFAs war das Arbeiten eine Freude.

Sie waren zwischen 20 und 35 Jahre alt und wirkliche Profis.

Die älteren Arzthelferinnen, die mit ihrem Chef die Praxis angefangen hatten, waren alle schon im Ruhestand.

Die jetzigen Damen, wie er sie nannte, konnte er alles fragen, was Bürokratie anbetraf. Das Anlegen von Verbänden, das Spritzen, Infusion geben, Impfen oder EKG und Lungenfunktion ausführen, alles konnten sie perfekt.

Drei Frauen waren am Vormittag da, zwei am Nachmittag und sie verschlossen am Abend sicher die Praxistüre, nachdem sie den Anrufbeantworter für die Notfalltelefonate programmiert hatten. Dr. Mayer hatte ein wirklich tolles Team.

„Guten Morgen, meine Damen!“, rief er und begrüßte sie alle mit Handschlag und er hatte den Eindruck, dass sie sich genauso über sein Wiederkommen freuten wie er.

Die jüngste Neue errötete sogar ein bisschen, denn Alexander sah sehr gut aus.

Seine dunkle Lederjacke hängte er im Sprechzimmer in Dr. Mayers Spind und dann konnte es losgehen.

Zu dunklen Jeans trug er in der Praxis ein hellblaues, kurzärmeliges Polohemd und als Schuhe vorne geschlossene weiße Pantoletten.

Beim früh morgendlichen Blutabnehmen sah er den Mädels gerne über die Schulter und begrüßte dabei gleich die ersten Patienten.

Die EDV-Anlage lief schon auf Hochtouren und Alexander sah an seinem Arztschreibtisch auf dem Bildschirm bereits die Liste mit den Namen der Patienten, die in den nächsten Vormittagsstunden zu ihm als Hausarztvertreter kommen sollten.

Mit dem Arztcomputer kannte er sich bestens aus, denn er war mit der EDV-Technik aufgewachsen und die diversen Arztprogramme einer Hausarztpraxis waren gar kein Problem. Er konnte so schnell tippen wie eine Sekretärin, worüber das weibliche Personal hier immer wieder staunte, denn ihr alter Chef beherrschte nur das Zweifinger-System.

Auf dem Bildschirm konnte man Patienten aufrufen, alle Bescheinigungen wie z.B. Rezepte, Überweisungen und Krankenhauseinweisungen ganz einfach ausdrucken.

Das beste aber war, man konnte sich schnell einen Überblick über die Personalien, die Krankheitsvorgeschichte, die akuten Diagnosen und Dauerdiagnosen, oder Medikamente, die der Patient regelmäßig einnahm, verschaffen.

Auch waren die Facharzt- und Krankenhausberichte der Patienten im elektronischen Archiv gespeichert, so dass man sofort nachlesen konnte.

Allerdings war Alexander kein Hausarzt, kein Facharzt für Allgemeinmedizin, er war überhaupt kein approbierter Arzt und machte hier den Vertretungsarzt.

Er war ein Schwindler, ein Hochstapler.

Wie war es dazu gekommen? Wie konnte er sich diese Arbeit überhaupt zutrauen? Wie konnte das funktionieren?

Er war als Jugendlicher auf dem Gymnasium in seiner Heimatstadt in Niedersachsen.

Mit Müh und Not schaffte er die 10. Klasse. Er hatte die Fremdsprachen Englisch und Latein gelernt.

Er war schon wissbegierig, aber nicht über diese Schulthemen.

In den Fächern Mathematik und Physik war er eine Katastrophe.

Er hatte in diesem Alter einfach kein Interesse an der Schule.

Er war ein guter Kumpel, ein guter Sportler, war hilfsbereit - und er mochte seine Mitmenschen.

Als 17-jähriger wollte er sich von zu Hause abnabeln und er hatte die Chance bei seinem Onkel in Berlin zu leben und dort als Auszubildender im Verkauf eines großen Sportgeschäfts zu beginnen. Die Eltern waren damit einverstanden.

Er hatte auch die Möglichkeit seine Tenniskünste im Club des Onkels zu verbessern und spielte sogar schon als Jugendlicher in der Männermannschaft des Clubs in der Bezirksliga.

Zuhause hatte er sämtliche Jugendmannschaften durchlaufen. Den Tenniskindern in Berlin konnte er Trainingsstunden geben und verdiente sich nebenbei was dazu.

Nach der Ausbildung zum Sportartikel-Kaufmann musste er mit 21 Jahren seinen Zivildienst ableisten, denn bei der Bundeswehr wollte er sich nicht schikanieren lassen.

Befehl und Gehorsam waren nicht seine Sache.

Da er mit vielen Sportlern im Verkauf und in der Freizeit zusammenkam, sah er natürlich auch viele Verletzungen, und so entschloss er sich, dort hinzugehen, wo er lernen konnte, mit Sportverletzungen richtig umzugehen.

Da die Wohnung seines Onkels in Berlin-Mitte lag, war es nahe liegend, den Zivildienst in einer großen Klinik abzuleisten.

Dort konnte er sicher viel sehen und erlernen.

Es war der Anfang seiner späteren „Karriere als Arzt“.

Nun saß er also als Dr.med. Bernhard Alexander in Vertretung eines Hausarztes in dieser nordbayerischen Kleinstadt.

Er hatte seinen Vornamen einfach zum Familiennamen gemacht. Einmal wäre es seiner Freundin beinahe aufgefallen, da er vergessen hatte, die Rufumleitung seines Handys wieder zurückzustellen und ein Anruf kam auf das Festnetz.

Lisa ging ans Telefon und ein Anrufer fragte, ob Dr. Alexander da sei.

Sie sagte, Alexander komme später, er sei noch beim Tennis.

Auf ihre Frage nach dem Anrufer sagte er dann, das sei wohl ein Scherzbold aus dem Club gewesen, da sie ihn im weißen Trainingsanzug manchmal unseren Doc nannten.

Auch die Honorarüberweisungen der Ärzte auf sein Konto waren kein Problem.

Ob Alexander Bernhard oder Bernhard Alexander, das Geld kam immer an.

„Dr. Alexander“ holte sich die erste Patientin in das Sprechzimmer, diese saß bereits auf einem Stuhl in der Nähe der Türe.

Es sollten bis zum Montagabend fast fünfzig Patienten sein, mit denen er Kontakt hatte.

Er hatte eigentlich mit weniger gerechnet, aber anscheinend waren einige Leute doch neugierig auf ihn.

In der Berliner Klinik fing er einst auf einer chirurgischen Station als Zivi an und er begleitete in der Früh immer einen jungen Assistenzarzt, der zum täglichen Blutabnehmen von Bett zu Bett eilte.

Dieser fragte ihn sehr bald, ob er es auch mal probieren wolle; und nach Einverständnis einiger gutmütiger Patienten war er bald eine Hilfe für den jungen Arzt, da dieser mit den Blutabnahmen dann schneller fertig war.

Die Stationsschwester als seine direkte Vorgesetzte, sprach ihm bald ihre Anerkennung aus, da die Patienten ihn gelobt hatten.

In wenigen Wochen hatte er eine solche Routine entwickelt, dass er bald das Blutabnehmen den Medizinstudenten lehren konnte, die zum Üben auf seine Station gekommen waren.

Wer gut stechen konnte, war bei den Patienten der König.

Er durfte dann auch bald die einfachen Elektrolyt-Infusionen im Beisein des Arztes oder der Krankenschwester anlegen und erlernte schnell das Stechen der Kunststoffverweilkanülen, die man auch im Rettungsdienst verwendet.

Der Assistenzarzt hatte ihm auch das sterile Legen eines Blasenkatheters beim Mann genau erklärt und es war keine Hexerei, wenn man das richtige Material hatte.

Man musste nach Anwendung des Betäubungsgels nur etwas warten, damit es für den Patienten nicht so schmerzhaft war.

Sämtliche Verbände, die auf der chirurgischen Station angelegt wurden, erlernte er und er war auch beim Gipsen anwesend und wusste, worauf es ankam.

In den praktischen Arbeitspausen ging er nicht zum Rauchen auf den Balkon sondern beschäftigte sich mit dem chirurgischen Lehrbuch, das im Schwestern- oder Arztzimmer vorhanden war. Auch fragte er oft den erfahrenen Schwestern und Pflegern ein Loch in den Bauch.

Den fleißigen Stationsärzten, die nach der Stationsarbeit oder der Assistenz im Op in ihrem Zimmer sehr viel mit Bürokratie beschäftigt waren, nahm er manch einfache Arbeit ab.

Er studierte auch das kurze chirurgische Lehrbuch, das die Studenten des praktischen Jahres für ihre Prüfungen benötigten und er ging bei der Oberarztvisite oft mit und sah nahezu jeden chirurgischen Krankheitsfall.

Von der Kropfoperation über den Magendurchbruch, die Gallensteine, den Darmkrebs, die Blinddarmentzündung oder den Leistenbruch, alles was so in der Viszeralchirurgie vertreten war.

Er sah dann in der Unfallchirurgie alle Arten von Knochenbrüchen, vom Schlüsselbein- über den Kahnbeinbruch am Handgelenk bis hin zur Becken- und Schenkelhalsfraktur.

Die Knie- und Sprunggelenkverletzungen interessierten ihn als Sportler besonders.

Bei der Röntgenbesprechung versuchte er immer aufmerksam mit zuschauen.

Im Nachtdienst durfte er in der Notfallambulanz das erste Mal eine Wunde nähen.

Ein Betrunkener war durch eine Türglasscheibe gestürzt.

Sein freundschaftlich verbundener Assistenzarzt, mit dem er dann öfter Tennis spielte, hatte Dienst und musste etliche Schnittwunden am Rücken versorgen und Splitter entfernen.

Es war ein recht großer Zeitaufwand.

Der Patient schlief ein und der junge Arzt bat die Schwester um ein weiteres Paar sterile Handschuhe und ein weiteres Besteck zur Wundversorgung.

So lernte Alexander, wie man örtlich betäubt und einfache Wunden näht und dass man aufpassen musste, keine Sehnenverletzung zu übersehen.

Die erste Patientin, die er am Montagmorgen in der Praxis Dr. Mayer empfing, war eine ältere Frau mit Bluthochdruck und Diabetes.

Sie hatte in der letzten Zeit am Herzen das so genannte Vorhofflimmern und musste wegen der Einnahme blutverdünnender Tabletten in gewissen Abständen den INR-Wert bzw. den sogenannten Quick bestimmen lassen.

Dr. Mayer hatte in seiner Praxis ein Schnelltest-Gerät und so konnte Alexander den Wert gleich in den Spezialausweis eintragen und die weitere Tabletteneinnahme festlegen. Er hatte das oft genug auf seinem weiteren Weg in der Inneren Abteilung der Klinik mitbekommen.

„Herr Dr. Alexander, Sie wissen schon, dass Sie mich letztes Jahr wegen der Lungenstauung ins Krankenhaus eingewiesen haben“, sagte sie anerkennend.

Er hatte es sich angewöhnt, immer bevor ein Patient ins Sprechzimmer kam, dessen Daten auf dem Bildschirm aufzurufen und die Dauerdiagnosen und die Medikamentenliste anzuschauen, so dass er schon eine gute Vorinformation hatte und sich auch leichter an bereits früher kontaktierte Patienten erinnern konnte. Bei jener Frau war dies der Fall.

Er hatte aber auch ein hervorragendes Gedächtnis für Gesichter. Er maß nun den Blutdruck und konnte zugleich auch den Puls beurteilen.

Der internistische Oberarzt hatte einmal bei der Visite zu den Studenten der Klinik gesagt : „Seid nicht schlampig, den Patienten anschauen und nicht in der Sprechstunde nebenher ständig auf den Computerbildschirm.“

„Ihr fangt bei den Augen an, immer in den Mund schauen, tastet nach Lymphknoten am Hals, dann vorne die Schilddrüse, Herz und Lunge abhorchen, Bauch und Leisten beurteilen und vor allem die Unterschenkel nach Wasseransammlung, also Ödemen, abdrücken.

Und Verdächtiges auf der Haut nicht ignorieren. Das ist das mindeste! - Und ab und zu wiegen lassen!“

Das hatte sich Alexander für immer gemerkt.

Die gesamte Innere Medizin konnte er in der kurzen Zeit nicht überblicken, aber bei bestimmten Symptomen schrillten bei ihm die Alarmglocken.

In den vier Monaten, die er als Hilfspfleger auf der Inneren verbrachte, hatte er einiges mitbekommen und sich wegen seiner Intelligenz vieles merken können. Er hatte Schlaganfälle, den Hörsturz, die Lungenentzündung, die Lungenembolie, die verschiedenen Arten von Herzinfarkt, Magen-, Leber-, Bauchspeicheldrüsen- und Gallenerkrankungen miterlebt.

Auch Harnwegserkrankungen, Frauen- und Männerleiden hatte er gestreift, vor allem auch die oft schwierige Behandlung der Zuckerkrankheit.

Wichtig war, immer wieder Blutdruck und Blutzucker zu messen.

In den Pausen zwischen den Patientenzugängen und Visiten hatte er auch immer versucht, sich autodidaktisch zu informieren. Die jungen Ärzte hatten meist kleine, kurze Lehrbücher, die man gut lesen konnte und er hatte immer sofort den klinischen Bezug, da der Patient gleich um die Ecke lag.

Um bei der medikamentösen Therapie durchzublicken, hatte er sich auch ein wunderbar kompaktes Büchlein eines Medizinischen Verlags gekauft, das alle jungen Mediziner in der Manteltasche hatten.

Hier konnte man den Namen der Medikamente, den Wirkstoff, die Wirkung und mögliche Nebenwirkungen wunderbar nachlesen. Auch welche Medikamente man während der Schwangerschaft und in der Stillzeit nicht verordnen durfte.

Und er hatte sofort den praktischen Bezug dazu.

Inzwischen hatte er aber auch eine App auf dem Handy.

Bei den nächsten Patienten in der Hausarztpraxis gab es Verbandswechsel wegen scharfer oder stumpfer Verletzungen.

Das machten die Praxisassistentinnen und er warf einen Blick darauf oder kontrollierte die Funktion der Gliedmaßen.

Eine junge Patientin hatte sich vor drei Tagen beim Öffnen einer Katzenfutter-Dose am Deckel in den Zeigefinger geschnitten. Zufällig war ihre Chefin, bei der sie den Haushalt führte eine Ärztin, die den Finger verband. Beim Verbandwechsel in der Hausarztpraxis fiel Alexander auf, dass der Finger ab dem Mittelgelenk nach unten hing und nicht mehr zu strecken war.

Die Strecksehne knapp unter der Haut war durchtrennt worden. Die Patientin wurde sofort zum Chirurgen überwiesen und der Unfall führte zu einer längeren Arbeitsunfähigkeit als vorher gedacht.

Auch waren Fäden zu entfernen nach Gallenblasenoperation oder einer Kopfplatzwunde. Dazwischen kamen einige Patienten mit Erkältungen, die er arbeitsunfähig schreiben musste.

Er hielt nichts davon, zu schnell wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren zu lassen, man sollte sich anständig auskurieren.

Alexander ging als Vertreter nie in eine richtige Landarztpraxis.

Er wusste, dass er dort ganz anders gefordert werden konnte. Man musste ein sehr breites Wissensspektrum besitzen.

In der Kreisstadt gab es ein Krankenhaus und einen Notarztwagen, der zu den schweren Fällen gerufen wurde.

Die schwerer Verletzten kamen gleich ins Krankenhaus.