Eine kurze Geschichte des Sonntags - Justo L. González - E-Book

Eine kurze Geschichte des Sonntags E-Book

Justo L. González

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Beschreibung

Warum und wie Christen seit frühester Zeit den Sonntag heilig hielten, erzählt der renommierte Kirchenhistoriker Justo L. González. Der historische Bogen reicht von den Ritualen der antiken Kirche über die Schlüsselfigur Kaiser Konstantin bis zum Protestantismus und lässt uns den Wert und die Einzigartigkeit des Sonntags neu verstehen und erleben. Was forderten die Glaubenskriege vom Sonntag, was die Reformation? So erzählt González die Kulturgeschichte des Christentums neu – am Beispiel eines konkreten und altbekannten Phänomens, dem Sonntag. Mit Blick auf die Gegenwart wird verständlich, warum der Sonntag beinahe weltweit als außergewöhnlicher Tag wahrgenommen wird, auch in säkularen Milieus. „Es ist der Sonntag des Lebens, der alles gleichmacht und alle Schlechtigkeit entfernt. Menschen, die so von ganzem Herzen wohlgemut sind, können nicht durch und durch schlecht und niederträchtig sein.“, schrieb schon Hegel. An der Frage nach dem Sonntag entfaltet sich auf unterhaltsame Weise unsere Kirchen- und Kulturgeschichte und lässt unmittelbar jene Freude lebendig werden, mit der das Urchristentum den Sonntag beging.

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Titel der amerikanischen Originalausgabe:

Justo L. González, A Brief History of Sunday. From the New Testament to the New Creation

© 2017 Justo L. González

Wm.B.Eerdmans Publishing Co., 2140 Oak Industrial Drive NE, Grand

Rapiuds, Michigan 49505, www.eerdmans.com

Copyright © Claudius Verlag, München 2017

www.claudius.de

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Die Bibelzitate wurden aus der Einheitsübersetzung, Katholische Bibelanstalt Stuttgart 1980, entnommen.

Umschlaggestaltung: Weiss Werkstatt, München

Umschlagbild: Friedrich Herlin: Stifterbildnis Jakob Fuchshart mit seiner Familie, 1462, © akg-images

Layout: Mario Moths, Marl

Gesetzt aus der Linotype Centennial

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, 2017

ISBN 978-3-532-60021-4

INHALT

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

1. Der Hintergrund: Vorchristliche Kalendarien

TEIL 1: Vor Konstantin

2. Die Namen der Wochentage

3. Der Tag der Zusammenkunft

4. Die Bedeutung des Ersten Tages der Woche

5. Christliche Rituale für den Ersten Tag der Woche

TEIL 2: Von Konstantin bis zum Ende der Antike

6. Konstantin und die neue kaiserliche Politik

7. Der Wandel in der christlichen Anbetung

8. Vorschriften für den Tag des Herrn

9. Christliche Meinungen zum Sabbat

TEIL 3: Das Mittelalter

10. Die neue Sonntagsfrömmigkeit: Von der Eucharistie zur Beerdigung

11. Ein Tag zum Beten, ein Tag zum Spielen

12. Thomas von Aquin über Sonntag und Sabbat

TEIL 4: Die Reformation und darüber hinaus

13. Die Reformation

14. Britischer Puritanismus und der Sabbat

15. Die Siebenten-Tags-Sabbatarier

16. Das Weiterleben puritanischer Sabbatheiligung

17. Säkularisierung und Erneuerung

Epilog

Anmerkungen

Zur vertiefenden Lektüre

VORWORT

Als ich meinen Freunden erzählte, dass ich mich mit dem Gedanken trüge, eine Geschichte des Sonntags zu schreiben, fielen ihre Reaktionen im Grunde aus wie erwartet. Diejenigen unter ihnen, die sich den Siebenten-Tags-Adventisten zurechnen, schickten mir Bücher über den Sabbat und wiesen mich auf zahlreiche andere Materialien zum Thema hin. Meine methodistischen und presbyterianischen Freunde hingegen meinten, es sei nun wirklich an der Zeit, dass jemand seine Stimme gegen die zunehmende Säkularisierung des Sonntags durch Fußballspiele, Strandpartys und dergleichen erhebe.

Ich fürchte, dieses Buch wird Erwartungen dieser Art weitgehend enttäuschen. Andererseits hoffe ich natürlich auch, dass es Erwartungen eher allgemeiner Natur übertrifft. Denn erstens handelt es sich bei diesem Buch nicht um eine Geschichte des Sabbats. Es geht mir hier auch nicht darum aufzuzeigen, dass Christen den siebten Tag nicht mehr heiligen. Dies ist eine Geschichte des Sonntags und entsprechend ist es mein Ziel zu zeigen, was Christen über diesen Sonntag dachten und wie sie ihn wahrnahmen. Eine Geschichte des Sonntags also, die den Sabbat nur dort berührt, wo das über den Sabbat Gesagte auch auf den Sonntag zutrifft. Es gibt Belege dafür, dass der siebte Tag für Christen jahrhundertelang eine enorme Bedeutung hatte. Wo es direkte Zusammenhänge mit dem Sonntag gibt, werde ich diese Belege auch anführen. Doch ihnen im Einzelnen nachzugehen würde den Rahmen dieses Buches sprengen. Und zweitens werden viele christliche Leser vielleicht überrascht sein zu erfahren, dass die frühen Kirchenväter das Vierte Gebot gar nicht auf den Sonntag bezogen. Dass man den Sonntag mit dem „Sabbat“ in Verbindung bringt, ist eine relativ neue Entwicklung.

Doch obwohl unsere Beschäftigung mit dem Sonntag für einige Leser mit ein paar Enttäuschungen aufwarten wird, werden wir darin auch unerwartete Geschenke entdecken. Wir werden die Freude und den Jubel kennenlernen, mit der die frühen Christen den Sonntag begingen, ja ihn feierten. Wir werden herausfinden, wie es kam, dass der ursprüngliche Freudentag erst zum Ruhetag erklärt wurde und später zum Tag, an dem man sich in aller Nüchternheit den Geboten Gottes unterwirft. Dass diese strenge Nüchternheit nun nicht mehr gilt, wird von einigen begrüßt, von anderen bedauert. Noch spannender allerdings ist die Entdeckung, dass wir für das 21. Jahrhundert mit seiner Gleichgültigkeit, ja Feindseligkeit gegenüber christlichen Geboten gerade in den Visionen der frühen Kirche vom Sonntag Inspiration für die Gegenwart finden können, obwohl oder gerade weil die Gläubigen damals ebenfalls in einem eher feindlichen Umfeld lebten.

Aber genug der Präliminarien. Nun wollen wir diese Geschenke auch auspacken.

1

Der Hintergrund: Vorchristliche Kalendarien

Wie man die Zeit misst

Den Zyklen der Zeit auf die Spur zu kommen ist ein grundlegendes Erfordernis für den Menschen. Bauern müssen wissen, wann sie ihre Felder bestellen und säen müssen, wann sie mit Regen rechnen können und wie lange die Ernte reichen muss, bis die nächste herangereift ist. Schäfer müssen wissen, wann sie ihre Tiere scheren können. Seeleute müssen ihre Fahrten nach Wind und Wetter richten, die zu einer gewissen Jahreszeit zu erwarten sind. Jäger müssen wissen, wann der Mond voll ist. Wer vom Fischen lebt, muss die Mondzyklen ebenso kennen wie den Rhythmus von Ebbe und Flut. Und natürlich müssen auch religiöse Zeremonien zur rechten Zeit abgehalten werden, welche wiederum von den Zyklen der Ernte und des Wetters bestimmt wird.

Was uns sofort entgegentritt, wenn wir uns mit diesen Fragen beschäftigen, ist die überragende Bedeutung der zyklischen Dimension der Zeit. Natürlich hat die Zeit auch eine lineare Dimension, denn was vergangen ist, wird niemals wiederkehren, und absolut betrachtet ist jede Zukunft noch nie dagewesen. Doch für den Alltag der Menschen ist nicht von Belang, was vor tausend Jahren geschehen ist oder was sich in hundert Jahren zutragen wird. Für sie zählt, wie das Morgen aussieht, die nächste Woche oder der nächste Monat – ob die Sonne scheint, ob es kalt ist, ob es regnet oder nicht.

Dieses Wissen, das über Generationen hinweg gesammelt wird, ist seiner Natur nach zyklisch. Seine Basis bildet der tagtägliche Zyklus von Morgendämmerung, Mittag, Abenddämmerung und Nacht, die von einem neuen Morgen beendet wird. Dazu kommt der Zyklus der Jahreszeiten, der in der Regel vom Lauf der Sonne beherrscht wird, sowie vom Sonnenstand unabhängige „Jahreszeiten“ wie der Monsun oder die Zeit, in der der Nil über seine Ufer tritt.

Die Wochentage

Aber Tages- und Jahreszyklus allein reichen nicht aus, um das soziale und wirtschaftliche Leben zu strukturieren. Der eine ist zu kurz, der andere schlicht zu lang. Daher haben sich Zyklen mittlerer Länge etabliert, die wir heute als Wochen und Monate kennen. Von der Drei-Tage-Woche der Basken über die Zehn-Tage-Woche der alten Chinesen und Ägypter bis hin zu Dreizehn-Tage-Woche der Azteken erschuf sich jede Kultur einen eigenen Wochenzyklus, um ihr wirtschaftliches, soziales und religiöses Leben zu organisieren. Der „Kult der Vernunft“ während der Französischen Revolution führte einen scheinbar rationaleren Kalender mit einer Zehn-Tage-Woche ein. Doch nur zu bald zeigte sich, dass die Sieben-Tage-Woche viel zu fest im Volksgedächtnis verankert war. Außerdem weigerten sich auch die Himmelskörper, ihren Lauf jenem Rhythmus zu unterwerfen, den die Franzosen damals für vernünftig hielten.

Die Sieben-Tage-Woche hat – nach allem, was wir heute wissen – ihren Ursprung bei den alten semitischen und mesopotamischen Völkerschaften. Im jüdischen Leben jedenfalls spielte sie eine zentrale Rolle – doch darauf werden wir später noch zurückkommen. Denn auch andere Kulturen in Mesopotamien und westlich davon kannten die Sieben-Tage-Woche. Viele Forscher sehen eine Verbindung zwischen dem Mondzyklus und der Sieben-Tage-Woche, welche in etwa einer der vier Mondphasen entspricht.

Jedenfalls wissen wir, dass im 6. Jahrhundert v. Chr. der Babylonische Kalender entstand, der nach einem Mondzyklus in 28 Tagen organisiert ist. Er beginnt mit Neumond und wird durch vier besondere Tage in vier „Wochen“ unterteilt: den siebten, 14., 21. und 28. Tag. Diese Tage galten als schlecht fürs Geschäft und gleichzeitig als sakral, und zwar in einem Maße, dass man ihnen mitunter sogar unheilbringende oder böse Kräfte zuschrieb. Aber auch hier weigerte sich der Mond dem menschlichen Kalender zu entsprechen, denn ein vollständiger Mondumlauf dauert nicht exakt 28 Tage, sondern ein klein bisschen länger. Das führte dazu, dass man die letzte Woche eines Monatszyklus auf acht, manchmal sogar auf neun Tage verlängern musste. Die sieben Tage einer Woche wurden nach den sieben damals bekannten Himmelskörpern unseres Sonnensystems benannt: Nach Sonne, Mond und den fünf Planeten, die mit bloßem Auge sichtbar sind.

Die Kalendarien der alten Griechen stellen sich für uns heute recht verwirrend dar, da jeder Stadtstaat einen eigenen Kalender besaß und sich häufig nicht mit diesem einen begnügte. In Athen beispielsweise verwendete man drei verschiedene Kalender, von denen jeder einen bestimmten Aspekt des Lebens regelte: einen Kalender für Festlichkeiten, einen für die Politik und einen für die Landwirtschaft. Diese allgemeine Verwirrung dauerte an bis in die hellenistische Zeit. Die Feldzüge Alexanders des Großen brachten Griechenland in engen Kontakt mit Mesopotamien und Syrien. Auf diesem Weg gelangten die rational gestalteten Kalender der Babylonier nach Griechenland und in den Westen. Im Gefolge dieser Übernahme wurden die alten babylonischen Tagesnamen ins Griechische übersetzt. Man hatte jetzt also je einen Tag für Sonne, Mond, Ares, Hermes, Zeus, Aphrodite und Chronos – entsprechend den Namen der griechischen Götter und der ihnen zugehörigen sieben Planeten.

Im alten Rom hingegen war das Leben durch eine Acht-Tage-Woche strukturiert. Der achte Tag war Markttag. An diesem Tag brachten die Bauern der Umgebung ihre Erzeugnisse in die Stadt. So zumindest war es im 3. Jahrhundert v. Chr. gesetzlich geregelt. Bestimmte Aktivitäten, die das Markttreiben hätten stören können, wurden an diesem Tag verboten. Das galt vor allem für die Abhaltung von Wahlen. Im Jahre 45v.Chr. reformierte Julius Cäsar den römischen Kalender und versuchte, ihn besser an das Sonnenjahr anzupassen. Die Sieben-Tage-Woche aber, die in den östlichen Provinzen des Reiches gang und gäbe war, führte er nicht ein. Doch der Einfluss der hellenistischen Kultur auf die römische Zivilisation war groß, sodass schon zur Zeit des Augustus der Sieben-Tage-Rhythmus sich immer weiter verbreitete. Das mochte zum einen daran liegen, dass er besser zum Mondzyklus passte, zum anderen nahm Rom unter Augustus viele Dinge an, die aus dem Osten kamen. Die sieben Wochentage wurden ins Lateinische übersetzt, fortan waren die Tage Sonne, Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus und Saturn unterstellt. Trotzdem wurde weiterhin auch nach der Acht-Tage-Woche gerechnet, was zu mancherlei Problemen führte. Anfang des 3. Jahrhunderts jedenfalls war die Sieben-Tage-Woche dann die Norm, auch wenn die Acht-Tage-Woche in gewissen Bereichen immer noch eine Rolle spielte. Als Konstantin im Jahr 321 offiziell von der Acht- zur Sieben-Tage-Woche überging, war die um einen Tag längere Wochenzählung schon nicht mehr in Gebrauch.

Der jüdische Kalender und der Sabbat

Über den Ursprung des hebräischen Kalenders und seine Verwandtschaft mit anderen Kalendarien, besonders dem mesopotamischen, streiten die Forscher noch heute leidenschaftlich. Aber es kann kein Zweifel bestehen, dass der jüdische Kalender wie andere in Mesopotamien gebräuchliche Kalendarien auf der Zahl Sieben und ihrem Vielfachen gründete. Seine grundlegende Einheit war die Woche, die am siebten Tag oder Sabbat endete. Nach sieben Wochen – einer „Woche“ aus Wochen also – gab es einen besonderen 50. Tag, der Festlichkeiten vorbehalten war. Historiker sprechen hier vom „Pentecontad-Kalender“. Der Begriff leitet sich vom griechischen Wort für „fünfzig“, pentēkonta, ab. Das Jahr umfasste sieben solcher Fünfziger-Einheiten, was insgesamt 350 Tage ergab. Auf 365 Tage kam das Jahr, weil man nach den ersten vier Pentekontaden eine Woche für Festlichkeiten einschob, eine weitere nach der siebten Pentekontade sowie einen Extratag vor dieser letzten Woche (200 + 7 + 150 + 7 + 1= 365). Der Tag nach der siebten Pentekontade war ein ganz besonderer Tag. An diesem Tag wurde das erste Getreide geschnitten und Gott zum Opfer gebracht. Die ihm folgende Woche ging der ersten Pentekontade des nächsten Zyklus voraus und war ein Erntedankfest, das sich später zum Laubhüttenfest entwickeln sollte. In der ersten Woche, die nach der vierten Pentekontade eingeschoben wurde, beging man feierlich den Jahrestag der Befreiung der Kinder Israels aus der ägyptischen Gefangenschaft – das Pessachfest. Während dieses Festes wurden die Reste der vorjährigen Ernte verzehrt oder vernichtet, damit während der ersten Pentekontade die neue Ernte eingebracht werden konnte.

Das Prinzip der Sieben, um das sich der Kalender gruppiert, war auch über das Jahr hinaus von Bedeutung. Alle sieben Jahre – nach einer „Woche“ aus Jahren also – wurde ein Sabbatjahr gefeiert. Nach sieben Sabbatjahren – einer „Woche“ aus Sabbatjahren – war eine Pentekontade von Jahren voll und es folgte ein Jubeljahr.

Doch nicht nur bei den Hebräern hatte die Zahl Sieben eine besondere Bedeutung. Tatsächlich galt sie damals in der gesamten Region zwischen Kanaan und Mesopotamien als böse – ein Glaube, der sich in der Region mancherorts bis ins 21. Jahrhundert erhalten hat. Das geht soweit, dass manche Menschen diese Zahl nicht aussprechen, um nicht vom Unglück heimgesucht zu werden. Da der siebte Tag somit ebenfalls als „böse“ galt, war es selbstverständlich, dass man an diesem Tag alles unterließ, was zu Schaden oder Unfällen hätte führen können, vor allem alle Arten von Arbeit. Unter den alten Völkern des Zweistromlandes war der siebte Tag ein Ruhetag, aber eben nicht aus religiösen Gründen, sondern weil der Tag selbst als unheilbringend galt. Das Volk Israel übernahm nun das Kalendersystem der umgebenden Völkerschaften, modifizierte es aber seinen Glaubensvorstellungen entsprechend. So wandelte sich der Unglückstag zu einem Tag der Freude, an dem gefeiert wurde. Dieser Umwandlungsprozess allerdings zog sich über lange Zeit hin, anfangs bezog sich die Sabbatruhe nur auf die landwirtschaftliche Arbeit. Erst später wurde sie auf alle anderen Tätigkeiten ausgedehnt. Heute dient der siebte Tag der Erholung, damals aber war er – zumindest unter den Juden – ein Freudentag. Und das Ruhegebot erstreckte sich nicht nur auf die Gläubigen, sondern auch auf alle, die von ihnen abhängig waren – Sklaven ebenso wie Tagelöhner, Tiere und Felder.

So erhielt der Sabbat in der jüdischen Tradition eine enorme Bedeutung, die sich darin zeigte, dass man die Wochentage nach ihm zählte: der erste Tag nach dem Sabbat, der zweite Tag nach dem Sabbat und so weiter. Mitunter verstand man unter „Sabbat“ sogar die Zeit von einem Sabbat zum nächsten. Sehr schön ablesen lässt sich dies an Lukas 18,12. Wo es in der Einheitsübersetzung der Bibel heißt: „Ich faste zweimal in der Woche“, steht im Originaltext: „Ich faste zweimal pro Sabbat.“

Während der Sabbat immer religiöse Bedeutung hatte, da er ja auf Gottes Gebot fußte, war er doch nicht unbedingt ein Tag der Anbetung – denn diese hatte im Tempel stattzufinden, zu dem jene, die nicht in der Nähe von Jerusalem wohnten, häufig keinen Zugang hatten. Der Fall Jerusalems, das babylonische Exil, die Diaspora der Juden im Römischen und Persischen Reich machten schließlich die Anbetung im Tempel für immer mehr Gläubige unmöglich. Damit entstand die Notwendigkeit, den Menschen eine Gelegenheit zur Anbetung vor Ort zu geben. Der Ruhetag, welcher der Erinnerung an den Bund mit Gott gewidmet war, bot sich für diese Art der Zusammenkunft an. Und so entstanden die Synagogen, wo die Juden sich am Sabbat trafen, um die Schriften zu lesen und zu studieren und ihren Gott anzubeten. Opfer allerdings wurden dort nicht dargebracht, denn die Synagoge war kein Tempel. Auch nach der Rückkehr aus dem Exil, als der Tempel wieder errichtet war, blieb die Synagoge als parallele Instanz weiterbestehen – und zwar nicht nur in der Ferne, sondern auch in Judäa selbst, wie man den Evangelien und der Apostelgeschichte entnehmen kann. Die großen Festtage wurden im Tempel selbst gefeiert, und nur dort wurden rituelle Opfer gebracht. Der Sabbat aber mit seiner Zusammenkunft in der Synagoge stand allen Juden offen, fern und nah, was für den Tempel nicht galt. Als Jesus das Licht der Welt erblickte, war der Sabbat also nicht nur ein Ruhetag, sondern auch zum wichtigsten Tag der Anbetung geworden. Dies ging so weit, dass sich das Judentum, auch nach der Zerstörung des Tempels im Jahr 70n.Chr., weiter ausbreiten konnte, dank der Synagogen und der darin stattfindenden Heiligung des Sabbats.

Aufgrund der historischen Umstände seiner Entstehung ist es weiter nicht verwunderlich, dass es in der Geschichte Israels immer einen gewissen Widerspruch gab zwischen dem Sabbat als Tag der Freude und dem Sabbat als dem Tag, an dem die Gebote streng befolgt werden sollen – so streng mitunter, dass der Sabbat eher als Belastung denn als Erleichterung empfunden wurde. Wie in jeder religiösen Tradition bildeten sich auch im Judentum Tendenzen heraus, die eine extrem wörtliche Auslegung der Gebote und die damit verbundenen strengen Regeln befürworteten. Die Mischna (Schabbat 7.2) nennt 39 am Sabbat verbotene Aktivitäten, darunter das Pflügen, Ernten und Säen, ja selbst das Knotenknüpfen war an diesem Tag nicht erlaubt. Aber damit nicht genug, denn nun stellt sich natürlich die Frage, was ein Knoten ist und was nicht. Man gelangte zu der Auffassung, dass alles, was sich mit einer Hand knüpfen ließ, kein Knoten sein konnte. Doch es gab auch seit jeher eine Gegenströmung, die auf die befreiende und tröstliche Natur des Sabbats verweist. Diese ging davon aus, dass der Sabbat ursprünglich ein Tag der Freude und Ruhe war, die Verbote also das Leben erleichtern sollten. Vor diesem Hintergrund fanden Jesus’ Auseinandersetzungen mit den Priestern der Synagoge statt, deren Regelungen dem Sabbat seinen freudvollen Charakter nahmen sowie seinen ursprünglichen Zweck, selbst Freude zu haben und anderen Freude zu bereiten: den Dienern, Gästen, Tieren, Feldern sowie all jenen, die hungrig, krank oder leidend waren.

Teil 1 VOR KONSTANTIN

Häufig liest man, dass es Kaiser Konstantin war, der den Sonntag zu einem Tag der Anbetung gemacht habe. Da Konstantin und seine Nachfolger die Gestaltung des Sonntags zweifelsohne maßgeblich beeinflusst haben, empfiehlt es sich in einem geschichtlichen Abriss, wie ihn das vorliegende Buch liefern möchte, sich zunächst mit dem Christentum vor Konstantin zu beschäftigen. Zu jener Zeit war die christliche Kirche noch nicht offiziell anerkannt, daher musste sie ihre Gottesdienste so legen, dass ihre Anhänger die Teilnahme mit ihren anderen Verpflichtungen vereinbaren konnten. Es handelte sich auch um die Zeit, in der das anfänglich rein jüdische Christentum immer mehr von Nicht-Juden getragen wurde. Die Kirche musste – wie aus dem Neuen Testament deutlich hervorgeht – also entscheiden, welche jüdischen Gebräuche beibehalten werden sollten und welche nicht.

Vor diesem Hintergrund stellt sich vor allem die Frage, wie es das Frühchristentum mit dem Samstag beziehungsweise dem Sonntag hielt. Diese Tage waren damals ja nichts anderes als der Sabbat beziehungsweise der erste Tag nach dem Sabbat und damit der erste Tag der Woche. Da dies jedoch eine Geschichte des Sonntags ist, also des ersten Tages der Woche, wollen wir natürlich auch wissen, welche Rituale das frühe Christentum mit dem Sonntag verknüpfte und welche Symbolik es damit verband.

Daher wird uns im ersten Teil des Buches vorrangig die Klärung folgender Fragen beschäftigen: Wann haben die Christen angefangen, sich am ersten Tag der Woche zum Gottesdienst zu versammeln? Was haben sie dabei konkret getan? Und welche Bedeutung maßen sie diesem Tag bei?

2

Die Namen der Wochentage 

Der erste Tag der Woche

Die ersten Schüler Jesu und über mehrere Generationen überhaupt alle Christen waren Juden.1 Daher benannten sie die Wochentage nach dem Sabbat: „der erste Tag nach Sabbat“ und so weiter. Als das Neue Testament verfasst wurde, schrieben auch seine Autoren nicht vom „Sonntag“, sondern vom „ersten Tag nach Sabbat“. In der Einheitsübersetzung der Bibel wird dies meist wiedergegeben als „der erste Tag der Woche“. So heißt es zum Beispiel in Matthäus 28,1: „Nach dem Sabbat kamen in der Morgendämmerung des ersten Tages der Woche Maria aus Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen.“ Auf Griechisch heißt es hier: mian sabbatōn. In Markus 16,2, Lukas 24,1 und Johannes 20,1 lautet die griechische Begrifflichkeit nur geringfügig anders. Dort heißt es jeweils: mia tōn sabbatōn. In Johannes 20,19 ist von mia sabbatōn die Rede, in Markus 16,9 von prōtē sabatou. All diese Angaben beziehen sich auf die Auferstehung Jesu und sein erstes Erscheinen vor den Jüngern.

An zwei anderen Stellen des Neuen Testaments begegnet uns diese Begrifflichkeit erneut im Zusammenhang mit dem christlichen Leben. Einmal in der Apostelgeschichte, wo es in 20,7 heißt: „Als wir am ersten Wochentag versammelt waren, um das Brot zu brechen …“ Im Griechischen werden hier die Worte mia tōn sabbatōn verwendet. Zum Zweiten im Korintherbrief, wo Paulus in 16,2 die Christen anhält: „Jeder soll immer am ersten Tag der Woche etwas zurücklegen und so zusammensparen, was er kann“ – mian sabbatou.

Als die christliche Kirche sich allmählich vom Judentum löste, wurde diese Begrifflichkeit zwar immer weniger verwendet, hielt sich aber noch eine ganze Weile. So erklärt Justinus der Märtyrer in seinem Dialog mit dem Juden Trypho noch im 2. Jahrhundert, dass Jesus „uns von Irrtum und Sünde beschnitten hat, indem er am ersten Tag der Woche [mia tōn sabbatōn hēmera] auferstand“2. Wie wir gleich sehen werden, wurde diese Terminologie von den Latein und Griechisch sprechenden Christen bald aufgegeben, im Syrisch sprechenden Teil der Kirche hat sie sich jedoch erhalten.

Der Tag des Herrn

In der uns überlieferten christlichen Literatur taucht der „Tag des Herrn“ zum ersten Mal in der Offenbarung des Johannes (1,10) auf: „Am Tag des Herrn [en tē kyriakē hēmera] wurde ich vom Geist ergriffen und hörte hinter mir eine Stimme, laut wie eine Posaune.“ Tatsächlich aber gibt es diesen Begriff schon länger. In hebräischen Schriften ist der „Tag des Herrn“ der Tag, an dem der Herr die Ungerechten aburteilen und die Gerechten belohnen wird. Dem „Tag des Herrn“ ist also zunächst eine deutlich endzeitliche Überhöhung eigen. Interessanterweise jedoch verwendet der Erzähler der Offenbarung, der unter den Verfassern der neutestamentarischen Schriften sicher als der am stärksten in die jüdische Kultur Eingebundene gelten kann, den Begriff „Tag des Herrn“, um sich auf einen Tag in seinem eigenen Leben zu beziehen. Ein Großteil der Bibelforscher geht davon aus, dass damit der Tag gemeint ist, an dem die Gemeinde zusammenkommt, um die Auferstehung Jesu zu feiern.

Zu dieser Zeit wurde das Epitheton „des Herrn“, griechisch kyriakos, eigentlich nur auf den römischen Kaiser angewendet, zumindest in den Griechisch sprechenden Teilen des Römischen Reiches. (Paulus hingegen bezieht es schon im ersten Korintherbrief auf das Abendmahl, siehe 11,20, wo die Einheitsübersetzung vom „Herrenmahl“ spricht.) Das sagt uns zweierlei: Erstens, dass Jesus tatsächlich als „Herr“ galt – was eine politische Bedeutung hatte. Kaiser Domitian, der zu dieser Zeit regierte, reklamierte nämlich den Begriff kyrios, „der Herr“, mit bislang ungekannter Vehemenz ausschließlich für sich selbst. Zweitens wird deutlich, dass die Ereignisse, die man an diesem Tag feierte, eschatologisch bedeutsam waren. Doch damit werden wir uns noch eingehender beschäftigen, wenn wir uns den Sonntag als „achten Tag“ genauer ansehen.

In der Offenbarung des Johannes heißt es nicht, dass „der Tag des Herrn“, an dem der Autor seine Vision hatte, der erste Tag der Woche war – wobei es keinen Grund gibt, daran zu zweifeln. Die Didache, auch als „Die Lehre des Herrn durch die zwölf Apostel für die Heiden“ bekannt, ist eine frühchristliche Schrift unbekannten Ursprungs, die man etwa auf das Jahr 70n.Chr. datiert, womit sie älter wäre als selbst die Offenbarung des Johannes. Es handelt sich dabei um die die erste Kirchenordnung überhaupt, die uns bekannt ist. Hier liefert uns nun eine grammatisch etwas merkwürdige Formulierung einen Hinweis darauf, dass zumindest in einigen Kreisen der „Tag des Herrn“ Synonym für einen bestimmen Wochentag war. Die Anweisung lautet: „Versammelt euch an jedem Tag des Herrn, brecht Brot und sagt Dank“ (Didache 14,1). Auf Griechisch steht da konkret: „der Herrentag des Herrn“ oder kyriakēn de kyriou. Diese Doppelung lässt sich eigentlich nur erklären, wenn der „Herrentag“ oder „Tag des Herrn“ – kyriaka – auf einen bestimmten Wochentag verweist, während die deklinierte Form von kyrios sich auf den Herrn selbst bezieht. Zu Beginn des 2. Jahrhunderts mahnte Ignatius von Antiochia in einer inhaltlich noch nicht ganz geklärten Passage seines Briefes an die Magnesier das Volk vor den „Judaisierern“. Er behauptete, dass die alten Propheten nicht den Sabbat heiligten – wörtlich „nicht sabbatisierten“ –, sondern stattdessen den Tag des Herrn, kyriaka (Brief an die Magnesier, 9,1).3

Eine eindeutige Identifikation des „Tags des Herrn“ (kyriaka) mit dem ersten Tag der Woche findet sich in einem überlieferten Bruchstück des Evangeliums nach Petrus, einer apokryphen Schrift, die wohl aus der Mitte des 2. Jahrhunderts stammt. Dort heißt es: „In der Nacht vor dem Tag des Herrn [hē kyriakē], während die Soldaten zu zweit [das Grab] bewachten, erklang eine laute Stimme vom Himmel herab.“ Und aus dieser Zeit sind noch weitere solcher Verweise überliefert: Zwei oder drei Jahrzehnte nach Entstehung des Petrusevangeliums verfasste Bischof Melito von Sardes einen ganzen Traktat, der sich nur mit dem Tag des Herrn beschäftigt und den griechischen Titel trägt: Peri kyriakēs logos – Über den Tag des Herrn. Leider kennen wir nur den Titel, der Traktat selbst ist verloren gegangen.

Ab etwa dieser Zeit jedoch verwendete man in der griechischsprachigen Kirche den Begriff kyriaka – Tag des Herrn – für den ersten Tag der Woche.

Die Lateinisch sprechende Kirche übernahm diese Begrifflichkeit und sprach vom dies dominica, was sich später zu dominica beziehungsweise dominicus entwickeln sollte. Erstmals tauchen diese Namen für den entsprechenden Wochentag in Tertullians Traktat De idolatria (Über den Götzendienst) auf. Darin wettert Tertullian gegen die Juden einerseits und die Heiden andererseits und lehnt daher sowohl den Sabbat als auch die Feste der Heiden in Gänze ab. Juden und Heiden würden ihrerseits die christlichen Festtage nicht „mitmachen“, „weder den Tag des Herrn, noch Pfingsten“ (non Dominicum diem, non Pentecosten; De idolatria, 14).4 In seiner Schrift Vom Fasten schreibt Tertullian, dass die dominicis vom Fasten ausgenommen seien (De ieiunio, 15).5 Allerdings dürfen wir hier nicht übersehen, dass Tertullians Begriff dominicum auch als Verweis auf das Abendmahl oder die Eucharistie gelesen werden kann. Cyprian von Karthago jedenfalls, der stark von Tertullian beeinflusst war, verwendete den Begriff in diesem Sinne.

Wie auch immer: Die Lateinisch sprechenden Christen übernahmen bald die griechische Gewohnheit, den ersten Tag der Woche als „Tag des Herrn“ zu bezeichnen – als dominica dies oder dominicus beziehungsweise als dominica.

Der Tag der Sonne

Wie wir bereits gesehen haben, hatten die Griechen, als das Christentum aufkam, eine Sieben-Tage-Woche, deren einzelne Tage nach Himmelskörpern benannt waren. Die Römer hatten diese Gewohnheit übernommen. Der erste und bedeutsamste Tag der Woche war zu jener Zeit der Tag des Saturn (oder Chronos), gefolgt von den Tagen, die Sonne, Mond, Mars, Merkur, Jupiter und Venus zugeordnet waren. Mit der Zeit allerdings trat Saturn hinter die Sonne zurück, zum einen, weil das strahlende Mittagsgestirn als Herrscher des Himmels wohl überzeugender war, zum anderen, weil wichtige politische Führer die göttliche Unbesiegte Sonne, Sol Invictus, anbeteten. Kaiser Septimius Severus, der um die Wende des 2. zum 3. Jahrhundert lebte, zollte dem Sonnengott besondere Verehrung. Bald darauf machte Kaiser Aurelian die Verehrung der Sonne zum zentralen Bestandteil des religiösen Kultes in Rom. Ende des 3. Jahrhunderts betrieb auch Constantius Chlorus, der Vater von Konstantin dem Großen, die Verehrung des Sol Invictus mit monotheistischem Anspruch. Konstantin selbst hingegen war wohl hin- und hergerissen. Zumindest in seinen jungen Jahren pflegte er wie sein Vater eine monotheistische Verehrung des Sonnengottes, welcher jedoch mehr und mehr christliche Züge annahm – die später die Oberhand gewannen. Doch ganz hat Konstantin sich vom Sol Invictus nie abgewendet, zumindest nicht bis zu seiner Taufe, die allerdings erst auf dem Totenbett erfolgte. Diese Entwicklungen beeinflussten auch die Hierarchie der einzelnen Tage. Bald war nicht mehr der Tag des Saturn der erste und folglich wichtigste Tag der Woche, sondern der der Sonne – eine Entwicklung, die sich bereits im 2. Jahrhundert abzuzeichnen begann.

Obwohl die Christen sich weigerten, die Sonne anzubeten, waren sie offensichtlich durchaus bereit, ihren Tag des Gottesdienstes als „Tag der Sonne“ zu bezeichnen. Das lag wohl daran, dass zu jener Zeit die griechisch-römische Welt den Tag des Saturn (Samstag) als ersten Tag der Woche sah. Menschen, die nicht jüdischer Herkunft oder anderweitig mit dem jüdischen Glauben verbunden waren, betrachteten als ersten Tag der Woche also immer den Samstag, der Christen und Juden als siebenter Tag der Woche galt. So benutzt Justinus der Märtyrer in seiner Ersten Apologie, die sich an Heiden wendet, den Begriff „Tag der Sonne“, obwohl er sich gleichzeitig davon distanziert. Er berichtet seinen Lesern, dass Christen „an dem Tag, den man gewöhnlich Tag der Sonne nennt“ zusammenkommen.6 Jesus hingegen sei gekreuzigt worden „am Tag vor dem Saturn-Tag“ und sei seinen Jüngern „am Tag nach dem Saturn-Tag, der der Sonnentag ist“ wieder erschienen. (Im Übrigen wird auch hier wieder deutlich, wie wichtig der Tag des Saturn war, denn Justinus nennt den Freitag nicht etwa „Tag der Venus“, sondern den „Tag vor dem Saturn-Tag“.)

Dass diese Ausdrucksweise ein Tribut an seine heidnische Leserschaft ist, wird spätestens in seinem Dialog mit dem Juden Trypho klar, in welchem Justinus eine traditionell jüdische Begrifflichkeit verwendet. Er spricht darin nicht von dem „Tag, den man gewöhnlich den Tag der Sonne nennt“, sondern vom „ersten Tag der Woche“.7

Justinus schrieb auf Griechisch, doch seine Strategie zeigte sich später auch bei dem lateinischen Autor Tertullian. In seinem Apologetikum führt er verbreitete Fehler im Verständnis des Christentums auf, die er der Reihe nach widerlegt beziehungsweise zurückweist. Dabei scheint ihn besonders der Irrglaube zu empören, die Christen würden die Sonne anbeten. Er erklärt, wie es zu dieser Vorstellung kam: „Um es kurz zu sagen, der Verdacht rührt daher, dass wir nach Osten gewendet beten. […] Ebenso kommen wir, wenn wir den Sonntag [dies solis] der Freude widmen, und zwar aus einem ganz anderen Grunde als der Verehrung der Sonne, ja gleich nach denen, welche den Samstag dem Müßiggange und den Mahlzeiten widmen …“8 Interessanterweise aber verwendet er den Begriff „Sonntag“ nur, wenn er sich an seine vermutlich heidnischen Leser wendet, in seinen anderen Schriften spricht er vom „Tag des Herrn“.

Unter dem Einfluss Konstantins des Großen und seiner Familie wurde es für Christen üblich, den ersten Tag der Woche als „Sonntag“ zu bezeichnen. Doch diese Entwicklung werden wir in einem anderen Kapitel nachzeichnen.

Die Namen der anderen Wochentage

Wie wir bereits gesehen haben, geht die Benennung der übrigen Wochentage nach den mit bloßem Auge sichtbaren Planeten des Altertums auf die Babylonier zurück und gelangte dann über Griechenland ins alte Rom. Während das Römische Reich sich zunehmend christianisierte, versuchten die Kirchenvorsteher in den verschiedenen Gebieten häufig, die Wochentagsnamen von ihrer heidnischen Konnotation zu befreien. Im Osten Griechenlands gelang ihnen dies auch mit dem Ergebnis, dass die Wochentage im modernen Griechisch einfach nach ihrer numerischen Abfolge nach dem Tag des Herrn genannt werden: deutera ist der zweite Tag, tritē der dritte, tetratē der vierte, und so weiter. Der siebte Tag allerdings behielt seinen ursprünglich jüdischen Namen bei und wird auch heute noch sabbato, „Sabbat-Tag“, genannt.

Im lateinischen und germanischen Westen jedoch waren diese Bemühungen weniger von Erfolg gekrönt. Die einzige bekannte Ausnahme bildet hier das Portugiesische. Martin von Dumio (auch Martin von Braga genannt, etwa 515–580) wendete sich gegen die Benennung der Wochentage mit heidnischen Namen unter dem Hinweis, dass diese Tage auch im jüdischen Kalender einfach durch ihren zahlenmäßigen Abstand zum Tag des Herrn bezeichnet würden. In einem Brief an einen Bischof namens Polemius schrieb er unter dem Stichwort Über die Erziehung der Ungebildeten: „Es ist eine Narretei, dass jemand, der zum Christen getauft wurde, sich nicht auf den Tag des Herrn [dominicum] bezieht, sondern die Tage nach wie vor nach Jupiter, Merkur, Venus und Saturn benennt, die keinen einzigen Tag für sich reklamieren können, denn sie waren Ehebrecher und Hexer und selbst auf ihrem ureigensten Gebiet noch böse. Wie gesagt: Durch die Verwendung solcher Namen verehrt man Dämonen, und das tun nur Narren.“9

Da Martin von Braga einer der einflussreichsten Missionare auf der iberischen Halbinsel war, kann es nicht verwundern, dass im modernen Portugiesisch der erste Tag der Woche nach dem Herrn – domingo – benannt ist, der sechste nach dem Sabbat – sábado –, und die anderen fünf nun numerische Namen tragen: segunda-feira, terça-feira, quarta-feira, quinta-feira, sexta-feira. (Martin setzte sich auch dafür ein, dass die Namen der Planeten geändert würden, doch damit hatte er weniger Glück.)

Was die anderen romanischen Sprachen angeht, so hatte die Kirche nur Erfolg, was den ersten und den letzten Tag der Woche angeht – obwohl es in Italien zum Beispiel eine Inschrift gibt, in der der Freitag als sexta feria, als sechster Tag, bezeichnet wird. Die modernen romanischen Sprachen hingegen leiten die Wochentagsnamen von ihren lateinischen Vorbildern ab: dominica wurde also zu domingo, dimanche, domenica et cetera. Der Name für den letzten Tag der Woche nimmt wiederum den jüdischen Sabbat auf: im Spanischen sábado, im Französischen samedi10, und im Italienischen sabato. (So wie auch im modernen Griechisch der erste Tag der Woche kyriakē heißt, „Tag des Herrn“, und der letzte sabbato.)