Einführung in die kollegiale Beratung - Bernd Schmid - E-Book

Einführung in die kollegiale Beratung E-Book

Bernd Schmid

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Beschreibung

Organisationen verstehen sich heute zunehmend als Kompetenznetzwerke aus Erfahrungen und Wissen von Teams und Einzelnen. Der größte Teil dieser professionellen Kompetenz entsteht beim Arbeiten und in der Beziehung zu anderen. Das Konzept der kollegialen Beratung erhebt diesen Umstand zur Methode: Kollegiale Beratung wird hier als Verfahren verstanden, bei dem sich Kollegen in konkreten Fragen der Profession und der Praxis gegenseitig unterstützen und ihr Know-how jeweils passgenau zur Verfügung stellen. Systematisch aufgebaut und genutzt, steigert kollegiale Beratung die Zufriedenheit der Mitarbeiter und verbessert die Effizienz des Unternehmens. Das Buch führt auf kompakte Weise in die kollegiale Beratung ein. Von den Grundlagen der Methode über den Aufbau einer kollegialen Lernkultur bis zum nachhaltigen Verankern in Organisationen beschreiben die Autoren alle Prozessschritte und Komponenten. Zahlreiche Fallbeispiele, leicht umsetzbare Beratungsübungen, Methodenvorschläge und Checklisten garantieren den direkten Transfer in die Praxis.

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Bernd Schmid / Thorsten Veith / Ingeborg Weidner

Einführung in die kollegiale Beratung

Vierte Auflage, 2023

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Tom Levold (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Dr. Burkhard Peter (München)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer † (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin † (Heidelberg)

Karsten Trebesch (Berlin)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)

Reihengestaltung: Uwe Göbel

Umschlag: Heiner Eiermann

Satz: Verlagsservice Hegele, Heiligkreuzsteinach

Printed in Germany

Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

Vierte Auflage, 2023

ISBN 978-3-89670-731-4 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-8447-8 (ePub)

© 2010, 2023 Carl-Auer-Systeme Verlag

und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Carl-Auer Verlag GmbH

Vangerowstraße 14 • 69115 Heidelberg

Tel. +49 6221 6438-0 • Fax +49 6221 6438-22

[email protected]

Inhalt

1 Einleitung

2 Die Methode der kollegialen Beratung

2.1 Kollegiale Beratung als Arbeitsform

2.1.1 Formen kollegialer Beratung

2.1.2 Die Rollen

2.1.3 Der Prozess

2.1.4 Anlässe und Kontexte

2.1.5 Vorgehensweisen und Instrumente

2.2 Kollegiale Beratung als Lernform

3 Kollegiale Beratung in Organisationen: Einführung und Praxis, Kooperation am Arbeitsplatz

3.1 Ökonomie

3.2 Wissen managen und kooperieren

3.3 Arbeitsplatznahe Lernsysteme

3.4 Praktische Erfahrungswerte und Anforderungen bei der Einführung

3.4.1 Erfolgsfaktoren für arbeitsplatznahe Lernsysteme

3.5 Kollegiale Beratung als Instrument der organisationalen Lernkulturentwicklung – Das Modell der Lernschleifen

3.5.1 Lernen am Beispiel: Fragmentarisches und exemplarisches Lernen

3.5.2 Lernen in Steuerung/Verbesserung der Selbststeuerung: Steuerung und Verantwortung

3.5.3 Lernen im Prozess: Dialogkultur in Organisationen

3.5.4 Kollegiale Beratung als Integrationsmodell für Arbeiten und Lernen

4 Kollegiale Formen von Beratung und Supervision

4.1 Das vielfältige Verständnis der Begriffe „Beratung“ und „Supervision“ und das Modell der kollegialen Variante

4.2 Ursprünge sowie Entstehungs- und Verwendungskontexte kollegialer Beratungsformen

Begriffe und Formen

Kontexte der Entstehung

5 Lernkultur – Annäherung an den Begriff

5.1 Dimensionen von Lern- und Arbeitskultur

Literatur

Über die Autoren

1 Einleitung

Vor ca. 20 Jahren versuchten wir, am Institut für systemische Beratung (ISB) in Wiesloch eine Gruppe zu formen, in der sich unter didaktischer Anleitung Bildungsfachleute aus verschiedenen Unternehmen in kollegialem Austausch gegenseitig ihre Kompetenzen zugänglich machen sollten. Es war wohl zu früh dafür. Dieselben Kollegen, die gerne Zeit und andere Ressourcen dafür einsetzten, um eher fern ihrem Umfeld „in die Schule“ zu gehen, waren für selbst organisiertes, arbeitsplatznahes Lernen noch nicht zu gewinnen. Das Lernglück wurde eher jenseits der eigenen Horizonte gesucht, wenn auch die „Umsetzung“ in eigene Welten schwierig war. Doch das Rad der Geschichte hat sich weitergedreht. Die Berufswelt hat sich weiter ausdifferenziert, und die Anforderungen an direkte Anwendung von Gelerntem sind gestiegen. Nicht allein Wissen und Anregung sind gefragt, sondern rollen- und feldspezifisches Können. Anwendungsorientiertes Aufbereiten des eigenen Wissens für andere sowie persönliche Überzeugungskraft im gemeinsamen Lernen und in der Zusammenarbeit werden immer wichtiger. Auch die Nachfrage nach Bildung und die Vorstellungen anspruchsvoller Praktiker von Lernen haben sich geändert.

Unverbundene Belehrungen aus wechselnden Perspektiven einzelner Fachrichtungen befriedigen immer weniger. Die gesellschaftliche Wirklichkeit verlangt die Integration von Wissen und Erfahrungen aus vielen Disziplinen. Beides soll situationsspezifisch auf konkrete Fragestellungen zugeschnitten werden. Interdisziplinär kann dabei nicht additiv heißen – aus den unverbundenen Perspektiven der jeweiligen Fachrichtungen –, sondern muss integrativ und auf die Bewältigung von Aufgaben bezogen sein. Die Lehre vieler Fachinstitutionen und Hochschulen stellt sich darauf nur sehr unzureichend ein. Ansprüche dieser Art werden leicht als „verwertungshörig“ und „unwissenschaftlich“ verunglimpft. Dass auch unangemessene Vereinfachungs- und Rezeptwünsche vorkommen, sei unbestritten, doch gibt es auch differenzierte Formen, sich solchen berechtigten Wünschen zu stellen. Das verlangt nach Lernprozessgestaltung, die der ganzheitlichen Verantwortung von Praktikern und ihren Wünschen nach effizientem, persönlichkeitsspezifischem und umsetzungsgeeignetem Lernen gerecht wird. Kein Bildungsprogramm kann heute per Lehre das ganze für die professionelle Kompetenzbildung erforderliche Spektrum abdecken. Vielmehr muss damit Ernst gemacht werden, Bildungsveranstaltungen vorrangig als Foren für selbst gestaltetes beispielhaftes Lernen zu verstehen. Die Teilnehmer kommen häufig aus vielfältigen Grundberufen, sind in verschiedenen Branchen, Organisationstypen in vielerlei Rollen, Funktionen und Verantwortungen tätig. Auch bezüglich Alter, Geschlecht, Lernstil, Lebensorientierung usw. bieten sie eine Vielfalt, die ein einheitliches Lehrprogramm niemals adressieren kann. Dasselbe gilt auch für die meisten organisationsinternen und -übergreifenden Teams. Die Kunst muss darin bestehen, eine Lernkultur zu initiieren und zu pflegen, in der die Teilnehmer motiviert und in die Lage versetzt werden, sich ihr Wissen gegenseitig kompetent zur Verfügung zu stellen. Lernerfolg besteht eben auch im Lernenlernen, darin, immer lernfähiger zu werden, vorhandene Kompetenzen für eigenes Lernen zu nutzen und Lernen sich selbst wie auch anderen Beteiligten zur Freude zu machen.

So plausibel und naheliegend kollegiales Lernen anmutet, so sehr hängt sein Erfolg von sorgfältig aufgebauter und gepflegter Lernkultur ab. Jeder, der schon selbst gesteuertes Lernen initiiert hat, weiß, dass dies ohne sorgfältige Steuerung nur zufällig gelingt. Ohne gezielte Maßnahmen und geeignete Regeln am Anfang finden sich z. B. eher Partner, die ohnehin gut zurechtkommen. Andere, denen eher wenig gelingt und die am meisten Unterstützung bräuchten, fallen leicht aus dem kollegialen Austausch heraus. Setzt man z. B. auf Anfangsbegeisterung, fasst aber im Aufbau einer Lern- und Kooperationskultur nicht nach und etabliert nicht Verbindlichkeit, fehlt leicht die für bleibende Effekte kritische Masse an neuer Erfahrung. Die daraus erwachsenden Enttäuschungen, Defizite, Versäumnisse und Konflikte verbrauchen dann oft ein Vielfaches mehr an Kraft, als man für richtigen Kulturaufbau gebraucht hätte. Was dann noch zu retten ist, bleibt fraglich.

Im Laufe der Jahre wurden kollegiale Beratung und die Entwicklung von dafür hilfreichen Kompetenzen Schwerpunkte unserer Didaktik. In der Folge bildete sich ein Professionellennetzwerk, und es entstanden – parallel und nachfolgend zu den Curricula – kollegiale Lerngruppen, die oft noch Jahre gemeinsam weiterlernen und im Berufsfeld konkret miteinander arbeiten. Hohes Engagement und Verbindlichkeit, sowie die Qualität der Beiträge in diesen Lernzirkeln sind Früchte einer systematisch etablierten Kultur gemeinsamen Lernens.

Sorgfältig gestaltetes, selbst gesteuertes kooperatives Lernen ist bezüglich seiner Anwendung in vielen Bereichen auch schlicht effizienter und effektiver als die traditionelle Lernstrategie (angeleitetes Lernen, Frontalunterricht, strikte Lernerfolgskontrolle …). Angesichts der Umsetzungsdefizite überall ist dies ein positives Argument. Außerdem dient es der Berufs- und Lebenszufriedenheit und der Gesundheit. Nach Antonovsky (1997) sind Menschen umso weniger krankheitsanfällig, je besser sie ihre Welt verstehen, je wirksamer sie sich fühlen und je mehr Sinn ihr Wirken ergibt. Da dies alles heute auch von Spiegelungen in relevanten Bezugsgruppen abhängig ist, dient gemeinsames Lernen auch der Professionskulturpflege in solchen Gemeinschaften.

Organisationen achten heute ohnehin auf kernaufgabennahes Engagement ihrer Mitarbeiter und stellen gleichzeitig höhere Ansprüche an Prozesse und Kooperationen. Dafür wird zunehmend eine arbeitsplatznahe Qualifizierung für angemessen gehalten, zumal aus Ersparnisgründen weniger externe Weiterbildungen in Anspruch genommen werden sollen. So waren wir gefordert, unsere Erfahrungen in Sachen kollegialen Lernens als didaktische Konzepte, als methodisches Vorgehen, als Arbeitsfiguren und Hilfsmittel multiplizierbar aufzubereiten und zur Eigennutzung zur Verfügung zu stellen. Dies geschieht durch programmatische Aufbereitung der vorhandenen Erfahrung und als methodisches Starter-Set für die Einführung in eine selbstverantwortete professionelle Lernkultur am Arbeitsplatz.

Kollegiales Lernen in einer Organisation einzuführen, der eine solche Lernkultur nicht vertraut ist funktioniert nur, wenn einige Prinzipien beachtet und auf den ersten Blick leicht zu übersehende Gestaltungsgesichtspunkte verstanden und ernst genommen werden.

Kollegiales Lernen ist neben Portfolioarbeit und Spiegelung ein Trojanisches Pferd für die Einführung intelligenter, arbeitsplatznaher Lernsysteme. Trojanische Pferde müssen brauchbar und unverdächtig erscheinen. Dies ist gegeben. Jeder erkennt anhand erlebter Kostproben in kollegialer Beratung, Portfolioarbeit und Spiegelung schnell eigene gute Lernerfahrungen und Lebenstauglichkeit.

Darin liegt aber auch gleichzeitig die Gefahr, denn es kann der Eindruck entstehen, den Nutzen kollegialer Beratung könne man auch ohne eine sorgfältige Einführung und Implementierung haben. Doch scheitern unzureichend begleitete Versuche oft z. B. schon daran, dass zu wenig Zeit- und Fokusdisziplin realisiert wird. Dann desintegrieren Prozesse leicht und verlieren an inhaltlicher Dichte.

Aus unserer Erfahrung ist es im Sinne des langfristigen Einsatzes und Erfolgs wichtig, gerade in der Startphase genügend Raum und Zeit zu geben. So kann sich alles gut aufeinander einspielen. Wird diese anfängliche Arbeitsphase außerdem professionell begleitet, steigt die Chance auf nachhaltigen Erfolg. Fehlentwicklungen werden gleich korrigiert und methodische Fragen in der Situation geklärt. So vieles ist möglich, wenn man die wenigen erfolgsrelevanten Erfahrungen berücksichtigt und die verfügbaren Arbeitsmittel klug einsetzt.

Kollegiale Beratung ist eine strukturierte, lösungs- und ressourcenorientierte Lern- und Arbeitsform, die Nutzen in dreifacher Hinsicht gleichzeitig bieten kann:

Sie bietet Sofortnutzen durch konkrete, situative Problemlösungsstrategien und Praxislösungen vor Ort.

Es entsteht eine Lern- und Arbeitskultur für alle: Es werden Inhalte gelernt und gleichzeitig wird eine Kultur des Miteinander- und Voneinanderlernens entwickelt.

Sie macht unter Kollegen in der Organisation oder in Netzwerken anschlussfähig und hilft, Organisation effektiv zu gestalten.

Dieses Buch führt in die kollegiale Beratung ein und bietet vielerlei Hilfestellungen für die Etablierung einer kollegialen Lernkultur in Organisationen.

Der Aufbau des Buches folgt den Prinzipien der Einführung von kollegialer Beratung in Organisationen: veranschaulichen, konkrete Gestaltungsgesichtpunkte und Vorgehensweisen erläutern, Erfahrungen und Vorgehen bei der Einführung von kollegialer Beratung als Programm in Organisationen aufzeigen und schließlich Hintergründe verschiedener Art weiterführend diskutieren.

In Kapitel 2, „Die Methode der kollegialen Beratung“, werden anhand einiger Arbeitsformen der Variantenreichtum und die Lebendigkeit kollegialen Lernens verständlich gemacht. Die erläuterten Arbeitsblätter können für die Anleitung zu kollegialem Lernen direkt als „Regieanweisungen“ genutzt werden. Dann werden die im Lernprozess hilfreichen Rollen und die Prozessgestaltung erläutert und die Aufmerksamkeit auf erfolgsentscheidende Faktoren gelenkt. Schließlich werden Anlässe und Kontexte unterschieden.

In Kapitel 3, „Kollegiale Beratung in Organisationen“, wird der Stellenwert kollegialer Beratung für Lernen und Zusammenarbeit in Organisationen erläutert, und es wird dargelegt, worauf bei einer Einführung zu achten ist. Die Einführung kollegialer Beratung ist ein plausibler Anfang für organisationale Lernkulturentwicklung. Hierfür werden einige Konzepte und Erfahrungen weiterführend diskutiert.

Schließlich wird in Kapitel 4 kollegiale Beratung aus bildungswissenschaftlicher Perspektive diskutiert.

Einige übergreifende Überlegungen zu Lernkultur und zur Integration von Lernen und Arbeiten als Zukunftsperspektive runden in Kapitel 5 die Darstellungen ab.

2 Die Methode der kollegialen Beratung

Für das Lernen im Prozess der Arbeit stehen Konzepte im Vordergrund, die darauf bauen, dass Menschen selbst organisiert durch die Auseinandersetzung mit ihren Aufgaben und durch ihr konkretes Tun lernen. Diese Art des Lernens ist ein realistischer Weg zur Bewältigung der zunehmenden Lernanforderungen am Arbeitsplatz.

Ein solches arbeitsbegleitendes Lernen führt durch arbeitsnahe Kontexte und lernförderliche Arbeitsformen zu einer tätigkeitsbezogenen Erweiterung, Neustrukturierung oder Löschung vorhandener Kompetenzen eines individuellen oder kollektiven Subjekts in der Erwerbsarbeit (Kirchhöfer 2004).

Kollegiale Beratung ist eine Kommunikationsform, die sich in vielerlei Hinsicht besonders für den Einsatz in arbeitsplatzbezogenen Lernprozessen eignet. Hierauf werden wir in Kapitel 3 weiterführend eingehen.

In diesem Kapitel 2 wird die Methode als solche analysiert, und es wird dargestellt, wie ihr Einsatz den Aufbau eines kollegialen Unterstützungssystems ermöglicht, welches dazu dient, gemeinsam Schwierigkeiten im täglichen Arbeitsablauf zu lösen und zu überwinden und Verhalten sach-, persönlichkeits-wie beziehungsorientiert zu verbessern.

2.1 Kollegiale Beratung als Arbeitsform

Damit kollegiale Beratung in weitreichenden Umfang genutzt werden kann, empfiehlt sich besonders für Einsteiger die Orientierung an einem Leitfaden. Mit dieser Orientierung ist es für die Beratungsgruppe machbar, in begrenzter Zeit einen anliegenbezogenen Fortschritt zu erreichen. Möglich wird dadurch auch, dass verschiedene Teilnehmer in je einer Beratungseinheit die Rolle des Ratsuchenden einnehmen können, wenn im Rahmen eines Arbeitstreffens mehrere Beratungssequenzen durchlaufen werden.

Von zentraler Bedeutung ist es, dass sich die beratenden Teilnehmer explizit auf ihre Rolle und das Erbringen einer für den Ratsuchenden relevanten Unterstützung fokussieren.

Mit Rolle ist hier nicht das Agieren eines Schauspielers im Rahmen eines Schauspiels oder Rollenspiels gemeint. Vielmehr wollen die Rollenbeschreibungen (siehe Abschn. 2.1.2 folgende) möglichst klar die Funktionen und die damit verbundenen Aufgaben der Teilnehmer im Beratungsprozess definieren. Die Rollenbeschreibungen sind nicht als strikte Anweisungen gedacht, doch dient die Rollentreue seitens Protagonisten der Strukturierung einer Beratungssitzung in ihrem Aufbau und Ablauf. Jede Rolle fokussiert dabei auf einen zentralen Beitrag im Sinne der Problemlösung gemäß dem eingebrachten Anliegen bzw. zur Gestaltung des Lernprozesses.

Die Rollen in der kollegialen Beratung sind nicht an Personen oder Kompetenzen gebunden, sondern sie wechseln von Fall zu Fall. Auch können die Rollen unabhängig von eventuellen sonstigen Hierarchien von allen eingenommen werden und begründen keine bestimmte Hierarchie in der Lerngruppe. Vielmehr begegnen sich die Teilnehmer im Sinne kooperativen Lernens als gleichwertig und erarbeiten gemeinsam Lösungsoptionen.

Die Verteilung der Rollen in der kollegialen Beratung variiert je nach Beratungsform. Dabei wird zum Teil nur mit Ratsuchendem und Beratergruppe gearbeitet, wie dies in der von uns so genannten klassischen Designübung beispielsweise der Fall ist. Hier liegt der Hauptfokus darauf, dem Ratsuchenden eine möglichst breite und variantenreiche Palette an Hypothesen, Perspektiven und Ideen für ein weiteres Vorgehen zur Verfügung zu stellen.

Oder man verteilt die Rollen nach Ratsuchendem, Hauptberater und Koberater (Berater-Berater). Die von uns so genannte Beratungsübung bietet sich an, wenn der Ratsuchende von einem Berater durch einen Klärungsprozess geführt oder mit einer alternativen Wirklichkeit konfrontiert werden möchte.

Diese Übung eignet sich eher für beratungserfahrene Gruppen, denn der Beratungsprozess wird bis zur tatsächlich erfolgten Beratung durchgeführt. Hierbei wird das Handeln des Beraters durch die Berater-Berater unterstützt. Deren Fokus liegt auf der Selbststeuerung des Beraters und nicht in erster Linie auf dem Anliegen des Fallgebers.

In einer von uns so genannten Beratermarktübung dagegen stellen mehrere Berater oder Beraterteams dem Ratsuchenden in Bezug auf sein Anliegen ihr Beratungsangebot vor. Der Ratsuchende wählt aus und nimmt die entsprechende Beratung in Anspruch. Der Vorteil dieser Beratungsform für den Ratsuchenden liegt darin, in Bezug auf seine konkrete Zielvorstellung mehrere Optionen des Vorgehens zu bekommen. Für alle ist dies eine Gelegenheit, Beratungsdienstleistungen zu konfigurieren, anzubieten, zu beauftragen, zu erbringen und zu evaluieren.

Die verschiedenen Beratungsformen können in ihrer Ausführung also variieren.

Innerhalb jeder Beratung(sform) kann mit verschiedenen Methoden auf akustisch-verbaler, visueller und kinästhetischer Ebene gearbeitet werden, damit man den verschiedenen Wahrnehmungs- und Verarbeitungskanälen bzw. der jeweiligen Situation oder dem Problem gerecht wird.

Eine gute Beratungsgruppengröße für die Bearbeitung eines Anliegens liegt zwischen vier und sechs Teilnehmern. Die minimale Teilnehmerzahl verteilt sich auf die Rollen: 1 Fallgeber und 2–3 Berater, wobei einer der Berater die Moderations- und Zeitwächterfunktion mit übernimmt.

Arbeitet man mit einer großen Beratergruppe, so hat man zwei Möglichkeiten. Entweder man bearbeitet mehrere Anliegen in Gruppen nach oben genannter Besetzung. Oder man wählt mit einer maximalen Besetzung von 13 Personen das Setting des Beratermarkts (im Plenum). Hier arbeiten drei Gruppen parallel und erstellen für den Fallgeber alternative Beratungsangebote.

Als Rahmen sollten verschiedene Arbeitsvereinbarungen und grundsätzliche Werte festgelegt werden. Als solche sind Wertschätzung, Kompetenzzuschreibung, Ressourcen- und Lösungsorientierung, aktive Beteiligung, Verbindlichkeit, Zeit- und Fokusdisziplin, Bereitschaft zur Offenheit und Authentizität, Selbstverantwortung und Eigenständigkeit sowie Bereitschaft zu einer Vertrauenskultur aus unserer Sicht die wesentlichen.

Der folgende Leitfaden eines kollegialen Beratungsprozesses kann als Grundform verstanden werden. Er kann je nach Beratungsintention variiert und methodisch ergänzt werden.

Leitfaden kollegiale Beratung

1

Rollen- und Zeitvereinbarung

Ein Kunde, zwei Interviewer, ein Moderator und die Beobachter werden ausgewählt. Die Dauer der kollegialen Beratung wird festgelegt.

5 min

2

Anliegen

Der Kunde (A) stellt sein Anliegen dar (nur eine kurze Skizze, möglichst konkret) und formuliert zwei bis drei zentrale Fragestellungen.

10 min

3

Die Interviewer erfragen

a)

das Ziel der Beratung (z. B.: „Angenommen, unser Gespräch verläuft optimal, was ist dann am Ende für Sie anders?“)

b)

wesentliche Perspektiven des Problems (mithilfe systemischer Fragen)

20 min

4

Die Interviewer und die Beobachter überlegen sich Hypothesen zur Erklärung des Problems (keine Ratschläge oder Lösungen

A hört still zu.

15 min

5

A priorisiert die Hypothesen

Welche erlebe ich als weiterführend?

5 min

6

Gruppen-Brainstorming

Interviewer und Beobachter formulieren Lösungsideen, die A helfen, bezogen auf die Herausforderung konkret etwas anderes tun zu können. A hört zu.

15 min

7

A bewertet die Lösungsideen

Welche sind für meine Fragestellung hilfreich?

10 min

8

Prozessreflexion