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Geheime Wünsche? Nick hat sie! Er liebt es, ausgeliefert zu sein. Um diese erotischen Neigungen nicht nur im Kopf auszuleben, vertraut er sich eines Tages seiner Ehefrau Tina an. Zunächst ist sie schockiert bei dem Gedanken an eine "lieblose Fessel-Variante". Sie hofft aber, der seit vielen Jahren dahinsiechenden gemeinsamen Intimität neues Leben einzuhauchen. Mit einer skurrilen Vereinbarung packen beide die Beziehungsrenaissance an. Sie erleben einen ersten gelungenen erotischen Abend, an dessen Ende Tina sein gutes Stück in einen Keuschheitskäfig sperrt. Es beginnt die abwechslungsreiche und humorvolle Leidensgeschichte eines "Eingezwängten" für ein Wochenende. Zweihundertvierundfünfzig äußerst unterhaltsame Seiten, die sowohl Frauen als auch Männer in den Bann ziehen und im Kopf haften bleiben. Eine anregende Beziehungskomödie mit witzig-psychologischem Blick auf Intimes und der Erkenntnis, dass eine Partnerschaft von weit mehr lebt als der berühmten "einen Sache". Eine Hommage an das Leben zu zweit: Intensiv, außergewöhnlich, lustig und auf keinen Fall oberflächlich.
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Seitenzahl: 330
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Wie armselig wäre das Dasein ohne die Vielfalt der menschlichen Verschiedenartigkeit
I. Freitag – Erotisches Dinner
Prolog
Unterschiedliche Geschmäcker
Problematische Kommunikation einer „Nouvelle Cuisine“
Vorbereitung des Festmahls
Vorspeisen
Zwischengang
Hauptgänge
Überraschungsdessert
Espresso ohne Sahnehäubchen
II. Samstag – Untauglicher Versuch zu entspannen
Affe auf dem Schleifstein
Einkaufstress mit Leidensdruck
Langsamer als die Polizei erlaubt
Nur gucken, nicht anfassen
III. Sonntag – Warten auf das kleine Glück
Vernissage der Versuchung
Illusion des Schreckens
Happy End am stillen Ort
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Freitagabend. Okay, okay! Sie grinst. Ihr Blick wandert über Nicks Körper. Fürs erste Mal ist das gar nicht so schlecht, freut sie sich. Ich hab mich weit weniger blöd angestellt als gedacht.
Technik ist nicht ihr Ding. In dieser Hinsicht unterscheidet sie sich kaum von anderen Frauen. Sitzt sie mit Freundinnen zusammen und es machen Erlebnisse die Runde, in denen technische Kenntnisse oder Logik gefragt waren, gibt es jedes Mal ein großes „Aber Hallo!“. Zu dem vertrackten Thema können alle etwas beisteuern, sofern sie sich getrauen. Umso peinlicher die Situation, umso mehr schmunzeln die anderen oder schauen gar flehentlich mit rollenden Augen gen Himmel. Ähnliche Begebenheiten kennen sie selbst nur allzu gut, leider.
Frauen sind schlichtweg anders ausgerichtet. Gefühle verdrängen das logische Urteilsvermögen. Und Frauen beschäftigen sich ungern mit Technik. Klar, interessierten sie sich für technische Abläufe, wären sie bestimmt genauso geschickt wie Männer. Tina ist davon überzeugt, als sie ihr Werk betrachtet. Außerdem hat es überraschenderweise Vergnügen bereitet. Alles eine Frage der richtigen Vorbereitung. Natürlich muss man es auch wollen, gesteht sie sich ein. Das Selbstbewusstsein erlebt einen tüchtigen Schub. Einfach toll, wenn man etwas Neues in einer Art und Weise bewältigt, wie man es sich nicht zugetraut hat.
Er liegt mit dem Rücken auf der abgedeckten Matratze, entblößt, vollends nackt. Sie hat Nick so umfänglich und sorgfältig gefesselt, dass er sich nur kümmerlich bewegen kann. Sich befreien zu wollen, wäre aussichtslos.
Die Beine angewinkelt und auseinandergestreckt, liegt sein Lustzentrum offen. Selbst wenn ich ihm augenblicklich die Eier abschneide, besäße er keine Chance, es abzuwenden, kommt ihr in den Sinn, ohne den bitterbösen Gedanken umsetzen zu wollen. Schreien, um Hilfe rufen, bliebe ihm als einzige Gegenwehr, … jetzt noch! Würde seine Stimme tatsächlich wieder glockenhell klingen wie bei einem Kind, was man Eunuchen gemeinhin nachsagt, spinnt sie nichtsdestoweniger ein mögliches Blutbad und dessen Folgen weiter, um zur krönenden Erkenntnis zu gelangen: Dazu gehört schon blindes Vertrauen, sich derart binden zu lassen! Ob ich das hätte?
Das eher schlecht als recht motivierte Glied enttäuscht sie. Na prima, die Fesselprozedur hat den Schwanz nicht gerade lange beeindruckt. Der Kerl macht schon wieder schlapp. Wahrscheinlich liegt es daran, zu umständlich mit den Seilen hantiert und Knoten gebunden zu haben, urteilt Tina mit einem Anflug von Selbstkritik. Allerdings, Nick hatte ihr vor knapp fünf Wochen weit Erfreulicheres prophezeit. Bereits in diesem frühen Stadium des Bettgelages erwartete sie, dass sein bestes Stück aufrechter steht und kerniger ausschaut.
Der guten Laune tut das keinen Abbruch. Mit ihrem Latein ist sie längst nicht am Ende. Dem müden Pimmel werde ich noch kräftig einheizen, ist sie ganz optimistisch, egal wie mies er heute drauf ist. Strammstehen ist angesagt und erst nach vollbrachter Pflichterfüllung darf er sich kringeln!
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Das körperliche Liebesleben von Tina und Nick steckte seit Langem in der Krise. Gemeinsamer Sex fand kaum mehr statt.
Die Abstinenz rührte nicht aus den getrennten Schlafzimmern, zumindest war das nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Es hatte einen profanen Hintergrund, dass sie nicht mehr Seite an Seite schliefen. Mit zunehmendem Alter fing Nick an zu schnarchen, manchmal in den kuriosesten Tönen. Anfangs tolerierte es Tina, empfand es zuweilen sogar als lustig. Bald aber begann sie es zu hassen. Irgendwann war‘s genug. Sie forderte einen erholsamen Schlaf, der nur gelingen konnte, wenn zwischen ihr und Nick wenigstens eine massive Tür geschlossen würde. Nick probierte erst gar nicht, sich gegen das Alleinsein des Nachts zu stemmen. Die Einsicht siegte und Tina genoss wieder ihren wohltuenden Schönheitsschlaf.
Mit Nicks Vertreibung aus dem Paradies reduzierten sich natürlich die Gelegenheiten, spontan miteinander zu schlafen, … was allerdings von geringerem Belang war. In den zurückliegenden Jahren, als sie das Doppelbett noch teilten, überkam es beide nur selten, den anderen zum gemeinsamen Sex zu ermuntern. Die separaten Räume gewährten hingegen beste Voraussetzungen, sich bei aufkommendem Verlangen alleine zu vergnügen.
Nein, dass es sexuell nicht mehr richtig klappte, entsprang gewichtigeren Ursachen als getrennten Schlafzimmern. Schon seit Anbeginn des Kennenlernens waren sie keine heißblütigen Liebhaber. Immer etwas verunsichert, ob des richtigen Zeitpunkts und keineswegs offenherzig gegenüber dem Partner. Aufkommende Lustwallungen wurden eher hintenangestellt. Verklemmt konnte man das in letzter Konsequenz nicht nennen. Die sexuelle Befreiung der 1968er-Bewegung kam bei ihnen aber nie so recht aus den Startlöchern.
Aus unterschiedlichen Gründen wurde das Lustspiel mehr mit Bedacht als mit Begierde eingeleitet. In den ersten Jahren des Zusammenseins hatten sie Angst, zu einer unpassenden Zeit Nachwuchs zu zeugen.
Präservative überzuziehen, nervte Nick. Im Innersten sträubte er sich dagegen, was gewiss der Hauptgrund war, dass er sich so ungeschickt verhielt. Obendrein misstraute er der Haltbarkeit der transparenten Gummis. Er überlegte allen Ernstes, das ausgewählte Kondom zuvor testweise aufzupusten und achtzugeben, ob es die Luft hält. Schnell erkannte er, mit diesem freudlosen Vorspiel allenfalls abklären zu können, inwieweit die Dinger mängelfrei hergestellt waren. Abgesehen davon, dass der Gummiüberzug zusätzlich beansprucht würde, wenn er ihn abrollte, aufblies und wieder aufwickelte, passierte der eigentliche Härtetest im hitzigen Gebrauch. Scharfkantige Fingernägel beim aufgeregten Einsatz und insbesondere wildes Stoßen strapazierten das hauchdünne Material erheblich mehr. Schon ein kleines Sandkörnchen im Geschiebe könnte genügen, den sicher geglaubten Schutz platzen zu lassen.
Nick verzichtete darauf, die Gummis eigenhändig zu prüfen. Er hoffte, dass das fragile Wunderwerk der Technik nicht gerade ihre Liebe im Stich ließ. Logisch, dass solche subtilen Bedenken und das verabscheute Handling seine Liebesglut im entscheidenden Moment nicht förderten.
Das Gescheiteste wäre gewesen, Tina hätte die Antibabypille geschluckt, für sexorientierte Paare die großartigste Errungenschaft der Neuzeit. Leider vertrug sie die Chemie nicht. Immer, wenn sie die Pille einnahm, war ihr bald darauf komisch zumute. Außerdem mutierten die Brüste zu halben Eutern, wie sie selbst meinte, was ausschließlich Nick gefiel. Also experimentierten sie mit fragwürdigen Alternativen aus grauer Vorzeit.
Die Verhütungsmethode „Knaus Ogino“, die Tina Statistikkenntnisse abnötigte, um den unfruchtbaren Zeitraum zu ermitteln, war weit weniger zuverlässig als ein Pariser. Einen noch größeren Stress verschaffte ihnen der armselige Koitus Interruptus. Dabei musste Nick nicht nur aufpassen, beizeiten den Pimmel aus ihr herauszuziehen. Oft blieb zumindest bei einem von beiden auch der Höhepunkt auf der Strecke und es quälte die anschließende Dauerfrage: War es noch rechtzeitig oder nicht?
Grundsätzlich wurden sie nervös, wenn Tinas Menstruationstage anstanden. Waren sie überfällig, steigerte sich die Anspannung. Handelte es sich um simple Rechenfehler in ihren Aufzeichnungen, atmeten sie erleichtert auf, sobald Tina ein blutiges Ende nahm. In allen anderen bangen Unsicherheitsphasen verabreichte im Zweifelsfall der Frauenarzt eine Pille, die im Nachhinein dafür sorgte, dass das vertraute Dasein sich nicht gravierend wandelte.
Lebensentwürfe und Ansichten ändern sich. Glücklich verheiratet und passabel situiert regte sich Ende der zwanziger Lebensjahre doch der Wunsch nach süßen, schreienden Kindern. Der biologische Urinstinkt geriet übermächtig und drängte, sich fortzupflanzen. Irgendwann gelüstet es jeden, sein Abbild zu zeugen, mindestens aber zu sehen, wie die eigenen Gene im Nachwuchs anschlagen und was daraus entsteht, … zweifellos mit hochgesteckten Erwartungen. Zudem will die angeborene Beschützerfunktion von Vater und Mutter zufriedengestellt werden. Da wird der befürchtete Erziehungsstress schon mal gerne vernachlässigt, der spätestens aufkommt, wenn die Rangen in der Pubertät wenig einleuchtende Ideen entwickeln und probieren, aus der elterlichen Obhut wegzutauchen.
Tina kramte ihr Wissen aus Knaus-Ogino-Zeiten hervor. Nun musste sie jedoch umdenken und die kürzere Spanne der fruchtbaren Tage berechnen. Für beide galt ab sofort, ihre Lust auf die Phasen des Eisprungs zu konzentrieren, was auf Dauer einem gefühlten Zwang glich und ständig schwerer fiel. Eins ums andere Mal versuchten sie, das gewünschte Baby auf den Weg zu bringen, bis sie es früher oder später aufgaben. Aus welchen Gründen auch immer, es klappte einfach nicht. Offenbar waren die ärgerlichen Verhütungsmaßnahmen und die ausgestandenen Ängste in den zurückliegenden Jahren völlig unnötig gewesen, aber wer weiß das schon im Vorhinein.
Der scheinbaren Zeugungsunfähigkeit gingen sie nur eingeschränkt auf den Grund.
Tina ließ sich beim Gynäkologen untersuchen, was keine ungünstigen Auffälligkeiten im Gebärmechanismus enthüllte. Der Arzt bescheinigte ihr, die produzierten Eizellen und die notwendige kuschelige Umgebung wären perfekt ausgebildet, um viele Kinder kriegen zu können. Den vertraulichen Hinweis, es läge möglicherweise am männlichen Partner, dass keine Eizelle befruchtet würde, behielt sie nicht für sich, sondern gab ihn brühwarm an Nick weiter.
Der wollte den ungeheuren Verdacht, unfruchtbar zu sein, nicht auf sich sitzen lassen. Voller Zuversicht marschierte er zum Urologen. In der klinischen Atmosphäre kam er zunächst nicht in Stimmung, weshalb der Schwanz die erforderliche Hab-Acht-Stellung boykottierte. Erst nachdem er bereitliegende Pornohefte eingehend studiert hatte, gelang ihm, genügend Spermien in den obligatorischen weißen Allzweckplastikbecher zu spritzen. Unter dem Mikroskop zeigten sich seine milchig-weißen Kampftruppen voll einsatzbereit, jede Eizelle der Welt zu erobern.
Beruhigt registrierten Tina und Nick, gesund und zeugungsfähig zu sein. Grübeleien, warum es mit den eigenen Nachkommen dennoch nicht funktionierte, kamen keine auf. So übergroß war der Kinderwunsch nun doch nicht. Chemisch, mechanisch oder medizinisch nachzuhelfen, stand niemals zur Diskussion. Nebenbei gehört auch Glück dazu, analysierten sie einhellig. Und was nicht sein soll, soll eben nicht sein. Man weiß ja nie, wofür es gut ist. Klappte es also nicht, sich in einem gewöhnlichen Geschlechtsakt zu vermehren, könnten sie auch mit einer kinderlosen Zweisamkeit leben.
Der Zuwachs in ihrer Kleinstfamilie stellte sich trotzdem ein, wenn auch viel später und anders als gedacht. Da Nick häufig auf Geschäftsreisen weilte und generell spät von der Arbeit heimkehrte, fühlte sich Tina oft allein. Sie wünschte sich für zu Hause ein tierisches Ersatzwesen.
Die Wahl fiel rasch auf eine Katze, die tagsüber außer Haus nicht betreut werden müsste. Wenn sie im Urlaub verreist wären, könnten nette Nachbarn oder Freunde den Mini-Tiger problemlos mit Futter und Wasser versorgen. Vorausgesetzt, sie würden einen geeigneten Platz im Haus finden, von dem die Katze eigenständig in die Natur aufbrechen und an den sie zurückkehren könnte.
Tina spürte diesen Ort in einem verschließbaren Kellerraum auf. Sie richtete dort ein gemütliches Schlafquartier ein mit wärmendem Schaumstoffkörbchen. Ein Katzenausgang mit einfacher Magnetklappe wurde in das hoch gelegene Kellerfenster integriert, das durch einen stabilen Kletterbaum mühelos zu erreichen war. Klassisches Katzennassfutter aus der Dose oder Trockenfutter sollten ausschließlich in diesem Raum serviert werden, so dass keine – ach so niedlichen – Betteleien am Esstisch aufkamen. Ein vom Futternapf weit entfernt deponiertes Katzenklo komplettierte die Raubtiermöblierung.
Über eine Zeitungsannonce fand Tina einen süßen, zehn Wochen alten Kater mit zweifarbigem braun-weißem Fell, den sie Prinz taufte. Das putzige Wollknäuel sorgte für neues Leben und viel Freude in ihren vier Wänden. Nachdem es sich zwei Wochen lang im Kellerraum eingewöhnt hatte, erkundete es mit tapsigen Schritten nach und nach das gesamte Haus.
Mit dem kleinen Bündel war Tina von Anfang an streng, was es durfte und was nicht. Schließlich sollten die Möbel nicht zerkratzt werden oder gar die Tapete in Fetzen an den Wänden hängen. Auch auf Tischen, der Küchenzeile oder anderen sensiblen Orten hatte der Wonneproppen nichts verloren. Erziehung war das Gebot der Stunde, was Nick bei einer Katze für ausgeschlossen hielt.
Tina belehrte ihn eines Besseren. Für die kritische Erziehungsphase opferte sie gar drei Wochen ihres Urlaubs. Wenn sie in scharfem Ton die prägnante Kurzform von Nein, also „Ne“, rief, ließ der Kater von allem ab, was er nicht tun sollte, und stob davon. Ansonsten überschüttete sie ihn mit ihrer ganzen Liebe und knuddelte ihn, soweit es selbst dem schmusebedürftigen Stubentiger nicht zu viel wurde.
Die Kombination aus Herzenswärme und systematischem Zurechtweisen war erfolgreich. Tina brachte es tatsächlich fertig, dass der Familienneuling behutsam mit dem Hausrat umging, nur erlaubte Stellen ersprang und ausschließlich an Plätzen döste, die ihm in Form einer zusammengelegten Decke oder eines Handtuchs angeboten wurden.
Auch Nick war in den Kater vernarrt. Prinz akzeptierte ihn jedoch nur leidlich, da er in ihm zweifellos einen lästigen Nebenbuhler erkannte. Als regelmäßiger Dosenöffner genoss Tina ohnehin das höhere Ansehen. Liebe geht durch den Magen, erst recht bei Tieren.
Prinz brachte schnurrende Schmusigkeit ins traute Heim und zauberte ein Lächeln auf ihre Gesichter, wenn sie ihm bei den spielerischen Kapriolen zuschauten. Das neue Familienmitglied stärkte die platonische Beziehung zwischen Tina und Nick, logischerweise nichts darüber hinaus.
Ab Mitte der dreißiger Lebensjahre häuften sich die Ausflüchte für ein sexuell eher spartanisches Leben. Die Anzahl der erotischen Stunden war stark rückläufig. Wer nicht laufend trainiert, kommt aus der Übung. Je seltener sie sich gemeinsam vergnügten, je länger dauerte die anschließende Zeitspanne, in der sie abstinent lebten.
Mit den schwindenden Intimitäten schwand auch die Natürlichkeit in der Erotik untereinander. Eine Barriere baute sich auf. Den anderen anzumachen, wurde von Mal zu Mal komplizierter und mühevoller. Drängendere Dinge, ob wichtig oder weniger wichtig, schoben sie gerne in den Vordergrund. Die beruflichen Herausforderungen taten ein Übriges. Tina und Nick vermissten nichts.
Was stets ging, war … Kuscheln, eine herrlich aufgebesserte Spielart der platonischen Liebe, ein essentieller, wenn nicht gar der elementarste Baustein ihrer Ehe. Sex komplizierte dagegen fühlbar und forderte in authentischer Weise, die eigene Schamhaftigkeit preiszugeben, womit sich jeder von Grund auf schwer tat.
In Tinas Kopf wirkten abartige Episoden aus der Kindheit nach, die sie stärker beeinflusst hatten, als sie sich eingestand.
Bei zum Glück nicht so zahlreichen Besuchen unternahm ein „lieber“ Onkel regelmäßig Annäherungsversuche. Das „freundschaftliche“ ins Bett bringen nutzte der Kerl jedes Mal, ihre Vagina zu betatschen, was sie im kindlichen Bewusstsein nicht recht einordnen konnte. Freilich empfand sie es als widerlich und hoffte, dass es sich nicht wiederholte. Die Furcht, unglaubwürdig zu sein und bestraft zu werden, verhinderte, sich jemandem anzuvertrauen. Sie behielt die abstoßenden Vorfälle und das gefühlte Unkeuschsein für sich.
Entsprechend vorbelastet startete Tina in das sexuelle Leben. Als aufgeklärter Teenager erkundete sie zwar frühzeitig Genitalien und Sinnlichkeit, vertrug es aber nicht, eine fremde Hand am nackten Körper zu spüren. Erst eine längere Vertrautheit mit Nick schaffte es, dass sie sich langsam öffnete und beim Sex nicht mehr stocksteif dalag wie zu Zeiten, als der schmierige Onkel an ihr herumfummelte.
Nick wunderte sich über die anfängliche Starre, traute sich aber nicht, nach den Beweggründen zu fragen. Da er selbst bei den ersten sexuellen Gehversuchen suboptimale Erfahrungen gesammelt hatte, ließ er ihr die benötigte Zeit. Über die erotischen Fortschritte freute er sich, wenngleich Tina nie ein Stadium erreichte, in dem man auch nur ansatzweise von triebhaft hätte sprechen können.
Im reiferen Alter wandelte sich das. Tina entdeckte die Erotik in bisher nicht gekannter Weise. Sie fragte sich, warum? Lag es an der grundsätzlich wachsenden Leidenschaft älterer Frauen ab Mitte vierzig? Oder spielte die aufkommende Routine des geliebten Berufs als Designerin eine Rolle? Fehlte etwa der Kick neuer Herausforderungen?
Alle in Erwägung gezogenen Gründe ließen sich nicht von der Hand weisen, wobei Letzterer wohl am stärksten zutraf. Nach einer gewissen Anzahl von Jahren – manchmal sind es sieben, manchmal zehn Jahre – fordert der Kopf Veränderungen ein. Das gegenwärtige Gefühlsleben befindet sich nicht mehr im Gleichgewicht. Der alte Trott beschert zu selten Glücksmomente, was unzufrieden macht. Das künftige Dasein muss als Folge nicht völlig umgekrempelt werden, der Geist schreit aber nach belebenden Anstößen, nach willkommener Abwechslung, nach mehr Freude.
Tina war des Öfteren missgestimmt. Erst wusste sie nicht weswegen. Zunehmend empfand sie den Wunsch oder mehr den Drang, die neu entfachte Sinnlichkeit auszuleben, und zwar nicht nur im stillen Kämmerlein. Die feuchte Vagina allein zu beglücken, ab und zu angereichert durch summenden Vibrator oder geräuschlosen Dildo, stieß ihr mehr und mehr als erbärmlicher Ersatz auf.
Wofür hatte sie Nick? Statt einer toten, kalten Plastikimitation wollte sie sein lebendiges, warmes Schwanzoriginal in sich spüren. Deshalb nahm sie die ewig langen Pausen nach den wenigen „Stands“ über Gebühr wahr, negativ und unbefriedigt. Ihr fehlte etwas, das sich selbst durch unmotivierte Spontankäufe von Schuhen nicht wettmachen ließ, … und das heißt etwas bei Tina. Sexuelle Erfüllung sah in ihren Träumen unvergleichlich geiler aus.
In Anbetracht des als Endvierzigerin noch schlanken Körperbaus mit Kleidergröße 38 und vorzeigbarer weiblicher Reize wie knackigem Po und recht festem Busen, fragte sie sich, warum Nick so selten Lust hatte? Weshalb war er nicht derart scharf, wie Männer in den Medien ausnahmslos beschrieben werden, obschon von Frauen üblicherweise weniger intensiv ersehnt? Nie eine lüsterne beidhändige Attacke von hinten auf ihre Brüste, wenn sie in der Küche oder im Bad hantierte. Oder noch hinreißender, … eine überraschende Offensive zwischen ihre Beine vom Beifahrersitz aus, wenn sie das Auto steuerte. Sie malte sich aus, wie von Sinnen den Wagen nicht mehr kontrollieren zu können und mit geschlossenen Augen auf einen stattlichen Baum zuzurasen.
Zum Glück bedeutete auch Letzteres eine Phantasie, die Nick nicht kannte. Wüsste er von solch einer halsbrecherischen Reaktion, griff er in Wahrheit nie und nimmer zu, wo er schon um deutlich geringere Risiken einen großen Bogen schlug.
Alles zusammen überspannte Hirngespinste. Tina raste nicht gegen einen Baum, da eben kein genialer Handstreich in ihren Schritt passierte. Dem Anschein nach besaß Nick eine dürftig ausgeprägte Libido, die mit fortschreitendem Alter weiter verflachte und ihre feuchten Träume nicht erfüllen konnte. Das gibt es schon mal bei Männern, hatte sie vernommen. Untreue verneinte sie kategorisch. Dazu war ihr Ehemann nicht der Typ, zu brav und zu bieder.
Tinas Überlegungen saßen einem Trugschluss auf, wenigstens zum Teil. Nicks fehlende Leidenschaft, es ihr zu besorgen, beruhte keineswegs auf eine unterentwickelte Libido. Sie hatte eine andere Ursache, oder vielmehr zwei.
Zum einen war Nick nicht nur mit Tina, sondern ebenso mit dem Beruf verheiratet. Als Geschäftsführer wurde er voll gefordert von morgens in der Früh bis vielmals abends spät. Er zählte nicht zur Fraktion leichtlebiger Manager, die sich weniger mit der Firma als dem Inszenieren des überdimensionierten Egos beschäftigen und zuallererst ihr eigenes Wohlergehen im Auge haben. Das hätte der von ihm geleitete mittelständische Betrieb auch nicht verziehen.
Um die Auftragslage im grünen Bereich und das Unternehmen erfolgreich auf Kurs zu halten, blieb nur der bedingungslose Einsatz. Seinem geschäftlichen Denken und dem Streben zur Perfektion lagen der abgewandelte biblische Leitsatz zugrunde: Nur die Augen des Herrn machen die Kühe fett. Die Geschäftspartner lobten, wie intensiv er sich engagierte, und gaben die anerkennende Devise zum Besten: „Hier kocht der Chef persönlich!“, während die Mitarbeiter sich zuweilen gegängelt fühlten.
An den Wochenenden musste sich Nick erholen. Manches Mal blieb es beim kläglichen Versuch, die eigentlich freien Tage für Freizeitaktivitäten und die dringend benötigten Ruhephasen freizuschaufeln. Ob in der Firma, zu Hause oder auf dem Golfplatz, er dachte weit mehr ans Geschäft als ihm bewusst war.
Zählt man knapp 50 Lenze, geht so ein Job nicht mehr spurlos an einem vorüber, auch wenn er ihm Freude bereitete. Am Abend versuchte er zu entspannen, bevor er todmüde ins Bett kroch. Nicht selten fielen ihm bereits vor dem Fernseher die Augen zu, womit schon die Couch im Wohnzimmer zur unbeabsichtigten Schlafstatt avancierte.
Bei solch einer Belastung bleibt nicht viel Zeit für Hobbys und andere Dinge. Ausgedehnte sexlose Phasen waren symptomatisch. Der gebeutelte Körper produzierte Sexhormone und Spermien auf absoluter Sparflamme und sendete lediglich in übergroßen Abständen vorsichtige Appelle aus: He, da war doch noch was!
Die zweite hinderliche Ursache, die einer zuträglicheren Leidenschaft entgegenstand, war das unattraktive Sexeinerlei mit Tina. Dem Vorspiel mit Streicheleinheiten folgte das übliche Liebe machen, gefühlvoll und herzerwärmend, eben Blümchensex in Reinkultur. Die Variationen, wer nun oben und wer unten liegen durfte, oder ob er besser von hinten eindringen sollte, peppte das Ganze nicht wirklich auf.
Es war diese konventionelle Beischlafkonfiguration, die Nick schon länger nicht mehr reizte. Das funktionierte bei ihm nicht. Wenn sie derart zugange waren, produzierte sein Kopf keine Signale, die den Unterkörper nachhaltig entfachten. Einfach kein Ständer, … wenigstens nicht lange genug.
Das war nicht von Anfang an. Erst viele Jahre, nachdem die Sturm- und Drangzeit ihrer Liebe vorüber war, gewahrte Nick Vorstellungen und Vorlieben, die andersartig, erregender und wohl seit Langem latent vorhanden waren, wie ihn verschüttete und wiedererweckte Erlebnisse erinnerten.
In Kindestagen band er sich gegenseitig mit dem Nachbarjungen, häufig ausgestreckt auf einem Tisch. Aus unerklärlichen Gründen zog er die Stricke im Schritt ausnehmend fest. Bei Fangspielen auf der Straße ließ er sich gerne von einem älteren Nachbarmädchen mit auf den Rücken gedrehtem Arm abführen, wenngleich es ihm leicht gefallen wäre, sich zu befreien.
Später schnürte er abwechselnd mit einem Freund den nackten Körper einschließlich angelegter Arme in die robusten Korsetts dessen vollschlanken Mutter ein, als handelte es sich um eine Zwangsjacke. Ab und an durchspielte er im Kopf, sich selbst nackt zu fesseln. Er verzichtete darauf aus Sorge, sich alleine nicht befreien zu können und in hilfloser Pose von den Eltern überrascht zu werden.
Bei unerlaubten Doktorspielen fassten andere Kinder seinen Pippi an. Es bescherte ihm eigenartige Wohlgefühle, obwohl die Pubertät und die einhergehende volle Funktionstüchtigkeit des Körpers noch einige Zeit auf sich warten ließen.
Die Eltern reagierten entrüstet nach gewahr werden der unkeuschen Aktionen, wodurch sich in Nicks Unterbewusstsein das Mysterium des verbotenen Schambereichs erhärtete, der erzogener Maßen allein den unreinen Körperausscheidungen vorbehalten war.
Dass der Vater ihn gelegentlich züchtigte, wirkte auf seine sexuellen Gelüste eher abschreckend, … vielleicht aber auch nicht. Ungehorsam und hanebüchenen Blödsinn strafte der mitunter jähzornige Mann mit einer gehörigen Tracht Prügel. Wenn sein Vater nach dem zurechtgeschnittenen Weidenstock suchte, wusste Nick, was die Stunde geschlagen hatte und in Kürze auf den Po niederprasseln würde.
Wegen der gefürchteten Schmerzen weinte er regelmäßig im Voraus, um beim Vater Mitleid zu erwecken und die Schläge abzuwenden. Der Erfolg blieb ihm so gut wie immer versagt. Die Tränen stimmten seinen Papa nicht milde. Ebenso wenig erweichten ihn die aufkommenden pädagogischen Erkenntnisse, den Nachwuchs antiautoritär zu erziehen. Alleiniges gutes Zureden hielt er wahrscheinlich für neumodischen Kram, der nicht lange Bestand haben würde.
Im Nachhinein brachte Nick gewisses Verständnis für die Prügelstrafe auf, die mindestens bis Ende der 1960iger Jahre gang und gäbe war und zu einer rechtschaffenen Erziehung gehörte. Wie kann man denn sonst einem ungehorsamen, starrköpfigen Kind Grenzen aufzeigen und Wertevorstellungen vermitteln, wenn selbst triftigste Argumente den Ohren verschlossen bleiben? „So was macht man nicht!“ wurde Nick im Zweifelsfall eingebläut.
Mit vierzehn Jahren erwachte in Nick der Mann. Als er nach dem Fußballtraining unter der warmen Dusche stand, bot sich ihm das unmissverständliche Indiz der beginnenden Sexualität, ohne mit dem körperlichen Zeichen der Zeit was anfangen zu können. Zum ersten Mal versteifte der Penis.
Er wusste nicht, wie ihm geschah. Bislang war der Pimmel immer weich gewesen und diente nur zum Pinkeln. Jetzt war er knochenhart und stand in deutlich vergrößertem Umfang und überragender Länge von ihm ab.
Die absonderliche Festigkeit und Größe erschreckten ihn, da er in seinem unaufgeklärten, kindlichen Denken den Umstand nicht begriff. An diesem Nachmittag trödelte er ungewöhnlich lang, weshalb die Sportfreunde die Umkleidekabine schon verlassen hatten. Zum Glück wartete der Pimmel mit dem Aufwärtsdrang, bis er alleine war. Vielleicht war das auch gerade sein Pech, wie die Folgezeit beweisen sollte.
Jedenfalls fiel die Erektion stramm und ausdauernd aus. Sein größtes Problem bestand darin, das unförmige Ding im Slip unterzubringen und die enge Jeans darüber zu schließen. Obwohl es ihm endlos erschien, entschwand die lästige Starre nach einer gewissen Zeit, und zwar so unvermittelt wie sie kam. Der Pippi geriet wieder klein und biegsam.
Ab jenem bedeutsamen Tag bewegte von Zeit zu Zeit eine unbekannte Kraft seinen Pullermann, ohne dass er eine Ahnung hatte, warum. Die seltsamen Auferstehungen, die unangekündigt auftraten, behinderten ihn nur mäßig. Das unbekümmerte Umgehen mit der Nacktheit war jedoch dahin. Die Wissenslücke über die befremdlichen Vorfälle verstärkte sein Schamgefühl, das bei Jugendlichen in der Pubertät ohnehin ausgeprägt ist.
Fortan bangte Nick, wenn nach dem Sport gemeinsam geduscht wurde, plötzlich mit einem steifen Glied dazustehen und von den Kameraden abschätzig beäugt und gehänselt zu werden. Bevor er in der Umkleidekabine die Unterhose auszog, band er ein Handtuch um die Hüften. Nur unter der Brause legte er es ab, wobei er sich schamhaft zur Wand gerichtet wusch. Vollauf mit sich selbst beschäftigt, keimte in den Situationen nie der Gedanke, bei den Gefährten nach ähnlich grotesken Auswüchsen Ausschau zu halten.
Selbst zu einem fortgeschrittenen Zeitpunkt kam ihm nicht in den Sinn, die Eltern zu befragen. Das gelegentliche, eigentümliche Pimmelwachstum blieb sein Geheimnis. Die Erfahrung lehrte, dass das Ding irgendwann wieder schrumpfte und nicht mehr störte. Und weh tat es in der Regel auch nicht. Hielt die Steife länger an, richtete er den Penis im Slip nach oben aus. In dieser Lage hemmte kein unangenehmer Knick.
Da Nick sich sexuell nicht betätigte, ergoss sich dann und wann in der Nacht eine milchig eingefärbte Flüssigkeit in die Schlafanzughose. Die vom Urin abweichenden und am nächsten Morgen verhärteten Flecken nahm er nicht wahr. Wer nicht weiß, wofür ein erigiertes Glied nützlich ist, kümmert sich kaum um dessen Notausscheidungen.
In den 1960iger Jahren stand in Westdeutschland Aufklärung nicht im Vordergrund. Sex war ein Tabuthema, auch wenn in den Babyboomer-Jahren jede Menge Kinder gezeugt wurden. In der Öffentlichkeit bewegten die Menschen andere Dinge. Das Geld war knapp, die Arbeit viel und jeder hoffte, dass das Wirtschaftswunder irgendwann auch ihn erreichen würde. Mit dem materiellen Wohlstand ging es kontinuierlich bergauf. Fortschritte in der prüden und verklemmten Denkweise hinkten deutlich hinterher.
Der Sexreport des Amerikaners Alfred Kinsey, der unter einem wissenschaftlichen Deckmäntelchen die Schlafzimmergewohnheiten der Erwachsenen recherchierte, war skandalös. Wenn überhaupt, redete man über Erotik mit vorgehaltener Hand und engsten Freunden.
Kinder aufzuklären, hatte etwas Peinliches. Sexunterricht in der Schule war undenkbar. Jungs wurden oft auf der Straße aufgeklärt. Vater oder Mutter befleißigten sich zu dem Thema „Sexualität“ vornehmlich nur, wenn die Kinder allzu penetrant danach fragten oder die Umstände es als unumgänglich anzeigten. Bei Mädchen war das der Fall, wenn Blut aus der Scheide tropfte und der Schlüpfer durch die einsetzende Menstruation rot eingefärbt in der Wäsche landete. Den richtigen Zeitpunkt bei Jungen abzupassen, war weitaus schwieriger. Ob in der üblichen weißen Unterhose oder dem bunt gemusterten Schlafanzug, Sperma fiel nicht sonderlich auf.
Wie sich später herausstellte, glaubten Nicks Eltern gegenseitig, ihn aufgeklärt zu haben. Gleichwohl blieb es aus. Nick war in sexuellen Belangen sowieso ein Spätzünder. Die drei großen „S“, Spiel, Sport und Schule, bildeten in Kindestagen sein magisches Dreieck. Sein Umgang war – wie Eltern es lieben – fast tadellos. Mitschüler und Freunde redeten ebenfalls nicht über die Lust in der Hose, weshalb Nick auch von dieser Seite keine Denkanstöße erhielt.
Abgesehen von den unanständigen Doktorspielen im Alter von ungefähr neun Jahren, die er aufgrund des elterlichen, aufklärungsfernen Schockreflexes schnell verdrängt hatte, diente der Pippi reinweg zum Wasserlassen. Infolgedessen kam Nick nicht auf die Idee, Vater oder Mutter auszuhorchen, ob der Pimmel für Weiteres zu benützen wäre, auch als der manchmal verknöcherte.
Seine Eltern sahen es generell für nicht notwendig an, einen uninteressierten Jungen frühzeitig mit körperlichen Besonderheiten und Fortpflanzungssachverhalten aufzurütteln. In dem streng katholischen Haushalt wurden erotische Belange ohnedies totgeschwiegen. Nur einmal, als kleines Kind, ermahnte ihn seine Mama bei einem Wannenbad, den Zipfel über die Eichel zurückzuziehen, um Penisspitze und Furche zu säubern. Die ersten Dehnvorgänge der Vorhaut schmerzten und bescherten keine Glücksgefühle.
Nick wurde älter. Mit sechszehn Jahren fiel ihm auf, dass Gleichaltrige mitunter eine Freundin ausführten und mit ihr schmusten. Er spürte, die Zeit wäre auch reif für ihn, ein frauliches Wesen an seiner Seite zu haben, obschon er nicht richtig wusste, warum und wofür. Die Zeit des Spielens war zweifellos vorbei, er war ja nicht mehr Kind. Allein Sport und Schule füllten jetzt die Tage aus. Das magische Dreieck seines Lebens könnte eine Freundin wieder komplettieren. Auf jeden Fall wollte er nicht als Letzter im Bekanntenkreis ohne Mädchen dastehen.
Von nun an versuchte er, beim weiblichen Geschlecht einen guten Eindruck zu hinterlassen. Nick kleidete sich sorgfältiger, badete häufiger und die in dieser Zeit angesagten langen Haare waren frisch gewaschen und geföhnt. Das bis dahin geschätzte und zweckdienliche Zweirad verschmähte er ab sofort und bewegte sich kultiviert zu Fuß. Den für Mädchen gerne verwandten Ausspruch „Dumme Gänse!“ strich er aus seinem Vokabular, um sich nicht unbeliebt zu machen und als unreif zu gelten.
Das Glück stand Nick zur Seite. Im Nachbarhaus zog eine Familie mit drei Kindern ein, darunter ein hübsches brünettes Mädchen in seinem Alter. Helen! Er strahlte sie an, wenn er sie sah, und grüßte anständig. Sie erwiderte die Höflichkeiten, was ihn mutiger machte.
Eines Tages fasste er sich ein Herz und fragte, ob sie nicht Lust hätte, mit ihm in die Disco zu gehen. Helen gefiel der Vorschlag, musste sich das Vorhaben aber erst von der Mutter absegnen lassen. Damit war der Discoabend zu Ende, bevor er begann.
Nick strengte sich an, Helens Mutter umzustimmen, was scheiterte. Später glaubte er, seine seriöse Art, wie er sich bemühte, das Nein in ein Ja umzudrehen, hinterließ bei Helens Eltern einen positiven Eindruck. Für die Zukunft war das allemal wichtiger, als ein erster gemeinsamer Tanzabend. Außerdem wurde erlaubt, anstelle der Disco zu Hause Schallplatten zu hören, wobei in regelmäßigen Abständen ein Elternteil vorbeiguckte, ob zwischen Nick und Helen nichts Unzüchtiges passierte. Es war ein wunderschöner Abend mit dem Beginn einer lang andauernden ersten Liebe.
Die Zuneigung beider steigerte sich mit jedem Treffen. Die Nähe Haustür an Haustür begünstigte, schnell nebenan zu klingeln und sich mal hier und mal dort zu treffen. Zwischenzeitlich war es ihm ebenfalls gestattet, die Tochter des Hauses auszuführen. Auch Nicks Eltern waren mit dem netten Mädchen von nebenan einverstanden und freuten sich über die erste Liebe ihres Jungen.
Fünf Wochen war es rein platonisch. Die Freundin zu küssen, sparte Nick zunächst aus. Er befürchtete, mit solchem Tun eine Schwangerschaft heraufzubeschwören, die es in seinem mittellosen, jugendlichen Alter unter allen Umständen zu vermeiden galt. Er wollte sich ja nicht die Zukunft verbauen und gegebenenfalls die Pläne fürs Studieren aufgeben, bloß weil er eine Familie zu ernähren hätte.
Irgendwann hatte er aufgeschnappt, dass Kinder gezeugt werden und von der Frau geboren. Nur der diffizile Gesamtablauf blieb ihm lange verborgen. Der Klapperstorch war hingegen niemals ein Thema. In Kindestagen stellte sich gar nicht die Frage, woher Babys kamen.
Nach einer Weile küsste er Helen doch. Schließlich knutschten alle Weggefährten mit der Angebeteten und zwar fortgesetzt, ohne dass zuhauf unwillkommene Babys in Kinderwägen gesichtet wurden. Die von Halbwissen geprägten Unterhaltungen im Freundeskreis deuteten ebenfalls daraufhin, das andere Geschlecht risikolos küssen zu können.
Küssen machte Spaß, zumal beide feststellten, dass es viele Möglichkeiten gab, die Lippen aufeinanderzupressen. Als sich erstmals ihre Zungen berührten, begann ein neues Stadium der Liebe.
Das kindliche Liebkosen war zu Ende. Die Lust erwachte, wenn auch unbewusst und ganz zart. Jetzt gab es nur noch Zungenküsse und die Mundhöhlen wurden gegenseitig erforscht. Zwangsläufig tauschten sie Speichel aus, was ihnen eine neue Intimität schenkte, die prickelte und den ganzen Körper erfasste.
Auf der erotischen Entdeckungsreise folgte das Erobern von Helens Busen. An einem Abend kamen sie sich ungeplant näher.
Es wird immer behauptet, Mädchen sind früher reif als Jungen. Auf Nick und Helen traf dies jedenfalls zu.
In einem neckischen Ringkampf fasste er versehentlich an ihre Brüste. Sie gab zu verstehen, es zu mögen, und öffnete die Bluse. Nick streichelte den altbackenen Büstenhalter und vermied den direkten Hautkontakt, bis Helen ihm anzeigte, dass unter den Körbchen die Musik spielte. Also arbeitete er sich zu den nackten Brüsten vor, beäugte die erhabene Andersartigkeit mit großen Brustwarzen und fummelte an ihnen ehrfürchtig herum. Schließlich befreite er den Busen von der Kleidung und küsste ihn heftig.
Der innere Drang, dies zu tun, war ihm ein Rätsel. Er folgte dem Instinkt, das vom Gefühl her Verbotene zu wagen. Die Freundin ließ es geschehen, ohne über die Begebenheit an sich und die besonderen Vorlieben, wie er den Busen streicheln und küssen sollte, ein Wort zu verlieren. Petting hieß diese Stufe des sexuellen Erkundens, das sich zunächst auf den oberen Körperbereich konzentrierte.
Danach musste Nick erst einmal verdauen, verdorben und schamlos gehandelt zu haben. Er wollte seine Liebste ein paar Tage nicht sehen. Helen verstand nicht, dass er abtauchte, zumal sie die Freundschaft durch gewachsenes Vertrauen aufgewertet sah. Es hätte viel Sinn gemacht, über das Thema zu sprechen, was nicht geschah. Sie taten das Unausweichliche, redeten aber nicht darüber.
Die nächste Zeit klappte Nick die Bettcouch in seinem Zimmer zahlreicher auf, wenn Helen ihn besuchte, um bei sanfter Popmusik gemeinsam zu kuscheln und ihre Brüste zu liebkosen. Das Vorbestimmte geschah an einem stürmischen Herbstabend. Während draußen der Dauerregen vom Wind gepeitscht an die Scheibe prasselte, ging Helen in der Intimität einen tiefgreifenden Schritt weiter. Unter der Zudecke ertastete sie Nicks Schoß, öffnete die Hose, zog den Slip herunter und bearbeitete das Glied mit zartfühlenden Händen. Er duldete es verstört und regungslos.
Die verbotenen Doktorspiele aus der Kindheit erwachten in ihm. Der Pimmel wuchs spontan unter ihren Händen, was ihn erstmals auf eine besondere Funktion schließen ließ.
Dann kündigte sich der Samenerguss an. Die Wohlgefühle stoppten Knall auf Fall. Er geriet in Panik, da er wähnte, pinkeln zu müssen. Mit aller Gewalt presste Nick die Oberschenkel zusammen, besaß jedoch keine Chance, die Ejakulation zu verhindern. Es erschütterte ihn, vor seiner Geliebten vermeintlich Pippi zu machen und es nicht abwenden zu können. In der Not fiel ihm nicht auf, dabei ein ungewöhnliches Pulsieren verspürt zu haben.
Angesichts des unfassbaren Missgeschicks schämte er sich und wäre am liebsten im Boden versunken. Helen bemerkte, wie verlegen er war, und kramte aus der Handtasche ein Papiertaschentuch hervor. Ehe Nick sich die Konsistenz des schleimigen Ausflusses hätte ansehen können, wischte sie es unter der Zudecke weg.
Der Einfall, im Sinne eines paritätischen Zugriffs auch Helen zwischen den Beinen zu entdecken, ereilte Nick an diesem Tag nicht mehr. Der Abend klang damit aus, harmlos nebeneinanderzuliegen und über das Erlebte zu schweigen. Nick beschäftigte sein peinliches Pinkeln und Helen fehlte der Mut, die vorangegangenen stimulierenden Busenberührungen als erotische Triebfeder für ihre überfallähnliche Hosenattacke einzugestehen.
Nicks Verliebtheit verzeichnete anschließend zwei Wochen Sendepause. Um den beispiellosen Vorfall seelisch zu verarbeiten, benötigte er eine größere Zeitspanne als beim Erstürmen ihrer Brüste. Nebenbei begann er, die eklatante Bildungslücke über den erlebten Vorgang zu schließen. Helen war einmal mehr enttäuscht, schenkte ihm aber erneut die beanspruchte Zeit.
Die folgenden Zusammenkünfte endeten regelmäßig mit heruntergelassenen Unterhosen auf der ausgezogenen Couch, sofern nicht Vater oder Mutter im Wege standen. Immerhin achteten die Eltern streng darauf, nicht der Unzucht – im drolligen Bürokratendeutsch ausgedrückt – „Vorschub zu leisten“ und damit den bis in die 1970iger Jahre geltenden Straftatbestand der Kuppelei zu erfüllen. Konsequent nutzten Helen und Nick jede sich bietende Gelegenheit, wenn die Eltern außer Haus weilten.
Helen lehrte Nick, auch den unteren Teil des Frauenkörpers kennenzulernen. Sie führte seine Hand an ihre Muschi, die er unbeholfen betastete und erkundete. Dennoch muss er in Helen Lustgefühle geschürt haben. Sie überredete ihn, mit ihr zu schlafen, was er nur halbherzig tat. Um keine ungewollten Nachkommen zu riskieren, zog er vorzeitig den Penis heraus. Mit diesem Höhepunkt, der letztlich keiner war, hatte Nick die wichtigsten Eigenheiten des sexuellen Miteinanders kennengelernt, ohne die Feinheiten zu beherrschen.
Bald darauf fand Helen einen Arzt, der ihr die Pille verschrieb, und zwar entgegen der damaligen Auflage, das moralverwerfliche „Teufelszeug“ nur sittsam verheirateten Damen zu genehmigen.
Den horizontalen Stelldicheins tat das gut. Ihre Herzen klopften von nun an nicht mehr aus Nervosität, möglichenfalls Kinder zu zeugen, sondern allein aus der Lust.
Über die Lüsternheit zu reden, wurde weitgehend ausgespart. Gespräche zwischen Helen und Nick zu dem Thema blieben Stückwerk. Ob Helen mit ihm jemals einen Orgasmus erlebte, erfuhr er nie. In seiner Unsicherheit traute er sich nicht, sie hiernach zu befragen.
Die erotischen Erfahrungen der Kinder- und Jugendtage sowie fehlende Gespräche mit Bezugspersonen, die ihm hätten helfen können, die erlebten Sinneseindrücke zu verarbeiten, verstärkten im Erwachsenenleben Nicks spezielle Veranlagung: Sex und Liebe besitzen für ihn nur eine geringe Schnittmenge. Deshalb ist Liebe für ihn kein Potenzmittel, mutmaßlich war sie das nie.
Die innigen Zusammenhänge von Liebe und Sex kennt er bloß aus Kino und Fernsehen, wenn in Liebesszenen große Gefühle Schmetterlinge im Bauch erwecken und die Liebenden sich mit schmachtenden Blicken anhimmeln. Holzschnittartig schließt sich der in seinen Augen lächerliche und deplatzierte Beischlaf an. Er kann nicht begreifen, dass das die Wirklichkeit sein soll, das reale Leben. Da tickt er ganz anders.
Für ihn versprüht solch eine vorbildliche Liebe unzweifelhaft den Geist der Kirche, die Sex allein toleriert, wenn es darum geht, sich häufig fortzupflanzen. Dieses Ziel im Auge ist wohl auch erlaubt, Lust verspüren zu dürfen, weshalb der gottesfürchtige Kirchgänger getrost darauf bauen kann, nichts Sündiges zu tun und nach dem Ableben direkt in den Himmel aufzusteigen, ohne den beschwerlichen Umweg über das Fegefeuer. Sex als liebevolle Hingabe zum Ehepartner! Nick malte sich aus, wie bei ständigen Fehlversuchen, sei es den Akt zu vollziehen oder beim Zeugungsresultat, die Bettszenen unharmonischer und stressiger ausfallen. Die Liebesharmonie zerbröselt im Bett, wie er das selbst kennenlernte zu Zeiten des Kinder-kriegen-wollens.
Die Wortkombination „Liebe machen“ ist für Nick widersinnig. Für ihn hat Liebe so gut wie nichts mit Sex zu tun und schafft es nicht, den Schwanz anhaltend zu versteifen. Liebe bemächtigt sich bei ihm in der Weise, die Partnerin zu herzen, zu küssen, mit ihr zu schmusen, zärtlich zu sein und allenfalls Flüssigkeiten im Mund auszutauschen. Ja, am besten in die Liebste hineinkriechen, mit ihr eins werden, … ohne das Ding in sie reinzustecken. Das ist wahre Liebe.
Sex kommt ihm beim herzlichen Liebkosen nicht in den Sinn. Der findet bei Nick auf einer vollends anderen Ebene statt. Sex ist für ihn eine zeitlich begrenzte Besessenheit, eine Gier, ein unbändiger Trieb, der im entsprechenden Moment durch seine geilen Gedanken angestachelt wird und sich phasenweise zur exzessiven Sucht auswächst.
Heißhunger auf Sex, schlimmer als eine Fressattacke auf Schokolade. Der Verstand rutscht in die Unterhose und bewegt sich ohne Vollzug nicht mehr hinaus. Menschlich animalisch! So etwas sieht man seltener in einem gewöhnlichen Filmtheater, aber wenn, dann nur in einem hitzigen One-Night-Stand.
Nun springt Nick in den sexbesessenen Augenblicken weder das erstbeste weibliche Wesen an, noch holt er sich bei nächster, unpassender Gelegenheit zwanghaft einen runter. Dazu hat er sich viel zu sehr unter Kontrolle. Sich auf andere Dinge des täglichen Lebens zu konzentrieren, fällt aber schwer, wird fast unmöglich. Der Geist ist beseelt, die Lust auszuleben, zu befriedigen und Sex in allen erdenklichen Variationen zu konsumieren … und zu gestalten.
In der Endphase der begehrlichen Momente lechzt er nach tabulosen Spielen, die bei normalem Verstand dem Hirnkasten nicht entspringen. Kopf-Kino! Die richtig scharfen Phantasien im Kopf, vielleicht angetörnt durch ein paar Hardcore-Pornos, machen ihn geil und den Penis dick und hart.
Erst wenn er abgespritzt hat, kehrt Nick in die schwanzlose Welt zurück und ist verblüfft über das hemmungslose, sexgesteuerte Denken. Dann und wann beschleicht ihn gar ein sündiges Schamgefühl und er versucht, die obszönen Gedanken und das unanständige Verhalten zu verdrängen. Bis zum nächsten Mal, was in den heißen Phasen nicht lange auf sich warten lässt.
Leider war Nick in den wirklich glücksbringenden Sexmomenten oft allein und die eigene Hand einzige Erfüllungsgehilfin. Richtig Spaß bereitet Sex aber nur mit der rechten Partnerin. Mithin bestand Nicks größtes Problem darin, Tina seine andersgearteten Erotikphantasien nahe zu bringen, um sie wahr werden zu lassen, … und zwar mit ihr gemeinsam.
Aber wie? Seit einiger Zeit bedeutete die sexuelle Erfüllung schon ohne jegliche Besonderheiten ein schwieriges Unterfangen. Jedes Mal, wenn die Leidenschaft aufkeimte, fragten sie sich, ob der andere denn auch gerade Lust hat. Das herauszufinden, erforderte Mut und Eigeninitiative. Der Partner wurde unauffällig nach Lustambitionen ausgeforscht. Alternativ ließen sie zweideutige Anspielungen fallen, um zu sehen oder zu hören, ob sie fruchteten. Die ersehnte Reaktion geschah weniger häufig als man denkt. Ab und an passierte es doch.