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Von jeher gab es in der Freimaurerei Diskussionen über richtig und falsch. Die Regularität war oft ein Thema. Und auch die Frage, ob die Freimaurerei auf die Dombauhütten zurückgeht oder ob vielleicht viel ältere Einflüsse zu finden sind, hat für Debatten gesorgt. Der Begriff des Großen Baumeisters aller Welten beschäftigt die Freimaurer seit Jahrhunderten und die Frage nach der Rolle der Religion hat die gesamte französische Freimaurerei in die Irregularität getrieben. Schon Albert Pike beklagte in seinen Briefen, dass viele Freimaurer seiner Ansicht nach die Hintergründe des Rituals und der Symbolik nicht wirklich verstünden. René Schon und Kai Stührenberg sind Brüder, die die Freimaurerei sehr ernst nehmen. Beide haben unterschiedliche Wurzeln und setzen in der Freimaurerei sehr unterschiedliche Schwerpunkte. Das Ziel dieses Buches soll es sein, die unterschiedlichen Sichtweisen und Interpretationen der Freimaurerei zu verdeutlichen und dabei das Gemeinsame herauszustellen. Vereint in der Vielfalt und frei von Dogmen bietet die Freimaurerei eine Vielzahl von Möglichkeiten zur persönlichen Entwicklung und für die Gesellschaft als Ganzes.
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Seitenzahl: 140
Veröffentlichungsjahr: 2021
Rene Schon, Kai Stührenberg
Einheit in der Vielfalt
Toleranz, Offenheit und Brüderlichkeit als Her-ausforderung für die Freimaurerei der Zukunft
© 2021 Rene Schon, Kai Stührenberg
Verlag und Druck:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN
Paperback:
978-3-347-39919-8
Hardcover:
978-3-347-39920-4
e-Book:
978-3-347-39921-1
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Inhalt
Widmung
Die Autoren
Vorwort
Die drei Kategorien in der deutschen Freimaurerei
Lehrarten und Denkweisen
Vom Ursprung der Freimaurerei und ihrer Symbolik
Die Hochgrade – sinnvolle Ergänzung oder Spinnerei?
Humanismus vs. Spiritualität
Sind Freimaurer Vereinsmeier?
Sind wir Freimaurer bessere Menschen?
Glaube und Atheismus in der Freimaurerei
Pantheismus als gemeinsamer Ausweg?
Regulär oder irregulär – ist diese Frage relevant?
Die Frage der Modernität oder der Markenkern der Freimaurerei
Toleranz als Basis freimaurerischen Handelns
Grenzen der Toleranz
Reformierung der Freimaurerei - Einheit in der Vielfalt als Lösung für die Zukunft
Aufklärung neu definiert – Aufklärung 2.0
Thesen zur Reformierung der Freimaurerei
Fazit und Schlusswort
Widmung
Wir widmen dieses Buch allen Brüdern und Schwestern, die sich nicht mit den unterschiedlichen Auslegungen der aus ihrer Sicht „wahren Freimaurerei“ beschäftigen wollen, sondern die an die Einheit durch Vielfalt glauben und sich offen und vorurteilsfrei mit unterschiedlichen Sichtweisen und Schwerpunkten der Freimaurerei auseinandersetzen.
Wir danken allen Brüdern und Schwestern für die Inspiration zu diesem Projekt und für viele Gespräche und Diskussionen.
Ganz besonders danken wir Jens Rusch für das schöne Buchcover, sowie unseren Partnerinnen an unserer Seite und auch unseren Kindern für die Geduld, mit der sie dieses Buch ermöglichten.
Die Autoren
René Schon
ist 1976 in Fürth/Bayern geboren, liiert und hat einen Sohn. Er ist ein Freimaurer mit ausgeprägtem humanitärem Ansatz und bekennender Atheist.
Er ist Mitglied der Loge Jacob de Molay zum Stern im Süden („Südloge“). Zudem ist er Mitglied der Freimaurer Forschungsloge Quatuor Coronati und Mitglied des Emirat Shriners in Heidelberg. Zudem betreibt er den Freimaurer Blog www.freimaurergedanken.com.
Er ist bekennender Freimaurer und trägt dies auch sichtbar deutlich nach außen. Die Grundlagen der Freimaurerei, Gleichheit, Toleranz, Freiheit, Brüderlichkeit/Schwesterlichkeit und Humanität bilden für ihn die unumgänglichen Eckpfeiler dieses ethischen Bundes. Er setzt sich für die Zusammenarbeit unter den verschiedenen Großlogen ein und ebenso für ein brüderliches und schwesterliches Miteinander. Freimaurerei ist für ihn ein Werkzeug, ethische und moralische Werte zu vermitteln.
Von ihm sind im Salierverlag bereits folgende Bücher erschienen:
Ernst und Falk 2014: Gespräche für Freimaurer (ISBN-10: 9783943539523 oder ISBN-13: 978-3943539523)
Laut denken mit einem Freund: Logengespräche über Politik, Gesellschaft und Religion (ISBN-10: 9783943539912 oder ISBN-13: 9783943539912)
Kai Stührenberg
ist 1964 in Bremen geboren, verheiratet, drei Kinder, wohnhaft in Bremen.
Meister in der 3WK Loge "Zum Silbernen Schlüssel", im Vorstand des Fördervereins Freimaurer Wiki e.V.. Mitglied der Albert Pike Lodge 1067 und des Inneren Orient der Großen Loge Royal York zur Freundschaft. Autor des Buchs Buch "Die Arbeit am rauen Stein - Ein Arbeitsbuch für Freimaurer im Lehrlingsgrad" im Leipziger Freimaurer Verlag erschienen.
Mitglied des York Ritus und der im Kapitel Adam Kraft Hannover und Mitglied der Societas Rosicruciana in Anglia (SRIA) im Georg Forster College Hannover. Dazu Knight Templar in der Preceptory #15 Albert Pike und im Order of The Holy Royal Arch Knight Templar Priests und dem Order of Holy Wisdom, sowie im Order of Jerusalem, Rhodos and Malta.
Kai ist offen bekennender Freimaurer, dem die ethisch moralische Ausrichtung und Werteorientierung des Bundes wichtig sind, als Beispiel für alle Menschen in unserer Gesellschaft. Kern der Freimaurerei ist für ihn neben dem Kreis der vertrauten Brüder vor allem das Ritual mit der Symbolik, die Kai in vielen Punkten aus hermetischer und gnostischer Sicht interpretiert. Er glaubt, dass es ein Gewinn für den Bund wäre, wenn die Freimaurerei sich ihrer spirituellen Wurzeln wieder mehr bewusst wird und lernen würde, sie als Schatz anzunehmen. Aus seiner Sicht könnte der Bund dadurch seine Bedeutung für die Zukunft sichern, weil er den Menschen, in einer Zeit, in denen der "moderne" Mensch vielen Herausforderungen ausgesetzt ist, einen echten Mehrwert bieten kann.
Vorwort
Von jeher gab es in der Freimaurerei Diskussionen über richtig und falsch. Die Regularität war oft ein Thema. Und auch die Frage, ob die Freimaurerei auf die Dombauhütten zurückgeht oder ob vielleicht viel ältere Einflüsse zu finden sind, hat für Debatten gesorgt. Der Begriff des Großen Baumeisters aller Welten beschäftigt die Freimaurer seit Jahrhunderten und die Frage nach der Rolle der Religion hat die gesamte französische Freimaurerei in die Irregularität getrieben.
Schon Albert Pike beklagte in seinen Briefen, dass viele Freimaurer seiner Ansicht nach die Hintergründe des Rituals und der Symbolik nicht wirklich verstünden.
Pike steht wie kaum ein anderer für die esoterische Sichtweise auf die Freimaurerei. Das Internationale Freimaurerlexikon von Lennhoff und Posner schiebt diese Themen dagegen eher in den Hintergrund und interpretiert sie rein historisch. Autoren wie Hans-Herrmann Höhmann haben plausible Neuinterpretationen von Ritual und Symbolik veröffentlicht, die viele Maurer angesprochen haben und in denen der humanistische Ansatz mit der Spiritualität zusammengebracht wird. Andere wie Klaus-Jürgen Grün haben mit ihren Interpretationen und den Anfeindungen gegen den Freimaurer Orden stark polarisiert. So wie es aussieht gibt es die unterschiedlichsten Auslegungen, was denn nun die „wahre“ oder „richtige“ Freimaurerei ist.
Eine rein humanistische Interpretation der Freimaurerei ist hierzulande recht weit verbreitet. Vor allem die größte Großloge, die Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland (A.F.u.A.M.v.D.) propagiert diese Sichtweise, auch wenn sie sich noch im Rahmen der von der United Grand Lodge of England (UGLE) gesetzten Bedingungen für die Regularität und Anerkennung bewegt. Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland (Freimaurerorden) hält fest am christlichen Glauben, der auch im Gesamtsystem der zehn Grade verankert ist. Die Große National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln stellt sich nach außen eher humanistisch dar, auch wenn ihre Rituale relativ viele christliche Bezüge beinhalten. In fast allen Hochgradsystemen finden sich zahlreiche christliche und auch mystische Elemente. Gleiches gilt für die British Freemasons in Germany.
In den Debatten über die „wahre Freimaurerei“ werden oft Begriffe wie Spiritualität und Religiosität miteinander vermischt. Der Anteil der Freimaurer, die den Bund streng an der christlichen Religion ausgerichtet betrachten, ist in Deutschland sehr klein. Allerdings gibt es eine große Zahl von Brüdern, die sich als areligiös und vielleicht sogar als atheistisch bezeichnen würden und trotzdem in der Freimaurerei einen großen spirituellen Anteil sehen. Viele Freimaurer betrachten sich auch als Agnostiker, also jemanden der zweifelt und Fragen hat. Eine für einen Freimaurer, der selber denken soll, sicher sehr passende Einstellung. Diese Vielfalt sollten wir wertschätzen und nicht zum Gegenstand von kleinkarierten Auseinandersetzungen machen.
Die Interpretation des „Supreme Being“, die bei James Anderson in seinen „Alten Pflichten“ beschrieben wurde, ist mannigfaltig und manche sagen heute nicht mehr relevant. Andere hingegen halten sie für essentiell, was dazu führt, dass über dieses Thema viel gestritten wird. Die Argumente, die einen personifizierten Gott als nicht wissenschaftlich und überkommen darstellen, mögen modern und vernünftig erscheinen, treffen aber ins Leere bei den Brüdern, die im „Supreme Being“ eher ein schöpferisches Prinzip, als einen Mann mit weißem Bart sehen. Diese wiederum sind den Freimaurern, die das „Supreme Being“ eher als die Natur oder die Naturwissenschaften und ihre Gesetze betrachten, sehr nahe. Oft verengt sich die Debatte auf den Religionsbegriff der heutigen monotheistischen Religionen. Diese haben historisch bedingt natürlich ihre Spuren in der Freimaurerei hinterlassen. Viele Einflüsse in der Freimaurerei sind aber eher auf dem Gottes- oder Weltverständnis eines Pythagoras oder dem der alten Mysterientraditionen zurückzuführen. In der Freimaurerei finden wir definitiv mehr „Meister Ekkehart“ als „Martin Luther“. Zum Verständnis bedarf es also der Beschäftigung mit all diesen Dingen und vor allem der Differenzierung.
Manche Brüder, die sich selbst als Atheisten bezeichnen, sind vielleicht eher den Pantheisten zuzuordnen, was dem ganzheitlichen Ansatz vieler Freimaurer entspricht. In der Freimaurerei geht es um ein Verständnis des eigenen Selbst im Verhältnis zur Welt. Freimaurer erkennen ein höheres Prinzip der Schöpfung an (eben das sogenannte „Supreme Being“) ohne dass Freimaurerei selbst eine Religion wäre. Und ohne, dass dies zwingend Gott sein muss.
Zum Kosmos der Freimaurerei gehören aber eben auch die Brüder, die von einem vollkommen rationalistischen Weltbild geprägt sind. Auch diese leben ihr Freimaurersein mit großer Ernsthaftigkeit als Atheisten aus.
Die Freimaurerei sollte frei von Dogmen sein und daher sind Freimaurer unserer Ansicht keinem Gott Rechenschaft schuldig. Sie handeln eigenverantwortlich im Sinne einer höheren Ethik. Freimaurer sehen das schöpferische Prinzip auf unterschiedliche Art und Weise in jedem Teil des Universums. Wie die Hermetiker sagen; „Wie oben so unten, wie im Großen, so im Kleinen“.
Es gibt Denkrichtungen aus der Antike, die großen Einfluss auf die Freimaurerei ausgeübt haben, wie z. B. die Lehren von Platons und Pythagoras. Diese haben in ihrer Systematik eine weitaus größere Nähe zur Freimaurerei als die monotheistischen Religionen.
Widmet man sich der freimaurerischen Literatur der vergangenen 100 Jahre, dann finden wir eine im Grunde sehr unfreimaurerische Debatte über die Auslegung und das Verständnis der Freimaurerei, die interessanterweise viel mehr von Rechthaberei als von Verständnis, vielmehr von Polarisierung als von Toleranz geprägt ist. So wie wir Brüder alle verschieden sind und unsere verschiedenen Intentionen im Bezug zur Freimaurerei haben, steht doch, bei aller Bedeutung der Historie, die Frage: Wie will Freimaurerei im 21. Jahrhundert ihre Daseinsberechtigung begründen? Hier scheinen sich im Wesentlichen (bei aller Vielfalt) zwei Strömungen herauszukristallisieren:
Die „introvertierte“, die die Prioritäten auf die Bedeutung als Mysterienbund und esoterische Lehre versteht, und die „extrovertierte“, die ihre Priorität in ihrem Wirken nach außen, in die Gesellschaft hinein, findet, teilweise unter partieller Preisgabe des Arkanums und der Vernachlässigung der Erforschung der freimaurerischen Wurzeln.
Ist es denkbar, dass diese beiden Strömungen gleichberechtigt nebeneinander zum Wohle der Freimaurerei arbeiten? Oder soll das Ziel sein, dass diese Strömungen irgendwann zusammenfließen? Oder wird es ein Konkurrenzkampf sein, ein Schisma, den nur eine der Strömungen langfristig überleben wird? Unsere Antwort auf diese Frage heißt „Einheit in der Vielfalt.“
Wir sprechen immer von der Arbeit am Tempel der Humanität. Darunter verstehen die einen die Arbeit am eigenen Charakter und die anderen die Arbeit an der Gesellschaft. Im Endeffekt läuft beides auf einen positiven Effekt auf die Menschheit hinaus, und das ist gut und richtig so. Aber reicht dies aus? Keineswegs, denn, wenn wir an der Menschheit arbeiten wollen, so muss uns ein Idealweg der Entwicklung vorschweben. Diesen in groben Zügen zu kennzeichnen, dafür haben wir unsere Lehrmeinung, dafür haben wir das hiernach bearbeitete Ritual.
Wenn wir diesen Gedanken verfolgen, dann heben wir die Unterschiede in den Lehrmeinungen der verschiedenen Lehrarten über kleinliche Streitereien um Worte und Äußerlichkeiten des Rituals hinaus. Dann erblicken wir in ihnen den Ausfluss unterschiedlicher Auffassungen über den Gang der Menschheitsentwicklung. Solche Unterschiede aber müssen wir achten und ehren. Hierbei handelt es sich um eine Angelegenheit, über die nicht nur eine einzige Anschauung bestehen kann.
Müßig ist jeder Streit darum, wer Recht hat. Es irrt der Mensch, so lange er strebt. Nur darauf kommt es an, dass jeder den Wunsch und den Willen hat, sich nach seinem Können und seinen Fähigkeiten mit den Rätseln der Allmacht und der Unendlichkeit auseinanderzusetzen.
Immer wieder gab es Diskussionen darüber, ob sich was an der Freimaurerei ändern muss, und wenn ja, was? Rituale wurden geändert und modernisiert, aber die Frage, ob dies zu einer modernen und zukunftsfähigen Maurerei beitragen kann, bleibt bis heute unbeantwortet. Gerade in den letzten Jahren erstarkt diese Debatte wieder und man meint fast Flügeldiskussionen zu erleben. „Wir müssen uns öffnen!“, wird gefordert und: „Wir wollen das Image des Geheimbundes loswerden.“ Bücher erscheinen, deren Autoren die humanitäre Freimaurerei loben und damit nach ihren Vorstellungen auf dem Weg zu einer „modernen“ Freimaurerei sind.
Andere sehen genau in der Rückbesinnung auf die alten, heute oft verborgenen Inhalte einen Weg, junge Menschen noch stärker zu erreichen. Sie betrachten die intensive Arbeit an sich selbst und die geistige und spirituelle Entwicklung als zentralen Ansatz der Freimaurerei. Wieder andere beharren auf dem: „Das war schon immer so und das aus gutem Grund, deswegen brauchen wir auch keine Veränderung“.
Für manche kann eine zukunftsfähige Freimaurerei nur eine humanistische sein, für andere wiederum würde sie damit ihre Essenz verlieren. Sollte die Freimaurerei ein Service-Club werden oder eben genau dies nicht? Wo fängt Modernität an und wo wird sie zur Profanisierung? Die Meinungen dazu sind vielfältig, und es wird viel Energie darauf verwendet, die jeweils andere Ansicht als überkommen, konservativ oder ewiggestrig oder andererseits als profan und entstellend zu brandmarken.
Alle Seiten führen nachvollziehbare Argumente für ihre jeweilige Position an und alle Gruppen haben das Recht, ernstgenommen zu werden, so lange sie sich offen der Diskussion stellen. Die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Ansichten sind immer ein Gewinn, denn sie bringt den einzelnen Bruder oder die Schwester immer weiter auf dem Weg zur eigenen Erkenntnis.
Der Diskurs zu diesen Themen verläuft aber leider in vielen Fällen nicht nach brüderlichen Werten, sondern geht im Gegenteil oft mit Streit und Kränkung einher. Wieso wird diese Debatte so polarisiert und heftig geführt? Und warum schaffen wir es nicht, stattdessen die Vielfalt in unserem Bund wirklich zu leben und wertzuschätzen?
René Schon und Kai Stührenberg sind Brüder, die die Freimaurerei sehr ernst nehmen. Beide haben unterschiedliche Wurzeln und setzen in der Freimaurerei sehr unterschiedliche Schwerpunkte. Das Ziel dieses Buches soll es sein, die unterschiedlichen Sichtweisen und Interpretationen der Freimaurerei zu verdeutlichen und dabei das Gemeinsame herauszustellen. Vereint in der Vielfalt und frei von Dogmen bietet die Freimaurerei eine Vielzahl von Möglichkeiten zur persönlichen Entwicklung und für die Gesellschaft als Ganzes. Welchen Wert hat diese Vielfalt, wie können wir damit umgehen und vor allem welches Kapital können wir daraus für die Maurerei der Zukunft ziehen? Diese Fragen sollen auf den folgenden Seiten erörtert werden.
Die Autoren haben in diesem Buch neue Texte mit bereits vorhandenen Vorträgen kombiniert. Bewusst haben wir uns dagegen entschieden, kenntlich zu machen, von welchem Autor welcher Satz kommt. Zu groß wäre die Versuchung für den Leser, sich schnell einer Position zuzuordnen und von dieser ausgehend sich selbst zu bestätigen. Genau aber das sollte vermieden werden. Es ist nicht wichtig, wer etwas schreibt, und zur Beurteilung einer Aussage bedarf es auch nicht der Zuordnung zum einen oder anderen Lager. Wir laden den Leser ein, sich einfach auf das geschriebene Wort einzulassen. Frei von der eigenen Positionierung. Ganz im Sinne der freimaurerischen Offenheit und Toleranz, die wir so gerne für uns in Anspruch nehmen.
Rene und Kai identifizieren sich also jeweils nicht mit jedem Satz in diesem Buch, sondern betrachten lediglich jede Aussage als eine legitime freimaurerische Sichtweise, der sie mit Respekt begegnen und die sie als mögliche Option für die Freimaurerei annehmen.
Absolute Einigkeit herrscht bei uns aber darüber, dass weder Vereinsmeierei, Postengeschachere und Formaldiskussionen, das freimaurerische Leben bestimmen sollten. Wenn die Freimaurerei eine Zukunft haben soll, dann muss sie sich davon mehr und mehr lösen und wieder zu echten Inhalten kommen, Brüdern und Schwestern einen echten Mehrwert bieten und Wert auf die Tiefe und das Verständnis des Rituals legen.
Nur so laufen wir nicht Gefahr irgendwann als anachronistischer Männerverein mit historischem Tand zu enden, sondern ein wirksamer Ethikbund zu sein, in dem der Bruder und die Schwester sich wirklich entwickeln können und der dadurch auch eine gesellschaftliche Relevanz bekommt.
Die drei Kategorien in der deutschen Freimaurerei
Im Grunde ist die Freimaurerei zu komplex, um sie in nur drei Ebenen einzuteilen. Bei längerer Betrachtung kristallisieren sich aber für die Deutsche Freimaurerei doch drei Kategorien von Freimaurern heraus, die wir näher beschreiben möchten.
Die Grenzen sind natürlich fließend und das Entscheidende ist, dass alle Ebenen miteinander verbunden sind. Es ist wesentlich, dass die drei Ebenen untrennbare Bestandteile der Freimaurerei sind und keine dieser Ebenen wichtiger oder bedeutsamer ist als die andere.
Es ist durchaus möglich, dass sich ein Bruder oder eine Schwester zuerst der einen Gruppe zugehörig fühlen und später andere Themen für sie wichtiger werden. Meistens sind es konkrete Motivationen und Gefühle, nach denen man sucht, die diese Selbstverortung bestimmen. In vielen Fällen behält aber für den Freimaurer die Ebene die größte Bedeutung, die ihn auch in die Loge gebracht hat.
Es ist so falsch wie menschlich, diese Ebene, der man sich selbst am verbundensten fühlt, als die „richtige Lehre“ zu bezeichnen oder Argumente dafür zu finden, warum die anderen Ebenen falsch oder überflüssig sind. Genauso falsch und menschlich ist es, sich von den anderen Ebenen abzugrenzen. Dies wiederspricht dem Postulat der Brüderlichkeit und der Toleranz.
Die größten Probleme entstehen, wenn man selbst eine verdrängte Ahnung davon hat, dass die eigene Ebene vielleicht weniger bedeutsam sein könnte. Hier erlebt man die stärksten Abgrenzungs-, Verteidigungsund Missionierungseffekte.
Es ist menschlich also nachvollziehbar aber eben nicht wirklich zielführend, wenn man sich nur damit beschäftigt, die eigene Position zu verteidigen und sich nicht auf die Vielfalt der Freimaurerei einlassen will. Man verzichtet aber auf viele Erkenntnisse und auf Gemeinsamkeiten mit vielen wertvollen Brüdern. Vor allem führt dieser Ansatz nicht zur Harmonie im Bund und wirkt nach außen alles andere als den freimaurerischen Werten entsprechend.