Ella & Thanasis - Ea Devlin White - E-Book
SONDERANGEBOT

Ella & Thanasis E-Book

Ea Devlin White

0,0
3,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 3,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

Nach 22 Ehejahren wird Ella von ihrem Ehemann ohne Hinweis auf seinen weiteren Verbleib verlassen. Wenig später verliert Ella auch noch ihren Job. Die Suche nach einer neuen Arbeit gestaltet sich für die 51-Jährige als Ding der Unmöglichkeit. Selbstbewusst gibt Ella nicht auf und sie findet eine Stelle als Buchungsmanagerin in einer exklusiven Ferienanlage auf Rhodos. Der verwitwete Eigentümer der Anlage gilt als beinharter und erbarmungsloser Geschäftsmann. Schon bei ihrer ersten Begegnung krachen Thanasis und Ella gewaltig zusammen. Abgeschlossener Roman mit sehr heißen Szenen zwischen Thanasis und Ella, einigen Hindernissen und einem Happy End.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2020

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Impressum

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

Epilog

Impressum

1. Auflage – Copyright © 2020 Ea Devlin White

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf nur mit Genehmigung der Autorin wiedergegeben werden – das gilt auch für Teile daraus.

Redaktion und Layoutgestaltung: editio historiae

Titelbild: pixabay

Alle Ereignisse und Charaktere sind frei erfunden. Sämtliche Ähnlichkeiten mit Personen, Handlungen und Vorkommnissen sind reiner Zufall.

1

Thanasis gelang kaum ein Nicken, als ihm sein Chauffeur Nektarios die Tür aufhielt. Er glitt auf die Rückbank seiner Limousine und lehnte sich mit einem Aufstöhnen zurück. Sein Kopf drohte gleich zu zerplatzen. Den ganzen Tag war er schon durch die Hölle gegangen. Der Streit mit Kyra hatte ihm den Rest gegeben und er kochte immer noch vor Wut. Er war aber nicht nur auf seine ehemalige Geliebte wütend, sondern auch auf sich selbst. Aus Bequemlichkeit hatte er die Dinge viel zu lang schleifen lassen. Er hätte die Beziehung schon längst beenden müssen, bevor die Situation derart katastrophal kippen konnte. „Ihre Tabletten, Herr Adrianakis. Pippa hat sie mir noch für Sie mitgegeben“, sagte Nektario leise und hielt seinem Arbeitgeber die Packung hin. „Danke, Nek.“ Thanasis nahm das erlösende Medikament ein und konnte nun nur mehr auf die rasche Wirkung hoffen. Aus Rücksicht auf seinen angeschlagenen Chef schloss Nek die Tür so leise wie möglich und setzte sich ans Steuer. Die digitale Anzeige der Uhr auf der Konsole sprang auf 1:49. Draußen war es stockdunkel und die Fahrt zum Flughafen würde ohne Hindernisse verlaufen. „Pippa hat veranlasst, dass der Privatjet in einer Stunde die Starterlaubnis für den Flug nach Rhodos erhält. Iason ist informiert und wird Sie abholen. Er weiß auch, dass Sie sofort in die Ferienanlage gebracht werden möchten. Dort ist man zehn Tage nach der Inbetriebnahme allerdings kaum auf Ihre Ankunft vorbereitet, Herr Adrianakis. Man erwartet Sie erst in zwei Wochen.“ „Genau deshalb will ich hin.“

Ella schlief schon seit Jahren in der Nacht kaum mehr als fünf Stunden und sie brauchte erst gar nicht auf den Wecker zu schauen, um zu wissen, dass es vier Uhr morgens war. Sie zog nur ein Top und ihren Trainingsanzug an, denn sie wollte bei Sonnenaufgang auf dem Strand laufen gehen. Anschließend schlüpfte sie in ihre Winterjacke. Ende Februar hatte es auf Rhodos in der Früh nur 10 Grad Celsius. Sie verließ ihre Unterkunft und genoss die Düfte der Insel. Der Geruch des Meeres, der Pflanzen und der Erde ergaben selbst im Winter eine einzigartige Mischung. Ella freute sich schon auf den Sommer, wenn alles grünte und blühte. Ihre Unterkunft lag mitten in der Anlage, in einem Untergeschoss unter den Ferienhäusern, die für zwei bis sechs Gäste Platz boten. Der gepflasterte Weg durch die Anlage war schwach beleuchtet und Ella steuerte auf den Empfangsbereich zu. Sie grüßte den Nachtportier mit einem Winken. Symeon war in die Übertragung eines australischen Hunderennens vertieft und nahm Ella kaum zur Kenntnis. Ihr Büro lag hinter dem Rezeptionsbereich. Von einem Korridor führten mehrere Türen zu den Arbeitsräumen der Verwaltungszentrale von Adrianas Paradise. Vor acht Tagen hatte Ella mit dem Beantworten von Kundenanfragen begonnen. Sie war immer noch überrascht, wie viele Superreiche, die sich nach Sonne, Sand und Meer sehnten, Rhodos besuchen wollten. Es gab haufenweise Buchungsanfragen, die Ella erst koordinieren musste. Die Anlage hatte rund 30 Unterkünfte. Jede war ein voll funktionstüchtiges Haus. Das Essen wurde von eigenen Servierkräften gebracht und aufgetragen. Eine gemeinsame Ausspeisung wäre zu gewöhnlich gewesen und lag weit unter dem Niveau, das Athanasios Adrianakis anstrebte. Die Gäste trafen nur im exklusiven Restaurant, am riesigen Poolbereich mit den gewaltigen Kinderrutschen oder am Strand aufeinander, wenn sie es wünschten. Ansonsten hatte der Eigentümer jedes Haus in der Anlage so bauen lassen, dass es über einen privaten Garten mit Pool verfügte. Ella drehte das Licht und den Computer auf. Während das System hochfuhr, ging sie ihre Notizen und Übersichten, die auf ihrem Schreibtisch lagen, noch einmal durch. Sie beschriftete eine weitere Haftnotiz, stand auf und ging zum großen Plan der Ferienanlage, den sie am ersten Tag auf mehrere Flipchart-Papiere gezeichnet und mit der Hilfe eines Haustechnikers auf die Wand gehängt hatte. Ella klebte die Notiz auf die Villa, auf die sich die Anfrage bezog. Zum Glück überschnitt sich dieses Mal nichts. Mit einem skeptischen Blick schaute sie zu einem Haus in der Nähe des Poolbereichs, bei dem sich sechs Zettel um einen Platz für die erste Augustwoche rauften.

Wie aus dem Nichts stürzten die Erinnerungen an die vergangenen Jahre auf Ella ein. Lorenzos entrücktes Gesicht, während er ihr erklärt hatte, dass seine Zeit nun endgültig gekommen wäre, um in das Land seiner Träume auszuwandern. Ella hatte seine Wandlung zum Anhänger der Hindu-Religion, das tägliche Yogaprogramm und die stundenlange Meditation schon jahrelang hinnehmen müssen. Lorenzo hatte sich den gewöhnlichen Pflichten eines Familienvaters immer entzogen. In der Anfangszeit ihrer Ehe hatte er mit dem Hinweis auf die Sprachbarriere in Österreich die Karenzzeit mit Stefania übernommen, doch auch, nachdem er Deutsch gelernt hatte, hatte er tausend andere Gründe gefunden, um nie den Anschluss an ein geregeltes Arbeitsleben zu finden. Seine Befindlichkeiten, Intoleranzen und der ständige Hader mit seiner angeblich schweren Kindheit waren die Basis für eine andauernde Konzentration auf sich selbst gewesen. Zum Schluss war er immer verschrobener geworden. Ella hatte ihr Leben lang gearbeitet, war für Stefania da gewesen und hatte aus beruflichen Gründen und Interesse laufend Sprachen gelernt. Aufgrund von Lorenzos schwieriger Ernährungssituation hatte sie sich auch mit diesem Thema beschäftigt. Da Ella ein eidetisches Gedächtnis hatte, war ihr das Lernen nie schwergefallen. Sie hatte neben ihrer Arbeit in der Rezeption eines Luxushotels ein kleines Fernstudium für Lebensmittelmanagement und Ernährung abgeschlossen. Vor drei Jahren hatte sie dann zu einer Stelle in einem Fachgeschäft für alternative Ernährungsformen gewechselt. Mit dem Ausbruch einer weltweiten Wirtschafts- und Bankenkrise waren die Umsätze aber dramatisch eingebrochen. Statt Ellas Stunden herunterzusetzen, wollte die Besitzerin den reduzierten Betrieb alleine bewältigen. Ella war von einem Tag auf den anderen ohne Job dagesessen. Nach der Krise wollten so viele Arbeitslose wieder eine Stelle finden, dass Ellas Alter und ihre angebliche Überqualifikation zu Mühlsteinen um ihren Hals wurden. Gleich nach Stefanias Studienabschluss hatte Ella daher damit begonnen, sich auch im Ausland um offene Stellen umzusehen. Sie verschwieg ihre Zusatzausbildung und konnte nach vielen Anläufen bei einer internationalen Jobagentur mit ihren Sprachkenntnissen punkten.

Der altersschwache Computer war endlich zum Leben erwacht und Ella setzte sich an ihren Schreibtisch. Sie ging ihre Auflistung der Sonderwünsche durch, die die Gäste oder deren dienstbare Geister den Buchungen beigefügt hatten. Da viele Extrawürste deckungsgleich waren, war Ella die Idee gekommen, konkrete Zusatzpakete zusammenzustellen. Sie wollte es dann dem Clubmanager überlassen, ob solche Sachen wie neues Sandspielzeug im Hello-Kitty-Design automatisch bei einer Buchung von Eltern mit einer Tochter ins Haus gebracht wurden oder gegen einen Aufpreis bestellt werden konnten. Symeon tauchte im Türrahmen auf. „Ich mache meine Runde“, sagte er auf Griechisch. Nach zwei Monaten Sprachkurs in Athen verstand Ella ein wenig von seinem Genuschel und nickte. Sie wollte vor dem Sonnenaufgang noch zwei Stunden arbeiten und vertiefte sich sofort wieder in ihre Listen.

„Τι είναι αυτό?“, donnerte es plötzlich in den Raum. Ella zuckte vor Schreck zusammen. Sie fuhr hoch und erstarrte. Sie kannte ihren Chef schon von einem Foto aus einer Broschüre über den Konzern. Nun stand Athanasios Adrianakis im Türrahmen und sah aus, als würde er gleich wie eine Ladung Dynamit hochgehen. „Was meinen Sie?“ Ella war so verwirrt, dass sie auf Deutsch antwortete. „Wieso sitzen Sie hier an diesem Arbeitsplatz, bekleidet mit Etwas, das maximal als Schlafanzug durchgehen kann?“, gab Adrianakis in fließendem Deutsch zurück. Ella biss sich kurz auf die Lippen. „Arbeiten. Um fünf Uhr in der Früh. Bisher kein Mensch weit und breit. Woher können Sie so gut Deutsch?“, gewann Ellas Neugier sofort die Oberhand. „Meine Mutter war eine Deutsche“, brummte Adrianakis. Er trat einen Schritt zurück und schaute auf das Schild neben dem Büroeingang. „Sind Sie Ella del Rocco?“ Ella nickte. „Und wieso sprechen SIE Deutsch?“ „Ich bin aus Österreich. Mein Mann ist Italiener.“ „Wie es scheint, verstehen Sie Griechisch aber auch.“ „Was ist das? Das war keine große Herausforderung. Eine freundliche Begrüßung und Vorstellung Ihrerseits hätte ich mich in größere Schwierigkeiten gebracht“, wies Ella ihn wenig unverblümt auf seine Unhöflichkeit hin. Um Thanasis‘ Mundwinkel zuckte es. Der Mann konnte nicht nur finster dreinschauen? „Athanasios Adrianakis“, brummte er. Ella deutete einen Knicks an. „Ella del Rocco. Sehr erfreut.“ „Sind Sie bei unseren Gästen auch so vorwitzig?“ „Nein, nur wenn ich um fünf Uhr in der Früh angebrüllt und für eine völlige Unwichtigkeit zusammengestaucht werde. Bald geht die Sonne auf und ich gehe jeden Morgen an den Strand. Die ersten Gäste werden übrigens erst in sechs Wochen zu den Osterferien eintreffen.“ Da Thanasis Ella eine Weile schweigend musterte, nahm sich Ella das gleiche Recht heraus. Athanasios Adrianakis war eine Naturgewalt. Durch und durch ein Alphatier. Er dominierte seine Umgebung allein schon durch seine Körpergröße. In jungen Jahren war er mit Sicherheit einer von diesen supersportlichen fotomodelltauglichen Typen gewesen. Nun hatte er mindestens zwanzig Kilo zu viel oben, die aber irgendwie bestens im perfekt sitzenden Maßanzug untergebracht waren. Seine grauen Haare waren immer noch dicht und machten den Eindruck, als hätte Adrianakis am Vortag noch beim besten Herrenfriseur Italiens vorbeigeschaut. Seine Lider wirkten schwer und er hatte dunkle Ringe unter seinen braunen Augen. Ella vermutete, dass der Mann in dieser Nacht noch keine Minute geschlafen hatte und bis in die Knochen müde war, obwohl sein energisches Kinn und sein harter Mund eine unverkennbare Virilität und ständige Kampfbereitschaft ausstrahlten.

Thanasis konnte Frauen in Trainingskleidung prinzipiell nichts abgewinnen, doch diese Ella war zweifellos apart. Sie hatte brünette, vermutlich längere Haare, die sie zu einem nachlässigen Knoten hochgedreht hatte. Ihr Gesicht war rund-oval und faltenfrei. Ihre dunkelbraunen Augen funkelten herausfordernd. Auf ihrer geraden Nase hatte sie ein paar Sommersprossen. Über ihren Mund konnte sich Thanasis kein Urteil fällen, denn sie hielt ihn in einer ärgerlichen Linie zusammengepresst. Da sie nicht den Eindruck vermittelte, dass Starchirurgen in ihrem Leben eine besondere Rolle spielten, schätze er sie auf Mitte bis Ende dreißig. Er weigerte sich zur Kenntnis zu nehmen, ob Ella unter diesem unsäglichen Outfit gut gebaut war oder nicht. Zu seinem eigenen Erstaunen merkte er, dass er trotzdem körperlich auf sie reagierte. „Wo ist Ihr Mann?“, platzte er plötzlich heraus. „Er fiebert irgendwo in Indien als Möchtegern-Guru seiner endgültigen Erleuchtung entgegen. Ich habe seit mehreren Jahren nichts mehr von ihm gehört. Und, wo ist Ihre Frau?“ „Das geht Sie überhaupt nichts an!“, brüllte er Ella wieder an und an seiner Stirn traten mindestens zwei Zornesadern hervor. „Aha“, gab Ella ungerührt zurück. „Was sollte dann Ihre Frage? Die Existenz oder Nicht-Existenz meines Mannes hat wohl kaum etwas mit meiner Kompetenz zu tun, die aufgelaufenen 1.367 Mails in Deutsch, Englisch, Italienisch, Französisch sowie Russisch zu beantworten, um die Buchungen für den Sommer zu organisieren.“ Aufgebracht zeigte Ella auf den Anlagenplan und sah ihren Arbeitgeber mindestens so finster an wie er sie.

„Sie ist vor neun Jahren gestorben und wagen Sie es nicht, mir Ihr Beileid auszudrücken. Daran habe ich kein Interesse.“ Das wäre mir nie in den Sinn gekommen, schoss es Ella durch den Kopf. Sie unterdrückte ihren Impuls, diese Worte auch zu sagen. Diese arme Frau, dachte sie. „1.367 Mails?“, fragte Adrianakis unerwartet. „Ja.“ Sein Blick wanderte zu Ellas Werk. „Was machen Sie da? Können Sie das Buchungssystem nicht bedienen?“, schnauzte er sie weiter an. Himmel! Dieser Mann ist ja eine wandelnde Landplage, dachte Ella empört. „Ich kann das Buchungssystem bedienen, Herr Adrianakis.“ Sie tippte auf die Villa mit den vielen Haftnotizen. „Es hilft mir aber keinen Schritt weiter, eine Ordnung in dieses Chaos zu bringen. Es berücksichtigt nicht, ob Ihre Stammkunden schon das sechste Mal in Folge dasselbe Haus buchen möchten. Es sagt mir auch nicht, dass ich bei Überschneidungen die Nachbarvilla, die noch frei ist, anbieten könnte. Und, da dieser Computer ein naher Verwandter des Commodore 64 ist, stürzt er zu den unmöglichsten Gelegenheiten ab.“ Ihre Augen schossen Blitze. „Von den häufigen Stromausfällen ganz zu schweigen.“

„Die Hauptleitung zur Anlage wird gerade erneuert.“ „Das weiß ich. Ich gehe jeden zweiten Tag zu Fuß an der Baustelle vorbei. Dabei bringe ich an dieser Stelle meine Zweifel zum Ausdruck, dass das Projekt in wenigen Wochen abgeschlossen sein wird. Vielleicht möchten Sie Ihren gerechten Zorn einmal über dem Haupt des Bauleiters ausgießen anstatt über meinem.“ Thanasis merkte, dass eine Schmerztablette offenbar nicht genügte. Er fuhr sich über die Stirn und massierte seine Nasenwurzel. „Was haben Sie gestern zu Abend gegessen?“, fragte Ella ihn plötzlich. „Meeresfrüchte, Salat mit Oliven und Brot.“ „Und getrunken?“ „Weißwein …“ „Bevor Sie mich jetzt wieder anbrüllen, dass mich das alles nichts angeht – ich erkenne die Anzeichen von Histaminintoleranz. Wenn Sie bei Ihrer Ernährung darauf achten, kriegen Sie die Kopfschmerzen in den Griff.“ Ohne es zu wissen, hatte Ella einen extrem wunden Punkt bei Thanasis erwischt. Seine Ehefrau Roxani hatte ihn mit ihrem Schlankheits- und Diätwahn an die Grenzen seiner psychischen Belastbarkeit gebracht. Ständig hatte sie sich mit der Auswirkung verschiedener Lebensmittel auf ihre Figur auseinandergesetzt, Zutaten auf einer Apothekerwaage gewogen und Fett in jeder Form verteufelt. Viele Jahre war auch sein eigenes Gewicht ein ewiges Streitthema gewesen. Zum Schluss war er ihr immer mehr aus dem Weg gegangen und war auch nicht bei ihr gewesen, als sie einen schweren Magendurchbruch erlitten hatte. Der andauernde Überschuss an Magensäure und schwere psychische Probleme hatten zu mehreren Magenkarzinomen geführt. Ihr mangelernährter Körper war dem Eingriff nicht gewachsen gewesen und sie war nach der Operation nicht wieder aufgewacht. Thanasis schloss die Augen und versuchte seinen Puls durch ruhiges Atmen wieder unter Kontrolle zu bekommen. „Sie sprechen fünf Sprachen?“, lenkte er das Gesprächsthema vom drohenden Vulkanausbruch ab. „Sechs, aber in Tschechisch waren keine Anfragen dabei.“ „Sind Sie irgendwie besonders begabt?“ „Nein, einmal wurde mir gesagt, ich hätte ein eidetisches Gedächtnis. Soll heißen, ich merke mir alles, das ich einmal lese oder sehe. Das ist nicht immer ein Vorteil, denn ich speichere auch viel entbehrliches Wissen ab.“ „So etwas wie die Histaminwerte von Meeresfrüchten und Weißwein?“, verwies Thanasis seine Angestellte auf ihren Platz. „Ja, ganz genau“, gab Ella zurück, ging um ihren Schreibtisch herum, quetschte sich an ihm vorbei und verließ das Büro.

Mit einer irren Wut im Bauch rannte Ella fast in Richtung Strand, obwohl es noch immer dunkel war. „Ich brauche den Job, ich brauche den Job, ich brauche das Zimmer, ich brauche das Zimmer, ich werde mit ihm fertig, ich werde mit ihm fertig“, sagte sie sich mantramäßig vor. Abrupt blieb sie stehen und machte ihrem Ärger laut Luft. „So ein arroganter Mistkerl!“, entfuhr es ihr. Ich hätte auf die Personalvermittlerin hören sollen, haderte Ella mit sich, denn sie war ausdrücklich vor dem etwas schwierigen Arbeitgeber gewarnt worden. In Gedanken sah sie sich schon ihren Koffer und ihren Rucksack packen. Doch, wohin sollte sie? Ella hatte die Familienwohnung vor ihrer Abreise ganz bewusst Stefania überlassen. Die vier Wände waren das einzige Erbe, das ihre Tochter zu erwarten hatte und sie war dabei, ihr Leben aufzubauen. Lorenzo hatte seinem Besitz schon vor Jahren entsagt und diese Ansicht war eine der wenigen Dinge, die Ella mit ihm teilte. In der zweiten Lebenshälfte sollte man definitiv reduzieren und nicht akkumulieren. Die Erinnerungen an das gemeinsame Familienleben waren an Stefania gegangen. Ella hatte sich von allem, was nicht in ihr aktuelles Gepäck passte, getrennt. Ihren heißgeliebten Lesestoff bezog sie nun über eine Online-Plattform. Da jedes bessere Hotel eine Arbeitsuniform ausgab, brauchte Ella nur mehr etwas Freizeitkleidung, ein paar Teile für elegante Anlässe und eine Unterkunft. Ende der Fahnenstange. Dann fuhr es ihr eiskalt in die Glieder. Das Haus des Besitzers war noch nicht fertig hergerichtet.

Trotz seiner Kopfschmerzen sah sich Thanasis die Aufzeichnungen seiner Buchungsmanagerin an. Dutzende akribisch geführte Listen lagen auf dem Schreibtisch. Hat diese Frau etwa eine Schwäche für Kalligrafie?, fragte er sich und konnte nicht verhindern, dass er ihre schöne Handschrift bewunderte. Und der Inhalt? Ja, der passte auch. Er begriff sofort, was sie sich gedacht hatte. Da er sowieso nicht schlafen konnte, setzte er sich und fischte seinen Füllhalter von Caran d’Ache aus der Sakkoinnentasche. Mit seiner Unterschrift segnete er die Zusatzpakete ab und schrieb dazu, bei welchen Posten für die Gäste keine Extrakosten anfallen sollten. Sandspielzeug und Extraküchenausstattung für die Versorgung von Säuglingen waren auf jeden Fall dabei, wenn eine Familie ihren Urlaub im Adrianas Paradise verbringen wollte. Für den täglichen Masseur ins Haus, exklusiven Champagner und Spielkonsolen für Computerspiele auf dem Fernseher sollten die Gäste aufzahlen. Thanasis zog Ellas Überlegungen zum Personal zu sich. Er gab sein Okay zur Einstellung von Kinderbetreuern, die der russischen Sprache mächtig waren. Mit einem Hinweis auf die Zustände, die in der Türkei herrschten, setzte er aber eine Buchungsquote von maximal 20 % von Gästen russischer Herkunft fest. Dann zog Thanasis Ellas Notizen für den F&B-Bereich zu sich. Sie hatte eine Fülle von Lebensmitteln notiert, die für die Versorgung von Gästen mit verschiedenen Ernährungsbedürfnissen bereitstehen sollten. Außerdem machte sie Vorschläge, das vegane Angebot auszuweiten. Das inkludierte eine barristataugliche Sojamilch für den morgendlichen Cappuccino. Verwundert las er Ellas Hinweis auf die Fleisch- und Fischlastigkeit der Hauptspeisen. Was passte ihr an der griechischen Küche nicht? Es gab kaum ein Gericht ohne haufenweise Gemüse. Thanasis hatte sich noch nie Gedanken über vegane Ernährung gemacht. Wenn er nun Fleisch, Fisch, Milchprodukte und Eier aus den griechischen Speisen wegrechnete, blieb tatsächlich wenig übrig. Er konnte sich gut vorstellen, dass er seinen veganen Gästen viel Frust bei der Bestellung ihrer Mahlzeiten ersparen konnte, wenn es von vornherein ein solides Angebot gab. Er setzte daher sein Okay auch auf diese Liste. Thanasis warf einen Blick auf die anderen Aufzeichnungen. Bettwäsche, Poolbereich, Kinderclub, Restaurant – seine Angestellte war offensichtlich die ganze Anlage aus dem Blickwinkel der Gäste durchgegangen. Wie viele Stunden hatte diese Frau schon hier gesessen? Sie arbeitete doch erst acht Tage für ihn. Er merkte, dass ihn nun doch eine bleierne Müdigkeit befiel. Thanasis machte das Licht aus und ging am Nachtportier vorbei, der auf einen kleinen Monitor starrte und überhaupt keine Notiz von seinem Arbeitgeber nahm. Da sein Kopf wieder zu platzen drohte, war Thanasis die Lust vergangen, noch einmal loszubrüllen.

Die ersten Sonnenstrahlen zeigten sich am Horizont. Thanasis fragte sich doch tatsächlich, ob seine vorlaute Angestellte gerade ihre Zehen in den kalten Sand grub. Er schlenderte zu seiner Villa, die etwas abseits lag und wunderte sich, dass das Licht brannte. Er kam durch den großen Wohnbereich in die Küche. Auf der Kücheninsel stand eine Kanne Tee, die das feine Aroma von Pfefferminze verströmte. Aus dem hinteren Schlafzimmer kamen Geräusche. Er stellte sich in den Türrahmen und erkannte nur am Trainingsanzug, dass die Buchungsmanagerin gerade sein Bett bezog. Ihre Kapuzenjacke hing über seinem Schreibtischsessel. Nun musste er feststellen, dass sie ein sehr weibliches Hinterteil hatte und insgesamt alles andere als fragil gebaut war. Irgendwie dürfte sie aber auch ziemlich in Form sein, denn als sie den Überzug über die riesige Daunendecke schüttelte, schien sie das keine Anstrengung zu kosten. „Wieso glauben Sie eigentlich zu wissen, dass es keine einfache Migräne ist?“, fragte er, ohne seine Anwesenheit anzukündigen. Ella schien diesmal nicht zu erschrecken und sah ihn nur flüchtig an. Dann strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und schüttelte sein Bett fertig auf. Sie dürfte tatsächlich schon einige Jahre im Tourismus arbeiten, denn das Bett war tadellos gemacht. „Punkt eins: Es gibt keine einfache Migräne. Jede Form hat ihre eigenen Ursachen. Punkt zwei: Sie haben nicht nur die Kopfschmerzen. Punkt drei: Die griechische Küche hält viele hübsche Dinge bereit, die jedem Menschen auf Dauer zusetzen können. Ich habe Ihnen einen Pfefferminztee gemacht. Trinken Sie ihn in kleinen Schlucken und versuchen Sie zu schlafen. Ich kümmere mich darum, dass Ihr Haus am Nachmittag komplett auf Vordermann gebracht wird. Ich habe die Klimaanlage auf achtzehn Grad eingestellt. Es sollte im Haus bald etwas wärmer werden. Ich hoffe, es passt für Sie.“ Ella nahm ihre Jacke und schlüpfte hinein. Dabei drückte sich ihre Oberweite durch das Top. Thanasis unterdrückte ein Stöhnen. Ja, die Frau hatte äußerst weibliche Attribute.

2

Am frühen Nachmittag kam Thanasis von einem Strandspaziergang zurück. Er hatte seinen Anzug gegen Jeans, Hemd und einen Wollpullover getauscht. Einem spontanen Einfall folgend ging er durch den riesigen Küchenbereich. Da noch niemand zu verköstigen war, war alles verlassen. Aus der Personalküche hörte er Geschirr klappern. Ella stand am Herd. Sie trug den grauen Rock ihrer Arbeitsuniform und die vorgeschriebene blitzblaue Bluse. Der dunkelblaue Blazer hing über einem Küchensessel. Thanasis warf einen Blick auf ihre hübschen Beine. „Γεια σας“, begrüßte er sie zum ersten Mal. Ella drehte sich um und schenkte ihm ein Lächeln, das seine Knie weich werden ließ. Nun konnte er sich ein Urteil bilden – sie hatte einen zauberhaften Mund. „Hallo. Sie sehen viel besser aus. Haben Sie schlafen können?“ „Ja, fast acht Stunden. Hier schlafe ich immer gut, trotzdem danke für den Tee und das frisch gemachte Bett“, brummte er. Ella hatte eine Schürze umgebunden und bückte sich kurz zum Backrohr. Dabei drückte sich ihr Hinterteil an den Rockstoff. Thanasis fuhr das Blut in die Lenden. Himmel! Was sollte denn das jetzt? Er hatte doch erst am Vortag mit seiner Geliebten Sex gehabt. Kyra hatte alles, was er sich von einer Frau aus seinen Kreisen erwartete. Sie war schlank, hatte an den richtigen Stellen die richtigen Rundungen, auch wenn der Chirurg nachgeholfen hatte, und war von Kopf bis Fuß top gestylt. Ella würde einem direkten Vergleich nie standhalten. Wie immer war der Sex mit Kyra gut gewesen. Die Situation war erst nachher gekippt, als Kyra ziemlich eindeutige Bemerkungen über eine gemeinsame Zukunft gemacht hatte. Damit hatte sie gefährliches Terrain betreten. Thanasis wollte sich nicht mehr an eine Frau, die ständig Forderungen hatte, binden. Diese Situation hatte er dreißig Jahre lang gehabt. Der neueste Artikel über die angebliche Verlobung in der Klatschzeitschrift Espresso hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Nach einem Riesenstreit hatte er mit Kyra Schluss gemacht und die Hotelsuite wütend verlassen. Eine Stunde später hatte er sich nach Rhodos fliegen lassen.

Nach wie vor verärgert über seine Ex-Freundin schüttelte Thanasis den Kopf und sah, was Ella auf den Tisch stellte. „Das wollen Sie alles essen?“, fuhr er sie unhöflich an und warf einen prüfenden Blick auf ihre Figur. Zu seinem Erstaunen hatte sie aber einen flachen Bauch. „Ja, das werde ich alles essen, weil ich bisher nur gefrühstückt habe und dann in den nächsten sechzehn Stunden nichts mehr zu mir nehme. Ich habe übrigens gebratenes Huhn mit Polenta und gedünsteten Zucchini gemacht. Das wäre auch etwas für Sie, Herr Adrianakis. Sie sind herzlich eingeladen.“ Ella überging seine erneute Beleidigung komplett und stellte einen zweiten Teller auf den Tisch. Thanasis setzte sich, weil die Alternative nur eine Fahrt in den Nachbarort gewesen wäre, und grummelte: „Thanasis, nennen Sie mich Thanasis. Und ich darf bitte Ella zu Ihnen sagen.“ „Bisher sind Sie ja nicht gerade über Frau del Rocco gestolpert“, gab sie zurück. „Aber, wenn es Sie glücklich macht“, setzte sie hinzu. Sie gab ihm ein Stück Fleisch, eine Portion Polenta und schaufelte Zucchini dazu. „Ich habe nur ein stilles Wasser hier. Möchten Sie etwas trinken?“ Er wirkte etwas unglücklich, aber nickte dann. „Wie kommen Sie eigentlich zu Polenta?“ „Ich habe ein paar Sachen aus Athen mitgebracht. In der Nähe des Benaki-Museums gibt es die Drogerie Vassiliki. Dort bekommt man alternative Ernährungsmittel zu Apothekerpreisen. Bei dieser Kette, dem Bazaar-Supermarkt, gab es nur einige wenige Lebensmittel für Mensch mit Zöliakie. Wussten Sie, dass in Griechenland ein Mehl mit dem Namen Robin Hood verkauft wird? Mit dem Antlitz von Erol Flynn – sehr schick. Ich war schon sehr versucht, eine Packung zu kaufen, damit ich ihn weiter anhimmeln kann. Wo der Zusammenhang zwischen ihm und Mehl ist, muss sich mir erst aber noch erschließen. Und, was ich alles auf Rhodos bekommen kann, werde ich noch herausfinden.“ Thanasis hatte Ella amüsiert zugehört und stutzte, weil Ella ihn nachdenklich, aber auch verschmitzt betrachtete. „Was?“ „Sie haben übrigens etwas Ähnlichkeit mit Erol Flynn.“ „Ich hoffe, Sie meinen nur die Äußerlichkeiten“, antwortete Thanasis unangenehm berührt. Ella nickte und riss dann die Augen auf. „Äh, ja, natürlich. Ich kenne Sie ja kaum, um mir ein anderes Urteil zu erlauben.“ Spielte er etwa auf seine ganzen Frauengeschichten an?, schoss es Ella durch den Kopf. Da gäbe es allerdings etliche Parallelen zu dem berühmten Schauspieler. Wieder einmal musste sie mit ihrem flinken Mundwerk hadern. Peinlich berührt schaute sie auf ihren leeren Teller. „Wieso kennen Sie sich mit Ernährung aus?“, lenkte Thanasis von diesem unseligen Thema ab. „Zuerst stellte mein Mann jahrelang eine ziemliche Herausforderung dar. Er hatte unter anderem eine Nicht-Zöliakie-nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität. Ja, das gibt es wirklich und dann habe ich etwas in der Richtung studiert.“ „Und warum schreiben Sie dann hier Listen mit eigenartigen Gästewünschen?“, fragte Thanasis ehrlich erstaunt. Ella hatte sich auch etwas zu essen genommen. „Guten Appetit“, sagte sie und aß erst einen Bissen. Dann zuckte sie mit den Schultern. „Ich habe früher in einer Rezeption gearbeitet. Die Umorientierung kam erst vor ein paar Jahren. Während der Krise verlor ich meinen Job und fand viele Monate keine neue Stelle. Vermutlich war mein Alter das Problem.“ „Ihr Alter? Sie sind mindestens fünfzehn oder zwanzig Jahre jünger als ich.“ „Da Sie vermutlich um die sechzig sind, stimmt das wohl kaum.“ „Neunundfünfzig.“ „Gut, dann rechnen Sie bitte nur acht Jahre weg.“ „Sie sind einundfünfzig?“ Thanasis starrte Ella mit offenem Mund an. „Ja, und ich weiß. Keine Falten, keine grauen Haare, und, und, und. Das sind die guten Gene meiner Familie, aber dafür bin ich auch mit anderen Dingen reich beschenkt worden.“ Sein Blick war ihr vorhin nicht entgangen und etwas verletzt war sie doch. Dabei wusste Ella ganz genau, mit welchem Typ Frau er sich umgab. In Athen hatte es genügend Zeitschriften gegeben, die sich sehr für Athanasios Adrianakis und sein Privatleben interessiert hatten. Da sie die dazugehörigen Artikel noch nicht lesen konnte, hatte sie angenommen, die dauerpräsente blonde Laufstegschönheit an seiner Seite wäre seine perfekte Frau.

„Was meinten Sie, als Sie sagten, ich hätte nicht nur die Kopfschmerzen?“, wechselte er plötzlich das Thema. „Sie haben eine ganz spezielle Art von dunklen Ringen unter den Augen.“ Ella hob ihre Hand und strich ihm sanft über die Wangenknochen. „Sie haben diese roten Flecken und Sie sind … sehr übellaunig.“ Thanasis erstarrte. Schuldbewusst zog Ella ihre Hand zurück. „Entschuldigen Sie bitte“, murmelte sie und begann damit, in ihrem Essen herumzustochern. Seine Anwesenheit verdarb ihr den Appetit. „Hören Sie bitte damit auf, Ella!“ „Wa … womit denn?“ „Mit dem Rumgeschiebe auf Ihrem Teller. Sie sind die erste Frau seit Jahren, die ich ordentlich essen sehe. Sonst darf ich immer nur dabei zuschauen, wie das kleinste Salatblatt noch einmal filetiert wird“, grummelte er. Unwillkürlich musste Ella lächeln. Doch nicht alles so perfekt? Wenn er nicht so einen traurigen Ausdruck in den Augen gehabt hätte, hätte sie ihm sein schreckliches Schicksal von Herzen gegönnt. Sie sah keinen Grund, ihre Meinung über ihn zu ändern. Er war ein arroganter Mistkerl.

„Würden Sie mir noch etwas über sich erzählen?“, fragte Thanasis in das ungemütliche Schweigen hinein. „Nein“, gab Ella zurück. „Erzählen Sie mir etwas über Adrianas Paradise. Sie haben ein tolles Projekt aus dem Boden gestampft.“ „Vor neun Jahren stand ein heruntergekommener Ferienclub zum Verkauf. Mein Sohn kaufte ihn anlässlich seines 30. Geburtstags und wollte das Areal als privates Feriendomizil ausbauen. Dann allerdings starb meine Frau. Ich überschrieb meinem Sohn unsere Insel und er gab mir den Ferienclub.“ „Ihre Familie hat eine eigene Insel?“, fragte Ella wider besseres Wissen nach. „Ja, das kommt in unseren Kreisen häufiger vor.“ Ella rechnete nach. „Sie sind sehr früh Vater geworden“, platzte es aus ihr heraus. „Ja, mit zwanzig.“ Ob dieser Schritt ganz freiwillig gewesen war? „Ich kann Ihre sämtlichen Zahnräder drehen hören“, brummte Thanasis. „Ja, es war nicht geplant. Ja, ich war schon damals nicht ganz arm. Ja, Roxani hat mich mit Absicht auserkoren. Ja, ich bin glücklich über meinen Sohn und meine Tochter. Nein, es war keine gute Ehe. Habe ich irgendetwas ausgelassen?“ „Warum war es keine gute Ehe?“ „Ich konnte mich in ihrer Nähe nie entspannen.“ „Das Gefühl kenne ich“, murmelte Ella und wirkte bedrückt. Sie hatte fertig gegessen und trug beide Teller zur Spüle. „Von meiner Nachspeise biete ich Ihnen nichts an. Das ist nichts für Sie.“ Sie holte eine Schüssel mit geschnittenen Orangen- und Kiwistücken aus dem Kühlschrank. „Ich soll auch kein Obst essen?“ Ella schüttelte den Kopf. „Nein, nur ein paar Sachen nicht, die zu den Liberatoren zählen.“ Thanasis sah sie an, als hätte sie Chinesisch gesprochen. „Vergessen Sie’s“, seufzte sie und holte zwei Gabeln aus der Bestecklade.

„Ella!“ Der F&B-Manager klang eindeutig verärgert. Vom ersten Tag an hatte Dirk Putzer klargestellt, dass sie als die Buchungsmanagerin weit unter ihm stand. Zusätzlich wusste der aus Hannover stammende Deutsche nicht einmal, wie man die Worte Freundlichkeit oder Humor buchstabierte. Ella drehte sich zu ihm um. Dirk baute sich vor dem Türstock auf und kam nicht in die Personalküche herein. Dadurch übersah er, dass Ella nicht wie an den vergangenen Nachmittagen allein war. „Ich habe dein seitenlanges Mail erhalten. Und ich werde nicht zulassen, dass du mir in meine Arbeit reinredest. Was soll dieser Quatsch mit dem veganen Zusatzpaket? In wenigen Wochen werden hier mehr als zwanzig Köche stehen, die jedes Gericht wunschgerecht zubereiten können.“ Seelenruhig legte Ella die Gabeln ab. „Es lag überhaupt nicht in meiner Absicht, dir in die Arbeit dreinzureden, Dirk. Ich habe nur die Kundenwünsche der bisher bearbeiteten Anfragen zusammengeschrieben und die Sache etwas erweitert.“ „Dann lasse diese Erweiterungen zukünftig sein. Du kannst nur Erfahrungen als Rezeptionistin vorweisen. Schielst du etwa auf den F&B-Bereich?“, fragte Dirk schneidend. „Nein, das tue ich nicht. Dort wäre ich mit meinen Sprachkenntnissen wohl fehl am Platz“, landete Ella einen Seitenhieb auf die Tatsache, dass Dirk neben Deutsch nur Englisch konnte. „Überheblichkeit steht dir nicht, Ella. Das können sich nur schlanke und gutaussehende Frauen leisten. Es wundert mich keine Sekunde, dass dein Mann davongerannt ist.“ So plötzlich, wie er aufgetaucht war, war Dirk wieder verschwunden.

Schweigend nahm Ella wieder die Gabeln auf und legte sie neben die Obstschale. Dabei mied sie jeden Blickkontakt mit Thanasis. „Sie sind sauer auf mich“, stellte Thanasis fest. Ella sah ihm nun fest in die Augen. „Ich kann Sie nicht ausstehen. Und, ja, ich bin zusätzlich sauer auf Sie.“ „Weil ich nicht für Sie eingestanden bin.“ Ella nahm eine Gabel und spießte ein Kiwistück heftig auf. Thanasis musste nicht viel Fantasie aufbringen, um zu ahnen, dass sie am liebsten ihn aufgespießt hätte. „Punkt eins, meine Teure: Sie kommen sehr gut alleine zurecht. Punkt zwei: Ich wollte uns die Peinlichkeit ersparen, dass Herr Putzer annehmen könnte, wir würden uns mehr als nur den Obstsalat teilen. Punkt drei: Ich werde ihn mir später vornehmen, denn ich werde sein Benehmen nicht dulden. Ihre Ideen sind top und Sie haben zweifellos gesehen, dass ich in Ihrem Büro bereits alles abgesegnet habe.“ „Ich glaube nicht, dass jemand, der uns zusammen sieht, je zu diesem Schluss kommen könnte“, murmelte Ella und schluckte sämtliche Beleidigungen tapfer hinunter. „Erzählen Sie eigentlich jedem, dass Ihr Mann über den halben Erdball vor Ihnen geflohen ist?“, fragte Thanasis ärgerlich. Ellas Kopf fuhr hoch und sie funkelte ihn wütend an. „Sie waren bisher der Einzige, der so freundlich war, sich nach dem Verbleib meines Mannes zu erkundigen. Ich habe es Dirk nicht erzählt. Er weiß es wahrscheinlich von meinem Lebenslauf. Dort steht bei Familienstatus getrennt lebend.“ Ella lief rot an. „Die Beraterin der Vermittlungsagentur riet mir dazu, damit ich meine Chancen auf dem internationalen Arbeitsmarkt erhöhen konnte. Zukünftigen Arbeitgebern sollte klargemacht werden, dass ich flexibel sei und nur ein Einzelzimmer benötige.“ „War Ihre Ehe denn gut?“ Ella seufzte. „Lorenzo hat gute Seiten. Er hat sich sehr lieb um unsere Tochter Stefania gekümmert und wir konnten interessante Gespräche miteinander führen. Leider war er als Mann nie selbst mit sich im Reinen. Ich konnte ihm dabei nicht helfen. Ich konnte nur dafür sorgen, dass alles andere gut lief. Ich denke, er ist jetzt glücklich, da, wo er ist.“ „Haben Sie etwa Ihre Familie erhalten?“, fragte Thanasis fassungslos. Ella nickte. „Das klingt nach einem Nein.“ „Wie bitte?“ „Ein Nein. Auf meine Frage nach Ihrer Ehe.“ Sie schüttelte den Kopf. „Das habe ich nicht gesagt. Es gibt viele Möglichkeiten, zueinander zu finden. Man muss nur in der Lage sein, vorgegebene Muster zu überwinden und eigene Wege zu gehen.“ „Das klingt sehr nach dem Guru-Kram Ihres Mannes.“ Ella lächelte schwach. „Möglich. Meine Eltern ließen sich scheiden, als ich vierzehn war. Danach wurde es aber noch mühsamer. Ich hätte das Stefania nie angetan. Es gibt viele Kämpfe, die man nicht unbedingt austragen muss.“ „Diesen Eindruck haben Sie MIR aber bisher nicht vermittelt“, sagte Thanasis amüsiert. „Ich bin ja nicht mit Ihnen verheiratet und muss mich wohl kaum mit Ihnen zusammenraufen.“

Eine Stunde später kam Thanasis in einem Dreiteiler in Ellas Büro. Sie hielt ihm seinen Füllhalter hin. „Den haben Sie vorher hier vergessen. Danke, dass Sie mir Ihr Placet gegeben haben. Ich freue mich noch mehr, wenn Sie sich mit Herrn Putzer auseinandersetzen. Es wird ihm wohl oder übel gefallen müssen.“ „Nemo placet omnibus“, zitierte Thanasis. Ella lächelte. „Auf Französisch würde man sagen: On ne peut pas ménager la chèvre et le chou.“ „Man soll Kohl und Ziege nicht essen?“ „Nicht manger, ménager, miteinander mischen. Ja, weil die Ziege den ganzen Kohl fressen würde.“ „Und, das könnte dem Kohl nicht gefallen?“ Ellas glockenhelles Lachen erfüllte den ganzen Raum. Himmel, diese Frau hatte ein erfrischendes Lachen. „Das auch, aber in erster Linie den Menschen. Das Sprichwort stammt aus einer Zeit, in der Kohl als Vorrat für den Winter überlebenswichtig war und die Ziege hat man auch nicht gegessen. Die sollte schön brav Milch geben. Das habe ich aus einem Buch.“ „Sie lesen wohl sehr viel.“ „Mit großer Begeisterung.“

„Ella?“, kam es skeptisch vom Gang. Dirk baute sich wieder vor dem Türstock auf. „Ah, Mister Adrianakis. Good evening, nice to meet you again. Wir haben hier schon einige Änderungen vorgenommen. Ich bin davon überzeugt, dass sie Ihnen zusagen werden“, sagte er weiter in tadellosem Englisch. Thanasis steckte beide Hände in die Hosentaschen und stellte damit klar, dass er nicht bereit war, seinem Angestellten zur Begrüßung die Hand zu geben. „Mister Putzer“, sagte er knapp. „Let us go in my office.“ Thanasis war schon im Korridor. Dirk steckte den Kopf in Ellas Büro. „Wieso hast du mich nicht vorgewarnt, dass er da ist? Ich war vollkommen überrumpelt, als er mich vorhin per Telefon für ein Meeting in sein Büro gerufen hat. Bist du etwa nicht nur unattraktiv, sondern auch noch eine miese Intrigantin? “ Ella starrte ihn vollkommen perplex an. „Herr Putzer“, kam es plötzlich von Thanasis’ tiefer Stimme. „Scharfsinnige Analyse liegt Ihnen offenbar nicht. Mit wem, glauben Sie, hat sich Frau del Rocco eigentlich gerade auf Deutsch unterhalten?“

Nach einer halben Stunde stürmte Dirk an Ellas offener Tür vorbei und würdigte sie keines Blickes. Ein paar Minuten später schlenderte Thanasis herein. Er ließ sich auf den Sessel vor Ellas Schreibtisch fallen. „Ich habe ihn in mein Hotel in Athen versetzt, mit einem Monat Probezeit. Der dortige F&B-Manager ist bereit, für die Sommersaison hierher zu kommen. Im Moment kann er in der Anlage wohnen, aber er hat Familie. Wenn die Sommerferien losgehen, braucht er eine geeignete Unterkunft.“ Er fuhr sich durch die Haare. „Wissen Sie eigentlich, warum er sich Ihnen gegenüber so aggressiv verhalten hat?“ Ella schüttelte den Kopf und zuckte dann mit den Schultern. „Ich denke, dass er eigentlich mit Ihnen schlafen wollte, Ella. Da er aber aus irgendeinem Grund glaubt, er darf nur einen bestimmten Typ Frau begehren, war er sauer auf sich selbst und hat es an Ihnen ausgelassen.“ Ella war zu einer Salzsäule erstarrt und sah ihren Arbeitgeber ungläubig an. Sie schluckte mehrmals. „Äh, danke für Ihre Bemühungen. Es geht mir mit Ihrer abstrusen Erklärung zwar nicht besser, aber ich weiß Ihren Versuch zu schätzen.“ Thanasis wuchtete sich hoch, nickte Ella kurz zu und war einen Wimpernschlag später bei der Tür draußen. Hoffentlich reist er bald wieder ab, dachte Ella. Ich führe mit diesem Mann die eigenartigsten Gespräche.

Thanasis vergrub sich in seinem Büro und hoffte, dass Ella nicht die richtigen Rückschlüsse zog, warum er ihr gegenüber so unfreundlich war. Wie es schien, hatte Ella überhaupt keine Ahnung von ihrer Wirkung auf Männer. Wie sollte sie auch? Sie hatte während ihrer ganzen Ehe selbst den Mann stehen müssen, während dieser Vollpfosten Lorenzo offenbar in seinem Leid gebadet hatte und dann auch noch weggerannt war, um etwas Besseres zu finden. Ella sagte, sie hätte seit Jahren nichts von ihm gehört. Thanasis griff zu seinem Telefon und wählte die Nummer eines Athener Detektivbüros. Die Firma gehörte einem seiner Cousins, der aber auch sein bester Freund war. „Ορίστε!“, sagte Theo gehetzt ins Telefon. Thanasis lachte leise. „Schaust du immer noch nicht nach, wer dich anruft?“, sagte er auf Griechisch. „Thanasis! Wie geht es dir?“ Nach den üblichen Fragen nach Familie, Geschäften und Plänen kam Thanasis auf sein Anliegen zu sprechen. „Wie gut stehen die Chancen, einen Mann aufzustöbern, der in Indien als Guru abgetaucht ist?“ Das Aufstöhnen seines Cousins sprach Bände. „Wenn er nach der Ankunft seinen Namen geändert hat, sind wir bei null Prozent. Schuldet dir jemand Geld?“ „Nein, zum Glück nicht. Es geht um den Ehemann einer Bekannten von mir. Sie sagte, er sei sang- und klanglos aus ihrem Leben verschwunden. Ich glaube nicht, dass sie seine Rückkehr herbeisehnt.“ „Das klingt nicht gut“, meinte Theo. „Wie meinst du das?“ „Wenn es weniger als ein Jahr her ist, sind ihr vollkommen die Hände gebunden. Da müsste es sich schon um einen Härtefall handeln. Äh, ich weiß nicht, wie du zu dieser Frau stehst. Um Kyra kann es ja wohl nicht gehen.“ „Kannst du bitte einmal vergessen, dass ich seit Roxanis Tod angeblich jeder Frau hinterher steige“, sagte Thanasis ärgerlich. „Okay, okay. Ich wollte dir nicht auf den Schlips treten, vor allem würdest du nie eine verheiratete Frau anschauen.“ „Mmh“, brummte Thanasis und musste feststellen, dass er dieses Mal sehr wohl an einer verheirateten Frau interessiert war.

---ENDE DER LESEPROBE---