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Diese erste deutschsprachige Übersicht beschreibt praxisnah alle verfügbaren und in der europäischen Pharmakopöe aufgenommenen Nachweisverfahren für bakterielle Endotoxine und andere Pyrogene. Jede Methode wird ausführlich beschrieben und anhand von Praxisbeispielen einschließlich der produktbezogenen Methodenvalidierung präsentiert. Neueste Erkenntnisse zur Maskierung von Endotoxinen und dem LER (low endotoxin recovery)-Effekt sowie neuentwickelte Methoden zur Endotoxinbestimmung mittels rekombinanter Testsysteme werden vorgestellt. Eine Beschreibung der notwendigen Ausrüstung sowie der hauptsächlichen Einsatzgebiete runden dieses Buch ab.
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Seitenzahl: 268
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Vorwort
1 Historisches zu Pyrogenen und Endotoxinen
1.1 Chronologie ab 19. Jahrhundert
1.2 Fieber
1.3 Pyrogene
1.4 Endotoxine, Exotoxine und Enterotoxine
Literatur
2 Nachweis von fiebererzeugenden Substanzen
2.1 Neun Augen, zehn Beine, zwölf Zangen: ein Schwertschwanz
2.2 Tests auf Endotoxine
Literatur
3 Prüfung auf Pyrogene (Ph. Eur. 2.6.8)
Literatur
4 Prüfung auf Bakterienendotoxine (Ph. Eur. 2.6.14 und 5.1.10)
4.1 Rekonstitution des Lysats
4.2 Referenzstandards
4.3 Kontrollen während des Tests
4.4 Bestätigung der Lysatempfindlichkeit durch das Labor
4.5 Prüfung eines Produkts
4.6 Eliminierung von Störfaktoren und Interferenzen
4.7 BET mit öligen Substanzen
Literatur
5 Alternative Verfahren
5.1 Prüfung auf Monozytenaktivierung (Ph. Eur. 2.6.30)
5.2 Monocyte-activation test for vaccines containing inherently pyrogenic components
5.3 Bakterieller Endotoxintest mit rFC (Ph. Eur. 2.6.32)
5.4 Bakterieller Endotoxintest mit drei rekombinanten Enzymen
5.5 Weitere Verfahren
Literatur
6 LER-Effekt (
low endotoxin recovery
, LER)
6.1 Entdeckung des LER-Effekts und der Maskierung
6.2 Demaskierung
Literatur
7 Vorkommen und Nachweis von Glucanen
Literatur
8 Probenzug und Probenvorbereitung
8.1 Schulung zum Musterzug
8.2 Probenvorbereitung
8.3 Prüfung von Wasserproben
8.4 Prüfung von Primärpackmitteln
8.5 Prüfung von Medizinprodukten
Literatur
9 Methodenvalidierung
9.1 Validierung der Prüfung auf Bakterienendotoxine
9.2 Validierung des bakteriellen Endotoxintests mit rFC
9.3 Validierung der Prüfung auf Monozytenaktivierung
Literatur
10 Eliminierung und Inaktivierung von Endotoxinen
Literatur
11 Ausrüstung
11.1 Das Prüflabor
11.2 Automationsmöglichkeiten
11.3 Qualifizierung und Kalibrierung der Messgeräte
Literatur
12 Vorgehensweisen bei
Out-of-Specification
-Ergebnissen
12.1 OOS beim BET
12.2 OOS beim Pyrogentest
Literatur
13 Weitere Einsatzgebiete der Prüfung auf Bakterienendotoxine
13.1 Monitoring des Umfelds
13.2 Reinigungsvalidierung
13.3 Untersuchung von Biofilmen
13.4 Korrelieren Endotoxineinheiten zur Keimzahl gramnegativer Bakterien?
Literatur
Anhang: Formeln
Abkürzungen
Weiterführende Literatur
Stichwortverzeichnis
Endbenutzer-Lizenzvereinbarung
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Vorwort
Stahlbaunormen
Anhang: Formeln
Abkürzungen
Weiterführende Literatur
Stichwortverzeichnis
End User License Agreement
V
III
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IX
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Michael Rieth
Autor
Dr. Michael Rieth
Holzhofallee 12
64295 Darmstadt Deutschland
Titelbild
Veronika Emendörfer
www.veronika-emendoerfer.de
Alle Bücher von WILEY-VCH werden sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren, Herausgeber und Verlag in keinem Fall, einschließlich des vorliegenden Werkes, für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler irgendeine Haftung.
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Print ISBN 978-3-527-34695-0
ePDF ISBN 978-3-527-82468-7
ePub ISBN 978-3-527-82469-4
oBook ISBN 978-3-527-82467-0
Umschlaggestaltung ADAM Design, Weinheim
Satz le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Gedruckt auf säurefreiem Papier.
10 9 8 7 6 5 4 3 2 1
Auf dem Feld der Nachweise von Endotoxinen und anderen Pyrogenen tut sich seit einigen Jahren viel: Neuartige Messsysteme werden entwickelt, von klein, schnell und transportabel bis hin zu großen Workstations mit Roboterunterstützung. Testkits mit rekombinant hergestellten Faktoren aus der Gerinnungskaskade der Haemolymphe der Pfeilschwanzkrebse drängen auf den Markt. Neu erkannte Phänomene wie low endotoxin recovery und masking von Endotoxinen werden sichtbar, und Maßnahmen zu ihrer Überwindung werden entwickelt, Stichwort demasking. Der Wille zur Schonung von Tieren – zum Test auf Pyrogene werden seit ungefähr 100 Jahren Kaninchen benötigt – führt zur weiteren Aktualisierung des seit den 1990er-Jahren bekannten Monozytenaktivierungstests. Hier übernimmt das Europäische Arzneibuch eine Pionierrolle, indem es vor wenigen Jahren eine Monografie veröffentlichte, die weiterhin aktualisiert wird. Andere Pharmakopöen weltweit ziehen nach und haben Entwürfe vorbereitet.
Der Bakterienendotoxintest (BET) ist seit Jahren zwischen Ph. Eur., USP und JP harmonisiert. Somit konnten Qualitätskontrolllaboratorien weltweit den BET sicher und routinemäßig ausführen. Durch die oben genannten Neuentwicklungen sowie neu verfasste Richtlinien und Pharmakopöe-Monografien wird der Routinetest momentan aufgerüttelt.
In diesem Buch werden, neben den ausführlichen Darstellungen der klassischen Pyrogen- und Endotoxintests am Kaninchen und mithilfe des Amoebozytenlysats, die Neuerungen und die neuen Methoden vorgestellt und beschrieben.
Herzlich danken möchte ich für die Überlassung von Fotografien, Abbildungen und Informationsmaterialien sowie für die Hinweise auf Literaturstellen und für manch fachliche Diskussion Frau Karolina Heed, bioMeriéux SA, und Frau Dr. Rauni Kuczius, Mikrobiologisches Labor Dr. Michael Lohmeyer GmbH sowie den Herren Ralph Butsch, Associates of Cape Cod Europe GmbH, Dr. Markus Gutmann, MicroCoat Biotechnologie GmbH, Michael König, Haemochrom Diagnostica GmbH, Prof. Dr. Jack Levin, University of California School of Medicine, Dr. Michael Lohmeyer, Mikrobiologisches Labor Dr. Michael Lohmeyer GmbH, Prof. Dr. Manfred Rohde, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Dr. Christian Scheuermann, Charles River, Dr. Ingo Spreitzer, Paul-Ehrlich-Institut, Dr. Thomas Winkler, Lonza Cologne GmbH sowie dem Labor LS SE & Co. KG (Herr Stefan Gärtner, Dr. Thomas Meindl, Dr. Maximilian Schlicht).
Mein ganz besonderer Dank gebührt der Darmstädter Künstlerin VERO/Veronika Emendörfer für das Titelbild.
Darmstadt, im März 2021
Michael Rieth
Der Begriff „pyrogen“ leitet sich vom griechischen Wort pyr = Feuer ab. Pyrogen bedeutet feuererzeugend. Damit ist Fieber gemeint. Hippokrates von Kos (ca. 460/459 bis ca. 375 v. Chr.) sieht im Fieber ein gutes Zeichen während einer Erkrankung, ebenso Paracelsus (1499–1541), der dem Fieber eine reinigende Wirkung zuschreibt. Thomas Sydenham (1624–1689), der von nachfolgenden Ärztegenerationen den Beinamen „Der englische Hippokrates“ bzw. „Der zweite Hippokrates“ bekommt, studiert und beschreibt ab 1661 sehr genau Fälle von epidemisch auftretendem Fieber. Im Jahre 1676 veröffentlicht er seine Erkenntnisse in dem Buch „Observationes medicae“. Seiner Meinung nach sind Krankheiten durch eine Anhäufung von Zeichen charakterisiert. Fieber wertet er als Zeichen für Abwehrreaktionen des menschlichen Körpers [1].
Ein Zeitgenosse Sydenhams ist Thomas Willis (1621–1675), der in Oxford Medizin studiert und in Kreisen bekannter Naturwissenschaftler verkehrt. Fieber ist für Willis eine Folge von Fehlmischungen („Dyskrasien“) des Blutes, die durch eine gestörte Fermentation der Körpersäfte entstehen sollen [2].
Mitte des 18. Jahrhunderts injiziert Albrecht von Haller (1708–1777) Tieren faulige Flüssigkeiten; dies ruft in den Versuchstieren schwere Fieberreaktionen hervor.
Weitere Experimente erfolgen mit Beginn des 19. Jahrhunderts. Die französischen Forscher Gaspard und Cruvelbier injizieren Hunden ebenfalls faulige Flüssigkeiten und schmutziges Hafenwasser; die Tiere erkranken und bekommen hohes Fieber. Der dänische Mediziner Peter Ludvig Panum (1820–1885) untersucht Patienten mit Sepsis und prägt den Begriff „putrides Gift“ (putrid = faulig), womit aus heutiger Sicht Endotoxine gemeint sind. Seine Forschungsergebnisse veröffentlicht er 1874 in Virchows Archiv unter dem Titel „Das putride Gift, die putride Infektion oder Intoxikation und die Septikamie“. Richard Friedrich Johann Pfeiffer (1858–1945), ein Schüler von Robert Koch, entdeckt 1892 bei dem gramnegativen Bakterium Vibrio cholerae ein hitzeunempfindliches Toxin, von dem er annimmt, dass es aus dem Inneren der Zellen stammt; er nennt dies Endotoxin, auch um es von den damals schon bekannten exkretorischen Toxinen, den Exotoxinen, abzugrenzen (siehe auch Abschn. 1.4). Damit ist der bis heute verwendete Begriff „Endotoxin“ geboren.
W.H. Howell (1860–1945) forscht über Blutkoagulation und die Wirkung von Heparin. Er publiziert 1886 in den Mitteilungen der Johns Hopkins University erste wissenschaftliche Beobachtungen, dass die Haemolymphflüssigkeiten der Tiere Limulus polyphemus (engl. horseshoe crab), Cucumaria spec. (Seegurke) und Callinectes hastatus (engl. blue crab) koagulieren können (siehe auch Tab. 2.5). L. Loeb führt die Arbeiten von Howell fort und publiziert seine Ergebnisse in den Jahren zwischen 1903 und 1927. E.C. Hort und W.J. Penfold untersuchen das sogenannte „Injektionsfieber“ an Kaninchen und vertreten die Theorie, dass Pyrogene bakteriellen Ursprungs seien. Sie finden, dass pyrogene Substanzen filtrierbar und hitzestabil sind und einen quantitativen Effekt zeigen. Die intravenöse Injektion von pyrogenfreien Salzlösungen in Kaninchen führt zu keinem Anstieg der Körpertemperatur. Hort und Penfold publizieren ihre Ergebnisse im Jahre 1912 [5, 6]. Ihre Erkenntnisse geraten in Vergessenheit, aber die Arbeiten werden in der 1920er-Jahren von Florence Barbara Seibert wieder aufgenommen und fortgeführt [7].
Abb. 1.1 Jack Levin mit Limulus polyphemus am Strand (Pickering Beach, Delaware, USA) Anfang Juni 2019. Foto: Mit freundlicher Genehmigung der Labor LS SE & Co. KG, Bad Bocklet und von Prof. Jack Levin, University of California School of Medicine, San Francisco.
Nach den frühen Arbeiten von Howell und Loeb über die Haemolymphe dauert es bis Anfang der Fünfzigerjahre des 20. Jahrhunderts, als Frederik B. Bang die Untersuchungen am „blauen Blut“ des Limulus polyphemus wieder aufnimmt und in den 1960er-Jahren zusammen mit Jack Levin an dem Thema weiterarbeitet.
1822
Eine der ersten Fossilien der Schwertschwänze wird in Bayern (Solnhofen) gefunden und von Desmarest als
Mesolimulus walchii
beschrieben.
1862
Carl F. J. Zincken findet einen fossilen Schwertschwanz (
Tachypleus decheni
).
1856
Peter Ludvig Panum verwendet den Begriff „putrides Gift“.
1862
Theodor Billroth benutzt die Bezeichnung „pyrogen“.
1886
William Henry Howell beschreibt die Koagulation der Haemolymphe u. a. beim
Limulus
.
1889
G. Roussy isoliert aus gramnegativen Bakterien eine pyrogene Substanz [3].
1892
Richard Friedrich Pfeiffer entdeckt in
Vibrio cholerae
ein hitzeunempfindliches Toxin, das er Endotoxin nennt.
1894
Eugenio Centanni entdeckt in
Salmonella typhi
ebenfalls ein Toxin, dem er den Namen Piritoxina gibt [4].
1912
E.C. Hort und W. J. Penfold berichten über die pyrogene Wirkung toter gramnegativer Bakterien [5, 6].
1912
Aufnahme des Kaninchen-Pyrogentests in die British Pharmacopeia.
1925
Florence B. Seibert entwickelt in den USA den Kaninchen-Pyrogentest [7].
1942
Aufnahme des Kaninchen-Pyrogentests in die USP XII.
1953
Frederik B. Bang entdeckt die Auslösung der Koagulation der Haemolymphe des
Limulus polyphemus
durch gramnegative Bakterien [8, 11].
1963
Zusammenarbeit von Frederik B. Bang und Jack Levin; sie publizieren gemeinsam mehrere Fachartikel, in denen sie den Mechanismus der Koagulation und seine Lokalisation in den Amoebocyten beschreiben und Endotoxine als Auslöser erkennen [9].
1967
Nobelpreis für Physik für H.K. Hartline für Studien am optischen System des
Limulus
.
1968
Frederik B. Bang und Jack Levin beschreiben eine standardisierte Methode zum Nachweis von Endotoxinen. Dieser ursprüngliche Test beruhte auf der qualitativen Endpunktbestimmung der Gelbildung [10].
1969
Beginn der Entwicklung des kommerziellen LAL-Tests durch James F. Cooper und Henry N. Wagner.
1971
Vergleichsuntersuchungen von Jack Levin, James F. Cooper und Henry N. Wagner zwischen LAL-Test und Pyrogentest [12].
1972
Cooper et al. setzen den LAL-Test zum Endotoxinnachweis in Radiopharmazeutika ein [13].
1973
FDA publiziert Guidelines für die Herstellung von Limulus-Amoebocyten-Lysat und schlägt Standards vor.
1974
Travenol Laboratories (jetzt Baxter) startet Lysatherstellung für eigene Testzwecke.
1974
Kobayashi gewinnt Lysat aus
Tachypleus
(TAL-Reagenz).
1977
Associates of Cape Cod (ACC), gegründet von James Sullivan und Stanley Watson, starten ebenfalls die Lysatherstellung.
1979
Mahalanabis gewinnt Lysat aus
Carcinoscorpius rotundicauda
.
1980
Aufnahme des LAL-Tests in die USP XX, Monografie „Bacterial Endotoxins Test“, als Referenzstandard wurde Endotoxin aus
E. coli
O113:H10:K festgesetzt.
1980
Gründung von Pyroquant, jetzt ACC Europe GmbH, in Mörfelden-Walldorf.
1981
Iwanaga entdeckt den alternativen Aktivierungsweg durch Glucane [15].
1985
Aufnahme des LAL-Tests ins DAB 9.
1987
FDA-Guideline, die die verschiedenen Methoden beschreibt, im Juli 2011 zurückgezogen [16].
1991
FDA Interim Guidance, ebenfalls 2011 zurückgezogen [17].
1993
Bundesanzeiger Nr. 2 v. 6. Januar 1993: Bekanntmachung zur Möglichkeit des Ersatzes der Prüfung auf Pyrogene durch die Prüfung auf Bakterienendotoxine nach DAB 10 [18].
1995
Vollblutmodell, Hartung und Wendel, Universität Konstanz.
1998
Ph. Eur., USP und JP harmonisieren den RSE aus
E. coli
O113:H10:K (10 000 IE/Vial).
2001
Monografie zum Endotoxintest ist zwischen Ph. Eur., USP, JP harmonisiert.
2003
Rekombinantes Reagenz (Faktor C) kommt auf dem Markt (Fa. Cambrex, jetzt Lonza).
2006
Portable Test System (PTS) als Kartuschensystem wird von Fa. Charles River zur Marktreife entwickelt.
2010
MAT wird in die Ph. Eur. unter der Kapitelnummer 2.6.30 aufgenommen.
2011
Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für die Entdecker der Toll-like Rezeptoren Jules Hoffmann und Bruce Beutler.Jules Hoffmann entdeckt, dass Fruchtfliegen (
Drosophila melanogaster
) mit Mutationen im Toll-Gen wehrlos gegenüber Bakterien- und Pilzinfektionen sind. Das Toll-Gen ist für die Synthese von Rezeptoren zuständig. Diese Rezeptoren binden u. a. LPS und lösen so Abwehrreaktionen des Organismus gegenüber den mikrobiellen Eindringlingen aus. Beutler findet diese Rezeptoren auch in Säugetieren; bei Mäusen beschreibt er den Toll-like receptor 4, TLR 4, an den LPS bindet. Dadurch wird eine molekulare Aktivierungskaskade ausgelöst, die den nukleären Faktor Kappa-B (NF-
k
B) aktiviert. Dieser Faktor wiederum schaltet Gene für Immunaktivatoren wie den Cytokinen an, sodass schlussendlich B- und T-Zellen aktiviert werden und Entzündungsreaktionen und Fieber vorliegen [20].
2011
Fa. Hyglos bringt neuartigen ELISA-Test zum Nachweis von Endotoxinen unter Verwendung eines LPS-selektiven Phagenproteins heraus.
2012
Verstärkt anhaltende Forschungen zum LER-Effekt (
low endotoxin recovery
) und zur Maskierung.
2014
Hyglos bringt den Endotoxin Recovery Kit (Endo-RS) auf den Markt sowie zusammen mit Microcoat Biotechnologie GmbH einen zellbasierten MAT zur Pyrogendetektion.
2014
Haemochrom bringt den Haemotox™ rFC Kit auf den Markt.
2016
Ph. Eur. publiziert das überarbeitete Kapitel 5.1.10 im Supplement 8.8; in diesem Kapitel wird der rFC als Alternative zum herkömmlichen LAL-Test vorgestellt.
2017
Kikuchi et al. publizieren Vergleichsstudien zwischen drei LAL-Tests und drei rFC Tests und können weitgehend Äquivalenz aufzeigen [21].
2018
Hyglos/bioMerieux bringen als weiteren rFC Test den ENDOZYME II GO auf den Markt
2018
Die FDA genehmigt als erstes Arzneimittel den monoklonalen Antikörper Emgalty™ von Eli Lilly, welcher für die Chargenfreigabe mittels rFC auf Endotoxine geprüft wird.
Tab. 1.1Fieber und Hypothermie beim Menschen.
Hypothermie
Hypothalamus
Fieber
↓
Istwert < 35 °C
Sollwert: um 37 °C
Erhöhung des Sollwerts auf 38 °C
WärmeabgabeSchwitzen, starke Durchblutung der Haut
——
WärmeproduktionZittern, “Gänsehaut“, Verengung der peripheren Gefäße
Die normale und auch ideale Körpertemperatur des Menschen, die Basaltemperatur, liegt zwischen 36,0 und 37,2 °C. Der menschliche Körper reagiert auf Infektionen mit Fieber, d. h. mit einer Erhöhung der Körperkerntemperatur. Sie entsteht durch die Sollwertänderung der Temperatur im Wärmeregulationszentrum der Regio praeoptica des Hypothalamus. Der Hypothalamus ist Teil des Zwischenhirns. Zu den Symptomen des Fiebers gehören – neben der Erhöhung der Körpertemperatur – weitere physiologische Reaktionen wie Komplementaktivierung, hypotoner Schock, Verbrauchskoagulopathie und Induktion von Entzündungsfaktoren. Diese Symptome treten bei Endotoxindosen im Nanogrammbereich auf; auf Dosierungen im Mikrogrammbereich folgt der septische Schock. Die Bundesärztekammer definiert Fieber ab einer Temperatur von 38,5 °C. Bei einer Körpertemperatur < 35 °C liegt Hypothermie (Unterkühlung) vor. Der Betroffene beginnt zu zittern, hat eine kalte Haut sowie Schmerzen (siehe Tab. 1.1).
In der Tab. 1.2 sind die bekannten fiebererzeugenden Agenzien (endogene und exogene Pyrogene) zusammengefasst.
Endotoxine oder LPS sind Bestandteile der äußeren Membran der gramnegativen Bakterienzellen. Ihre Eigenschaften werden in Tab. 1.3 denen der Exotoxine gegenübergestellt.
Enterotoxine sind Exotoxine, die ihre schädigende Wirkung im Verdauungssystem entfalten. Enterotoxine werden z. B. von Staphylococcus aureus, E. coli, Shigellaarten, Pseudomonas aeruginosa, Clostridiumarten, Bacillus cereus, Yersinia enterocolitica, und Vibrio cholerae gebildet. Hier finden sich sowohl grampositive als auch gramnegative Bakterien.
Tab. 1.2Herkunft und Natur der Pyrogene.
Endogene Pyrogene
Hormone
Steroide Prostaglandine
Cytokine
InterferoneInterleukineTNF alphaColony Stimulating Factor (CSF)Wachstumsfaktoren
Exogene Pyrogene
Herkunft Mikrobiell
Organismen
Gram(−)-BakterienGram(+)-BakterienPilzeVirenPlasmodien
Moleküle
Endotoxin (LPS)Lipid ALTAPeptidoglykaneNucleinsäurenTuberkulinFlagellineExotoxine von Streptokokken und StaphylokokkenPorinePhosphoinositoleGlucaneMannoproteine
Herkunft Nichtmikrobiell
Antigene
Serumalbumin, human
γ
-Globulin, bovinPolynucleotideSteroideGallensalzeLithocholinsäureColchicinBleomycin
Abiotisch
(Nano-)Partikel, z. B. Kunststoff, Gummi, Staub
Exotoxine sind toxische Proteine, die von Bakterien synthetisiert und in die Umgebung ausgeschieden werden. Auch in Abwesenheit der Bakterien können diese Proteine schädigend auf Mensch und Tier einwirken. Die Proteine werden durch Futter oder Lebensmittel aufgenommen, beispielsweise Botulinustoxin von Clostridium botulinum. Ein anderer Weg ist die Aufnahme von Bakterien, die dann im Körper (Magen, Darm) ihre Exotoxine freisetzen. Dies ist z. B. bei Cholera der Fall: Vibrio cholerae lebt im Wasser und kann über Trinkwasser oder rohe Fische und Meeresfrüchte aufgenommen werden. Die Choleratoxine ctxA und ctxB und der toxinkoregulierte Pilus werden im Dünndarm freigesetzt und aktivieren das Enzym Adenylatcyclase an den Membranen der Dünndarmschleimhaut. Dadurch steigt die Konzentration von cAMP an, wodurch eine erhöhte Sekretion von Chloridionen bei gleichzeitiger Inhibition der NaCl-Resorption und verstärkter Wasserabgabe erfolgt. Folgen sind starke wässrige Durchfälle („Reiswasserstuhl“). Damit sind die Exotoxine dieses Bakteriums auch Enterotoxine [22].
Exotoxine werden in drei Gruppen eingeteilt [23] (siehe Tab. 1.4):
Superantigene aktivieren die Interaktion des MHC-Komplexes mit dem T-Zell-Rezeptor.
Porenbildner permeabilisieren die Cytoplasmamembranen.
AB-Toxine wirken als Enzyme im Cytosol von Mensch- und Säugetierzellen.
Zu den Superantigenen gehören das toxische Schocksyndrom – Toxin 1 (Staphylococcus aureus), Enterotoxin B (Staphylokokken) und die pyrogenen Exotoxine aus Streptococcus pyogenes (hier ist der interessante Fall, dass ein Exotoxin aus einem grampositiven Bakterium fiebererzeugend wirkt).
Die Porenbildner binden an die Säugetierzellen und bilden Transmembranporen. Zu den Porenbildnern gehören z. B. Hämolysin aus Bacillus cereus, EHEC-Hämolysin aus enterohämorrhagischen E. coli-Zellen, Enterotoxin aus Clostridium perfringens, Aerolysin aus Aeromonas spp., cytotoxi-assoziiertes Gen A (CagA) aus Helicobacter pylori.
Tab. 1.3 Gegenüberstellung der Eigenschaften von Endotoxinen und Exotoxinen.
Charakteristikum
Endotoxin
Exotoxin
Chemische Natur
LPS
Proteine
Teil der äußeren Membran gramnegativer Bakterien
Ja
Nein
Meist von grampositiven Bakterien
Nein
Ja
Gewöhnlich extrazellulär
Nein
Ja
Phagen- oder plasmidcodiert
Nein
Viele
Antigene Wirkung
Schwach
Ja
Umwandlung zum Toxoid
Nein
Viele
Neutralisation durch Antikörper
Schwach
Ja
Verschiedene pharmakologische Wirkungen
Nein
Ja
Stabil bei hohen Temperaturen
Ja
Nein
a)
> 60 °C → Denaturierung
a) Ausnahme: Enterotoxin von Staphylococcus aureus widersteht Kochen bei 100 °C [25].
Tab. 1.4Medizinisch bedeutsame Toxine, nach [23]; sv = Serovar.
Toxin
Bakterium
Toxingruppe
Enterotoxine
Staphylococcus aureus
Superantigen
Pyrogene Enterotoxine
Streptococcus pyogenes
Superantigen
Streptolysin S
Streptococcus pyogenes
Porinbildner
Hämolysin BL
Bacillus cereus
Porinbildner
Nichthämolytisches Enterotoxin
Bacillus cereus
Porinbildner
Cytotoxin K
Bacillus cereus
Porenbildner
Cereulide
Bacillus cereus
Porenbildner
Enterotoxin
Clostridium perfringens
Porenbildner
Aerolysin
Aeromonas
spp.
EHEC-Hämolysin
Enterohämorrhagische
E. coli
Porenbildner
Cytotoxinassoziiertes Gen A (CagA)
Helicobacter pylori
Porenbildner
Vakuolenbildendes Cytotoxin (VacA)
Helicobacter pylori
Porenbildner
Cytotoxin
Plesiomonas
spp.
Porenbildner
Hitzestabiles direktes Hämolysin (TDH)
Vibrio parahaemolyticus
Porenbildner
Cytotoxisch nekrotisierender Faktor 1
E. coli
AB-Toxin: Deamidase
Shiga-like Toxin
E. coli
AB-Toxin: RNAse
Cytolethales Distending Toxin
E. coli
,
Campylobacter
spp.
AB-Toxin: DNAse
Lethaler Faktor
Bacillus anthracis
AB-Toxin: Protease
Neurotoxin
Clostridium botulinum
AB-Toxin: Protease
Plasmidcodiertes Protein Pet
E. coli
AB-Toxin: Protease
Subtilase Cytotoxin
E. coli
AB-Toxin: Protease
Shigellaenterotoxin 1
E. coli
AB-Toxin: Protease
Enterotoxin C2
Clostridium botulinum
AB: ADP-Ribosyltransferase
C3-Toxin
Clostridium botulinum
AB: ADP-Ribosyltransferase
Iotatoxin
Clostridium perfringens
AB: ADP-Ribosyltransferase
Diphtherietoxin
Corynebacterium diphtheriae
AB: ADP-Ribosyltransferase
Pertussistoxin
Bordetella pertussis
AB: ADP-Ribosyltransferase
Hitzelabiles Toxin
E. coli
AB: ADP-Ribosyltransferase
Enteroaggregatives hitzestabiles Toxin
E. coli
AB: ADP-Ribosyltransferase
Exotoxin A
Pseudomonas aeruginosa
AB: ADP-Ribosyltransferase
Typhustoxin
Salmonella enterica
sv. Typhi
AB: ADP-Ribosyltransferase
Choleratoxin
Vibrio cholerae
AB: ADP-Ribosyltransferase
Ödemfaktor
Bacillus anthracis
AB: Adenylylcyclase
Adenylylcyclase
Bordetella pertussis
AB: Adenylylcyclase
Hitzestabiles Toxin
E. coli
AB: Adenylylcyclase
Alphatoxin
Clostridium perfringens
AB: Phospholipase C
Cytotoxin ExoU
Pseudomonas aeruginosa
AB: Phospholipase C
Shigatoxin
Shigella dysenteriae
AB-Toxin
AB-Toxine binden über ihre Bindungsdomäne B an Rezeptoren von Säugetierzellen und gelangen daraufhin in das Zellinnere, wo ihre Untereinheit A, die enzymatisch aktiv ist, zelleigene Substrate angreift und verändern kann. AB-Toxine lösen eine Vielzahl von schweren Erkrankungen aus: Diphtherie, Cholera, Pertussis (Keuchhusten), Anthrax (Milzbrand), Gasbrand, Tetanus, Botulismus; die drei letztgenannten Krankheiten werden von Clostridiumarten verursacht [24].
1 Jankrift, K.P. (2007). Die großen Ärzte im Porträt. Wiesbaden: Marixverlag.
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18Bundesanzeiger Nr. 2 vom 6. Januar 1993, S. 67: Bekanntmachung zur Möglichkeit des Ersatzes der Prüfung auf Pyrogene durch die Prüfung auf Bakterien-Endotoxine nach DAB 10 (Parenteralia; Prüfung auf Reinheit). Abgedruckt in Pharm. Ind. 55, Heft 10/92 und Heft 2/93.
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22 Bauernfeind, A. und Shah, P.M. (1995). Lexikon der Mikrobiologie und der Infektiologie, 2. Aufl. Stuttgart, New York: Schattauer.
23 Weiß, A., Barth, H. und Schmidt, H. (2018). Bakterielle Toxine. Molekulare Struktur, Funktionsweise und Nachweissysteme. Hamburg: Behr’s Verlag.
24 Madigan, M., Martinko, J., Stahl, D. und Clark, D. (2012). Brock Biology of Microorganisms, 13. Aufl., S. 831. San Francisco: Pearson Education, Inc.
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