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Engel und Dämon – Die fesselnde Fortsetzung der Serie Angriff der Dunkelheit Engel und Dämon ist der zweite Band der düsteren Fantasy-Reihe Angriff der Dunkelheit und entführt die Leser:innen erneut in eine faszinierende Welt voller Geheimnisse, Magie und moralischer Grauzonen. Im Zentrum der Geschichte stehen Xenio, ein rebellischer Dämon, und Cido, ein gefallener Engel. Gegensätzlicher könnten sie nicht sein, doch eine gemeinsame Bedrohung zwingt sie dazu, zusammenzuarbeiten und ihre Vorurteile zu überwinden. Die Besonderheiten von „Engel und Dämon“ Ein unkonventionelles Duo: Xenio und Cido zeigen, dass Gegensätze oft mehr verbindet, als sie trennt. Licht trifft auf Dunkelheit: Der ewige Kampf zwischen Gut und Böse verschwimmt, und niemand ist völlig heldenhaft oder vollkommen böse. Komplexe Charakterentwicklung: Beide kämpfen mit inneren Dämonen, Schuld und der Suche nach Vergebung. Magie und Gefahren: Eine Welt voller Magie, mächtiger Geheimnisse und tödlicher Bedrohungen schafft eine düstere, fesselnde Atmosphäre. Emotionale Tiefe: Loyalität, Vertrauen und die Kraft der Liebe stehen ebenso im Fokus wie epische Kämpfe und spannende Wendungen. Vergleichbare Geschichten und Inspirationen Fans von Fantasy-Büchern mit moralischen Grauzonen und tiefgründigen Charakteren werden Engel und Dämon lieben. Die Dynamik zwischen Xenio und Cido erinnert an Good Omens von Neil Gaiman oder The Infernal Devices von Cassandra Clare. Auch Fans von Der Hexer oder The Mortal Instruments werden sich in der Mischung aus Magie, Spannung und emotionaler Intensität wiederfinden. Warum „Engel und Dämon“ lesen? Ein faszinierendes Zusammenspiel zwischen Engel und Dämon – voller Konflikte und Chemie. Eine düstere Fantasy-Welt mit Magie und Gefahr an jeder Ecke. Spannende Wendungen, die dich bis zur letzten Seite fesseln. Eine außergewöhnliche Gay Romance, die zeigt, dass Liebe alle Grenzen überwinden kann. Jetzt in die Welt von „Engel und Dämon“ eintauchen! Begleite Xenio und Cido auf ihrer Reise, die nicht nur ihre Welten, sondern auch ihre Herzen für immer verändern wird. Engel und Dämon ist als E-Book und Taschenbuch erhältlich – eine Geschichte voller Magie, Emotionen und mitreißender Spannung erwartet dich! Sichere dir dein Exemplar jetzt und finde heraus, ob Licht und Dunkelheit wirklich vereint sein können!
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de/ abrufbar.
Verlag:
Living Oils
Elisabeth Dunker
Münchener Straße 80
84453 Mühldorf am Inn
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte sind dem Autor vorbehalten, einschließlich der Vervielfältigung, Übersetzung, Mikrovorführung, Verfilmung, sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme.
Alle Charaktere und Handlungen sind frei erfunden.
1. Auflage 2024
ISBN Print: 978-3-949750-19-9
ISBN Ebook: 978-3-949750-33-5
©️ Shino Tenshi (aka A. R. Tost)
All rights reserved
Webseite: https://shinotenshi.de/
E-Mail: [email protected]
Instagram: @shinotenshi87
Facebook: www.facebook.com/autorshinotenshi
Cover-Artwork: Kathrin Weck
Chibi-Artwork: Suki's Art
Cover & Buchsatz: BinDer Buchsatz Verena Binder
angriff der Dunkelheit II
Engel und Dämon
Shino Tenshi
Unverhoffte Hilfe
Cido schritt ruhig durch die Straßen des Marktes. Er sah sich um und lauschte den lauten Rufen der Marktschreier, die ihre Waren anpriesen. Eigentlich wollte er sich nur ein wenig umsehen, doch andererseits wäre es doch schön, wenn er seinem Geliebten ein Geschenk besorgte. Schließlich hatte dieser schon so viel für ihn getan und irgendwie musste Cido ihm doch seinen Dank zeigen, oder nicht?
Darum ging der Braunhaarige näher an die Waren heran. Begutachtete die schönen Schmuckstücke aus Gold, Juwelen und anderen wertvollen Gegenständen. Doch all das war nichts für einen Menschen wie Xenio. Das wusste der Junge nur allzu gut. Sein Begleiter stand nicht auf solche Sachen.
Nach einer geraumen Weile kam er an einen Stand mit Waffen, wodurch er kurz stehen blieb und sich die Auslage genauer ansah. Da könnte er vielleicht etwas finden. Einen zweiten Dolch vielleicht?
Ruhig nahm er ein Exemplar in die Hand. Seine Klinge war leicht gebogen und die Scheide kunstvoll mit funkelnden Juwelen und Gold verziert. Bestimmt war es nicht billig und irgendwie passte es nicht in die Sammlung des Blonde. Er trug keine so auffälligen Waffen. Klar, sie waren durchaus wertvoll, aber sie glitzerten und leuchteten nicht.
Sie waren aus schlichtem aber teuren Material mit Verzierungen, die man nur beim näheren Hinsehen sah. Darum legte er die Waffe zurück und besah sich die Pfeile genauer. Sie wirkten gut verarbeitet, doch wenn der Braunhaarige näher hinsah, dann waren sie alle nicht gerade. Das würde das Schießen wohl nicht einfach machen. Ein Seufzer stahl sich über seine Lippen und er wünschte sich, dass es einfacher wäre, ein Geschenk zu finden. Das konnte doch nicht so schwer sein, oder vielleicht doch? Er wusste es nicht, als er sich erneut umsah und gerade gehen wollte, doch der Verkäufer stoppte ihn. „Was ist los, Junge? Du siehst aus, als würdest du etwas Besonderes suchen und meine Waffen scheinen dieses Kriterium irgendwie nicht zu erfüllen.“
„Ähm, ja. Ich suche ein Geschenk für einen besonderen Freund von mir. Er liebt es, zu kämpfen, und hat auch einige Waffen bei sich. Doch Ihre Waren passen nicht so wirklich zu dem Rest, den er trägt.“ Der Junge wollte nicht mit dem Mann reden. Er vertraute ihm nicht und obwohl viele Menschen um ihn herum waren, hatte er Angst, dass etwas passieren könnte. Er war nicht sicher, wenn Xenio nicht bei ihm war.
„Da hätte ich vielleicht etwas für Sie. Einen Moment bitte.“ Mit diesen Worten verschwand der Mann kurz hinter seinem Marktstand und nach wenigen Atemzügen kam er zurück. Er hielt einen ovalen Gegenstand in den Händen, den er mit einem violetten Tuch abgedeckt hatte. Irgendetwas bewegte sich darunter. Das hörte Cido ganz deutlich.
„Was ist das?“ Der Junge konnte seine Neugier nicht zügeln, als der Gegenstand vor seinen Augen nieder gestellt wurde und ein Lächeln, auf die Lippen des Mannes trat, als er das Tuch ganz langsam anhob. „Das ist das Geschenk, das Sie für ihren Freund gesucht haben.“
Es kam ein Käfig zum Vorschein, in dem ein roter Vogel mit langen Schwanzgefieder und einer wunderschönen Haube saß. Er sah Cido aus seinen starren Augen an und begann dann laut zu kreischen. Sein Schnabel war gezackt und spitz nach vorne gerichtete. Er wirkte wie eine Säge, die sich durch alles schneiden konnte, wenn er nur wollte.
Der Vogel schüttelte sich und putzte kurz sein Gefieder, bevor er erneut laut aufkreischte und zwischen den beiden Menschen hin und her sah, während er unruhig auf der einzigen Stange in seinem Gefängnis auf und ab ging.
„Was ist das?“, fragte Cido erneut nach, was den Mann noch einmal ein wenig lächeln ließ. „Das ist ein Phoenix. Eines der stolzesten Tiere, die es auf diesen Planeten gibt. Sie sind Fleischfresser und viele sehen sie als grausame Mörder an, während sie eigentlich ein sehr schönes soziales Leben haben und treue Gefährten sind. Ihre Freunde beschützen sie bis in den Tod und jeden, den sie einmal in ihr Herz geschlossen haben, wird dort für alle Zeit bleiben.“
Als der Junge der Beschreibung lauschte, musste er unwillkürlich an Xenio denken. Genau all das traf auf seinen Freund auch zu. Er wurde von der Welt falsch verstanden. Genauso wie dieser Vogel vor ihm. Darum war die Entscheidung schnell getroffen und er nickte entschlossen. „Ich nehme ihn.“
Kurz darauf wurde der Preis genannt und Cido bezahlte, ohne zu zögern. Er hätte auch seine letzte Münze für dieses Tier hergegeben, denn er spürte, dass schon jetzt eine Verbindung zwischen ihnen entstand und genau dieses Tier ideal für Xenio war.
„Muss ich etwas bei der Haltung beachten?“, fragte er den Mann dann, als er diesen dabei beobachtete, wie er das Gold wegräumte. „Ja, er frisst nur Fleisch und verabscheut Wasser, wodurch die Fleischstücke gut blutig sein müssen, um den Wasserbedarf zu decken. Normalerweise sorgt er aber selbst für seine Nahrung. Du musst also nicht allzu stark darauf achten. Ihm einfach nur hin und wieder das Jagen ermöglichen. Sie werden auch sehr groß. Irgendwann könnt Ihr auf ihm reiten und wenn Ihr ihn gut dressiert, kann er sich in die Berge zurückziehen und auf einen Pfiff zu euch kommen.“
Cido nickte als Zeichen, dass er verstanden hatte, und nahm den Käfig vom Verkäufer entgegen. Er machte sich auf den Rückweg zu Xenio, der immer noch auf der Bank saß und nachdachte. Kurz überlegte Cido, ob er sich ihm nähern sollte, doch der Vogel nahm ihn die Entscheidung ab, als er laut aufkreischte und der Kämpfer unwillkürlich zusammen zuckte.
Ihre Augen trafen sich und Verwirrung trat in das blaue Meer, worauf sich der Jüngere schließlich langsam näherte und ein wenig verschmitzt lächelte. „Ich bin wieder da. Und ich habe dir etwas mitgebracht.“
„Warum?“ Die Stimme von Xenio war eiskalt und ließ Cido zusammenzucken, bevor er dann trocken schluckte und den Wunsch unterdrückte, jetzt nicht hier zu sein. Störte er gerade? Sollte er vielleicht doch noch ein wenig umher wandern? Warum war Xenio jetzt plötzlich so grausam zu ihm?
„Ich wollte dir damit danke sagen. Für alles.“ Ruhig stellte er den Käfig neben den Kämpfer auf die Bank, wodurch dieser das Tier musterte und schnell begriff, was es war. „Ein Phoenix. Wo hast du ihn her? Der hat doch bestimmt ein halbes Vermögen gekostet.“
„Geld ist egal. Ich wollte dir etwas Gutes tun und mich bei dir bedanken.“ Cido strich sich nervös über den Nacken und wusste nicht, was er sagen sollte, als er schon hörte, dass sich die Käfigtür öffnete und der Vogel im nächsten Moment auf den Arm von Xenio kletterte. „Weißt du, dass ich heute Geburtstag habe?“
„Echt jetzt?“ Cido traute seinen Ohren nicht und Xenio begann zu lächeln. Es war sanft und warm, als es aus den Tiefen seines Herzens kam und er begann das Tier zu streicheln. „Ja, echt jetzt. Das nennt man also perfektes Timing, oder? Ich habe schon lange, nichts mehr zu meinem Geburtstag geschenkt bekommen. Danke.“
Dem Braunhaarige fiel ein Stein vom Herzen, als er sah, dass sich sein Freund freute, wodurch er neben den anderen Platz nahm. Musterte dabei ruhig den Vogel, der sich das Gefieder putzte und sein Leben genoss.
„Hat er einen Namen?“, durchbrach der Kämpfer nach einer Weile die Stille, worauf Cido nur den Kopf schüttelte. Xenio selbst begann darauf kurz zu überlegen, bevor er das Tier vor ihm taufte. „Okay, dann sollst du ab heute Xendo heißen.“
Cido empfand den Namen als schön. Es war eine Kombination aus ihrer beider und das verriet ihn, wie sehr Xenio auch an ihrer Verbindung hing. Sie würden dieses Abenteuer gemeinsam durchstehen. Und dann? Ja, was kam dann?
Der Junge wollte nicht daran denken und schüttelte kurz den Kopf. „Was ist los?“ Der Kämpfer sah ihn irritiert an, doch er winkte nur ab, bevor er antwortete: „Nichts. Es ist ein schöner Name. Was meinst du, wird er uns helfen können?“
„Vielleicht. Er scheint sehr kräftig zu sein. Das wird sich am Abend zeigen.“ Ruhig tastete der Kämpfer nach der Brust des Vogels. Dieser kreischte kurz auf, bevor er dann spielerisch die Finger in seinen Schnabel nahm, um die Berührung zu unterbrechen.
Die beiden Jungen lachten auf und der Vogel krächzte freudig. Ja, sie würden ein gutes Team werden. Ein verdammt gutes Team…
Die Nacht hatte sich über die Stadt gelegt und nur noch wenige Gestalten waren auf der Straße zu sehen. Die Meisten schliefen in ihren Ecken unter zerlumpten Decken oder torkelten von einer Kneipe nach Hause. Nur zwei gingen mit sicheren Schritt in die Richtung des Gasthofes, in dem eine Leiche gefunden wurde.
„Und du bist dir sicher, dass es noch da ist?“ Die Stimme von Cido blieb gesenkt und er sah seinen Freund unsicher von der Seite an. Dieser zuckte mit den Schultern und sah sich kurz um, doch niemand beachtete sie. „Es kann auch bei der Polizei sein, doch ist es sicherer erst einmal da einzusteigen, bevor wir es bei den Gesetzeshütern versuchen.“
Der Braunhaarige musste seinem Begleiter zustimmen und schwieg den restlichen Weg. Xendo selbst saß auf der Schulter von Xenio und war schon fast so groß wie ein Ara. Sein feuriges Gefieder erleuchtete die Nacht, dennoch wurde die kleine Gruppe nicht beachtet, als sie sich ihrem Ziel weiter näherten.
„Ich geh rein und du bleibst hier, verstanden?“ Xenio sah Cido ruhig an, als sie vor dem Gebäude zum Stehen kam.
„Xendo sollte auch bei dir bleiben. Sein Licht würde mir dort drinnen nicht viel helfen.“
„Dein weißer Anzug ist auch nicht unbedingt förderlich, das ist dir klar, oder?“ Mit einem Grinsen deutete Cido auf die Kleidung seines Freundes und erntete dadurch ein Augenrollen, bevor sich dieser abwandte und an die Tür herantrat. Er zog seinen Dolch aus der Scheide und begann das Schloss mit gezielten Bewegungen zu öffnen, ehe er dann in das Innere schlüpfte.
Xenio wusste selbst, dass seine Kleidung für einen Einbruch unbrauchbar war, aber er konnte ja schlecht den Jüngeren hineinschicken, der sich nicht wehren konnte und bestimmt in Panik verfiel, wenn etwas nicht so lief, wie es sollte, darum musste er es selbst tun. Er atmete tief durch und begann sich vorsichtig nach vorne zu tasten.
Um ihn herum herrschte Stille, die ihn gänzlich umschloss und nur durch vereinzelte Schnarcher aus den Gästezimmern durchbrochen wurde. Seine linke Hand tastete sich an der Wand entlang und er versuchte durch die Dunkelheit etwas zu erkennen, was ihn zur Orientierung diente. Nur langsam gewöhnten sich seine Augen an die Lichtverhältnisse und zeigten ihm Schemen und Umrisse. Er war also noch in der Gaststube. Zu den Zimmern ging es durch eine hintere Tür und wenn er sich nicht täuschte, müsste sie nicht weit entfernt sein.
Plötzlich stieß er gegen etwas. Reflexartig griff er nach dem Gegenstand, um ihn vorm Umfallen zu bewahren. Es war ein Stuhl, den er dann wieder vorsichtig hinstellte, um jeden weiteren Lärm zu verhindern.
Seine Finger glitten unsicher über seine Lehne und tasteten sich weiter durch die Dunkelheit. Er hätte niemals gedacht, dass es wirklich mal solch ein Problem sein könnte in ein Haus einzusteigen. Wenn er ehrlich war, verzieh er es sich niemals, dass er seine Waffe dort liegen ließ. Es war nicht seine Art, sein Schwert zu vergessen, aber manche Umstände machten auch das Unmögliche möglich.
Er atmete tief ein und aus, bevor er noch einmal über seine Schulter sah. Cido war dort draußen im Schein von Xendo und würde ihn warnen, wenn irgendetwas nicht so lief, wie es sollte. Der Kämpfer sollte ihm vertrauen. Er musste endlich lernen, auch etwas Verantwortung abzugeben, doch Cido war so zerbrechlich und schwach. Xenio hatte Angst, dass er zusammenbrechen könnte, wenn er ihm zu viel zumutete.
Er schüttelte seinen Kopf. Das war nicht wichtig. Er musste jetzt sein Schwert holen und das so schnell wie möglich.
Vorsichtig schlich er weiter und erreichte schließlich das Ende der Stube. Er tastete sich an dem Türrahmen entlang und drückte dann die Klinke nach unten, um in den Gang dahinter zu huschen. Das Schnarchen um ihn herum wurde lauter und wenn der Kämpfer ehrlich war, dann war ihm dieser Lärm nur Recht. Er überdeckte seine eigenen Geräusche.
„Acht, neun und zehn. Hier muss es sein“, zählte er für sich in Gedanken und drückte dann die Klinke zu dem besagten Zimmer nach unten, doch die Tür bewegte sich nicht.
„Mist, abgeschlossen! Okay, noch mal.“ Xenio nahm seinen Dolch zur Hand und begann auch dieses Schloss zu knacken, um dann in den dahinter liegenden Raum zu schlüpfen.
Hier erhellte das Licht des Mondes das Zimmer und machte mehr als Schemen sichtbar. Xenio erkannte die Decke auf dem Bett, die noch zerwühlt dalag und auch den Schrank, dessen Türen offen standen. Der Geruch des Todes schlich sich leicht in seine Nase und Xenio spürte, dass es ihn tief in der Seele berührte. Es war nicht richtig, dass sie den Jungen hier liegen ließen.
Er ging zu der Stelle, an der er sein Schwert zurückgelassen hatte und bevor er sie erreicht hatte, wusste er schon, dass er es nicht finden würde. Der Polizist hatte gesagt, dass sie die Waffe gefunden hatten, und hier wurde alles mitgenommen, was auch nur im kleinsten Detail ein Beweis sein könnte.
Er fluchte in sich hinein und drehte sich um, damit er das Zimmer verlassen konnte, als er erneut gegen etwas stieß. Der kleine Höcker flog quer durchs Zimmer und krachte gegen Wand und Boden. Sofort verschwanden die Schnarcher und das Gasthaus erwachte zum Leben.
„Wer macht solch einen Lärm?“
„Ruhe, ich will schlafen!“
„Das wollen wir alle, du Idiot!“
„Haltet einfach die Klappe!“
Es waren zum größten Teil die Stimmen von Männern, die sich gegenseitig über den Flur hinweg anbrüllten, und schließlich ging auch das Licht an. Unter der Tür drang ein Teil davon in den Raum ein. Er hörte die Schritte und wie sich ein Schatten darüber legte. Jemand stand vor der Tür. Er musste hier weg oder sich verstecken. Panisch sah er sich um, doch es gab nichts, was nicht auffallen würde. Der Schrank stand offen und wenn er ihn schloss, würde jeder sofort merken, dass er dort war. Unters Bett kam er nicht so schnell.
„Xenio! Spring aus dem Fenster! Schnell!“ Die Stimme von Cido war gepresst und der Kämpfer dachte gar nicht lange nach. Sofort hechtete er durch die Scheibe und griff noch in der Sekunde, als er wieder in die Höhe kam, nach der Hand von seinen Geliebten, um dann mit ihm davon zu eilen.
Erst einige Straßen weiter blieb er schwer atmend stehen und sah noch einmal zurück, doch der Tumult schien sich nicht weiter auszubreiten, sondern wohl eher auf den nächsten Tag verschoben zu werden. Darum erlaubte er sich richtig Luft zu holen.
„Das war knapp. Danke.“ Er hauchte dem Jüngeren einen Kuss auf die Stirn und dieser begann schon damit die Glassplitter von der Kleidung des Älteren zu klopfen. Xenio selbst tat es ihm gleich.
„Au. Scheiß Glas.“ Cido zuckte zurück, als er sich an einem Splitter schnitt, doch Xenio griff sofort nach seiner Hand und besah sie kurz, bevor er einen Kuss auf die blutende Stelle hauchte. „Ist nicht schlimm. Das hört gleich auf zu bluten. Lass mich das lieber selbst machen. Ich trage Handschuhe.“
„Was willst du jetzt tun?“, fragte der Jüngere ihn und Xendo kreischte kurz auf, bevor er sich dann auf die Schulter von Xenio niederließ. Der Kämpfer sah auf den Vogel. „Du könntest auch langsam aufhören zu wachsen, sonst wirst du unhandlich. Hm, was ich jetzt tun werde? Mir wird nichts anderes übrig bleiben, als bei den Polizisten einzusteigen. Schließlich brauch ich mein Schwert und ich sehe nicht ein, dass ich das schöne Stück durch etwas anderes ersetzte. Ich will mit keiner anderen Waffe kämpfen.“
„Bist du dir sicher, dass das eine gute Idee ist? Sie könnten dich erwischen“, versuchte Cido ihm die Idee auszureden, doch der Kämpfer winkte ab. „Das werden sie schon nicht. Du hältst Wache und dann wird das schon funktionieren. Also, lass uns gehen. Die Dunkelheit ist uns auch nicht ewig treu.“
Der Kämpfer schritt davon, während der Jüngling ihm mit gemischten Gefühlen folgte. Ob das wirklich so eine gute Idee war? Er hatte seine gerechtfertigten Zweifel daran.
„Okay, wir sind da. Du passt wieder auf Xendo auf und versuchst, nicht erwischt zu werden, ja?“ Xenio sah auf seinen Freund, der ein wenig unsicher wenige Schritte von dem Gebäude entfernt stand. Die Tatsache, dass Xendo ihn mit seinem Feuer erleuchtete, machte die Sache mit dem Nichterwischen ein wenig schwerer, aber der Kämpfer vertraute Cido und hoffte, dass er nach dem Schwert nicht seinen Geliebten retten musste.
„Und du willst da wirklich rein? Was willst du machen, wenn sie dich erwischen? Ich … ich kann dir dann nicht helfen.“ Cido spielte nervös mit seinen Fingern und sah sich unruhig um.
Er hatte das Gefühl, dass sie jetzt schon erwischt wurden. Die Polizisten mussten doch nur darauf warten, dass der Mörder sich das Schwert zurückholte. Auch wenn diese Klinge nicht die Todesursache war. Es ging nur darum einen Schuldigen zu finden.
„Das wird schon nicht passieren. Ich bin auch in das Gefängnis gekommen und habe einen Insassen befreit, da werde ich doch wohl auch da rein und raus kommen. Mach dir also keine Sorgen, okay?“ Der Kämpfer hauchte dem Jungen einen Kuss auf die Stirn, bevor er sich dann gänzlich dem Gebäude zuwandte und nach einem Eingang suchte.
Nach wenigen Schritten verschwand das Licht des Phönixes hinter ihm und die Dunkelheit umschloss ihn. Er lauschte dem Zirpen der Grillen und versuchte Geräusche in dem Gebäude wahrzunehmen, doch es war totenstill. Immer mal wieder sah er durch ein Fenster, aber es waren keine Bewegungen zu sehen.
Als er es schon aufgeben wollte, erkannte er ein Fenster, das einen Spalt offen stand. Sofort vergrößerte er den Eingang und schlüpfte in das Gebäude. Ja, seine Kleidung war wirklich unvorteilhaft für diese Aktion, als er von Schatten zu Schatten huschte, doch es blieb still. Keine Bewegung um ihn herum. Das Gebäude wirkte wie ausgestorben.
Xenio beschlich ein ungutes Gefühl, das er ignorierte und sich weiter vorwärts bewegte. Bei jeder Abzweigung lauschte er in die Dunkelheit und wenn er kein Geräusch vernahm, sah er vorsichtig um die Kurven. Er blieb alleine.
„Wo sind die alle?“, schoss es ihm durch den Kopf.
Er konnte nicht begreifen, wie das Gebäude unbewacht war. Schließlich hatten sie Beweisstücke, die jeder Verdächtige oder gar Täter gerne wieder in seinen Besitz brachte. Die konnte man doch nicht einfach so stehen lassen, oder etwa doch? Er schüttelte den Kopf und zwang sich dazu, sich besser auf seinen Einbruch zu konzentrieren. Schließlich war er hier um sein Schwert zu holen und nicht um darüber nachzudenken wie gut die hiesige Polizei ihre Arbeit machte. Immer mal wieder öffnete er eine Tür, doch meistens waren die Räume dahinter nur mit vereinzelten Schreibtischen gefüllt und Stapeln aus Papier.
Xenio wollte die Hoffnung schon aufgeben, als er an einem Raum kam, der abgeschlossen war. Sofort zog er seinen Dolch und öffnete das Schloss, um dann lautlos hinein zu schlüpfen. Er roch verschiedene Gegenstände und kein Papier: Leder, Rost und Tiere. Auch war es ein wenig staubig und er erkannte die hohen Regale, die den Raum füllten. Hier war er richtig. Ein breites Grinsen trat auf seine Lippen, als er damit begann die unterschiedlichen Gegenstände zu untersuchen. Das Fiepen von Nagern drang an sein Ohr, als er aus Versehen an einen kleinen Käfig stieß, doch er machte sich, wegen den Geräusch keine Gedanken. Schließlich war er hier alleine.
Nach einer schieren Ewigkeit kam er bei einer Vitrine an. Er erkannte das Glitzern des Metalls unter den schwachen Strahlen des Mondes und als er die kleinen Verzierungen auf der Klinge erkannte, wusste er, dass es sein Schwert war. Der goldene Griff war mit kleinen Edelsteinen verziert, während auf der Klinge selbst lauter Drachen eingraviert waren.
„Endlich“, huschte es über seine Lippen und er tastete sich an dem Rand der Vitrine entlang. Seine Finger bemerkten nur ein Schloss und sonst keine Behinderung der Öffnung, wodurch der Kämpfer erneut nach seinen Dolch griff und mit gezielten Bewegungen die Verriegelung löste.
Ein leises Klicken erklang und er konnte die Glastür öffnen. Vorsichtig griff er nach dem Schwert und nahm es behutsam heraus. Er konnte es nicht glauben: Endlich hatte er es wieder. Seine wunderschöne Klinge, die ihm sein Vater vermacht hatte. Er spürte, wie sich sein Puls alleine durch die Berührung des kalten Metalls ein wenig beruhigte.
Sanft strich er über die Klinge und fuhr die einzelnen Drachen nach. Seine Finger berührten zaghaft jeden Stein auf dem Griff, bevor er die Waffe kurz hin und her schwang, um das Gefühl zu genießen, es endlich wieder in der Hand zu halten. Ohne das Gewicht dieses Schwertes fühlte er sich nackt und schutzlos, darum wurde das Grinsen noch breiter, als er es endlich wieder in die Scheide schieben konnte. Noch einmal glitten seine Finger über den Knauf, bevor er sich dann zwang zu gehen. Seine Füße trugen ihn sicher zum Ende des Raumes, um diesen im nächsten Moment zu verlassen. Er trat zurück auf den Flur, der jedoch nicht mehr so ruhig war, wie vor wenigen Minuten…
„Xenio ist schon lange da drinnen.“ Cido kickte einen Stein vor seinen Füßen weg und sah auf den Phönix, der vor ihm auf den Boden saß. Mittlerweile war ihm das Tier zu schwer. Niemals hätte er gedacht, dass diese Vögel so schnell wuchsen, aber anscheinend dachte dieser auch noch nicht daran, aufzuhören.
„Ob es ihm wohl gut geht?“ Er sah das Tier fragend an und Xendo schrie einmal kurz auf.
Der Phönix legte seinen Kopf ein wenig schräg und blinzelte.
Cido spürte, wie er sich langsam entspannte, und musste ein wenig lächeln. „Ja, du hast wahrscheinlich Recht. Xenio weiß, wie er auf sich aufpassen muss.“
Auch wenn er sich das immer wieder in Gedanken vorsagte, wurde die Nervosität in seinem Inneren nicht weniger. Vor allem als es in dem Gebäude unruhig wurde. Immer wieder ging Licht an und er hörte die aufgebrachten Schritte.
„Verdammt!“ Cido wollte gerade zu dem Gebäude eilen, als der Schrei von Xendo ihn stoppte. Irritiert wandte er sich zu diesem um und sah, dass der Vogel noch ruhig auf der Stelle saß. Erneut wiegte er seinen Kopf hin und her, bevor er blinzelte und sich schüttelte. Kurz darauf begann er sein Gefieder zu putzen und Cido ging zurück zu dem Tier und ließ sich vor ihm in die Hocke sinken.
„Ist mit Xenio alles in Ordnung?“, fragte er vorsichtig und kraulte das Tier an der Brust, bevor er ihn ein wenig am Kopf verwöhnte. Das Gefieder war angenehm warm und wirkte lebendig. Es umspielte seine Finger und schien ihn ebenfalls zu streicheln.
Xendo selbst schrie noch einmal auf und blinzelte langsam, bevor er die Augen dann genießerisch geschlossen hielt. Dieses Verhalten beruhigte Cido weiter und er musste lächeln. Noch einmal wandte er sich zu dem Gebäude um und dachte an seinen Geliebten. Wie es ihm wohl ging? Ob er das Schwert schon gefunden hatte? Brauchte er vielleicht Hilfe? War Cido hier noch sicher oder sollte er gehen?
Der Braunhaarige schüttelte den Kopf und entschloss für sich, dass er warten würde. Er hatte versprochen hier zu sein, wenn Xenio zurückkam und er vertraute dem Kämpfer, dass dieser auch heil dort herauskam.
Plötzlich hörte er Schritte näher kommen und im nächsten Moment erkannte er eine Hand voll Polizisten. Einer unter ihnen zeigte hektisch auf ihn und der Junge wich instinktiv einen Schritt zurück. Sollte er weglaufen? Hatte das überhaupt einen Sinn? Oder machte er sich damit nur verdächtig? Im nächsten Moment verschwanden die Gestalten und Cido sah sich verwirrt um. Wo waren sie? Was wurde hier gespielt? Hatte er sich die Menschen nur eingebildet? Was bedeutet das für Xenio?
Xendo schrie panisch auf und stieß sich vom Boden ab, als im nächsten Moment die fünf Polizisten einfach wie aus dem Nichts um Cido herum auftauchten. Instinktiv wich der Junge zurück und prallte gegen den Mann hinter sich. Panisch nahm er Abstand und spürte, wie er zu zittern begann.
„Was? Was wollt ihr von mir?“ Seine Augen huschten über die hämisch grinsenden Gesichter. Sie streckten die Hände nach ihm aus und versuchten, ihn zu packen, doch er wich ihnen aus. Immer wieder entwischte er ihnen. Er spürte ihre Berührungen. Einer versuchte seine Arme um seinen Brustkorb zu schließen und da passierte es.
Die Angst gewann in seinem Verstand die Überhand und er spürte diese unbändige Kraft in sich. Schlagartig baute sich das Kraftfeld um ihn herum auf, bevor sich eine Welle von seinem Körper löste und die Polizisten ein Stück von ihm wegtrieb, doch nicht so weit, wie er es gewohnt war.
„Xenio.“ Er spürte, wie seine Lippen zu zittern begannen und er sich verloren fühlte.
Wieso war der Kämpfer nicht hier, um ihm zu helfen? Hatten sie ihn erwischt? Das konnte nicht sein. Xenio war nicht so einfach zu fangen.
„Sei ein braver Junge und komm mit uns mit. Ihr habt verloren. Deinen Freund haben wir auch bald.“ Einer der Polizisten streckte seine Hand nach Cido aus, doch dieser schüttelte den Kopf und krallte sich in die Ärmel seines Oberteils.
Er wollte diese Worte nicht glauben. Xenio ging es bestimmt gut. Es musste einfach so sein. Niemand konnte den Kämpfer aufhalten und schon gar nicht fangen.
„Ihr bekommt mich nicht.“ Erneut löste sich eine Welle von seinem Körper, doch die Polizisten verschwanden und im nächsten Moment waren sie sogar näher an Cido dran. Das war nicht möglich. Es konnte nicht sein, dass sein Kraftfeld hier wirkungslos war. Sie durften ihn nicht bekommen.
Sein Blick glitt zu Xendo, der leicht versetzt über ihnen flog. Das stolze Tier sah auf sie herab und schien zu versuchen die Situation zu verstehen. Der Junge wusste nicht, was ihn dazu antrieb, doch er streckte seine Hand nach dem Vogel aus und rief ihn zu sich.
Ein Kreischen erklang und das Licht kam näher. Die Flügelschläge drangen in Cidos Gedanken ein und schienen sämtliche Angst und Panik hinwegzufegen. Er spürte die beruhigende Wärme und begann sich langsam zu entspannen. Das Kraftfeld verschwand, als der Vogel kurz mit seinem Schnabel über die zierlichen Finger des Jungen strich, bevor er sich zu den Polizisten wandte.
Sie wichen zurück und verloren sämtliche Details. Mit jeder Sekunde, die sie länger in dem Licht des Tieres standen, wurden sie mehr zu einem gewöhnlichen Schatten, der jedem auf dieser Welt gehören könnte.
Xendo kreischte auf und stürzte sich auf den Ersten von ihnen. Ein Schrei erklang, als sich die gewaltigen Krallen in den Leib bohrten und der Schnabel begann das Fleisch zu zerreißen. Cido verstand nicht, was gerade passierte, als der Vogel von seinem ersten Opfer abließ und sich auf den zweiten Schatten stürzte.
Erst als auch dieser zu schreien begann, schienen die anderen zu begreifen, was hier passierte, denn sie verschwanden im Boden und Cido war mit den zwei Leichen und den Phönix alleine.
Diese Tiere fressen Fleisch. Am Liebsten schön Blutiges. Denn so decken sie auch ihren Flüssigkeitsbedarf ab.
Das Klappern des Schnabels drang zu ihm durch. Er sah, wie ein Stück Fleisch nach dem Anderen in der Kehle des Vogels verschwand. Xendo kaute nicht. Er schluckte sie gänzlich herunter. Riss mit seinem Schnabel und den Klauen neue Stücke heraus. Er ließ es sich sichtbar schmecken und auch wenn Cido wusste, dass er sich davor ekeln sollte, war er von dem Anblick fasziniert.
Jede Faser, die im Gefieder hängen blieb, wurde dann fein säuberlich weggeputzt. Xendo fraß nicht auf. Er schien nur das besonders weiche Fleisch zu bevorzugen und Cido zwang sich dazu die Leichen nicht zu genau anzusehen. Sein Blick haftete auf den Phönix, der sich schließlich schüttelte und zu dem Jungen wandte, bevor er seinen Kopf schief legte und noch einmal kurz auf kreischte.
Er tapste zu ihm und schmiegte seinen Schnabel an die Wange von Cido. Der Junge spürte das Blut, das nun auf ihn klebte, doch der erwartete Schauer blieb aus. Er strich durch das Gefieder und kraulte das Tier, bevor er sich zu ihm herunter beugte und ihm einen Satz zuflüsterte: „Geh und hilf Xenio.“
Xendo kreischte auf und stieß sich wieder ab, um davon zu fliegen. Sein Ziel war das Innere des Polizeigebäudes…
Die aufgeregten Schritte hallten über den Flur und er hörte das Murmeln von Stimmen. Xenio wusste, dass er jetzt hier raus musste, sonst würden sie ihn entdecken. Er schlüpfte aus der Tür und in die nächste Nische. Wo kamen all die Polizisten her? Vorher war das Haus doch mehr als nur ruhig gewesen und jetzt schien es wie ein aufgebrachter Bienenstock zu sein.
Xenios Hand legte sich auf den Schwertgriff an seiner Seite. Die kühlen Edelsteine spendeten ihn Ruhe und Gelassenheit. Er glitt über sie und spürte, wie sich seine Gedanken langsam klärten. Panik würde seinen Tod bedeuten. Er musste jetzt wohl überlegt vorgehen und Schritt für Schritt den Weg hier raus finden.
Kurz schloss er die Augen und hörte in den Gang. Die Schritte drangen zu ihm durch. Sie eilten an ihm vorbei und eine Tür wurde aufgerissen. Im nächsten Moment entfernten sie sich wieder und ein Ruf erklang: „Das Schwert ist weg! Der Mörder muss noch hier sein! Findet ihn!“
Es brach Hektik aus und immer mehr Schritte eilten an Xenio vorbei. Er drückte sich so fest gegen die Wand, dass er das Gefühl hatte, dass er jeden Moment in sie gleiten würde. Dieser Umstand würde das Entkommen um einiges erleichtern. Als es anfing ruhiger zu werden, traute sich Xenio aus seinem Versteck. Er huschte, so gut es ging, von Schatten zu Schatten. Immer wenn Lärm näher an ihn herankam, verschwand er im nächsten toten Winkel.
Der Kämpfer wusste nicht, wie er aus dieser Misere herauskommen sollte. Überall waren Polizisten und als er nur noch eine Abbiegung von dem Ausgang entfernt war, erkannte er den Kommissar, der im Flur stand und seine Untergebene durch das Gebäude hetzte.
„Sucht weiter! Er muss hier irgendwo sein und er darf nicht entkommen! Niemals! Wenn er mit dem Schwert verschwindet, dann haben wir verloren! Das darf nicht passieren!“ Immer wieder rief er diese Sätze und Xenio schluckte trocken, als er sich noch einmal im Schatten ausruhte und tief Luft holte.
Er durfte jetzt nicht den Verstand verlieren, denn wie es aussah, kam er um einen Kampf nicht herum. Niemals würde er sich freiwillig stellen für ein Verbrechen, das er nicht einmal begangen hatte. Uni tötete den Jungen und nicht er. Seine Waffe war ja nicht einmal für solch ein Loch ausgelegt. Warum sahen sie das nicht?
Seine Finger glitten nervös über den Griff der Klinge. Er spürte die Unebenheiten durch seine Handschuhe. Sie war ihm so vertraut. So lange kämpfte er schon mit ihr an seiner Seite. Ihr Gewicht an seiner Hüfte spendete ihn Trost und Sicherheit. Es ließ seine Gedanken ruhiger werden und auch seine Atmung flacher.
Entschlossen umschloss er den Griff und trat aus seinem Versteck in die Stille hinein. Plötzlich war der Gang leer und er sah nur den Kommissar vor sich, der auf den Boden starrte. Keine Polizisten mehr. Nichts war in seiner Umgebung. Sie waren alleine und obwohl er nicht angesehen wurde, wusste Xenio, dass sein Feind seine Anwesenheit wahrgenommen hatte, doch worauf wartete er dann noch?
Das Scharren der Klinge durchbrach die Stille, als Xenio seine Waffe zog und sie für ein besseres Gefühl einmal in seiner Hand kreisen ließ. Jeder seiner Schritte war fest und sicher, als er sich weiter dem Polizisten näherte und dabei in die Umgebung lauschte, um nicht in eine Falle zu tappen.
„Wir sind alleine.“ Die Stimme des Schutzmannes hing unheilvoll im Raum und Xenio wollte ihm nicht glauben. Es waren doch vorhin noch so viele gewesen. Wohin sollten die alle verschwunden sein? Unsicher sah er sich kurz um, aber nie soweit, dass er seinen Feind gänzlich aus den Augen ließ. Sie schienen wirklich alleine zu sein. Er vernahm nur die Atemgeräusche von ihnen und seine eigenen Schritte.
Nun drehte sich der Polizist zu ihm um und er sah das breite Grinsen auf dessen Lippen, als er mit einer ruhigen Handbewegung auf das Schwert deutete. „Ich wusste, dass es dir gehört. Es war mir auch klar, dass du es dir wiederholen wirst, doch du scheinst nicht zu ahnen, dass du hier und jetzt sterben wirst.“
Plötzlich verschwand er vor ihm und das Nächste, was Xenio wahrnahm, war ein eisiger Atem in seinem Nacken. Panisch riss er sein Schwert in der Drehung hoch und nahm mit einem Satz Abstand zu dem Wesen hinter ihm.
Der Polizist lächelte weiter und verschwand erneut vor ihm. Sofort drehte sich Xenio um, doch niemand stand hinter ihm. Der Flur schien leer. Leer bis auf das Huschen. Sofort schnellte Xenio in die Richtung, doch dort war nichts. Immer wieder sah er in seinem Augenwinkel einen bewegenden Schatten, aber sobald er sich zu diesem drehte, war dort nichts mehr. Er spürte, wie er unruhiger wurde und sich der Griff um die Klinge verhärtete. Im nächsten Moment ertönte ein höhnisches Lachen. Es war überall, genauso wie der Schatten. Xenio wollte Ruhe bewahren. Er wollte seinen Verstand behalten, doch der Fakt, dass die Bedrohung allgegenwärtig war und er sich nicht ideal schützen konnte, trieb ihn schier in den Wahnsinn.
Er musste ruhig bleiben, sonst hatte er jetzt schon verloren, darum schloss er die Augen und wollte sich nur noch auf sein Gehör verlassen, denn seine Augen kamen nicht mehr mit.Erst war dort nur das Lachen, doch nach und nach hörte er auch das Kratzen auf den Wänden und die Schritte auf dem Boden.
Er wusste, wo und wie sein Feind agierte, darum zog er einen Pfeil aus seinem Köcher und legte ihn in den Bogen. Immer weiter versuchte er, durch sein Gehör die Bewegungen zu entschlüsseln, denn auch wenn es so wirkte. Der Schatten konnte sich nicht teleportieren. Er lief jede Strecke vollständig ab.
Xenio atmete tief ein und aus, bevor er den Bogen spannte und schoss. Der harte Aufprall auf die Wand überdeckte im ersten Moment alles und als die Stille zurückkehrte, spürte Xenio plötzlich, wie man ihm über die Wange strich.
Schlagartig öffnete er die Augen und sah in das schwarze Schattengesicht, das seinem sehr ähnlich war. Sofort nahm er mit einem Sprung Abstand und fixierte seinen Feind, der ihn immer noch breit angrinste.
„Du wirkst so entsetzt. Hast du denn noch nie ein Schattenwesen gesehen?“ Der Schatten bewegte sich vor ihm. Seine einst so schemenhafte Gestalt gewann immer mehr an Form und er fing an, Xenio zu umrunden, während er nach und nach zu dessen Ebenbild wurde.
„Ich bin Shadow, der Schattenkönig. Mein Volk kann jede Gestalt annehmen, die wir möchten und dadurch sind wir ideal, um Informationen zu bekommen oder eben Verbrechen aufzuklären. So wie den Tod des Jungen, Mörder.“
Xenio lachte hart auf und schüttelte den Kopf. „Ich habe ihn nicht umgebracht. Ein Einhorn hat ihn aufgespießt. Mein Schwert kann so eine Wunde gar nicht verursachen. Soll ich dir zeigen, wie es aussieht, wenn man davon aufgespießt wird?“
Er ging sofort in den Angriff über, doch seine Klinge glitt durch den schwarzen Leib hindurch. Es floss kein Blut und kein Zeichen von Schmerz glitt über das schwarze Gesicht. Im Gegenteil lag immer noch das Lächeln auf den Lippen und er strich Xenio erneut über die Wange, bevor er neben sein Ohr kam. „Es gibt nur ein Wesen, das uns töten kann, und das bist ganz bestimmt nicht du.“
Im nächsten Moment traf Xenio ein harter Schlag an seiner Schulter und schleuderte ihn zurück, bevor Shadow ebenfalls ein Schwert zog und sich langsam ihm näherte. „Aber ich kann dich berühren und töten. Es ist mir egal, wer den Jungen wirklich umbrachte. Er war in eurem Zimmer und ihr seid für dessen Tod verantwortlich. Du kannst mir nicht entkommen und ihr werdet eure gerechte Strafe bekommen. Gib lieber auf, bevor es ungemütlich für dich wird. Deinen Freund haben wir nämlich auch schon bald.“
Sofort schnellte Xenios Blick in die Richtung von Cido. Er konnte ihn auf Grund der Mauern nicht sehen, doch er hatte auch keinen Schrei vernommen. Konnten sie ihn wirklich so leicht überrumpeln? Hätte Xendo dies zugelassen? Verzweifelt suchte er nach einem Zeichen, dass es Cido gut ging, und im nächsten Moment kam es schon. Die starke Aura des Jungen wurde greifbar und das Lächeln kehrte auf Xenios Lippen zurück.
„Seid euch da mal nicht so sicher. Ich glaube kaum, dass ihr ihn bekommen werdet.“ Sein Griff um die Klinge wurde wieder fester und er stürmte auf den Feind zu, solange er nicht aufgab, existierte Hoffnung und er durfte Cido nicht im Stich lassen.
Metall prallte auf Metall. Xenio sah in sein schwarzes Ebenbild. Man stieß ihn von sich, doch der Kämpfer ging sofort wieder auf den Schatten los. Immer wieder glitten die Klingen übereinander. Shadow agierte wie als wäre er Xenios Spiegelbild. Drehte sich der Kämpfer, vollzog auch er eine Drehung. Das Metall kreischte auf, als die Klingen übereinander glitten. Als Xenio nach seinem Feind trat, glitt sein Fuß durch ihn hindurch, doch der Tritt des Gegners traf ihn mit voller Wucht in der Magengrube.
Hart prallte er gegen die Wand. Er rappelte sich röchelnd auf. Tastete sofort nach seinem Schwert. Spürte den Griff und umschloss diesen. Er wollte sich aufrichten, doch man schlug ihm ins Gesicht und schickte ihn erneut zu Boden. Der Kämpfer hustete immer noch, doch kämpfte sich in die Höhe. Den Griff des Schwertes fest umschlossen.
„Gib auf. Du hast verloren. Niemand kann dich und deinen kleinen Freund retten.“ Shadow baute sich vor ihm auf und Xenio spielte wirklich mit dem Gedanken das Handtuch zu werfen. Es gab keine Möglichkeit, ihn zu besiegen. Selbst wenn er ihn traf, glitt er einfach durch ihn hindurch. Aber andererseits konnte Shadow ihn berühren. Das war nicht möglich.
Xenio stand mit der Hilfe seines Schwertes auf und sah seinen Feind ruhig an. Es war ein seltsames Gefühl, sich selbst zu sehen. Das Lächeln auf den schwarzen Lippen war siegessicher und diabolisch. Etwas, was Xenio bei sich nur selten sah, doch er wusste, dass es auch in ihm war. Dieser Gesichtsausdruck war keine Erfindung des Schattenwesens.
Im nächsten Moment lag die schwarze Klinge an seiner Kehle und Xenio wich instinktiv bis zur Wand zurück. Wenn er schluckte, spürte er das Metall an seiner Haut und er wünschte sich, dass es anders wäre. Dass er irgendetwas tun könnte, um diese Situation zu ändern, und wie als würde jemand seinen Wunsch hören, erklangen Flügelschläge und die Dunkelheit wurde von einem warmen Licht erfüllt.
Xendo tauchte im Flur auf und ließ sich nur wenige Meter von Shadow und Xenio entfernt auf den kalten Stein nieder. Er sah die beiden Kontrahenten neugierig an und legte seinen Kopf zur Seite, bevor er blinzelte und sein Gefieder aufbauschte. Ein kleiner Schrei drang aus seiner Kehle und er begann sein Brustgefieder zu putzen.
Xenio verstand nicht, warum der Phönix hier war. Sollte er nicht bei Cido bleiben und diesen beschützen? Warum war er jetzt dennoch bei ihm? Shadow selbst schien durch dessen Anwesenheit unruhiger zu werden. Die Klinge verlor an Substanz und ohne zu wissen, was Xenio tat, streckte auch er seine Hand nach dem Vogel aus, um ihn zu sich zu rufen.
Der Phönix hob mit einem Schrei ab und flog auf Shadow zu. Instinktiv wich der Schatten zurück und versuchte, in der Wand zu verschwinden, doch das Licht machte es ihm unmöglich. „Das ist nicht fair, Junge! Es war ein Kampf zwischen uns! Der Vogel ist gegen die Regeln! Ruf ihn zurück! Sofort!“, schrie das Schattenwesen aufgebracht, doch Xenio konnte nichts sagen. Er sank auf seine Knie und sah auf das geflügelte Wesen.
Stoff und Fleisch zerriss, als die gewaltigen Krallen und der starke Schnabel ihr Ziel fanden. Xenio hörte den Todesschrei von Shadow und das Klappern des Schnabels. Es war ein seltsam schmatzendes Geräusch, das erklang, als der Vogel erneut zum Essen begann und der Geruch von Blut drang in Xenios Nase ein.
Der Kämpfer wusste, dass es keine gute Idee war, dennoch trat er auf den Phönix zu. Die Todesschreie des Schattens waren mittlerweile verstummt und man hörte nur noch das Reißen des Fleisches. Der Körper des Tieres bewegte sich hektisch und immer wieder riss er neue Stücke Fleisch heraus, die es dann gierig hinunterschlang.
Als Xenio bei seinem Tier ankam und dessen Rücken berührte, drehte sich der Vogel zu ihm um und der Kämpfer erschrak sich. Xendos Gesicht war voller Blut und einzelne Fleischfasern hingen im Gefieder fest. Auch war die Brust von Blut getränkt. Xenio wusste, dass er nicht hinsehen sollte, doch er tat es.
Shadows Körper war zerfleischt.
An manchen Stellen sah man das Weiß der Knochen durchscheinen, während die gewaltigen Klauen tiefe Kratzer in dem Gewebe hinterlassen hatten. Xenio wollte nicht tiefer sehen, denn er wusste, was unterhalb der geöffneten Brust kam und musste hart schlucken.
Er hatte es schon einmal gesehen und diese Erinnerung traf ihn wie ein Schwall eiskalten Wassers. Seine Hände begannen zu zittern und er taumelte rückwärts von Xendo weg.
„Man spielt nicht mit dem Essen. Schön alles aufessen.“ Seine Stimme zitterte unter dem eiskalten Ekel, der sich durch seine Gedärme wühlte.
Sofort wandte er sich ab und wollte ins Freie rennen, doch der Weg war zu lang und so erbrach er sich auf halbem Weg im Flur. Immer wieder würgte es ihn, doch schon bald konnte sein Magen nichts mehr von sich geben und erst jetzt schien er sich zu beruhigen.
Es war nicht der Anblick an sich, sondern das, was sein Körper damit verband. Von einem Tier zerfleischt. So etwas hatte er schon einmal gesehen und damals hatte er gehofft, es nie wieder zu erleben. Damals als er noch kein Krieger gewesen war …
Eingeholt
Schwer und stoßweise verließ der Atem die kleinen Lungen. Immer wieder schlugen die winzigen Füße platschend in Wasserpfützen ein. Seine Latzhose war an manchen Stellen schon völlig durchnässt, doch der Junge blieb nicht stehen. Er lief weiter und in seinen eisblauen Augen erkannte man nur eine bodenlose Panik.
Seine Brust schmerzte schon, doch er stoppte nicht. Immer weiter lief er durch das Dorf und steuerte auf ein großes Adelshaus zu. Öfters begann er zu stolpern, doch konnte sich immer wieder fangen. Er hechtete die Treppen hoch und riss die Tür auf.
„Mama!“, rief er in den Raum und schloss die Tür hinter sich. Sein kurzes blondes Haar klebte durch seinen Schweiß in seinem Gesicht fest, während er schwer nach Atem rang. Die Eingangshalle erstreckte sich leer vor ihm und ein Schauer glitt über seinen Rücken, als er an seine Entdeckung dachte: Große, weiße Zähne, Geifer lief aus dem Maul und diese stechend grünen Augen.
Er musste schlucken und stürzte weiter, als er das Gefühl hatte, dass er einen warmen Atem im Nacken spürte. „Mama! Papa! Wo seid ihr!?“
Er wusste nicht, was ihn trieb, als er weiter eilte und schließlich ins Wohnzimmer kam. Seine Mutter saß auf der Couch und sah ins Feuer.
Die Flammen zauberten mystische Muster in ihr langes, violettes Haar, während sie weiter in den Kamin sah. Ihre goldenen Augen wirkten leer und erschöpft. Der Junge wusste nicht, was er von diesem Anblick halten sollte. Ihre zitternden Hände lagen ineinander gefaltet auf ihrem Schoß, bevor sie sich in das schlichte, schwarze Kleid krallten. Ihr Körper begann zu beben und der Junge verstand nicht, was gerade passierte, als eine einzelne Träne über ihre Wangen rollte.
„Mama?“ Das Kind ging unsicher auf seine Mutter zu, bevor es seine Hände auf die Lehne der Couch legte und sie weiter musterte. Er spürte, dass seine Mutter schon alles wusste, bevor er hierher kam. Sie hatte schon immer ein besonderes Gespür für die Welt um sich herum gehabt.
„Du hast es gesehen, oder Xenio?“ Ihre Stimme war leise und ging fast im Knistern des Kamins unter. Doch der Junge hatte sie gehört und musste trocken schlucken, bevor er dann knapp nickte und sich vor seine Mutter stellte, um ihr in die Augen zu sehen. Aber ihr Blick ging durch ihn hindurch.
„Es… es ist schrecklich! Das Monster tötet alles, was sich ihm in den Weg stellt. Mama, ich hab Angst.“ Er drängte sich näher an seine Mutter, die schließlich aufstand, aber ihn in derselben Bewegung auf den Arm nahm.
Sofort drückte er sich an ihre weiche Brust und krallte sich in dem Kleid fest. Ihr langsamer Herzschlag begann ihn zu beruhigen und er fühlte sich sicher. Seine Mutter würde niemals zulassen, dass ihm etwas passierte.
„Ich weiß, mein Kleiner, aber es hat nur ein Ziel. Ein einziges Ziel.“ Sie hauchte einen Kuss auf sein Haar und strich ihm sanft über den Rücken, als sie mit ihm gemeinsam das Zimmer verließ. Die Todes- und Angstschreie der Dorfbewohner drangen zu ihnen durch, dennoch blieb die Frau ruhig. Sie ging nicht schneller als sonst und ihr Herzschlag war so, wie ihn Xenio all sein Leben kannte.
Im Flur setzte seine Mutter ihn ab, strich zärtlich über sein Haar und hauchte noch einmal einen Kuss auf seine Stirn, bevor sie ihn anlächelte. „Ich werde jetzt deinen Vater holen. Sei ein braver Junge und warte hier, ja?“
Xenio nickte und schon erhob sich seine Mutter, um dann in dem Arbeitszimmer seines Vaters zu verschwinden. Ein Schauer erfasste den Jungen, als er immer mehr von den Geräuschen wahrnahm. Das Alles konnte nicht wahr sein. Wieso stoppte niemand diesen Wolf? Das konnte doch nicht so schwer sein!
Auch wenn er Angst hatte, so trat er langsam wieder auf die Haustür zu und öffnete sie einen Spalt. Er sah auf die Straßen, die voll mit flüchtenden Menschen waren. Das Monster stürmte zwischen ihnen hin und her. Schlug seine gewaltigen Pranken in ihre Leiber und riss ganze Glieder ab, wenn er sie nicht biss. Xenio verstand es nicht. Wieso geschah das Alles?
Plötzlich drehte sich das Tier zu ihm um. In seinem Maul hatte es einen Dorfbewohner gefangen, der verzweifelt versuchte, sich daraus zu befreien. Er schlug auf den Schädel ein, doch das Monster zuckte nicht einmal mit der Wimper. Xenio sah, dass er etwas sagte, aber er verstand es nicht. Zu sehr war er von den Augen gefesselt: Giftgrün.
Er hatte das Gefühl, dass es damit bis in die tiefsten Abgründe seiner Seele sehen konnte und alles erkannte. Alles, was ihn ausmachte und bewegte. Der Junge schluckte und schlug die Tür zu, als das Knacken von Knochen in sein Ohr drang. Er hörte den gellenden Todesschrei des Mannes und begann am ganzen Leib zu zittern. Das war ein Traum. Nur ein schrecklicher Traum.
Tränen sammelten sich in seinen Augen und ein Schluchzen kletterte seine Kehle empor.
Er wollte aufwachen. Seine Mutter sollte ihn wecken und ihn beruhigend über den Kopf streichen, um auch die letzten Reste dieses Alptraums zu vertreiben, doch er erwachte nicht. Das harte Holz blieb in seinem Rücken präsent und hielt ihn in diesem schrecklichen Szenario fest.
Plötzlich hörte er schwere Schritte auf der Treppe vor ihrem Haus und sofort erfasste ihn die Panik. Er stieß sich von der Tür ab und rannte auf das Arbeitszimmer seines Vaters zu.
„Papa! Mama! Es kommt!“
Noch bevor er sein Ziel erreichte, tauchte sein Vater vor ihm auf. In seiner Hand trug er ein Gewehr. Eine Erfindung, die es noch nicht lange gab und Xenio mochte diese Waffe nicht, dennoch war er gerade froh, dass er seine Eltern vor sich hatte.
Er schmiss sich an die Beine seiner Mutter und klammerte sich in dem Kleid fest, als der erste Schlag die Haustür traf. Sein Vater stellte sich schützend vor sie. Seine Mutter nahm ihn schließlich wieder auf den Arm, um die Angst weg zu streicheln, doch es gelang ihr nicht.
Immer wieder traf ein harter Schlag die Tür und ließ den kleinen Körper zusammen zucken. Sein Vater hatte das Gewehr angelegt und zielte auf den Eingang der Tür. Xenio wollte weg. Sie mussten fliehen.
Auch wenn er der Stärke seines Vaters vertraute, so fühlte er, dass dies nicht genug sein würde. Niemals könnte man dieses Wesen so töten, denn dann hätte es schon jemand anderes getan.
Erneut erklang der harte Schlag und das Holz begann zu splittern, worauf der Mann mit den schulterlangen schwarzen Haaren und roten Augen den Hahn der Waffe spannte. Xenio spürte es erst, als die Tür krachend aufging, dass seine Mutter zu zittern begann, und er begriff: Sie waren verloren…
Die Tür zersprang mit einem lauten Knall in zwei Teile. Das Wimmern eines Menschen drang zu ihnen durch und die schweren Pfoten setzten geräuschvoll auf den Boden auf. Xenio konnte nicht glauben, was er dort sah.
Die giftgrünen Augen fixierten sie und der Geifer lief weiter aus dem Maul, in dem ein Mann gefangen war. Er kannte diesen Menschen und dennoch erwachte in ihm nicht das Bedürfnis, ihm zu helfen. Der Junge wusste, dass er das nicht konnte.
Im nächsten Moment zerriss der laute Knall des Gewehrs die Luft und das Monster wurde nur ein kleines Stück zurückgeschlagen. Das Blut lief in breiten Bahnen über sein Gesicht, doch es stoppte nicht und die grünen Augen verschwanden auch nicht. Xenio drängte sich noch näher an seine Mutter.
„Oh Gott, Yon! Hilf mir! Bitte, hilf mir! Wir sind doch Nachbarn! Ich will nicht sterben! Yon!“ Tränen liefen über die Wangen des Mannes, als er sich verzweifelt nach der Familie ausstreckte, doch sein Vater reagierte nicht.
Er fixierte weiter das Monster und so wandte sich der Mann an die Frau. „Vera! Bitte! Lasst mich nicht sterben! Oh Gott, bitte helft mir doch!“
Xenio versteckte sein Gesicht in der Schulter seiner Mutter, doch es machte die Sache nicht besser. Sein Geist begann den Geräuschen andere Bilder zu geben und so zwang er sich weiter hinzusehen.
Der gellende Schrei des Mannes hallte durch den Raum, als der Wolf langsam sein Maul weiter schloss. Das Knacken der Knochen drang an die Ohren des Jungen und auch wenn alles in ihm danach schrie, so konnte er den Blick von dem Geschehenen nicht abwenden.
Ihr Nachbar zappelte weiter in seiner Todesfalle. Er versuchte, den Kiefer aufzudrücken, doch seine Bemühungen waren vergebens. Mittlerweile konnte er seinen Unterleib nicht mehr bewegen und das Blut lief in breiten Bahnen aus dem Maul und tropfte auf den Boden.
„Bitte, Yon.“ Er streckte sich noch einmal verzweifelt in ihre Richtung. Seine Hand Hilfe suchend erhoben, doch sie sollte niemals ergriffen werden. Denn im nächsten Moment ging ein Ruck durch den Körper. Die Augen begannen leer zu werden, als der Leib in zwei brach und dumpf auf den Boden aufschlug. Kurz zuckten die Finger noch und die Lippen formten den Namen noch ein einziges Mal, bevor das Leben daraus für immer verschwand.
„Was willst du von mir und meiner Familie, Bestie?“ Yon funkelte das Monster zornig an und legte noch einmal das Gewehr an. Er zielte und als sich der Wolf auf zwei Beine erhob, schoss er. Die Kugel schlug in dem Brustkorb ein und riss ein Loch hinein, doch das Monster zuckte immer noch nicht und blieb auch nicht stehen.
„Sieh dir an, was du aus mir gemacht hast, Yon!“ Die Stimme war dunkel und aggressiv, als sich das Tier ihnen langsam näherte. Es streckte seine Arme aus und drehte sich sogar einmal kurz im Kreis. „Bist du stolz auf dein Werk, Yon?! Denn es wird dich jetzt vernichten!“
Die Kreatur warf sich nach vorne und Yon stieß Vera mit Xenio instinktiv ein Stück zurück, bevor er selbst unter dem Schlag hinweg tauchte. Er rammte dem Wesen den Kolben in den Bauch. Doch auch jetzt kam keine Reaktion auf den Schmerz, sondern es warf sich herum und versuchte, mit seiner gewaltigen Pranke nach ihm zu schlagen. Der Mann riss seine Waffe hoch, die durch den Hieb in zwei Teile zerbrach, als wäre sie nur ein dünner Ast. Sofort warf er das Gewehr von sich und nahm mit einem Satz Abstand. Seine Augen fixierten das Wesen und Xenio spürte, wie er an seinem Vater zu zweifeln begann. Er hatte keine Chance und das spürte er. Die Bewegungen von seinem Vater waren fahrig und ungenau, schon fast steif.
„Ich habe dich nicht zu dem gemacht, was du jetzt bist, Kuroi!“, widersprach Yon und wich der erneuten Attacke erneut aus.
Xenio spürte, wie Tränen in seine Augen krochen, als er sah, dass die Spannung aus dem Körper seines Vaters wich und er den Kampf Stück für Stück aufgab.
„Doch! Hättest du mich damals nicht aus diesem Dorf vertrieben, dann wäre ich heute noch ein normaler Mensch! Dein Neid hat mich zu diesem Monster werden lassen!“ Der Wolf wollte erneut nach dem Mann schlagen, doch dieser tauchte ein letztes Mal unter dem Hieb hindurch und kam dem Tier ganz nah.
Vera quietschte kurz vor Schreck auf und sie drückte den Jungen instinktiv näher an sich, doch Xenio konnte nicht wegsehen. Sein Vater stand dem Tier so nah, dass sich ihre Körper fast berührten. Kurz leuchtete etwas Rotes auf und das Monster wurde ein paar Zentimeter nach hinten gedrückt.
„Ich habe es nicht nötig auf dich neidisch zu sein! Vielleicht habe ich den Stein ins Rollen gebracht, doch das Dorf hat dich vertrieben! Niemals könnte das ein Mensch alleine! Du bist schwach und deswegen zu dieser Bestie geworden! Das solltest du dir selbst eingestehen!“ Yon nahm einen Schritt Abstand und funkelte die Bestie weiterhin an. Diese knurrte dunkel und die Muskeln begannen sich in dem Leib anzuspannen.
„Oh, nein! Nein! Das lasse ich mir nicht in die Schuhe schieben! Denn das wahre Monster hier bist du, Yon Achmaras! Du und deine ganze Familie seid unnatürliche Bestien! Ihr sollt sterben!“ Sie stürmte auf den Mann zu, doch dieser bewegte sich nicht.
Er blieb einfach nur stehen und sah den Feind ruhig an.
Xenio schrie auf, als die Pranke den Körper des Mannes traf und ihn zu Boden schleuderte. Auf dessen Lippen lag ein Lächeln, als sein Blut sich schnell um ihn herum verteilte. Veras Körper begann zu zittern. Sie setzte Xenio ab, als das Monster auf sie zukam. Ruhig dirigierte sie ihn hinter sich und versuchte ihren Stolz nicht zu verlieren, doch das Beben ihres Leibes machte dies unmöglich.
„Bitte, du kannst mich töten, wenn du willst, aber lasse meinen Sohn am Leben. Er hat nichts damit zu tun. Schließlich ist er noch ein Kind“, flehte sie um Gnade für ihr Kind und die Augen des Jungen und der Bestie trafen sich.
Xenio spürte, dass sich dort etwas regte. Ein kleiner Schalter wurde umgelegt und obwohl sie sich erneut auf zwei Beinen erhob, brach sie den Blickkontakt nicht ab. Nicht einmal als sie mit einem Hieb den Leib der Frau zu Boden schickte. Das Kleid seiner Mutter glitt ihm aus den Fingern und er stand dem Monster gegenüber. Tränen sammelten sich in seinen Augen und dennoch erwachte unter der Trauer noch ein zweites Gefühl: bodenloser Hass.
Das Tier sank zurück auf alle vier und sah den Jungen weiter an. Xenio wusste nicht, wie lange sie dastanden und sich ansahen. Doch desto länger er in die giftgrünen Augen blickte, umso stärker wurde der Wunsch in seinem Körper, dass er dieses Monster eigenhändig umbringen wollte.
„Gut, Junge. Bewahre dieses Gefühl und komm zu mir zurück, wenn du stärker geworden bist. Ich werde auf dich warten.“ Die Bestie wandte sich ab und verließ das Haus. Xenio blieb alleine zurück und als der herbe Geruch des Tieres verschwand, kroch der süßliche, schwere Duft des Eisens in seine Nase.
Es durfte nicht wahr sein. Sofort begann der Junge sich zu zwicken, doch er erwachte nicht. Die Stille um ihn herum blieb, bis plötzlich ein Röcheln erklang.
Sofort stürzte er zu seinem Vater und sah in die glasigen Augen, bevor er nach der blutigen Hand griff. „Papa? Du lebst…? Halte durch! Ich hole Hilfe!“
Er wollte aufspringen, doch der Griff um die kleine Hand wurde stärker und stoppte den Jungen.
„Nein, nicht, bleib bitte. Mir kann man nicht mehr helfen. Ich muss dir etwas Wichtiges sagen.“ Die Stimme zitterte leicht und ab und an musste er unterbrechen, um neue Kraft zu sammeln. „Das Wesen, das gerade hier war, heißt Kuroi. Es ist ein ehemaliger Bewohner dieses Dorfes. Wir mussten ihn damals aus dem Dorf jagen, weil er uns gefährlich wurde. Er hatte Rache geschworen und ich hatte ihn nur belächelt. Es tut mir leid, dass ich so töricht war.“
„Papa. Ich werde die Schmerzen wegmachen.“ Xenio wollte erneut gehen, doch sein Vater ließ ihn nicht. „Nein, das ist nicht nötig. Sie werden bald von selbst verschwinden. Ich muss dir etwas sagen, dass ich in den Augen der Bestie sah.“ Er setzte kurz aus und seine Haut begann immer blasser zu werden, während der Griff um Xenios Hand schwächer wurde.
„Sie kann nur töten und verletzten. Geboren um zu sein. Gestorben, um zu überleben. Wiedergeboren um zu zerstören und geopfert um das Sein eines Anderen zu bewahren. Das ist das Schicksal dieser Bestie. Es trägt zwei Seelen in sich und auch wenn es im Fall von Kuroi kaum merklich war, so kann dies zu einem Kampf führen. Eine Auseinandersetzung, die der Mensch meist verliert. Bitte, Xenio, geh in mein Arbeitszimmer. Dort ist eine Kiste mit Waffen. Sie sollen dich schützen und stärken. Dies ist das Erbe unserer Familie. Trage es mit Stolz. Ich hab dich lieb, mein Junge.“
Die Hand erschlaffte gänzlich, als sich die Augen des Mannes langsam schlossen. Der Schmerz überrannte den Jungen, als der Körper begann kalt zu werden. „Papa?! Papa! Mach die Augen auf! Bitte, mach sie auf! Das ist nicht witzig! Bitte!“
Er presste die Hand seines Vaters gegen sein Gesicht und weinte. Wie sehr wünschte er sich, dass sein Vater ihn noch einmal anlächelte. Es war nicht fair, dass seine Eltern gestorben waren. Das war nicht gerecht gewesen. Sie hatten doch niemanden etwas getan. Jeder liebte sie. Alle außer Kuroi. Xenio legte sich zu seinem Vater und rutschte näher an diesen heran. Er schlang dessen Arm um seinen Körper und kuschelte sich an ihn.
In diesem Moment wollte er einschlafen und vielleicht dann aus diesem Traum erwachen. Seine Eltern waren nicht tot. Das war gar nicht möglich. Es musste ein Traum sein. Darum schloss er seine Augen und hoffte, dass er in einer besseren Welt aufwachen würde…
Der Geruch von Eisen drang in seine Nase, als er langsam seine Augen wieder öffnete und den kalten Arm um seinen Körper spürte. Er war wieder aufgewacht, aber die Welt um ihn herum ist nicht besser geworden. Langsam stiegen ihm Tränen in die Augen, als sich sein Herz schmerzhaft zusammenzog.
Er versuchte den Arm seines Vaters enger um sich zu legen, doch er ließ sich nur noch sehr schwer bewegen und so blieb der Junge einfach noch liegen.
Die Stille zeigte ihm seine Einsamkeit und er spürte, wie sein Herz mit jedem Schlag mehr schmerzte. Es fühlte sich an, als würde es schweres Blei durch seine Adern drücken.
Ein Wimmern drang aus seiner Kehle und sein Körper begann zu zittern, als die Kälte sich in seine Knochen festsetzte. Es war ein beklemmendes Gefühl, das ihn beschlich und er hatte in seinem Herzen nur noch einen Wunsch: Die Stimmen seiner Eltern noch einmal hören. Nur noch ein einziges Mal.
Er rollte sich enger zusammen und ließ den Tränen freien Lauf. Selbst wenn er es gewollt hätte, könnte er sie nicht zurückhalten. Es war so surreal, dass dies passiert war. Wie sollte sein Leben jetzt weitergehen? Wer kümmerte sich um ihn? War nun auch er dem Untergang geweiht?
Nein! Entschlossen kämpfte er sich unter dem steifen Arm seines Vaters empor und richtete sich auf. Er wollte nicht aufgeben. Man hatte ihm sein Leben geschenkt. Eine Möglichkeit wieder alles gut zu machen und vor allem auch die Gelegenheit seine Eltern zu rächen.