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»In dem Moment, als ich dich verloren habe, hatte ich das Gefühl, den beschissenen Sinn meines Lebens zu verlieren. Ich ertrage die Vorstellung nicht, ohne dich zu sein.«Gefangen in einer Welt aus Macht und Intrigen muss Maya schmerzlich lernen, was es bedeutet, die Ehefrau des gefürchteten Familienoberhaupts zu sein. Dass sie zur Zielscheibe seiner Feinde wurde, verändert alles.Mit jedem Tag wird die Verbindung zu ihrem Ehemann stärker, doch nicht nur ihre Empfindungen füreinander gehen tiefer. Er ist nicht der einzige Mann, der sich eingestehen muss, dass Maya ihm unter die Haut geht. Es entwickeln sich Gefühle, die längst über körperliche Anziehung hinausgehen.Es gibt jedoch noch einen weiteren Mann, der schon bald einen bedeutenden Platz in ihrem Leben einnimmt.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Jasmin Baur
Entführt
Du bist mein Untergang
Band 6
Dark Reverse Harem
Entführt
Du bist mein Untergang
Band 6 der Reihe
© 2025 Jasmin Baur
Coverdesign & Farbschnitt: Jennifer Schattmaier /
schattmaier-design.com
Charakterkarten: Coverhexe (Alannah Kottenstede)
(Alle Charakter-Illustrationen wurden unter Einsatz künstlicher Intelligenz erstellt)
Schrift Charakterkarten: Canva Lektorat: gylgamesh2satyagraha
ISBN 9783691116618
Jasmin Baur
c/o WirFinden.Es
Naß und Hellie GbR
Kirchgasse 19
65817 Eppstein
www.missjbaur.com
Alle Rechte an Text und Bildern vorbehalten, insbesondere das Recht der mechanischen, elektronischen oder fotografischen Vervielfältigung, der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, des Nachdrucks in Zeitungen oder Zeitschriften, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung oder Dramatisierung, der Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen oder Video, auch einzelner Text- oder Bildteile.
STOP! Du befindest dich im Spin-off der Entführt-Reihe! Das bedeutet, hier ist nichts mehr, wie du es kennst.
Entführt endet in Band 5 als Drama! Wenn du dich also entscheidest, diesen Teil zu lesen, mache dir bewusst, dass dies eine Happy End Geschichte ist, die ausschließlich für die Fans dieser Reihe geschrieben wurde.
Ja, hier wird es Dark-"romantisch". Wenn du also ein realitätsnahes Ende bevorzugst, bitte ich dich ausdrücklich,NICHT weiterzulesen. Für dich gilt das Ende von Band 5.
In diesem Band ist alles beschönigt, was NIEMALS bei einer echten Entführung passieren würde. Dieses Buch ist ausschließlich für Leser geeignet, die eine fiktive Geschichte von der Realität unterscheiden können.
NICHTS, was diese fiktiven Figuren in der Vergangenheit getan haben, ist ungeschehen! Doch jeder der Charaktere hat nach knapp zwei Jahren eine Entwicklung durchlebt. Menschen können sich verändern, und auch fiktive Figuren dürfen sich entwickeln, das ändert nichts an ihren Taten!
Triggerwarnung! Dieser Roman ist eine sehr düstere Liebesgeschichte! Die Beziehung der Figuren entsteht aus einem traumatischen Machtverhältnis, aus emotionaler Abhängigkeit und basiert auf dem Stockholm- und Lima-Syndrom sowie Traumabindung!
Bitte beachte, dass es sich bei dieser Geschichte um das Genre Dark Reverse Harem handelt. Das bedeutet, dass Maya mehrere Männer liebt und mit ihnen eine polyamore Beziehung führt.
TRIGGERWARNUNG
Die Inhalte dieser Geschichte richten sich ausschließlich an erwachsene Leser mit starken Nerven. Mit dieser Geschichte verherrliche oder romantisiere ich keinesfalls sexuellen Missbrauch und Gewalt! Konditionierung, verzerrte sexuelle Wahrnehmung, Trauma Bonding – das alles ist real und beschreibt die Autorin aus persönlicher Erfahrung. Aber auch wenn sich dieser Teil der Geschichte an der Realität orientiert, bleiben die Inhalte in diesem Roman rein fiktiv.
Diese fiktive Geschichte, soll weder eine Moral noch ein Weltbild darbieten!
Alle Handlungen und Personen
in diesem Buch sind frei erfunden.
Einzelne Kapitel enthalten: Besitzergreifendes Verhalten, grafisch beschriebene Gewalt, Drogenmissbrauch, Alkoholkonsum, Mord, Waffen, Depression, Angstzustände, CNC.
Außerdem werden Themen aus der Vergangenheit der Protagonistin bearbeitet: Entführung, Branding, grafisch beschriebene sexuelle Gewalt und andere Missbrauchsformen, anal, Folter, Messerspiele, Erniedrigung, Demütigung, erzwungene Orgasmen, Suizidgedanken, Atemreduktion.
Wenn dich diese Themen triggern, bitte ich dich ausdrücklich, dieses Buch nicht zu lesen.
Bitte denke daran, dass ich dich ausführlich gewarnt habe. Nichts in dieser Geschichte entspricht der Wahrheit.
Blut… Überall ist warmes Blut. Es färbt meine Finger, sammelt sich in meinen Handinnenflächen und der Stoff meiner Kleidung saugt sich damit voll. Die warme Flüssigkeit tropft zu Boden und eine dunkle Pfütze sammelt sich um meine Füße. Es tut so höllisch weh und jeder Atemzug wird zu einem Kampf! Ein Messer steckt direkt in meinem Brustkorb und ich brauche all meine Kraft, um es herauszuziehen. Scheppernd fällt es zu Boden und ich presse die Hände fest auf die Stichwunde. Doch die Blutung ist zu stark, um sie aufzuhalten. Ich werde das nicht überleben! So sehr ich es versuche, kann ich nicht atmen! Die Luft gelangt nicht in meine Lunge.
„Warum?“ Meine Stimme bricht, während ich in mir zusammensacke. Alles um mich herum verschwimmt, als ich panisch rufe: „Ich will nicht sterben!“
Zweite Chance
Das rhythmische Piepen von Maschinen dringt langsam durch den Nebel meiner Gedanken hindurch und der angenehme Geruch von Blumen und salziger Meeresluft steigt mir in die Nase. Doch ein schrecklicher, stechender Schmerz übertönt alles andere. Dieser zieht sich von meinem Brustkorb bis zu meinem Unterbauch. Es fühlt sich an, als wäre ich aufgeschnitten und wieder zugenäht worden. Umso klarer ich werde und wieder zu Bewusstsein komme, verschlimmern sich die unerträglichen Schmerzen und ein klägliches Wimmern verlässt meine Lippen.
„Baby, bist du wach?“, vernehme ich Milans Stimme in unmittelbarer Nähe und kämpfe, um meine schweren Augenlider zu öffnen. Der Raum vor mir ist verschwommen. Ich sehe lediglich seinen Umriss vor mir und muss mehrfach blinzeln, um wieder klar sehen zu können. Er erhebt sich abrupt von dem Stuhl, der vor meinem Bett steht und schließt mich unerwartet in seine Arme. Die plötzliche Bewegung schickt eine neue Schmerzwelle durch meinen Körper hindurch und lässt einen gepressten Laut meiner Kehle entweichen.
„Scheiße, ich dachte du stirbst!“ Milan verstärkt die Umarmung. Diese ist so fest, dass ich kaum Luft bekomme. Sein Verhalten verwirrt mich. Es ist unwirklich, von ihm beinahe erdrückt zu werden, und einen Moment glaube ich zu träumen. Doch es kann kein Hirngespinst sein, dafür sind die Schmerzen zu präsent. Verwirrt sehe ich mich in unserem Schlafzimmer um und anschließend an mir herunter. In meinem Arm steckt ein intravenöser Zugang, durch den mir eine klare Flüssigkeit verabreicht wird. Außerdem werden meine Vitalwerte überwacht. Es versetzt mich kurz in die Zeit zurück, als ich monatelang im Koma lag, und mir läuft unbewusst ein eiskalter Schauer über den Rücken. Was zur Hölle ist passiert???
Mein Hals ist dermaßen staubtrocken, dass ich kaum schlucken kann. Meine Zunge fühlt sich so schwer an, als wäre sie aus Blei. Ich möchte ihn fragen, was geschehen ist und warum er sich so eigenartig fürsorglich benimmt. Ich kann mich nicht erinnern, egal wie sehr ich mich auch anstrenge. Da ist nur ein schwarzes, tiefes Loch in meinem Gedächtnis. Ich weiß einfach nicht, was geschehen ist. Das Letzte, woran ich mich erinnere, ist, dass Kilian und seine Brüder Rosarias Anwesen angegriffen haben. Ich erinnere mich an die Rückfahrt und daran, dass ich in genau diesem Schlafzimmer auf ihn warten sollte. Doch dann ist in meinem Kopf nur noch Schwärze. So sehr ich darüber nachdenke, kann ich nicht mal sagen, ob er überhaupt zu mir zurückgekommen ist.
„Was ist passiert?“, krächze ich und bringe kaum mehr als ein Flüstern hervor. Meine Stimme ist rau und kratzig und klingt nicht nach mir. Milan löst sich ein Stück und sieht mich irritiert an, als könne er nicht nachvollziehen, warum ich ihn das frage. Seine Augen verengen sich und seine Stirn legt sich in Falten, als er zögerlich aufklärt: „Wir wurden vor knapp zwei Wochen angegriffen. Einer von Kilians Leuten hat dich mit einem Messer lebensgefährlich verletzt. Du bist fast in meinen Armen gestorben. Die Ärzte konnten nur knapp dein Leben retten.“
Zwei Wochen? Wir wurden angegriffen? Ich wurde lebensgefährlich verletzt? Mein Herz macht einen gewaltigen Sprung. Ich bin wie gelähmt und mein Mund fühlt sich mit einem Mal noch viel trockener an. So sehr ich versuche, mich an irgendetwas zu erinnern, es geht nicht. Hastig schlage ich die Decke zurück und taste nach meinem Bauch, während ich ihn angsterfüllt frage: „Was ist mit dem Baby?“
„Silvano geht es gut. Die Ärzte haben ihn durch einen Kaiserschnitt zur Welt gebracht. Er ist bei meiner Mutter. Sie kümmert sich um unseren Sohn. Ich werde sie anrufen und ihr mitteilen, dass du aufgewacht bist“, erklärt er mir und sieht mich dabei mit diesem eigenartigen Blick an, während er sein Handy aus der Hosentasche zieht. Er beginnt zu telefonieren und ich höre sofort die aufgebrachte Stimme meiner Schwiegermutter am anderen Ende der Leitung. Milan antwortet ihr auf Italienisch und lässt mich dabei nicht aus den Augen. Ich kenne viele Facetten an meinem Mann, doch diese ist mir vollkommen neu. Irgendwie scheint er besorgt zu sein und selbst sein Blick wirkt so leidend. „In zwei Stunden werden sie hier sein.“
Ein leichtes Lächeln legt sich auf meine Lippen, obwohl ich mit dieser Situation völlig überfordert bin. Zwei Wochen sind vergangen, ohne dass ich die Chance hatte, meinen Sohn in den Armen zu halten. Ich habe nicht mal mitbekommen, wie er das Licht der Welt erblickt hat. Dieses Wissen wiegt derart schwer in meiner Brust. Ich wünsche mir nichts mehr, als Silvano bei mir zu haben. Doch gleichzeitig überkommt mich eine unterschwellige Angst. Noch immer weiß ich nicht, wo genau mein Platz ist. Die Erinnerung an all die Gespräche mit Rosaria hallt in meinem Kopf wider. Milan ist nicht der Typ, der die Vaterrolle einnimmt. Sonst wäre Silvano hier bei ihm. Er hat ihn weggeschickt. Was, wenn sich Milan von uns abwendet, weil er das Geschrei dieses Babys nicht ertragen kann? Wie es auch damals sein Vater bei seiner Mutter getan hat.
Tränen steigen mir in die Augen. Die Angst verschlimmert sich, als ich an Kilian und seine Brüder denke. Sie haben es ein zweites Mal geschafft, hier einzudringen und mir Leid zugefügt. Ich wäre fast gestorben. Niemals würde ich es ertragen, wenn diesem unschuldigen Wesen etwas passiert. Der Gedanke lässt noch mehr feuchte Tränen über meine Wangen rinnen und ich schluchze: „Ich habe solche Angst. Was, wenn sie erneut angreifen und ihm etwas zustößt?“
„Es ist noch immer gefährlich für dich, hier in meiner Nähe zu sein. Kilian ist unberechenbar und weiterhin auf Rache aus. Enrico konnte Emilio gefangen nehmen. Juan hatte Romeo niedergeschlagen. Beide befinden sich hier in dieser Villa in einem Verlies. Ich werde sie langsam und qualvoll zu Tode foltern, für das, was sie dir angetan haben. So, wie ich auch deinetwegen Santos und Leandro umgebracht habe! Ich werde jeden töten, der dir wehgetan hat!“, knurrt er bedrohlich und wird zum Ende seiner Worte lauter. Seine gesamte Ausstrahlung verändert sich und bringt mein Herz zum Rasen. Auch das Piepen der Maschinen verrät ihm meine wachsende Anspannung. „Santos und Leandro sind tot?“
„Du kannst dich nicht erinnern? Ich habe sie vor deinen Augen umgebracht. Du selbst hast die Waffe gehalten und Leandro erschossen.“ Verneinend schüttele ich den Kopf, da ich wirklich nicht die geringste Erinnerung habe. Mir stockt der Atem und alles dreht sich. Wenn er von den Geschehnissen mit Santos und Leandro weiß, was ist dann mit Leon? Mein Magen verknotet sich beim Gedanken daran, dass er ihm gesagt haben könnte, was zwischen Enrico und mir vorgefallen ist. Ich habe Milan verraten. Mehrfach. Der Ring, den mir Enrico gab, er fehlt an meinem Finger. Aber auch das Armband von Iven ist nicht an meinem Handgelenk. Nur mein Ehering befindet sich an meinem Ringfinger. „Du weißt es also... Aber wie?“
„Du hast es mir selbst erzählt und entschieden, dass du nicht möchtest, dass Leon für das, was er getan hat, stirbt“, offenbart er mir, und ich habe das Gefühl, dass mir mein Herzschlag für einen Takt aussetzt. Es macht mich verrückt, dass ich mich einfach nicht erinnern kann. „Ich verstehe...“
„Es tut mir leid, dass ich so ein schrecklicher Ehemann bin. Ich habe geschworen, dich zu beschützen und ein weiteres Mal versagt“, entschuldigt er sich plötzlich, wodurch er mich endgültig aus der Bahn wirft. Ich verstehe einfach nicht, was hier vor sich geht, und am allerwenigsten verstehe ich, weshalb er sich so eigenartig benimmt. Gutmütig versuche ich zu lächeln und flüstere rau: „Du bist das einzig Gute, was ich in meinem Leben besitze.“
Milan schweigt und sieht mich so intensiv an, wie niemals zuvor. Ich spüre, wie ein warmer Schauer durch meinen Körper jagt, umso länger sein Blick auf mir ruht. Unerwartet beugt er sich zu mir herunter und küsst mich. Sanft berühren seine Lippen die meinen und lassen eine unsagbare Wärme in meinem Brustkorb entstehen. Ich verstehe nicht im Geringsten, warum er so fürsorglich mit mir umgeht, als könnte ich jeden Moment zerbrechen. Doch das Wichtigste ist, dass es unserem Sohn gut geht. Silvano. Er hat ihm wirklich den Namen gegeben, den ich damals ausgesucht habe. Zwischen uns ist so unendlich viel geschehen. Er hat mir so viele grausame Dinge angetan, und doch steht er nun hier an meiner Seite und gibt mir das Gefühl, das Wichtigste in seinem Leben zu sein. Er kann mir meine Ängste vor der Ungewissheit nicht nehmen, doch ich weiß, dass er Silvano und mich mit seinem Leben beschützen wird.
„In dem Moment, als ich dich verloren habe, hatte ich das Gefühl, den beschissenen Sinn meines Lebens zu verlieren. Ich ertrage die Vorstellung nicht, ohne dich zu sein“, raunt er an meinen Lippen und legt seine Stirn an meine. Am liebsten würde ich ihn fragen, ob er sich den Kopf gestoßen hat, doch ich lasse es. Viel zu sehr sehne ich mich nach diesen seltenen Momenten mit ihm. Stattdessen hauche ich: „Dann lass mich einfach nie wieder los.“
Wieder folgt ein langer Moment der Stille. Als würde er die körperliche Nähe genießen, die ihm sonst auf diese Weise zuwider ist. Auch wenn er es nicht sagt, fühlt es sich so an, als wenn dieser unnahbare Mann für einen Moment nicht er selbst ist. Als würde er diesen kleinen Augenblick zwischen uns selbst brauchen. Acht Monate hatte ich Angst, er hätte mich von sich gestoßen, sodass mir das alles hier wie ein Fiebertraum vorkommt.
„Hast du Schmerzen?“, fragt er plötzlich, woraufhin ich nicke. Er löst sich von mir und baut sich wieder in voller Größe vor mir auf. „Ich werde Finn zu dir schicken.“ Reflexartig greife ich nach seiner Hand und schüttele den Kopf. Viel zu lange habe ich mich nach ihm gesehnt, dass ich nur noch einen kurzen Moment länger mehr von dieser Zuwendung will, bevor er mich wieder allein lässt. „Bleib bei mir.“
„Soll ich mit dir kuscheln?“, fragt er mit diesem spöttischen Lächeln, dabei zuckt sein Mundwinkel verräterisch. Doch er folgt meiner unausgesprochenen Bitte und legt sich zu mir auf das Bett. Vorsichtig bette ich meinen Kopf auf seine Brust und lege meinen Arm um ihn. Seine Wärme nimmt mich ein und es fühlt sich an, als hätte jemand einen Schwarm Schmetterlinge in meinem Bauch freigelassen. „Ich habe dich so sehr vermisst“, flüstere ich und schließe die Augen. Ich könnte für immer so in seinen starken Armen liegen, die er um mich schließt. Doch mir ist bewusst, wie kostbar und selten diese Augenblicke zwischen uns sind. Die Realität wird mich schneller und härter treffen als ein Güterzug.
„Du hast mir auch gefehlt“, gibt er zu und streichelt mit seinen Fingern sanft über meinen Oberarm. Seine Worte bringen mich dazu, ihn nun doch anzusehen. Dieses Mal liegt kein Lächeln auf seinen Lippen. Sein Gesichtsausdruck ist ernst, als würde er seine Worte wirklich ehrlich meinen. Das schwarze Loch meiner Erinnerung lässt mich schier verrückt werden. Ich will es endlich verstehen, warum er sich dermaßen seltsam verhält. „Was ist passiert? Ich meine... Du hast mich von Palermo mitgenommen und hierher zurückgebracht. Ich sollte hier auf dich warten, doch ich weiß nicht, was danach passiert ist.“
„Du erinnerst dich nicht mehr daran, dass ich dich hier auf diesem Bett gefickt habe?“, fragt er mit hochgezogener Augenbraue, wodurch meine Wangen zu glühen beginnen. „Wir hatten Sex?“
Allein die Vorstellung, dass er mich hochschwanger nackt gesehen hat, lässt Scham in mir aufsteigen. All die Monate habe ich mich so unwohl in meiner Haut gefühlt, dass ich es mir einfach nicht vorstellen kann, dass er mich überhaupt angefasst hat. Zaghaft schüttele ich den Kopf, woraufhin er fortfährt: „Santos und Leandro sollten die Aufgabe übernehmen, für deine Sicherheit zu sorgen. Du bist deswegen völlig durchgedreht. Schlussendlich hast du damit herausgerückt, was sie mit dir gemacht haben… Und dafür haben sie mit ihrem Leben bezahlt. Santos habe ich vor deinen Augen zu Tode gefoltert. Den Rest habe ich dir bereits erzählt… Warum auch immer wolltest du, dass ich Leons Leben verschone. Leandro ist vor dir gekniet und du selbst hast den Abzug gedrückt.“
Beim Gedanken an Leon wächst der unbeschreibliche Kloß in meinem Hals. Wir hatten eine klare Vereinbarung. Ich schweige, dafür deckt er die Fehltritte, die Enrico mit mir hatte. Die einzige logische Erklärung für meine Entscheidung, Leons Leben zu verschonen, muss die Tatsache gewesen sein, dass wir diesen Deal hatten. Anders kann ich es mir nicht erklären. „Was ist dann passiert?“
„Du hast dir die Seele aus dem Leib gekotzt, als ich Santos’ Kopf vor deinen Augen in Säure gedrückt habe. Also habe ich Enrico beauftragt dich hochzubringen. Dann wurden wir angegriffen. Er ließ dich zurück, um das Anwesen zu verteidigen, dabei wurdest du von unseren Feinden lebensgefährlich verletzt. Ein Messerstich, genau hier in deinen Brustkorb.“ Seine Stimme bebt vor Zorn, während er seine Hand zu der Stelle führt, die so unsagbar schmerzt. Ich lege meine Hand auf seine und spüre, wie sich mein Herz schmerzlich zusammenzieht. Der Gedanke, einfach aus dem Leben gerissen zu werden, lässt unheilvolle Angst in mir aufsteigen. Ich habe zu lange gekämpft, um zu sterben. Ich möchte mir nicht einmal vorstellen, wie schrecklich dieser Übergriff gewesen sein muss. „Was ist mit Enrico? Und Iven? Geht es ihnen gut?“ Meine Stimme klingt kratzig, da ich ohnehin kaum Kraft zum Sprechen habe. Es ist so viel Zeit vergangen und ich hatte noch nicht einmal die Chance, mit einem der beiden zu reden.
„Niemand wurde verletzt. Enrico, Iven und Juan haben mir das Leben gerettet, als ich blind vor Wut in den sicheren Tod gerannt bin. Es waren zu viele, als dass ich es mit ihnen hätte aufnehmen können.“ Ohne es zu wollen, spüre ich, wie meine Augen glasig werden, als er mir tief in die Augen sieht und gesteht: „Nichts ist mehr von Bedeutung, ohne dich. Verstehst du?“ In den knapp zwei Jahren, in denen ich an seiner Seite bin, hatten wir nicht viele Momente wie diesen. Heute ist das erste Mal, dass er sich mir gegenüber öffnet. Das erste Mal, dass er mir wirklich zeigt, was ich ihm bedeute.
„Ich liebe dich“, flüstere ich und vergrabe mein Gesicht an seiner Brust. Es bleibt einen langen Moment still zwischen uns, in dem nur das Piepen der Maschinen zu hören ist, ehe er mir über den Kopf streichelt und nachdenklich sagt: „Ich wünsche, ich wäre dazu fähig, deine Gefühle zu erwidern. Aber das bin ich nicht. Ich kann dich niemals lieben, und trotzdem wirst du immer das Wichtigste in meinem Leben sein.“
„Das ist für mich okay. Mehr brauche ich nicht“, gebe ich ehrlich zurück. Das ist mehr als ich jemals erwartet habe. Wir hatten einen Deal. Ich heirate ihn und gebäre sein Kind, das eines Tages der Erbe seines Imperiums wird. Dafür bekomme ich Freiheiten. Einen solch bedeutenden Platz in seinem Leben eingenommen zu haben, bedeutet mir alles. Es zeigt mir, dass ich wirklich zuhause angekommen bin, obwohl ich acht Monate nicht an seiner Seite war.
Es klopft an der Tür, bevor sich diese öffnet und Finn zu uns in das Zimmer kommt. Ein freudiges Lächeln legt sich auf seine Lippen, während er die Türe hinter sich schließt. „Du bist endlich aufgewacht“, stellt er fest und wirkt erstaunt über das Bild, das sich ihm bietet. Er lässt es jedoch unkommentiert, dass Milan hier mit mir im Bett liegt, als wären wir ein gewöhnliches Liebespaar. „Gib ihr was gegen die Schmerzen“, kommandiert Milan ihn sofort herum, der keine Anstalten macht vom Bett aufzustehen.
„Sicher.“ Finn stellt sich neben mich und verabreicht mir intravenös irgendein Medikament. Anschließend nimmt er die Flasche vom Nachttisch, um mir ein Glas Wasser einzuschenken. Er reicht es mir dar und mustert mich, während er sagt: „Du musst langsam trinken.“
Mit bebenden Händen nehme ich das Glas an mich und setze es an meine Lippen an. Schluck für Schluck trinke ich die kühle Flüssigkeit. Das Wasser rinnt meine ausgetrocknete Kehle hinunter und tut so unbeschreiblich gut.
„Sie wird noch ein paar Wochen brauchen, bis sie wieder bei vollen Kräften ist. Aber für den Moment ist sie stabil“, erklärt Finn, bevor sich seine Miene beinahe entschuldigend verzieht. „Dein Onkel hat mich beauftragt, dich zu ihm zu schicken. Er erwartet dich im Büro. Die Rebellion hat sich zugespitzt. Noch mehr Mitglieder deiner Familie haben sich zusammengeschlossen, um dich zu stürzen und zu töten. Juan ist bereits auf dem Weg, du solltest gehen. Ich kümmere mich derweil um Maya.“
„Ich muss los“, murmelt Milan und ein tiefes Knurren dringt aus seiner Kehle, bevor er sich vom Bett erhebt. Schockiert sehe ich ihn an, als mir der Ernst von Finns Worten bewusstwird. Sie wollen ihn töten?
„Okay“ ist alles, was ich darauf sage, während ich ihm schwach zulächele. Ich entscheide mich bewusst dazu, ihn nicht mit Fragen zu löchern. Er hasst es, wenn ich klammere, also lasse ich ihn gehen und entscheide mich bewusst dazu, Finn auszufragen. Der ist zwar auch nicht sonderlich gesprächig, aber zumindest habe ich größere Chancen, durch ihn etwas zu erfahren.
„Ich komme wieder, sobald meine Mutter mit unserem Sohn angereist ist“, meint er noch und verschwindet aus unserem Schlafzimmer. Er scheint es wirklich eilig zu haben, doch auch das ist nichts Neues für mich. Seit er seine Position als Familienoberhaupt angetreten hat, war es immer so zwischen uns. Ein frustriertes Seufzen dringt über meine Lippen, bevor ich Finn frage: „Warum gibt es einen Aufstand?“
„Leandro und Santos waren so etwas wie die Lieblinge in dieser Familie. Milan hat im Laufe der letzten Jahre zu viele Tote innerhalb der Familie hinterlassen, und sie wollen ihn stürzen“, meint er beiläufig, während er sich seine Utensilien zurechtlegt, um den intravenösen Zugang zu entfernen. „Die ersten Tage wirst du noch sehr unsicher auf den Beinen sein. Wir haben dich in ein künstliches Koma versetzt, daher solltest du den Heilungsprozess vom letzten Mal kennen und deinem Körper die Zeit geben, die er braucht.“
Befangen nicke ich und lasse ihn einfach machen. Von Rosaria weiß ich, dass Finns Aussage der Wahrheit entspricht. Santos und Leandro waren sehr einflussreich und es wundert mich nicht, dass ihr Tod für Unruhe gesorgt hat. Unfassbar, dass diese Scheißkerle selbst nach ihrem Tod noch eine solche Macht haben. Sie haben mich mit Ivens Leben erpresst und mich mehrfach vergewaltigt. Dafür soll nun Milan die Konsequenzen tragen?
„Wo ist Iven?“, will ich von ihm wissen, woraufhin er die Augenbraue hochzieht und mich mit diesem eigenartigen Blick mustert. „In seinem Zimmer. Wieso fragst du?“
„Bringst du mich zu ihm?“, bitte ich ihn. Fast schon genervt atmet er aus, während er ein Pflaster auf die Stelle klebt, wo sich zuvor der Zugang befunden hat. „Du wirst ohnehin keine Ruhe geben, wenn ich es nicht mache, oder?“
„Ich will ihn wirklich sehen.“ Ein aufgezwungenes Lächeln legt sich auf meine Lippen, während ich die Decke zurückschlage. Doch ein furchtbarer Schmerz durchzuckt meinen Bauchbereich, als ich versuche, mich von der Matratze aufzurichten. „Langsam! Du hattest innere Blutungen und musst im Bett bleiben. Ich werde ihn zu dir schicken.“
„Nein! Ich will es selbst schaffen“, widerspreche ich ihm entschlossen und quäle mich aus dem Bett. Doch ich komme mit Finns Hilfe gerade so auf meine wackeligen Beine. Ich stütze mich an ihm, während ich mühsam einen Fuß vor den anderen setze. Mein Körper bebt vor Überanstrengung und ich hasse das Gefühl, so unbeschreiblich schwach zu sein. Es fühlt sich an, als würde jeder meiner Muskeln in Flammen stehen. Schwarze Punkte tanzen vor meinen Augen und ich kämpfe gegen die Ohnmacht an, doch ich weigere mich aufzugeben.
Der Gang ist gefühlt kilometerlang und es dauert eine Ewigkeit, bis ich es zu Ivens Zimmer schaffe. Meine Atmung geht viel zu hektisch und mein Herz klopft wie wild, während ich meine Finger in den Stoff von Finns Hemd kralle. Meine Sicht verschwimmt, nachdem ich endlich Ivens Türe erreiche. Ohne anzuklopfen, drücke ich die Klinke mit zittrigen Fingern herunter.
Mein Blick gleitet durch den Raum. Sein Bett ist leer, doch als ich meinen Kopf in Richtung des Badezimmers drehe, sehe ich ihn, und ein Lächeln bildet sich auf meinen Lippen. Iven kommt gerade frisch aus der Dusche und hat sich ein Handtuch um die Hüfte gebunden. Er ist barfuß, seine Haare sind noch feucht und wild verwuschelt. Einzelne Wassertropfen rinnen seinen Hals hinab, über seine Brust, hinunter zu seinen Bauchmuskeln. Seine Schultern sind irgendwie breiter als ich sie in Erinnerung habe.
„Iven…“ Meine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. Ich habe ihn all die Monate so sehr vermisst, dass ich nicht anders kann, als ihm die Wahrheit zu sagen: „Du hast mir so sehr gefehlt.“
„Maya...“ Ivens Augen weiten sich und er friert in seiner Bewegung ein, als er mich bemerkt. Sein Blick huscht von meinem Gesicht zu meinen wackeligen Beinen, dann ist er mit einem Sprung bei mir.
„Was machst du hier?“ Er klingt entsetzt, als könne er meine irre Aktion nicht fassen. Seine Hände legen sich vorsichtig um meine Hüfte, als meine Knie nachgeben. Kurz glaube ich zu stürzen, doch er fängt mich auf und drückt mich behutsam an sich. „Ich musste dich sehen.“
„Milan reißt mir den Arsch auf“, murmelt er, während ich die Umarmung erwidere. Seine warme Haut fühlt sich so gut unter meinen Fingerspitzen an und endlich schaffe ich es wieder ruhiger zu atmen. Trotz der starken Schmerzen schließe ich für einen winzigen Moment die Augen und genieße es, ihn so nah bei mir zu spüren. Er riecht nach Duschgel und seinem eigenen, männlichen Geruch. Dieser vertraute Duft, den ich so sehr vermisst habe.
„Ich lasse euch beide allein“, höre ich Finn und bekomme irgendwo am Rande meiner ganzen Endorphine mit, wie er die Tür hinter sich schließt.
„Du darfst nicht hier sein…“, beginnt Iven. Doch ich unterbreche ihn mit hochgezogener Augenbraue: „Seit wann interessieren dich die Regeln?“
Mit einem spitzbübischen Schmunzeln auf den Lippen geht er vor mir langsam in die Hocke und hebt mich behutsam auf seine Arme. Die plötzliche Bewegung schickt eine weitere Schmerzwelle durch meinen Körper, und ich beiße fest die Zähne zusammen, um nicht laut loszuschreien. Iven drückt mir einen Kuss auf die Stirn, während er mich zum Bett trägt. Mein Herz klopft mir bis zum Hals, als ich die weiche Matratze unter meinem Rücken spüre und er sich über mich beugt. Seine Hände stützen sich links und rechts neben meinem Kopf ab, während seine Augen über mein Gesicht gleiten. Er sagt nichts und scheint nach den richtigen Worten zu suchen. Sein Blick verdunkelt sich und er sieht mich so intensiv an, wie schon lange nicht mehr. Dann flüstert er rau, fast schon heiser: „Wenn du nur wüsstest, wie sehr ich mir gewünscht habe, du würdest noch einmal die Augen aufschlagen... Nur einmal.“
Mein Herz zieht sich schmerzlich zusammen, denn er klingt so eigenartig bedrückt. Leise lacht er und schüttelt kaum merklich den Kopf, während er zögerlich hinzufügt: „Es gibt nur eine Sache, die mir in den letzten Wochen nicht aus dem Kopf gegangen ist.“
„Welche?“ frage ich ihn und sehe verdutzt in sein leidverzerrtes Gesicht. Er sieht aus, als würde ein Sturm in ihm toben. Da liegt so viel Schmerz in seinen Augen, als würde er mit etwas kämpfen. Selbst seine Schultern und seine Kiefermuskeln sind angespannt.
„Dass ich dir nie gesagt habe, was du mir wirklich bedeutest“, presst er hervor, wodurch sich meine Augen schreckhaft weiten. Doch bevor ich etwas erwidern kann, beugt er sich zu mir hinunter und legt seine Lippen auf meine.
Es ist das erste Mal, dass er es zugibt, und diese Erkenntnis lässt ein Kribbeln aus purem Hochgefühl durch meinen Körper jagen. Unnachgiebig drängt er seine Zunge in meinen Mund und raubt mir mit diesem begehrlichen Kuss wortwörtlich den Atem. Er lässt mich schweben und beweist mir, wie ernst er sein Geständnis meint. Seine Hand gleitet in meinen Nacken und seine Finger graben sich besitzergreifend fest in meine Haut, als der Kuss drängender wird. Ein heftiges Prickeln breitet sich zunehmend in meiner Brust aus, während unsere Zungen miteinander spielen. Vor Aufregung schlägt mir das Herz bis zum Hals und ich verfange mich in all den Empfindungen, die er in mir auslöst. Er ist so zärtlich und gleichzeitig so bestimmend, während er mich fast schon verschlingend küsst. Es ist kein Kuss, der auf Sex hinausläuft, dafür liegt zu viel Gefühl in jeder Berührung unserer Lippen. Nicht Lust treibt ihn an, sondern ein Verlangen, das viel bedeutsamer ist als es Worte jemals ausdrücken könnten. Auch meine Arme schlingen sich um seinen Nacken und ich küsse ihn, als hinge mein Leben daran. Alles bricht mit einem Mal aus mir heraus, was ich mir so lange verwehrt habe... Die Sehnsucht, ihn endlich wieder zu spüren, und die Angst, dass er mich längst vergessen hat. Gott... er hat mir so sehr gefehlt!
„Du bist mir auch wichtig“, gestehe ich, nachdem ich mich ein Stück von ihm löse. Zum ersten Mal spreche auch ich laut aus, wovor ich mich immer gefürchtet habe. Doch es fühlt sich richtig an, ihm die Wahrheit zu sagen. Ich weiß nicht, ob das zwischen uns Liebe ist. Aber das, was ich für ihn empfinde, geht so viel tiefer. Ich vertraue ihm und diese Verbindung mit ihm fühlt sich echt an. Iven hat sich verändert seit dem Tag meiner Entführung, auch wenn das, was er getan hat, niemals ungeschehen sein wird.
„Ich...“ beginnt er, doch plötzlich versagt seine Stimme. Sein gesamter Körper spannt sich an, während sich seine Lippen leicht öffnen, als wolle er sprechen. Doch kein Ton kommt heraus. Er wirkt abwesend und scheint mit etwas zu ringen, das schwer auf ihm lastet. Fest presst er seine Lippen zu einem schmalen Strich zusammen, bevor er „Scheiße, Maya“ murmelt und sich mit einem Seufzen neben mich auf die Matratze wirft. Verwirrt blinzelnd bleibe ich auf dem Rücken liegen und drehe lediglich meinen Kopf in seine Richtung. „Was ist los?“
„Nicht so wichtig“, grummelt er in einem mürrischen Unterton und vergräbt sein Gesicht in meiner Halsbeuge. Dann schweigt er und legt seinen Arm behutsam um meine Hüfte. Das alles fühlt sich noch immer wie in einem Fiebertraum an. So unwirklich... als würde ich halluzinieren. „Ihr benehmt euch beide heute irgendwie seltsam.“
„Keine Sorge, Püppchen. Sobald es dir besser geht, werde ich nicht mehr so nett zu dir sein.“ Jetzt schmunzelt er, wodurch ich seinen warmen Atem an meinem Hals spüre. Sanft saugt er an meiner Haut und lässt seine Zähne über die empfindliche Stelle schaben. Schwer stoße ich die Luft aus, denn ich zweifle nicht an der Wahrheit seiner Worte. „Ich habe nichts anderes von dir erwartet.“
„Ich muss dich zurückbringen, bevor mir Milan den Kopf umdreht.“ Iven drückt sich vom Bett hoch, doch ich greife nach seinem Arm und schüttele den Kopf. „Warum? Santos und Leandro sind keine Gefahr mehr. Es gibt keinen Grund, weshalb er mich im Schlafzimmer einsperren muss.“
„Du hast keine Ahnung, oder?“ Seine Augenbraue schießt in die Höhe, und er legt den Kopf leicht schief, als ich seine Frage verneine. „Enrico ist... naja... nicht ganz bei klarem Verstand. Es ist besser, wenn du nicht in meiner Nähe bist.“
„Enrico hat kein Recht, sich in das einzumischen, was zwischen uns ist.“ Empört verziehe ich das Gesicht, da ich es nicht fassen kann, was er da von sich gibt. Wem ich nahe sein möchte, geht Enrico nicht das Geringste an. Schließlich kann ich selbst für mich entscheiden, was gut für mich ist. Doch mir entgleiten sämtliche Gesichtszüge, als er plötzlich grinst: „Das Thema hat sich ohnehin bald erledigt, wenn er von hier weggeht.“
„Er geht weg? Wohin?“, frage ich verdutzt und sehe ihm hinterher, während er zu seinem Kleiderschrank geht. „Es sind nur noch ein paar letzte Formalitäten zu klären, bis seine offizielle Verlobung mit einer feinen Dame aus dem amerikanischen Hochadel bekannt gegeben wird. Clara Harlow.“
Enrico heiratet? Diese Nachricht überrollt mich wie ein Güterzug und hallt in einem zerstörerischen Echo in meinem Kopf nach. Ich kenne die Traditionen dieser Familie und wusste von Anfang an, dass wir nicht zusammen sein können. Doch jetzt trifft mich diese Erkenntnis härter als ein Schlag. Mein Magen rebelliert und mir wird kotzübel nur beim Gedanken daran, dass er wirklich heiratet. Es sollte mich erleichtern, schließlich habe ich schon lange kein Recht mehr dazu, mich in sein Leben einzumischen. Milan würde das zwischen Enrico und mir niemals tolerieren. Und trotzdem hat es einen bitteren Beigeschmack. Zu wissen, dass wir keine reale Chance hatten, tut so weh.
Iven greift sich inzwischen frische Kleidung aus dem Schrank und lässt das Handtuch zu Boden fallen. Ungeniert gibt er mir perfekten Blick auf seinen durchtrainierten Rücken und seinen wohlgeformten Hintern frei, als wäre es das Normalste der Welt, sich einfach vor mir auszuziehen. Er dreht sich zu mir um und automatisch fällt mein Blick zwischen seine Beine. Er ist schlaff und scheint zur Abwechslung nicht an Sex zu denken. Beinahe muss ich über mich selbst den Kopf schütteln, dass ausgerechnet mir der Gedanke an Sex in den Sinn kommt. Meine Wangen erröten, als er meinem Blick folgt und an sich herunterschaut. „Ziemlich beeindruckend, oder?“ Ein kehliges Lachen entweicht ihm, während er sich sein Shirt und anschließend eine Shorts überzieht.
„Ganz nett“, sage ich zynisch und rümpfe die Nase, während ich die Arme vor der Brust verschränke. „Ich frag mich nur, wie lange du es noch aushältst, mich nicht anzufassen. Willst du mich wirklich zurück in Milans Zimmer sperren?“
„Ficken? Du spinnst ja! Das Letzte, woran ich im Moment denke, ist dich zu ficken.“ Iven bleibt direkt vor mir stehen und beugt sich zu mir herunter, um mir einen Kuss auf die Lippen zu drücken. „Maya, du bist an dieser Verletzung gestorben und wurdest wiederbelebt!“
„Noch ein Grund mehr, meine zweite Chance sinnvoll zu nutzen“, sage ich entschlossen. Was auch immer vor zwei Wochen passiert ist, beweist mir, wie schnell das Leben vorbei sein kann. Zumindest nehme ich es mir fest vor, mich nicht mehr mit den Gedanken an Enrico zu belasten. Er hat seine Entscheidung getroffen, und ich treffe meine!
Mit zusammengebissenen Zähnen drücke ich mich von der Matratze hoch und unterdrücke einen Schmerzschrei, als ich mich in einer etwas unbeholfenen Bewegung zurück auf die Beine kämpfe. Iven legt seine Hand an meine Wange, was mich zu ihm aufschauen lässt. Sein Gesicht ist wie in Stein gemeißelt, während er nachdenklich sinniert: „Ich weiß, dass er dir etwas bedeutet. Aber... du verdienst jemanden, der dich liebt und dich nicht für deine Herkunft verurteilt. Ich wurde nicht in eine mächtige Königsfamilie geboren, genau wie du. Und deshalb passe ich zu dir. Nicht dieser aufgeblasene Arsch, der glaubt, er sei wegen seinem Titel mehr wert als du.“
„Das war fast romantisch. Für einen Mann, der gerade noch davon gesprochen hat, dass er mich nicht bei sich haben will“, schmolle ich und meine Unterlippe wölbt sich trotzig nach vorn. Iven geht vor mir in die Hocke und hebt mich hoch auf seine Arme, wodurch ich nun doch einen kläglichen Schrei nicht unterdrücken kann. Meine Wunden ziehen und pulsieren. Diese verdammten Schmerzen sind die pure Hölle, als er mich aus seinem Zimmer trägt. „Auch ein Arschloch kann mal nett sein.“
Frustriert seufze ich und lasse ihn einfach machen. Ich schlinge meine Arme um seinen Hals und lege meinen Kopf auf seiner Schulter ab, während er mich zurück in mein persönliches Gefängnis bringt. Gekonnt öffnet er mit einem Arm die Tür und legt mich anschließend auf das Bett. Er drückt mir einen flüchtigen Kuss auf die Stirn, bevor er mir zuzwinkert: „Wir sehen uns bald.“
„Bis bald“, murmele ich und sehe dabei zu, wie er aus dem Schlafzimmer verschwindet. Tief durchatmend schließe ich für einen kurzen Moment meine schweren Augenlider. Doch auch wenn ich total müde bin, schaffe ich es einfach nicht einzuschlafen. Es wird nicht mehr lange dauern, bis Rosaria mit Silvano hier sein wird.
Mein Herz verkrampft beim Gedanken daran, ihn gleich zu sehen. Nur die Schmerzen an meiner Naht erinnern mich daran, dass ich ihn all die Monate unter meinem Herzen getragen habe. Ich habe weder eine Erinnerung daran, als er geboren wurde, noch habe ich ihn in meinen Armen gehalten, als er zur Welt gekommen ist. Ich kann die Gefühle in mir kaum sortieren. Was, wenn es sich anfühlt, als wäre er ein fremdes Kind? Ein Kind, das ich lieben will, aber es nicht kann? Ich habe keine Ahnung, wie sich Muttersein anfühlt.
Silvano von Arentin
Eine gefühlte Ewigkeit foltere ich mich mit diesen Gedanken und starre an die Zimmerdecke. Es vergehen sicher zwei Stunden, bis ich Stimmen vor der Tür höre.
Unbewusst halte ich den Atem an und jeder Muskel in mir verkrampft, als nur Sekunden später meine Zimmertüre geöffnet wird und mich meine Schwiegermutter mit Tränen in den Augen herzlich anlächelt: „Maya, ich bin so froh, dass es dir gut geht.“ In ihren Armen hält sie ein winziges Bündel, eingehüllt in eine weiße Decke. Milan betritt direkt nach ihr das Zimmer, doch ich nehme ihn kaum wahr. Mein gesamter Fokus liegt auf meinem Sohn.
Mein Herz setzt für einen Schlag aus, als Rosaria mir dieses winzige Geschöpf in die Arme legt. Er ist so viel kleiner als ich ihn mir vorgestellt habe. Seine Augen blinzeln mich müde an und er gähnt, als wäre er gerade erst aufgewacht. Er hat Milans Gesichtszüge und auch die Form seiner winzigen Nase und der Lippen hat er von ihm. Nur die Augenfarbe hat er von mir. Ein warmes, helles Olivgrün. Ein unbekanntes Gefühl, warm und schmerzhaft zugleich, breitet sich in meiner Brust aus, umso länger ich ihn ansehe. Er ist so wunderschön. So unschuldig und in eine so grausame Welt geboren, in der nichts außer Leid existiert.