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Jasmin Baur

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Beschreibung

Die große Liebe findet man nur einmal im Leben. Sie hinterlässt tiefe Spuren in unserem Herzen. Manchmal sogar Narben. Man sagt, die Zeit heilt alle Wunden, doch es gibt Schicksalsschläge, von denen wir uns niemals erholen. Was, wenn das Schicksal diese drei Menschen erneut auf mysteriöse Weise zusammenführt? Mia Thiel hat es nach all den Jahren geschafft. Die attraktive Frau lebt ein glückliches Leben, bis sie eines Tages dem Mann begegnet, der ihre ganze Welt auf den Kopf stellt. Nun ist es an der Zeit, die Geheimnisse der Vergangenheit zu offenbaren und Mia muss sich eingestehen, wie nah Hass und Liebe beieinander liegen. Eine Geschichte über eine Dreiecksbeziehung voller Intrigen und Geheimnisse.

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 465

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Cover
Gefangen
Impressum:
TRIGGERWARNUNG
Prolog
Sam
Kapitel 1
Mia & Liam
Kapitel 2
Kapitel 3
Ben
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Emilio
Kapitel 7
Tyler & Mia
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Epilog
DANKSAGUNG

Cover

Jasmin Baur

Gefangen

Weil ich dich Liebe

Band 3

Dark Romance

Gefangen

Weil ich dich Liebe

Band 3 der Reihe

© 2024 Jasmin Baur

Coverdesign & Farbschnitt: Jennifer Schattmaier / 

schattmaier-design.com

Charakterkarten: Bookart Minchen (Charakter-Illustrationen wurden unter Einsatz künstlicher Intelligenz erstellt) Lektorat: gylgamesh2satyagraha

ISBN: 9783989955868

Impressum:

Jasmin Baur

c/o autorenglück.de Franz-Mehring-Str. 15 01237 Dresden

www.missjbaur.com

Alle Rechte an Text und Bildern vorbehalten, insbesondere das Recht der mechanischen, elektronischen oder fotografischen Vervielfältigung, der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, des Nachdrucks in Zeitungen oder Zeitschriften, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung oder Dramatisierung, der Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen oder Video, auch einzelner Text- oder Bildteile.

TRIGGERWARNUNG

Dieser Roman ist keine Liebesgeschichte!

Die Inhalte dieser Geschichte richten sich ausschließlich an erwachsene Leser mit starken Nerven. Mit dieser Geschichte verherrliche oder romantisiere ich keinesfalls sexuellen Missbrauch und Gewalt!

Dies ist ein rein fiktiver Roman, der weder eine Moral noch ein Weltbild darbieten soll!

Alle Handlungen und Personen

in diesem Buch sind frei erfunden.

Einzelne Kapitel enthalten Entführung, grafisch beschriebene sexuelle Gewalt und andere Missbrauchsformen, grafisch beschriebene Gewalt, besitzergreifendes Verhalten, Drogenmissbrauch, Alkoholkonsum, Mord, Fetizid, Waffen, Folter, Messerspiele, Erniedrigung, Demütigung, erzwungene Orgasmen, Depression, Suizidgedanken, Abort, Atemreduktion, Angstzustände.

Wenn dich diese Themen triggern, bitte ich dich ausdrücklich, dieses Buch nicht zu lesen.

Prolog

Mia

Stille erfüllt den Raum, nachdem die Türe ins Schloss fällt. Nun sitze ich allein an dem großen weißen Besprechungstisch und starre nervös auf meine ineinander gefalteten Finger. Meine Hände sind vor Aufregung ganz feucht und durch den erhöhten Herzschlag schaffe ich es kaum zu atmen. Seit gefühlten Stunden sitze ich in dem riesigen Gebäude und warte im Konferenzraum, bis Herr Wolf sich mit seinen Geschäftspartnern bespricht. In Wirklichkeit sind es gerade ein paar Minuten.

Mein Blick gleitet durch den Raum und ich versuche irgendwie meine angespannten Nerven zu beruhigen. Alles in diesem riesigen modernen Glasgebäude wirkt steril und ist in Weißgrautönen gestaltet. Ich befinde mich im obersten Stockwerk des Gebäudes und erhasche durch das Panoramafenster einen traumhaften Ausblick auf die Kölner Stadt. Doch auch die atemberaubende Aussicht schafft es nicht, mich zu beruhigen, zusätzlich lässt das Ticken des Sekundenzeigers der Wanduhr meine Aufregung ins Unermessliche steigen.

Mein Herz beginnt zu rasen, als sich die Türe des Bürozimmers öffnet und Herr Wolf mir entgegentritt. Der grauhaarige Geschäftsführer trägt einen edlen schwarzen Anzug, darunter ein weißes Hemd mit einer roten Krawatte. Seine Mundwinkel verziehen sich zu einem Lächeln, das bis hoch zu seinen dunkelbraunen Augen reicht. „Wir haben uns entschieden, dass wir sehr gerne mit Ihnen zusammenarbeiten möchten, Frau Emilia Sanders."

Er reicht mir seine Hand, als er direkt vor mir zum Stehen kommt und ich springe mit einem strahlenden Lächeln vom Stuhl auf. „Vielen Dank, Herr Wolf."

„Sie müssen nur noch die Verträge unterzeichnen", erklärt er mir und in diesem Moment kommt auch die Sekretärin in schnellen Schritten in das Bürozimmer geeilt, diese ist in einem eleganten dunkelblauen Hosenanzug gekleidet. Sie legt mehrere Papiere direkt vor mir auf dem großen Besprechungstisch ab und ihre freundlich warme Stimme erfüllt den Raum. „Wenn Sie bitte hier unterschreiben."

Die fettgedruckte Überschrift – Wolf Verlag – lässt mich fast vor Freude kreischen und ich realisiere, dass ich es endlich geschafft habe. Nachdem ich meine Unterschriften auf die Dokumente setze, reiche ich diese im Anschluss der rothaarigen Dame mit dem herzerwärmenden Lächeln.

„Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit." Nochmals reicht mir Herr Wolf seine Hand, die ich mit meinem strahlenden Lächeln ergreife.

„Vielen Dank, Herr Wolf. Auch ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit."

„Auf Wiedersehen, Frau Sanders. Wir melden uns, sobald wir in den Druck gehen und schicken Ihnen das erste Exemplar", erklärt er mir das weitere Vorgehen und ich erwidere ihm höflich: „Vielen Dank, Herr Wolf, und auf Wiedersehen." Ich verabschiede mich mit einem überschwänglichen Glücksgefühl, und verlasse anschließend das Besprechungszimmer, um in den Fahrstuhl zu steigen.

Seit mehreren Jahren schreibe ich nun verdeckt unter einem Pseudonym und zusätzlich hinter einer falschen Identität kitschige Liebesromane und versuche mit meinem neuesten Buch "Dunkles Verlangen" endlich den Durchbruch als Bestsellerautorin zu schaffen.

Die Leser lieben diese Art von Geschichten, das was ich in meinen Büchern als Fiktion darstelle, doch in Wirklichkeit vor vielen Jahren erlebt habe. Manchmal frage ich mich, ob meine damals beste Freundin heute auf mich stolz wäre, wenn sie wüsste, was ich mit diesen Büchern erreicht habe.

Im Spiegel des Aufzugs mustere ich nochmal mein Erscheinungsbild, meine smaragdgrünen Augen sind mit Naturtönen betont und ich habe nur leichtes Make-up aufgelegt. Mit den Fingerspitzen kämme ich ein paar abstehende Haarsträhnen zurecht. Meine dunkelbraunen Haare trage ich zu einem Dutt gedreht.

Heute für diesen besonderen Tag habe ich mich für ein Businessoutfit entschieden. Ich trage einen schwarzen Rock und ein weißes Hemd, darüber einen schwarzen Blazer, dazu schwarze Kniestiefel. Ich schenke meinem Spiegelbild ein Lächeln, genieße das Glücksgefühl, das durch jede Faser meines Körpers strömt. Endlich habe ich es geschafft. Wie ein Mantra sage ich mir das innerlich immer wieder, weil ich es immer noch nicht glauben kann.

Das 'Ping' des Aufzugs reißt mich aus meinen Gedanken und die Türen des Fahrstuhls öffnen sich wieder. Folglich stehe ich inmitten des regen Treibens der Geschäftswelt. Das gläserne Gebäude erstreckt sich über dreiundzwanzig Stockwerke. Menschen quetschen sich an mir vorbei in den Aufzug. Noch einmal tief durchatmend schwebe ich in meinem Hochgefühl, dann laufe ich in Richtung Ausgang.

„Mia? Bist du es wirklich?!", ertönt eine tiefe Männerstimme hinter mir, die eine Gänsehaut meine Wirbelsäule hinunterrieseln lässt. Ich wage es kaum, mich umzudrehen. Zu viele Jahre hat mich diese Stimme Nacht für Nacht in meinen Träumen verfolgt.

Ganz langsam wende ich meinen Blick und sehe in ein Paar eisblaue Augen. Mein Mund öffnet sich, doch ich schaffe es, keinen Ton zu sprechen. Auch mein Puls schnellt in die Höhe, und mir stockt der Atem, als ich wie erstarrt mein Gegenüber mustere.

Er hat sich äußerlich seit unserer letzten Begegnung wirklich verändert. Vereinzelte graue Haare schimmern durch sein früher tiefschwarzes Haar, das er noch immer im Low Fade Haarschnitt trägt. Die leichten Fältchen unter seinen Augen lassen ihn noch reifer wirken. Seine markanten Gesichtszüge strahlen Kälte und Selbstsicherheit aus. Er hat einen makellosen schwarzen Emporio Armani Anzug an, der ihm wie auf den Leib geschneidert steht. Noch immer ist sein Körperbau trainiert, das leicht aufgeknöpfte Hemd lässt die Muskeln darunter nur erahnen.

Seine perfekt geschwungenen Lippen verziehen sich zu einem sinnlichen Lächeln und seine eisblauen Augen nehmen mich gefangen, jenes stürmische Eisblau, vor dem es kein Entkommen gibt. Nach all den Jahren ist er noch immer der attraktivste Mann, dem ich jemals begegnet bin und seine dominante Ausstrahlung wirkt eine extreme körperliche Anziehung auf mich aus. Mein geschiedener Ehemann Liam Voß.

Sam

Kapitel 1

Mia

„MIA LAUF!" Unsere schnellen Schritte hallen durch die Nacht, begleitet von unserer stoßartigen Atmung. „SCHNELLER!" Ich schaffe es kaum noch mit Diana Schritt zu halten, doch ihre panische Stimme zwingt mich durchzuhalten und meine Geschwindigkeit zu erhöhen.

Adrenalin pumpt durch meine Venen, als ein Auto wenige Meter von uns entfernt mit quietschenden Reifen vor uns zum Stehen kommt. Es schneidet uns den Fluchtweg ab. Gehetzt biegen wir in eine Querstraße ab, dann in eine weitere Seitenstraße. Bis sich endlich vor uns der Berliner Hauptbahnhof erstreckt und wir in dem großen Menschenmeer untertauchen.

„Diana, ich kann nicht mehr", keuche ich atemlos, doch sie eilt weiter. Noch immer trägt sie Sam fest an ihre Brust gepresst, mit der anderen Hand zieht sie mich hinter sich her. „Mia, wenn die uns erwischen, wirst du dir wünschen, sterben zu dürfen. Das, was die uns antun werden, ist viel schlimmer!"

Mit schnellen Schritten rennen wir über die Gleise, bis wir endlich einen Bahnsteig erreichen, an dem ein Zug abfahrbereit steht. Diana lässt Sam hinunter auf seine Füße, der sofort zitternd nach meiner Hand greift. Dann nimmt sie eine Tasche von ihren Schultern und hängt sie mir über. „Du musst gehen! In dieser Tasche ist alles, was du brauchst! Keine Diskussion! Ich werde sie ablenken!"

„Nein! Ich gehe nicht ohne dich!", widerspreche ich ihr sofort und sie schließt mich fest in ihre Arme, Tränen glänzen in ihren Augen, als sie ihre Stirn an meine legt. „Versprich es mir! Versprich mir, dass du niemals zurückschaust und ein Leben in Freiheit beginnst!"

Völlig durcheinander blicke ich zu Sam, der schlottrig meine Hand hält und mich mit seinen großen ängstlichen Kulleraugen anschaut. Erst jetzt merke ich, dass mein ganzes Gesicht nass vom Weinen ist, und ich presse unter Tränen hervor: „Ich verspreche es!"

„Und jetzt geh!" Mit diesen Worten drückt sie uns in den ICE. In großen Schritten laufe ich mit Sam an der Hand durch die Abteile und sehe noch von einem Fenster, wie Diana durch die Menschenmenge rennt. Ein lauter Knall lässt mich schreckhaft zusammenzucken und ich sehe, wie sie zu Boden sackt.

Aus allen Richtungen stürmen Männer auf sie zu, fixieren sie. Panik bricht aus und alle Menschen rennen wild durcheinander. Der Zug setzt sich in Bewegung, er fährt in die andere Richtung und ich verliere sie aus den Augen, presse mein Gesicht an die Scheibe, doch ich kann sie nicht mehr sehen. „DIANA!"

„MOM! Wach auf!" Mit zitternden Händen kralle ich mich an einem warmen Körper. Eine Hand streichelt mir immer wieder beruhigend über den Kopf und flüstert: „Alles ist gut, Mom. Du hattest nur einen Alptraum."

Meine Stirn ist vom Schweiß benetzt, tränenüberströmt blicke ich durch die Dunkelheit, erkenne die Umrisse eines jungen Erwachsenen. Er hält mich schützend in seinen starken Armen und lässt mich spüren, dass ich nicht allein bin. Das Gefühl der Geborgenheit, das er mir gibt, lässt mich langsam in die Realität zurückkehren. „Sam..."

„Du hast nur schlecht geträumt", wiederholt er nochmals und ich schaffe es langsam, meine verkrampften Finger von ihm zu lösen. Es ist mitten in der Nacht, Sam sitzt auf der Bettkante und ein kleiner Lichtstrahl, der durch die geöffnete Türe scheint, erleuchtet mein Schlafzimmer. Ich bin zuhause, in meinem Bett, in unserer Wohnung.

Seit Jahren verfolgten mich diese Alpträume, wahrscheinlich sind es die Selbstvorwürfe, die mich plagen, da ich Diana nach dieser Nacht nie wieder gesehen habe. Ich verdanke ihr einfach alles. Sie hatte mir und Sam eine neue Identität und eine schnuckelige Wohnung in Köln besorgt, seither leben wir das Leben eines anderen.

„Geht es wieder?", fragt er nochmal mit sanfter verständnisvoller Stimme, da ich ihm immer noch nicht geantwortet habe und ich rutsche peinlich berührt von ihm weg, dann kratze ich mich verlegen am Hinterkopf. „Tut mir leid, Sam. Es geht schon wieder. Habe ich dich geweckt?"

„Du hast schon wieder im Traum geschrien. Mich hast du nicht geweckt, aber wahrscheinlich das gesamte Haus", erklärt er mir lässig, während er vom Bett aufsteht und aus meinem Schlafzimmer läuft.

„Schlaf gut", rufe ich ihm noch hinterher und er erwidert mir dasselbe. Anschließend ziehe ich mir grummelnd die Decke über den Kopf und kuschele mich ins Kissen. Es ist mir peinlich, wenn mich mein Sohn mal wieder nach einem Alptraum beruhigen muss, eigentlich wäre dies meine Aufgabe als Mutter. Doch er ist schließlich fast erwachsen und erinnert sich nicht einmal mehr an diese Zeit. Tief durchatmend verdränge ich alle negativen Gedanken und versuche mich nicht weiter mit der Vergangenheit zu belasten, die ich nicht ändern kann. Ich drehe mich noch eine Weile im Bett hin und her, bis ich in einen traumlosen Schlaf finde.

Sonnenstrahlen kitzeln mein Gesicht und ich öffne langsam die Augen. Verschlafen strecke ich mich ausgiebig, stehe anschließend vom Bett auf und verschwinde im Badezimmer. Nachdem ich meine Morgenhygiene hinter mich gebracht habe, komme ich nicht umhin, mich kritisch im Spiegel zu begutachten. Da meine gesäßlangen braunen Haare in alle Richtungen stehen, kämme ich sie und binde sie anschließend zu einem unordentlichen Dutt. Unter meinen smaragdgrünen Augen zeichnen sich leichte Augenringe, der Zwischenfall heute Nacht hat wohl seine Spuren hinterlassen, doch mit ein bisschen Make-up lässt sich das leicht kaschieren. Nachdenklich mustere ich die Frau im Spiegel und frage mich, ob dieser Traum etwas mit meinem plötzlichen Zusammentreffen mit Liam zu tun hat. Vielleicht wollte mich mein Unterbewusstsein daran erinnern, dass ich Diana einen Eid geschworen habe.

Liam hat mich heute Abend auf ein Abendessen ins Restaurant eingeladen und ich habe zugestimmt. Schließlich sind wir durch unseren Sohn, den ich seit sechzehn Jahren nicht gesehen habe, noch immer miteinander verbunden. Ich habe mich immer gefragt, was aus ihm geworden ist. Es verging kein Tag, an dem ich nicht an Ben gedacht habe. Doch aufgrund der Geschehnisse der Vergangenheit hielt ich mich versteckt, denn ich hatte auch gegenüber Sam die Verantwortung und konnte es nicht riskieren, erneut in die kriminellen Machenschaften meines Ex-Mannes verwickelt zu werden.

Nach unserer gescheiterten Ehe hat es unzählige Jahre beim Psychiater gebraucht, mich von meinem Trauma zu therapieren. Immer wieder durchlebte ich mit meinem Psychotherapeuten die vergangenen Erlebnisse. In denen noch so kleine Handlungen meines Peinigers als Großzügigkeit in meinem Unterbewusstsein verankert waren. Durch das erneute Durchleben konnte er die Emotion der Dankbarkeit umwandeln und meine Wahrnehmung verändern. Indem er mir vor Augen führte, dass ich erst durch diese Person in diese Situation gekommen bin.

Dieses Mal konnte ich endlich loslassen, denn ich hatte es Diana in jener Nacht geschworen. Auch sie hatte in all den Jahren vor unserer Flucht ihr Versprechen mir gegenüber gehalten und nicht aufgegeben, bis ich selbst erkannte, in welcher Illusion und Lüge ich gefangen lebte.

Endlich wagte ich einen Neuanfang, nutzte die Pässe, die Diana für mich und Sam besorgt hatte, zog in die bereits bezahlte Eigentumswohnung und arbeitete im Supermarkt, um Sam ein angenehmes Leben zu ermöglichen. Es war richtig, dieses Leben voller Kriminalität hinter mir zu lassen und wieder in Normalität zu leben.

Kopfschüttelnd löse ich mich von meinem Spiegelbild und versuche mich nicht länger mit der Vergangenheit zu belasten, sondern tapse in Richtung Küche. Auf dem Weg dorthin klopfe ich an Sams Türe und plappere einfach drauf los, als ich diese öffne. „Guten Morgen, Sam. Sorry nochmal für heute Nacht."

Was sich vor meinen Augen abspielt, ist mir womöglich peinlicher als den Betroffenen selbst. „SHIT", flucht Sam, der noch im Bett liegt, doch eine zuckersüße Blondine befindet sich nackt auf ihm. Sie hält sich die Decke vor den Körper, um ihre entblößten Brüste zu bedecken, wobei sie peinlich berührt stottert: „G... Guten Morgen, Frau Sanders."

„Guten Morgen, Süße. Lasst euch nicht stören", erwidere ich nur höflich, da ich ihren Namen nicht kenne. Mit den Worten „Ich mach dann mal Kaffee" schließe ich die Türe und tapse kopfschüttelnd in die Küche.

Nachdem ich mir einen Cappuccino aus dem Vollautomaten gelassen habe, wende ich meinen Blick zu Sam, der nur in seiner Boxershorts bekleidet im Türrahmen steht. Seine dunkelbraunen Haare sind wild verwuschelt und die leichten Schatten unter seinen grünen Augen verraten mir, dass er die Nacht nicht geschlafen hat.

Natürlich, schließlich hatte er weiblichen Besuch. Ihm ist bewusst, dass er umwerfend aussieht und dass er mit seinem durchtrainierten Körper in der Lage ist, jedem Mädchen den Kopf verdrehen.

Er trainiert seit frühester Kindheit mit großer Begeisterung Kung Fu, durch das harte Training ist er sehr muskulös. Sam hat ein gesundes Selbstbewusstsein und zeigt ohne Scham, was er hat. Die Mädchen laufen ihm reihenweise hinterher, denn er verzaubert einfach jede mit seinem Charme. Er hat es in den Genen und ist ein Herzensbrecher wie sein Vater. Zumindest hat er auch seine Intelligenz geerbt, denn er ist Jahrgangsbester und macht gerade sein Abitur. Er weiß nichts von seinem leiblichen Vater. Ich hielt es für die beste Entscheidung, ihm nichts über diesen Menschen und all die Brutalität, die mit ihm verbunden ist zu erzählen. Zumindest bis er uns eines Tages findet, wollte ich Sam ein normales Leben ermöglichen.

Sam kommt zu mir und umarmt mich von hinten, dabei drückt er mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Nun ist er derjenige, der sich mit einem „Sorry, die sollte längst weg sein" entschuldigt.

Skeptisch ziehe ich eine Augenbraue nach oben und frage ihn kritisch: „Sam, war das nicht gestern eine andere? Die wievielte diese Woche ist das? Bleibt sie zum Frühstück?"

„Mom?! Das geht dich doch gar nichts an", stöhnt er gespielt genervt und ich necke ihn grinsend, weil ich weiß, dass er es hasst. „Was?! Ich habe nur einfach keinen Überblick!" Das Geräusch der Haustür, die ins Schloss gezogen wird, ist zu hören und ich blicke verblüfft zu Sam. „Sie bleibt also nicht zum Frühstück?“

Sam steht mittlerweile am Kühlschrank und wühlt sich seine Zutaten zurecht. Bepackt mit Eiern und Speck schnappt er sich zusätzlich eine Pfanne. Mit einem tiefen Schnauben lässt er die Dinge neben dem Herd stehen und meint augenrollend: „Die sind alle nur Zeitvertreib, wenn es die Richtige ist, stelle ich sie dir vor."

Prüfend mustere ich meinen Sohn, wie er den Herd einschaltet und sich seine Zutaten in der Pfanne zubereitet, dabei murmelt er: „Such dir doch einfach einen Mann, dann hast du auch endlich eine Beschäftigung."

Nun verschränke ich augenrollend die Arme vor der Brust und ziehe gespielt eine Schnute. „Ich bleibe lieber bei den Männern in meinen Büchern. Außerdem wäre dir sowieso keiner gut genug."

Er hat diesen übertriebenen Beschützerinstinkt in sich und diesen äußerst bösen Blick, der jeden meiner Dates sofort in die Flucht schlagen würde.

„Du und deine kitschigen Liebesromane. Ich hoffe, dass du irgendwann findest, worüber du schreibst." Da er anscheinend sein Frühstück fertig gebrutzelt hat, verteilt er den Inhalt der Pfanne auf einen Teller und haucht mir noch einen flüchtigen Kuss auf die Stirn, dann verschwindet er aus der Küche. Einen Moment bleibe ich nachdenklich stehen, wenn die Liebe doch wirklich mit Happy End Garantie wäre, wie in einer schnulzigen Romanze.

„Ich bin heute Abend zum Essen eingeladen", rufe ich ihm nach einem kurzen Zögern hinterher und sofort habe ich erneut seine volle Aufmerksamkeit. Er streckt seinen Kopf durch die Türe und fragt neugierig: „Du?! Und ein Date?!"

„Naja, es ist nicht wirklich ein Date, eher ein Wiedersehen nach vielen Jahren... mit... mit einem Bekannten. Es könnte also spät werden." Nun scheint er beruhigt und winkt mich mit einer lässigen Handbewegung und einem „Okay, viel Spaß!" ab.

Mit meinem Cappuccino setze ich mich an den kleinen weißen Esstisch in der gemütlichen schnuckeligen Küche. Die Küchenzeile ist ebenfalls in weißem Hochglanz, an den Wänden hängen überall Erinnerungsfotos ausschließlich von Sam und mir. Ich habe mich nach meiner Scheidung nicht sonderlich zu Männern hingezogen gefühlt. Sondern mich ausschließlich auf meine psychische Genesung und Sams Erziehung fokussiert. Zu meinem ganzen Stolz war Sam schon immer ein sehr pflichtbewusstes Kind. Wir haben ein sehr inniges Verhältnis und er unterstützt mich noch heute, wo er kann.

Den restlichen Tag verbringe ich mit Hausarbeit, um mich von dem bevorstehenden Treffen abzulenken. Es ist das erste Mal, dass ich mit Liam gemeinsam in ein Restaurant zum Essen gehe. Durch seine illegalen Geschäfte in der Vergangenheit hielt er mich immer im Hintergrund versteckt.

Ziellos laufe ich in meinem Schlafzimmer auf und ab, das im modernen Rotweiß-Stil, bestehend aus einem Bett, Kommode und Schrank eingerichtet ist. Jede einzelne Minute, in der meine Verabredung näher rückt, werde ich nervöser und die Auswahl in meinem Kleiderschrank macht es auch nicht gerade besser. Ich bin völlig überfordert mit der Kleidungswahl, denn ich will weder zu aufreizend noch zu spießig gekleidet sein.

Kopfschüttelnd ziehe ich ein ärmelloses, knielanges schwarzes Kleid aus dem Schrank. Es ist zwar hauteng und betont meine Weiblichkeit, doch es ist gleichzeitig nicht zu freizügig. Schließlich will ich nicht billig auf Liam wirken und ihn auch nicht verführen. Es ist kein Date, sondern eine Aussprache und es wäre mehr als dämlich, ihm falsche Signale zu vermitteln.

Als letztes trete ich vor den Spiegel und lege dezentes Make-up auf, betone lediglich leicht meine Augen und Lippen. Stecke meine Haare hoch und lasse ein paar Strähnen ins Gesicht hängen. Ziehe meine schwarzen High-Heels an und drehe mich zum gefühlt hundertsten Mal hin und her. Es ist lange her, dass ich mich derart unsicher gefühlt habe. Ein Blick auf die Uhr lässt mich aufschrecken, es ist Zeit zu gehen. Noch mehr Nervosität breitet sich in mir aus, dieses Treffen wirft mich mehr aus der Bahn als es sollte.

Meine Schlafzimmertüre öffnet sich und Sam steht im Türrahmen. Er mustert mich skeptisch von oben nach unten und fragt dann verblüfft: „Und du gehst sicher nicht auf ein Date? Du verabscheust doch eigentlich hohe Absatzschuhe."

Erwischt... Grinsend kneife ich ihm im Vorbeilaufen an die Wange und äffe ihn spielerisch von heute Morgen nach: „Das geht dich doch gar nichts an, Sam." Anschließend hauche ich ihm einen Kuss auf die Stirn und laufe zur Haustür, dabei rufe ich ihm zu: „Warte nicht auf mich, es könnte spät werden."

Mia & Liam

Kapitel 2

Mia

Um Punkt neunzehn Uhr stehe ich bereits vor der Haustüre, als ein silberner Mercedes AMG One direkt vor mir zum Stehen kommt. Noch immer scheint Liam seine Vorliebe für Mercedes behalten zu haben, allerdings sieht dieser Sportwagen viel mehr wie ein Formel-1-Rennwagen aus als wie ein straßentaugliches Auto.

Liam steigt aus dem Auto und läuft um den Wagen herum. Auch heute trägt er einen dunklen maßgeschneiderten Anzug, darunter ein weißes Hemd. Er überragt mich um einen Kopf und auch seine breite Statur lässt mich neben ihm zierlich wirken. „Hi" murmele ich fast flüsternd und frage mich, wo mein Selbstbewusstsein geblieben ist. Unerwartet nimmt er meine Hand und haucht mir einen federleichten Kuss auf den Handrücken. Auf seine Mundwinkel legt sich ein angedeutetes Lächeln, doch es erreicht seine Augen nicht. „Du siehst wunderschön aus."

„Danke." Leicht unsicher beobachte ich das Geschehen und blicke zu ihm auf. Noch immer bringt er mit seiner charmanten Art mein Herz zum Klopfen. Bevor ich in irgendeiner Weise reagieren kann, löst er sich von mir und hat die Beifahrertür geöffnet, dann deutet er mir einzusteigen. „Ich habe uns einen Tisch im Hyatt Regency reserviert. Ist das in Ordnung?"

„Natürlich" erwidere ich ihm und steige in das Auto. Ich habe schon oft von diesem Luxusrestaurant gehört. Die Fassade ist komplett verglast und ermöglicht einen einzigartigen Blick auf den Rhein, die Hohenzollernbrücke und den Kölner Dom.

Liam schließt die Türe hinter mir und läuft selbst um das Auto um einzusteigen. Der Geruch von frischem Leder steigt mir in die Nase und ich staune nicht schlecht über die edle Innenausstattung. Liam war schon immer materiell eingestellt, mit einem Hang zum überzogenen Luxus. Zumindest das hatten wir gemeinsam. Ein letzter Blick aus dem Fenster lässt mich auf Sam stoßen, der uns vom Fenster aus beobachtet. Natürlich tut er das, wahrscheinlich wird er mich nachher ausquetschen wie bei einem Polizeiverhör.

Liam startet den Wagen und wir fahren in erhöhter Geschwindigkeit durch die schwach beleuchteten Straßen. Ganz unauffällig blicke ich ihn noch einmal von der Seite an, wodurch mein Herz automatisch schneller in meiner Brust zu schlagen beginnt. Nach all den Jahren hat er noch immer diese Wirkung auf mich. Dabei erinnere ich mich an unsere erste Begegnung und wie sehr ich mich von Anfang an zu ihm hingezogen fühlte. Damals leugnete ich mein so offensichtliches Interesse für ihn, denn ich wollte mehr für ihn sein und nicht irgendeine von vielen.

Alles an ihm wirkt noch immer einschüchternd auf mich. Sein vieles Geld. Seine dominante Haltung.

Seine selbstsichere Ausstrahlung lässt mich nervös werden und doch war ich die einzige Frau in seinem Leben, die er jemals aufrichtig geliebt hat. Eine besitzergreifende Liebe, eine Liebe, die mich in die schützenden Arme eines anderen trieb. Heute weiß ich es besser, dass diese Liebe, die ich für Sams Vater empfand, nur eine Schutzreaktion meines Unterbewusstseins war. Er nutzte es aus, dass Liam mich ständig unterdrückte und spielte sein eigenstes Psychospiel, dabei war er zu jeder Zeit für Liams Gewaltausbrüche der Verantwortliche.

„Ich kann es immer noch nicht glauben, dass ich dich hier in Köln wieder gefunden habe", bricht er die unangenehme Stille und ich ziehe skeptisch eine Augenbraue nach oben. „Du hast also nach mir gesucht?"

„Nein, ganz bestimmt nicht! Aber dieselbe Frage könnte ich dir stellen. Wie kommst du ausgerechnet in dieses Bürogebäude?" Es klingt wahrheitsgemäß, denn seine Stimme wirkt amüsiert. Er wendet seinen Blick zu mir und schildert glaubhaft: „Dieses Gebäude gehört mir. Außerdem bin ich der Geschäftsführer von Wrightmorris International."

Nun staune ich nicht schlecht. Ich hörte bereits von dieser milliardenschweren Firma in den Medien, fange mich allerdings schnell wieder und antworte trocken: „Bilde dir ja nichts ein, ich hatte nur einen Termin."

Er parkt das Auto auf einem Parkplatz und ich wundere mich, wie schnell wir an unserem Ziel angekommen sind. Er steigt aus dem Auto und noch bevor ich es schaffe meine Türe zu öffnen, hält er sie mir gentlemanlike auf und reicht mir seine Hand.

Zaghaft ergreife diese und spüre, wie durch unsere Berührung ein wohliger Schauer durch meinen ganzen Körper zieht. Innerlich versuche ich mich kopfschüttelnd zu ermahnen, nicht zu viele Gefühle in dieses Treffen zu interpretieren. Es hatte triftige Gründe, warum wir geschieden sind.

Im Restaurant werden wir sofort in Empfang genommen, alles hier ist extrem edel und alle Tische ausgebucht. Der Kellner führt uns zu einem Tisch. Noch bevor dieser mir den Stuhl zurückziehen kann, wird er von Liam unterbrochen, der die Aufgabe übernimmt. Anschließend setzt sich Liam und der Kellner reicht uns die Speisekarten, dann fragt er höflich: „Haben Sie sich schon entschieden, welche Getränke ich Ihnen bringen darf?"

„Soweit ich mich erinnere, trinkst du keinen Wein oder Alkohol im Allgemeinen", sinniert Liam vor sich hin und seine eisblauen Augen mustern mich prüfend. Meine Wangen beginnen zu glühen und ich nicke zaghaft: „Ja, das hat sich nicht geändert. Doch heute mache ich eine Ausnahme, wenn du versprichst, mich wohlbehalten nach Hause zu bringen." Liam scheint von meiner Antwort überrascht, doch gleichzeitig erfreut zu sein, denn er bestellt mit einem überschwänglichen Unterton in der Stimme: „Bringen Sie mir einen erstklassigen Wein. Dazu möchten wir bitte das beste Menü, das Ihr Haus zu bieten hat. Für meine wundervolle Begleitung bitte vegan."

„Das ist dir doch recht, oder?", erkundigt er sich. Es kommt mir vor, als wolle er den Kellner möglichst schnell abwimmeln. Gleichzeitig beeindruckt es mich, dass er nach all den Jahren meine Eigenarten nicht vergessen hat. Wo er doch zu jener Zeit überhaupt nichts über die Frau wusste, für die er fast schon eine besessene Liebe empfand.

Da ich mit einem freundlichen „Ja, vielen Dank" zustimme, deutet der Kellner eine Verbeugung an und eilt davon. Noch immer liegen Liams eisblaue Augen unentwegt auf mir, machen mich unsicher. Immer mehr spüre ich, wie mir das Herz bis zum Hals schlägt und beiße mir unbewusst auf die Lippe, als meine Gedanken zu nicht jugendfreien Szenen schweifen. In denen er mich aus genau diesen stürmischen eisblauen Augen angesehen hat.

Innerlich verpasse ich mir selbst eine Ohrfeige und schreie mich an, nicht zu lange in diese verführerischen Augen zu sehen. Dieser Mann hatte mich schon immer problemlos manipuliert und ich war ihm hilflos mit jeder Faser meines Körpers verfallen.

„Ich bin froh, dass es dir gut geht", meint er ruhig, nachdem ich ihn offensichtlich nur wortlos anstarre. Nur langsam schaffe ich es, aus meinem Delirium zurückzukehren und stottere leise: „L... Liam, ich denke, es ist an der Zeit, dass wir uns aussprechen. Es tut mi..." – bevor ich es schaffe, weiterzusprechen, werde ich von Liam unterbrochen.

„Hör zu, Mia. Worte können niemals entschuldigen, was ich dir angetan habe. Ich möchte, dass du weisst, dass ich gerne alles ungeschehen machen würde. Es tut mir aufrichtig leid, was in der Vergangenheit zwischen uns vorgefallen ist. Ich bin dankbar, dass du mir meinen Sohn nicht weggenommen hast. Denn ich habe ihn schon immer mehr als mein eigenes Leben geliebt. Ich will mir nicht vorstellen, was ohne Ben aus mir geworden wäre. Er war mein Licht in der ganzen Dunkelheit, die mich umgab, nachdem du nicht mehr an meiner Seite warst." Während er das offenbart, legt er seine warme Hand auf meine. Seine Augen glänzen und strahlen wahre, aufrichtige Liebe aus. Doch zugleich scheint er noch immer unglaublich verletzt. Emotionen, die Liam Voß nur selten offen zeigt. Er hat sich wirklich sehr verändert.

Sein plötzliches Geständnis wirft mich nun völlig aus der Bahn und ich fühle Tränen in meinen Augen, die ich versuche, wegzublinzeln. Niemals hätte ich es für möglich gehalten, derartige Worte aus seinem Mund zu hören. „Auch mir tut es leid. Ich hätte dir gegenüber aufrichtig sein müssen und deine Gefühle nicht verletzen dürfen", erwidere ich ihm ehrlich, doch er unterbricht mich sofort: „Mia, ich hatte viel Zeit, um über unsere Ehe nachzudenken und ich habe heute verstanden, dass dich keine Schuld trifft. Ich habe dich mit meiner krankhaften Unterdrückung in die Arme meines Bruders getrieben. Er konnte seine Aggressionen schon immer besser kontrollieren und handelte nicht ständig unüberlegt."

„D...dein Bruder?! Ihr... ihr seid Geschwister?", stottere ich schockiert und starre ihn entsetzt an, doch er klärt das Mysterium auf. „Wir haben denselben Vater, doch unterschiedliche Mütter. Hat er dir niemals davon erzählt?"

Kopfschüttelnd verneine ich wortlos seine Frage. Tyler hat niemals ein Sterbenswörtchen über ihre Blutsverwandtschaft verloren. Allgemein wusste ich nichts über deren Familienverhältnisse. Da ich selbst sehr selten Kontakt zu meiner Familie pflege, habe ich mich einfach nicht dafür interessiert. Doch etwas Derartiges hätte ich niemals erahnt. Plötzlich ergibt alles Sinn. Liam ist Sams Onkel, deswegen hat er sich die ganze Zeit nach der Geburt im Krankenhaus um ihn gekümmert, als sei er sein eigener Sohn.

Die Bedienung serviert zwischenzeitlich den Wein, ein weiterer Kellner kommt hinzu, der das Essen bringt. Auf meinem Teller liegen Rosmarin-Kartoffeln mit allerhand gebratenem Gemüse. Liam wird ein Rehragout mit Semmelknödel serviert. Ich bedanke mich, ohne der Bedienung in die Augen zu sehen, denn ich bin völlig abwesend in Gedanken versunken. Niemals hätte ich etwas Derartiges erwartet, dass er und Tyler miteinander verwandt sind.

„Wie geht es Tyler?", fragt Liam plötzlich, um die unangenehme Stille zu vertreiben, die sich zwischen uns aufbaut. Nachdenklich stochere ich in meinen Kartoffeln und erwidere ihm ausdruckslos: „Ich weiß es nicht. Ich habe ihn zuletzt vor zwölf Jahren gesehen."

„Ich hörte, dass er und Costello Geschäftspartner wurden. Er hat sich wohl ganz nach oben gearbeitet", beginnt er erneut die eher einseitige Unterhaltung, um die immer wiederkehrende Ruhe zu unterbrechen. Ein missmutiger Laut verlässt meine Lippen und ich fauche: „Das wundert mich nicht. Die beiden sind Ausgeburten der Hölle und sollen auf ewig dort zusammen brennen."

Wieder einmal wird mir klar, wie viel unterdrückte Wut noch immer zwischen uns steht. Tyler verhalf Carlos zu immer mehr Reichtum und meine Eifersucht durch die ständig wechselnden Frauen an ihrer Seite trieb uns immer mehr auseinander. Nächtelang, über Jahre, war ich mit Sam allein, während die beiden durch die Clubs zogen. Tyler blieb oft tagelang weg und ich hasste es, wie eine Marionette in diesen Mauern eingesperrt zu sein. Über die Jahre wurde der Freiheitsdrang immer größer. Diana war in all der Zeit für mich da, ich habe es allein ihr zu verdanken, dass sie die Abwesenheit der beiden ausnutzte und mir geholfen hat, meine wahre Persönlichkeit wieder zu finden.

Nun ist es erneut beängstigend still, wiederholt spüre ich Liams große Hand auf meiner, wie er einen sanften Druck ausübt. „Am Ende hast du es doch noch geschafft, seiner Manipulation zu entkommen. Vielleicht war es genau dieser Kampfgeist an dir, in den ich mich damals so sehr verliebt habe." Ein Blick in seine eisblauen Augen reicht, dass in mir die Hitze aufsteigt. In dem Raum scheint es immer wärmer zu werden und ich schlucke, da er mich mit seinem intensiven Blick gefangen nimmt. Wieder spüre ich dieses Knistern zwischen uns. Noch niemals zuvor hat er sich mir gegenüber derartig verständnisvoll gezeigt.

Nun lege auch ich meine andere Hand auf seine und nehme all meinen Mut zusammen, als ich ihn frage: „Liam... ich... Darf ich bitte meinen Sohn sehen? Ich möchte ihn wirklich kennenlernen und Verantwortung übernehmen. Es tut mir leid, dass unser Sohn unter unserer Trennung leiden musste."

Nun ist Liam derjenige, der mich nachdenklich anschaut. Er wirkt, als wäre er mit dieser Frage völlig überrumpelt. Doch ich kann es ihm nicht verübeln, schließlich hatte ich in all den Jahren zu Ben nicht den geringsten Bezug.

„Das geht leider nicht so einfach, Mia. Ben denkt du seist tot. Denn das warst du damals auch wirklich für mich, als du mit Tyler gegangen bist. Ben macht sich nicht viel aus Mädchen, er hat seinen kompletten Fokus auf sein Studium gelenkt. War schon immer landesweit Bester in der Schule. Er wird Wrightmorris International übernehmen, arbeitet zielstrebig im Unternehmen mit und bringt die Umsatzzahlen extrem in die Höhe. Er ist ein guter Junge. Ich möchte nicht, dass Ben ein Treffen mit dir aus der Bahn wirft, Mia. Es würde ihn zerstören, die Wahrheit zu erfahren, dass du einen Mann ihm vorgezogen hast." Er redet weiterhin ruhig, ich sehe nichts von dem herrschsüchtigen Mann, der er einst war. Er behauptet das nicht aus Rachsucht, ich kann es in seinen Augen sehen, dass ihm Bens Wohlergehen am Herzen liegt.

Dennoch fühlt es sich an wie ein Dolchstoß mitten ins Herz und das Ziehen in meiner Brust wird beinahe unerträglich. Nur mit größter Mühe schaffe ich es, meine Tränen zu unterdrücken. Für ihn scheint dieses Thema nicht diskutierbar, er hat diese bestimmende Art an sich, ein Gespräch abzuschließen. Es war meine Schuld und ebenfalls mein Entschluss, als ich mich für Tyler entschied.

Zu jener Zeit habe ich ebenfalls meine beste Freundin Lily für die Liebe verraten. Heute durch die Therapiestunden weiß ich es besser, dass Lily überhaupt die Verantwortliche war, da sie meine Denkweise über Liam beeinflusste. Mich ihm immer wieder unterzuordnen und ein Kind zu bekommen, das ich niemals wollte. Um die unangenehme Anspannung zu vertreiben, die sich zwischen uns aufgebaut hat, wechsele ich also einfach das Thema. Die Worte wollen mir kaum über die Lippen, zu viele Gefühle übermannen mich bei diesem Thema. „Wie geht es Lily und Mike?"

„Wir gingen getrennte Wege seit jener Nacht in Zittau. Ich habe mit Ben ein neues Leben begonnen und meine Vergangenheit hinter mir gelassen. Allein durch den Verkauf des Pink Legacy bin ich zu 50 Millionen gekommen. Es war ein gutes Startkapital, mit dem ich Wrightmorris International gründete." Während er das erzählt, löst er seine Hand aus meiner und redet wie ein distanzierter Geschäftsmann. Nun ist er wie ausgewechselt, ich scheine mit Ben einen wunden Punkt angesprochen zu haben. Dabei war es gar nicht meine Absicht, ihn zu verärgern.

„Darf ich Ihnen noch etwas bringen?", unterbricht der Kellner unsere Unterhaltung und Liam antwortet ihm monoton: „Die Rechnung, bitte."

Keiner von uns beiden hat sein Abendessen auch nur angerührt, zu viele unausgesprochene Dinge liegen in der Luft, die ihm wahrscheinlich genauso den Appetit zuschnüren wie mir. Nachdem der Kellner erneut zum Tisch gelaufen kommt, begleicht Liam die offene Rechnung und erhebt sich dann von seinem Stuhl. „Es war mir sehr wichtig, dir das alles zu sagen, Mia, damit ich endlich mit dir abschließen kann."

„Ich verzeihe dir, so wie ich es immer getan habe." Mit diesen Worten stehe auch ich vom Tisch auf und folge ihm wortlos zu seinem Auto. Auch die Fahrt nach Hause verläuft schweigsam, bis er nach einer gefühlten Ewigkeit der Stille meint: „Es war ein sehr schöner Abend, es tat gut, dich wiederzusehen. Ich danke dir für deine Zeit."

„Ich danke dir. Es war schön, dich wiederzusehen. Du hast dich wirklich verändert." Das Auto kommt zum Stillstand, denn wir haben soeben meine Wohnung erreicht und seine stechend blauen Augen richten sich erneut auf mich. „Leb wohl, Mia", beginnt er und mir stockt der Atem. Für ihn scheint das Gespräch endgültig abgeschlossen zu sein.

„Aber was ist mit Ben? Liam bitte... ich möchte ihn wirklich sehen, nur ein einziges Mal." Meine Stimme klingt fast flehend und ich sehe, wie er das Lenkrad fester umgreift. Er scheint nachzudenken, denn ich erkenne, wie sich seine Stirn in Falten legt. „Ich werde mir Gedanken darüber machen, wie ich dich und Ben einander vorstellen kann. Wie wäre es, wenn du mich die Tage anrufst?"

Nachdem er das sagt, greift er in seine Sakkotasche und reicht mir seine Visitenkarte, die ich an mich nehme. Ich fühle mich innerlich zerrissen, er scheint wirklich jeden weiteren Kontakt mit mir meiden zu wollen. Bevor ich mich sammeln und antworten kann, wird meine Beifahrertüre geöffnet und Sam blickt mich prüfend an. „Mom?!"

Schockiert starre ich in seine aufgebrachten Gesichtszüge. Hat er etwa auf mich gewartet?

Zu allem Überfluss steigt Liam aus dem Auto und tritt Sam gegenüber, auch ich tue es ihm gleich und verfolge mit einem unguten Gefühl im Magen, was sich vor meinen Augen abspielt.

„Jannik Sanders. Und du bist?" Mein Sohn Sam reicht Liam die Hand und begrüßt ihn mit einem festen Händedruck. Er ist fast auf Liams Augenhöhe. Es ist ein Kräftemessen, er fixiert Liam mit einem gefährlichen Blick. „Freut mich dich kennenzulernen, Sam. Mein Name ist Liam Voß, ich bin dein Onkel."

Als hätte er die Tatsache überhört, dass Liam sein Onkel ist, geht er überhaupt nicht auf seine Aussage ein. Sondern macht einen gefährlichen Schritt auf ihn zu, sodass die Nasenspitzen der beiden sich fast berühren, dann droht er: „Es ist mir völlig egal, wer du bist! Halte dich von meiner Mutter fern, wenn du es nicht ehrlich mit ihr meinst!"

„SAM?!" Entsetzt versuche ich, Distanz zwischen die beiden zu bringen. Völlig egal, ob Sam Kung Fu trainiert, gegen einen ausgebildeten Elitesoldat wie Liam hätte er nicht die geringste Chance. Ich erinnere mich nur zu gut daran, wie ausgesprochen schnell sich Liam im Nahkampf bewegt. Zuerst denke ich, Liam wird ihm jetzt den Kopf von den Schultern reißen, doch er tut es nicht.

Schmunzelnd schüttelt Liam den Kopf, es sieht aus, als müsse er ein Lächeln unterdrücken. Anders als erwartet, reagiert er völlig gleichgültig und ignoriert Sam, sagt einfach nur kalt: „Leb wohl, Mia. Es war schön, dich wieder zu sehen." Dann dreht er sich um und steigt in seinen Mercedes. Ich bin völlig regungslos, als er den Motor aufheulen lässt und mit quietschenden Reifen losfährt. Erst Sams Stimme lässt die Realität zu mir durchdringen.

„Schön, dann können wir ja jetzt nach Hause", meint Sam an mich gewandt, es klingt fast wie ein Befehl. Nun kann ich meine Empörung nicht mehr zurückhalten und fauche ihn giftig an: „Musste das sein?! Hast du überhaupt zugehört?! Er ist dein Onkel! Wir waren nur etwas essen, nicht mehr und nicht weniger!"

„Ich sehe doch, wie du ihn anschaust. Seit ich denken kann, habe ich dich noch nie so erlebt! Der hat doch sicher jeden Tag eine andere in der Kiste und ich will nicht, dass er dir wehtut!" Sam versucht mich zu berühren, doch ich weise ihn sofort ab. Dabei schnaube ich abfällig: „Ach so? Und bei den Mädels, denen du reihenweise die Herzen brichst, ist das völlig okay?!"

„Die wissen, worauf sie sich einlassen", meint er gelassen. Wütend schüttele ich voller Empörung den Kopf und stapfe davon in die Wohnung, während mir Sam hinterher schlendert. Schnaubend betrete ich unsere Wohnung, Sam direkt hinter mir. „Ich kann gut auf mich selbst aufpassen."

„Sei mir einfach dankbar. Wenn er sich jetzt nicht mehr meldet, hatte er sowieso keine ernsthaften Absichten", kontert er sofort herrisch und ich werfe ihm einen warnenden Blick zu. „Sam, du übertreibst!"

„Ich mag ihn einfach nicht!" Seine Stimme wird lauter, sodass sich seine Augen zu zwei Schlitzen verziehen. Aufgebracht fügt er dann noch hinzu: „Der sieht auch nicht aus, als ob er auf legalem Weg Geschäfte macht, wenn er ein Auto für 2,275 Millionen Euro fährt!" Mit diesen Worten wendet er sich von mir ab und seine Zimmertür fällt mit einem lauten Knall ins Schloss.

Rasend vor Wut bleibe ich allein im Gang stehen. Es gibt nichts auf dieser Welt, was ich mehr hasse, wenn mir jemand im Streit den Rücken kehrt. Fluchend ziehe ich mir die High-Heels von den Füßen und stampfe in mein Schlafzimmer, dabei lasse ich ebenfalls die Türe hinter mir zuknallen.

Frustriert werfe ich mich auf mein Bett und schreie meinen Frust in das Kissen. Meine Gedanken überschlagen sich. Natürlich hat Sam mit seinen Befürchtungen recht. Liam Voß ist gefährlich und ich sollte mich von ihm fernhalten. Doch fühle ich mich nach all den Jahren noch immer zu ihm hingezogen. Und die Tatsache, dass er sich heute von einer so ganz neuen, liebevollen Seite gezeigt hat, macht es mir nicht gerade einfacher.

Allerdings verstehe ich auch Sam. Er macht sich einfach Sorgen. Wir haben nie über unsere Verhältnisse gelebt und der übertriebene Luxus, der mit Liam Voß verbunden ist, muss auf ihn völlig überzogen wirken. Langsam lasse ich meinen Blick zum Handy gleiten, das auf meiner Nachtkommode liegt. Ohne weiter nachzudenken, tippe ich Liams Nummer von der Visitenkarte, die er mir gegeben hat, in mein Handy ein und starte einen WhatsApp Chat.

»Tut mir leid. Sam ist speziell, er hat das nicht so gemeint.« Ein langer Atemzug verlässt meine Lippen und ich drücke auf Senden. Da er meine Nummer nicht kennt, kann ich leider kein Profilbild sehen. Dabei fällt mir auf, dass ich noch niemals eine Nachricht an ihn versendet habe. In unserer Beziehung waren wir schließlich gezwungenermaßen immer zusammen.

Meine Gedanken kreisen wie ein Adler über der Vergangenheit und Liams plötzlichem distanzierten Verhalten, als ich ihn auf Ben angesprochen habe. Um die schockierende Tatsache, dass Tyler und Liam Brüder sind. Erschöpft schließe ich die Augen. Egal, wie lange ich mir den Kopf zerbreche, ich würde heute zu keinem Entschluss kommen. Mit dieser Ansicht falle ich irgendwann in einen traumlosen Schlaf.

Als ich am nächsten Morgen aufwache, greife ich sofort nach meinem Handy und starre gebannt auf das Display, doch es ist keine neue Nachricht von Liam eingetragen. Zwar steht im Status „zugestellt“, doch er scheint wohl kein Interesse daran gehabt zu haben, mir zu antworten. Wahrscheinlich ist es mein Karma, meine Strafe für meine Unaufrichtigkeit in unserer Beziehung.

Augenrollend vergrabe ich meinen Kopf im Kissen und ein lauter Seufzer verlässt meine Lippen. Wie konnte ich auch nur so dämlich sein und viel zu viel in dieses Treffen interpretieren? Nur weil er diese Anziehung auf mich auswirkt, bedeutet es noch lange nicht, dass er dasselbe bei mir empfindet. Natürlich schreibt er mir nicht, denn er hat längst mit uns abgeschlossen. Und genau das sollte ich auch tun und nicht der Vergangenheit hinterherlaufen.

Also verschwinde ich im Badezimmer und gehe meiner Körperpflege nach, schnappe mir ein schickes, bordeauxrotes Kleidchen aus dem Kleiderschrank. Vor dem Spiegel sage ich mir selbst „Du bist nicht schwach" und gehe anschließend in die Küche.

Allerdings erwartet mich dort bereits Sam, der mir, ohne einen guten Morgen zu wünschen, direkt einen Stapel Papiere zuschiebt. „Mom, das kann doch nicht dein Ernst sein. Der Typ war früher als große Nummer im Rotlichtmilieu bekannt. Man munkelt sogar, dass er der Kopf der Mafiosi war. Halt dich fern von diesem Typ. Das Internet steckt voller Berichte, außerdem hat er gar keinen Bruder! Ich habe die ganze Nacht damit verbracht, im Internet nach einer Verbindung zu meinem Vater zu suchen! Dieser Typ ist ein Lügner!"

Augenrollend muss ich mir verkneifen, dass sein Vater der schlimmere von beiden Brüdern war. Doch ich muss gleichzeitig den Kopf über mich selbst schütteln, dass ich ein ziemlich offenes Sexleben mit beiden Männern geführt habe. Am Ende habe ich mich dennoch für seinen Vater entschieden, doch Tyler stellte seine Mafiageschäfte über uns und ließ uns im Stich. Auch er hatte seine Wahl getroffen, als er sich für die Macht entschied und mich mit Sam zuhause einsperrte.

Ich wusste, dass dieses Gespräch eines Tages auf mich zukommen würde, also setze ich mich auf den Stuhl neben ihn und lege meine Hand auf seine. „Hör zu, Sam. Wenn Liam sagt, dass er dein Onkel ist, bezweifle ich nicht die Wahrheit seiner Worte. Ich kann dir nicht verbieten, nach deinen Wurzeln zu forschen. Doch wenn du tiefer gräbst und diesen Schritt gehst, gibt es kein Zurück. Dein Vater ist ein sehr einflussreicher Mann und wenn du den Kontakt zu ihm aufnimmst, wirst du zwangsläufig in kriminelle Machenschaften verwickelt. Es ist allein deine Entscheidung, er wird uns eines Tages ohnehin finden und mich wahrscheinlich dafür umbringen, dass ich dich ihm weggenommen habe."

Plötzlich hallt das Klingeln meines Handys durch die Wohnung und Sam lässt seine Hand stöhnend durch sein zerzaustes braunes Haar gleiten. Dabei gibt er mir mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass ich rangehen soll. Tief durchatmend stehe ich auf und laufe ins Schlafzimmer, um mein Handy vom Nachttisch zu nehmen. Eine unterdrückte Nummer erscheint auf dem Display und ich gehe zögerlich ran. „Hallo?!"

„Hallo Darling. Lust, mich heute auf einen Galaabend zu begleiten?" Es fühlt sich an, als würde mein Herz einige Takte aussetzen, als die verführerisch tiefe Stimme des Mannes erklingt, der noch immer einen größeren Platz in meinem Herzen besetzt als ich es möchte.

„Liam?!" Mein Herz schlägt mir augenblicklich bis zum Hals, als er mit seiner tiefen verführerischen Stimme weiterspricht. „Ben wird ebenfalls anwesend sein. Ich halte es für das Beste, wenn ihr euch erstmal auf neutralem Boden gegenübersteht. Du musst wissen, er ist der Frauenwelt an meiner Seite nicht gerade positiv gestimmt. Sams Verhalten mir gegenüber ist mir daher nicht fremd. Die beiden sind nun mal Brüder und ähneln sich."

„Ich danke dir von ganzem Herzen. Wir machen es so, wie du es möchtest", antworte ich ihm mit einem überschwänglichen Glücksgefühl in meiner Brust. Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass er mir meine Bitte erfüllt. Bisher kannte ich Liam Voß eher als denjenigen, bei dem ein Thema abgeschlossen und nicht verhandelbar ist, wenn er etwas nicht will. „Gut, dann hole ich dich um siebzehn Uhr. Es wird ausschließlich die Oberschicht anwesend sein. Festliche Kleidung ist Pflicht. Einer meiner Angestellten wird dir ein angemessenes Abendkleid vorbeibringen."

Seine Worte schüchtern mich ein. Bisher hat er sich niemals mit mir in der Öffentlichkeit gezeigt und doch breitet sich ein seltsames Gefühl der Wärme um mein Herz aus. Es ist, als wäre er ein völlig anderer. „Vielen Dank, Liam. Ich freue mich darauf."

„Dann bis später", meint er noch und ich erwidere ihm dasselbe. Noch immer klopft mir das Herz bis zum Hals, dass er mich wirklich angerufen hat, um mich Ben vorzustellen.

„Du triffst ihn wieder?" Sams Stimme lässt meine rosarote Seifenblase zerplatzen. Er steht bereits im Türrahmen und wie erstarrt blicke ich in seine grünen Augen, die mich prüfend ansehen. Am liebsten würde ich ihm jetzt die Wahrheit sagen, dass er einen Bruder hat, den ich heute das erste Mal nach sechzehn Jahren wiedersehe. Doch irgendetwas in mir hält es für das Beste, zuerst mit Liam darüber zu sprechen.

Wahrscheinlich wird er Ben nicht einmal verraten, dass ich seine Mutter bin. Für Ben bin ich bereits vor langer Zeit verstorben. Schließlich habe ich lediglich darum gebeten, ihn sehen zu dürfen. Also antworte ich zögerlich: „Ja, er hat mich auf einen Galaabend eingeladen."

„Es ist deine Sache, wen du datest. Alles, was ich möchte, ist... dass dieser Typ... mein Onkel... dich nicht verletzt. Doch wenn mein Vater so gefährlich ist, wie du behauptest, verstehe ich nicht, warum du dich auf seinen Bruder einlässt." Sam steht nun direkt vor mir und sieht mich durchdringend an.

Es fühlt sich schrecklich an, ihm seinen Vater vorzuenthalten, schließlich ist es sein Recht, ihn kennenzulernen. Doch wahrscheinlich würde Tyler mich sofort umbringen, wenn er mich endlich in seine Finger bekommt. Vielleicht hätte ich Sam niemals mitnehmen dürfen, doch ich konnte ihn damals nicht zurücklassen. Ohne es aufhalten zu können, sammeln sich Tränen in meinen Augen, die mir beim nächsten Blinzeln über die Wangen rinnen. „Es tut mir so leid, Sam. Ich würde dir so gerne alles sagen... aber ich kann nicht... noch nicht..."

„Du wirst deine Gründe gehabt haben, warum du meinen Vater verlassen hast. Ich habe immer Rücksicht genommen und nichts hinterfragt, weil ich gesehen habe, wie du seit ich denken kann gelitten hast. Die Tatsache, dass du mich zuhause Sam nennst, doch in meinem Personalausweis Jannik Sanders steht. Jede Nacht diese Träume, aus denen du schreiend aufwachst, die unzähligen Therapien, die du in all den Jahren bei mehreren Psychiatern gemacht hast. Ich spüre, dass er dir etwas Unverzeihliches angetan haben muss. Du sagst immer, wenn ich erwachsen bin, wirst du mir alles erklären, aber ich bin doch längst erwachsen! Mom, er ist mein Vater..." Während er das sagt, nimmt er mich in den Arm und drückt mich fest an sich. Noch mehr Tränen rinnen mir über die Wangen und ich klammere mich an ihn.

Es vergeht eine ganze Weile, in der wir einfach nur dastehen, er mich in seinen Armen hält und keiner ein Wort spricht. Ich fühle mich zerrissen und auch so unglaublich egoistisch, ihm die Wahrheit zu verschweigen. Auch wenn ich weiß, dass ich im selben Moment mein Todesurteil unterschreibe, offenbare ich ihm: „Tyler Janson, das ist der Name deines Vaters. Es ist egal, was zwischen mir und deinem Vater war, denn es hatte nichts mit dir zu tun. Ich möchte, dass du dir deine eigene Meinung über ihn machst. Ich weiss, dass er dich irgendwo in der Finsternis seines Herzens genauso sehr liebt, wie ich dich liebe. Doch sei dir im Klaren darüber, dass es kein Zurück gibt, wenn du seine Aufmerksamkeit auf uns lenkst."

Nun ist es erneut eine ganze Zeit lang still. Er erhöht den Druck der Umarmung und drückt mich so fest an sich, dass es beinahe schmerzt. „Es tut mir leid, Mom. Ich wollte es nicht übertreiben. Es reicht mir auch vorerst, über ihn zu recherchieren, wer genau mein Vater ist. Ich werde den Kontakt nicht zu ihm aufnehmen, ohne dass du es weisst. Versprochen!"

Mit verweinten Augen sehe ich zu ihm auf und nicke. Daraufhin löst er sich von mir und geht mit einem kurzen „Danke Mom... ich muss es einfach wissen..." in sein Zimmer.

Nun stehe ich noch eine ganze Weile allein da und versuche den unglaublichen Kloß in meinem Hals zu schlucken. Die Ereignisse überschlagen sich, sodass ich es kaum schaffe, die emotionale Achterbahnfahrt, die mit Liam Voß verbunden ist, zu ertragen. Zu viele Empfindungen erdrücken mich in meinem Inneren. Das schlechte Gewissen Sam gegenüber, ihm seinen Vater genommen zu haben. Die unterdrückte Wut auf Tyler, die immer mehr an die Oberfläche dringt. Die Angst davor, genau diesem Mann erneut in seine seelenlosen, grauen Augen sehen zu müssen. Doch in mir ist gleichzeitig auch die überschwängliche Freude, meinen Sohn endlich wiederzusehen. Und dann ist da Liam Voß, der meine Gefühlswelt völlig auf den Kopf stellt. Wieder erinnere ich mich daran, diesen inneren Konflikt über richtig und falsch schon einmal geführt zu haben. Schon damals hatte ich Angst, Gefühle für diesen Mann zuzulassen, aus Furcht, er würde mein Untergang sein. Am Ende war er das auch für mich. Er ist der Teufel in Menschengestalt, das perfektionierte Böse, verpackt in einen Adoniskörper.

Ein Blick auf die Uhr lässt mich aufschrecken, es ist immerhin schon fast Mittag und wenn ich weiter so herumtrödele, werde ich niemals pünktlich fertig.

Der restliche Tag vergeht wie im Flug. Bei unserem gemeinsamen Mittagessen hat Sam das Thema nicht weiter angesprochen, sondern ausschließlich über Alltägliches wie die Schule und das Training gesprochen.

Anschließend klingelt es auch schon an der Haustüre und einer von Liams Angestellten bringt mir eine rote Schachtel mit der Aufschrift „Gucci“. In meinem Schlafzimmer angekommen, öffne ich diese und finde darin ein bodenlanges, ärmelloses Abendkleid. Es ist cremefarben aus Chiffon und hat einen Schlitz bis hoch zu den Schenkeln, auch der Rücken ist tief ausgeschnitten. Im Karton befinden sich ebenfalls schicke High Heels in derselben Farbe.

Die restliche Zeit verbringe ich damit, mich im Badezimmer zu stylen. Meine taillenlangen Haare style ich lockig und stecke eine kleine Haarpartie hoch. Zum heutigen Anlass betone ich meine smaragdgrünen Augen mit Smokey Eyes. Gerade noch pünktlich ziehe ich mich an und werfe einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel, da klingelt es auch schon an der Haustüre.

Kapitel 3

Mia

Sam öffnet diese mit einem dezent mürrischen Blick und zum Vorschein kommt ein im schwarzen Anzug gekleideter Liam Voß. Wie immer ist sein schwarzes Haar perfekt gestylt, sein Anzug steht ihm wie auf den Leib geschneidert und betont perfekt seinen muskulösen Körper.

„Hallo Sam, freut mich, dich wiederzusehen." Er reicht Sam zur Begrüßung seine Hand, die Sam mit einem festen Händedruck und einem lässigen „Hallo Onkel" ergreift. Zu meiner Überraschung verkneift sich Sam jegliche böswilligen Bemerkungen.

Mit kleinen Schritten laufe ich auf Liam zu, bis ich direkt vor ihm stehe. Meine Lippen formen sich zu einem strahlenden Lächeln: „Hi."

Obwohl wir uns unter Sams wachsamen Augen befinden, beugt Liam sich zu mir herunter und küsst mich auf die Backe. Sofort beginnt die Stelle zu brennen, an der mich seine Lippen berührt haben. Sein einzigartiger Geruch steigt mir in die Nase und eine Gänsehaut überzieht meinen Körper, als ich seinen Atem auf meiner Haut spüre. „Du bist für mich noch immer die schönste Frau, der ich jemals begegnet bin", erklingt seine dunkle Stimme dicht an meinem Ohr. Mein Puls beginnt zu rasen und meine Wangen glühen. Nervös schiebe ich mir eine verirrte Haarsträhne hinters Ohr. Wie schafft er es nur nach all diesen Jahren, erneut diese chaotischen Gefühle in mir auszulösen?

„Danke schön, dasselbe Kompliment kann ich dir nur erwidern", hauche ich. Liam löst sich ein Stück von mir und sieht mich nun wirklich überrascht an, bis sich seine Lippen zu einem charmanten Lächeln verziehen. Es ist jenes charmante Draufgängerlächeln, dem ich seit unserer ersten Begegnung verfallen war.

Die Spannung zwischen uns wird beinahe unerträglich und mein Herz klopft mittlerweile so stark, dass es mir fast die Rippen durchbricht. Nervös löse ich mich von seinem fesselnden Blick und drücke Sam einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Warte nicht auf mich, es wird sicher spät."

Liam reicht mir seinen Arm, damit ich mich einhängen kann. Dabei meint er an Sam gewandt, der uns noch immer prüfend mustert: „Keine Sorge, Sam. Ich werde gut auf deine Mutter aufpassen."

„Na dann viel Spaß", meint Sam monoton und wirft Liam dabei ein Kopfnicken zu, dann schließt er die Türe hinter uns. Liam sieht mich kurz mit einem verstohlenen Blick an und grinst über beide Ohren: „Der wollte mich heute ausnahmsweise gar nicht mit seinen Blicken töten."

„Du hast wohl Mut bewiesen, mich erneut aus der Höhle des Löwen abzuholen." Schulterzuckend folge ich Liam vor die Haustüre, der erneut über meine Aussage schmunzelt: „Ben hat noch einen Termin mit einem wichtigen Investor. Wir treffen uns mit ihm auf der Veranstaltung." Erstaunt nicke ich und erwidere ihm ein schlichtes „Okay". Ben scheint wirklich sehr zielstrebig zu sein, wenn er in seinem Alter schon so aktiv in Liams Geschäften involviert ist. Womöglich wäre Sam genauso, wenn wir die finanziellen Mittel hätten und uns nicht vor Tyler verstecken müssten. Doch was ich dann sehe, lässt mich aus allen Wolken fallen.

„Du holst mich mit einer Limousine?", frage ich verblüfft, als ich die weiße Limousine vor dem Haus parken sehe und Liam lächelt selbstverliebt: „Du scheinst zu vergessen, dass ich ein sehr einflussreicher Mann bin."

Ein Chauffeur hält mir bereits die Türe auf und ich setze mich auf das kühle schwarze Leder in den noblen Fahrgastinnenraum, in dem selbst eine kleine Minibar vorhanden ist. Auch Liam tut es mir gleich und setzt sich mir gegenüber. Es dauert nicht lange und die Limousine setzt sich in Bewegung. Ich frage ihn sofort mit hochgezogener Augenbraue: „Also bewegst du dich immer noch in illegalen Kreisen?"

„Ich mache mein Hauptgeschäft mit Import und Export." Ein verruchtes Grinsen legt sich auf seine Lippen, seine Antwort ist völlig nichtssagend. Nun verschränke ich die Arme vor der Brust und kann mir ein Augenrollen nicht verkneifen. Bedeutet das nun, dass er immer noch im Drogen- und Waffenhandel verwickelt ist?