Entwicklung des Mensch-Tier-Verhältnisses früher Zivilisationen am Beispiel Mesopotamiens - Wolfgang Schwerdt - E-Book

Entwicklung des Mensch-Tier-Verhältnisses früher Zivilisationen am Beispiel Mesopotamiens E-Book

Wolfgang Schwerdt

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Beschreibung

Bei der Untersuchung der Mensch-Tier-Beziehungen früher Zivilisationen in Mesopotamien, bilden Ikonographie und Keilschrifttafeln die erste Quelle. Sie zeigen und beschreiben Drachen, Hybriden und mächtige Tiere wie Löwen in ihrer mythologischen, rituellen und profanen Bedeutung. Die Entstehungsmythen weisen weit in die vorbiblische Zeit zurück, deren religiöse und soziale Grundlagen einschließlich der Mensch-Tier-Beziehungen weitgehend unbekannt sind, wie die Interpretationsversuche der Archäologie von Heiligtümern und Siedlungen vorkeramischer neolithischer Gesellschaften zeigen. Der Aufsatz weist unter anderem auf die gesellschaftliche Instrumentalisierung von Tieren sowie die Grenzen des Wissens hin, die sich nicht nur aus einer traditionellen anthropozentrischen Interpretation archäologischer Funde ergeben. Umfang ca. 35 Buchseiten

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Seitenzahl: 30

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Entwicklung des Mensch-Tier-Verhältnisses früher Zivilisationen am Beispiel Mesopotamiens

ImpressumDrachenkampfDie Geburt einer ZivilisationDie neolithische RevolutionDie Genese des DrachenLöwenjagd als ErsatzdrachenkampfAbseits der HerrschaftTiere als Instrumente der gesellschaftlichen Differenzierung und FazitAbstract

© 2022 Wolfgang Schwerdt

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN: 9783756839391

Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand, Norderstedt

Drachenkampf

Kaum eine andere Figur drückt diesen Unterschied in all seinen Spielarten so deutlich aus wie der Drache. Vor allem dessen mesopotamisch/vorderasiatische Variante hat letztendlich das globale Mensch-Natur-Tier-Verhältnis geprägt, auch wenn der Drache selbst kein reales Tier ist. Dennoch verbirgt sich hinter dem mythologischen Ungeheuer weitaus mehr als nur eine Metapher oder ein Symbol. Es ist, zumindest in seinem Ursprung, die Verkörperung der leben-digen Natur im Allgemeinen und des chaotischen Wirkens der Naturkräfte im Besonderen.[1] Der Sieg über das Chaoswesen und seine Unterwerfung stellt somit die zentrale kulturheroische Großtat in den Mythen der frühen Zivilisationen Mesopotamiens und Vorderasiens dar. Im Rahmen der Drachenkampfnarrative werden die Entstehung der Zivilisation und die Legitimation der Herrschaft (Sumer, Akkad, Babylon) von dem mythologischen Kampf zwischen einem Gott und einem Ungeheuer abgeleitet, bei dem der Gott am Ende siegreich bleibt, aus dem Kadaver des Monsters eine Welt schafft, in der alles seine Ordnung und Regeln hat. Dieser Gott schafft sich selbst im „Mittelpunkt“ der von ihm gestalteten Welt einen Tempel und verleiht seine Macht schließlich dem jeweiligen menschlichen Herrscher, dessen Aufgabe es unter anderem ist, die göttliche Ordnung zu verteidigen. Dabei sind es nicht nur die chao-tischen Naturkräfte, die mythologisch (und auch praktisch, beispielsweise durch Bewässerungs-systeme) besiegt werden müssen, sondern auch, wie am Beispiel des sumerischen Ninurta-Mythos[2] ersichtlich wird, die feindlichen Völker, die vor allem im iranischen Hochland bzw. in den Tälern des Zāgros-Gebirges verortet werden.

Nach Christoph Uehlinger ist die gängige Definition des Drachen „ein Mischwesen, dessen Gestalt Züge von Raubkatzen, Schlangen und Greifvögeln verbindet.“[3] Und eben diese Figuren lassen sich seit etwa dem letzten Drittel des 4. Jahrtausends in der Ikonografie und den Ursprungsmythen der vorderasiatischen städtischen Zivilisationen nachweisen. Uehlingers Definition bezeichnet jedoch zunächst nur das Erscheinungsbild eines als lebendig begriffenen, universellen Naturwesens, dessen kulturgeschichtlicher Ursprung in der animistischen Vorstel-lungswelt der Jäger und Sammler verortet werden kann. Im Zusammenhang mit diesen Aus-führungen habe ich mich bewusst des unscharfen Begriffs Animismus bedient, da die konkrete Ausprägung der Vorstellungen von einer universell belebten Natur als Ergebnis der spezifischen kulturellen Traditionen einer Gemeinschaft unter den jeweils konkreten natürlichen und sozialen Rahmenbedingungen begriffen werden muss. Das gilt auch für die rezenten Jäger-/Sammlerkulturen. Wie also das, was hier als Animismus bezeichnet wird in den verschiedenen Jäger- und Sammlerkulturen des betrachteten Zeitraumes jeweils konkret ausgesehen haben könnte, lässt sich naturgemäß nicht rekonstruieren, sondern lediglich ihre generelle Existenz neben archäologischen Funden aus der oben beschriebenen Ikonographie und schriftlich dokumentierten Mythologie ableiten, aus Quellen also, die bereits den städtischen Zivilisati-onen adäquate eigenständige kulturelle Traditionen entwickelt hatten. Vor diesem Hintergrund war der Drache in den vorderasiatischen Kulturen nicht grundsätzlich negativ konnotiert, sowohl seine Erscheinung als auch seine Bedeutung befanden sich in einem stetigen Wandel. Auch die Schöpfungsmythen wie der Anzu-Mythos oder das Enuma elisch[4] weisen auf die lange Tradition einer animistisch geprägten Weltsicht der Jäger und Sammler hin, in der es weder gravierende gesellschaftliche Differenzierungen noch Abgrenzungen gegenüber der umgebenden Flora und Fauna und den Naturkräften gab.

[1] Bernd Schmelz, Rüdiger Vossen, Auf Drachenspuren, Bonn 1995

[2] Ninurta ist ein seit Ende des 3. Jahrtausends belegter mesopotamischer Kriegsgott der sumerischen, akkadischen und assyrischen Mythologie. Als Sieger über den sogenannten Anzu-Drachen bildet er die Vorlage für den babylonischen Gott und Weltenschöpfer Marduk. Lit. Amar Annus: The God Ninurta: In the Mythology and Royal Ideology of Ancient Mesopotamia (1st Edition). State Archives of Assyria Studies Band XIV, Helsinki 2002

[3] Christoph Uehlinger, Drachen und Drachenkämpfe im alten vorderen Orient und in der Bibel, in: Bernd Schmelz, Rüdiger Vossen, Auf Drachenspuren, Bonn 1995, 55-101, hier 56.

[4]