Europas Pharaonen - Dr. Alejandro Lajtonyi-Gruber - E-Book
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Dr. Alejandro Lajtonyi-Gruber

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Beschreibung

Die Geschichte der europäischen Königshäuser war über mehrere Jahrhunderte geprägt von Machtbesessenheit und großem Standesdünkel. Neben Kriegshandlungen dienten vor allem Eheschließungen zur Durchsetzung und Festigung von Machtansprüchen. Insbesondere das Haus Habsburg tat sich in der Anwendung dieser Strategie hervor und schreckte auch nicht vor Vermählungen im engsten Familienkreis und Eheversprechen für Kleinkinder und sogar Ungeborene zurück. Mit großer Detailkenntnis beschreibt Alejandro Lajtonyi-Gruber den glanzvollen Aufstieg und schleichenden Verfall der Habsburger Linien, verursacht durch eine Heiratspolitik, die auf gesundheitliche Risiken keine Rücksicht nahm. Nicht wenige der königlichen Nachkommen waren, falls sie überhaupt überlebten, als Folge der erblichen Degeneration mit schweren Krankheiten und körperlichen und geistigen Defiziten belastet. Der Autor ergänzt seine Ausführungen durch eine ausführliche Auflistung der standesgemäßen sowie morganatischen Ehen in den Königsfamilien, sodass eine umfassende Übersicht ihrer Genealogie entsteht.

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhaltsverzeichnis

Europas Pharaonen

EINLEITUNG

KAPITEL

KAPITEL I

KAPITEL II

KAPITEL III

KAPITEL IV

KAPITEL V

KAPITEL VI

KAPITEL VII

KAPITEL VIII

KAPITEL IX

KAPITEL X

Quellenhinweise

Der Autor

Dr. Alejandro Lajtonyi-Gruber

Europas Pharaonen

Inzucht und Inzest in den europäischen Herrscherfamilien

Die Geschichte der europäischen Königshäuser war über mehrere Jahrhunderte geprägt von Machtbesessenheit und großem Standesdünkel. Neben Kriegshandlungen dienten vor allem Eheschließungen zur Durchsetzung und Festigung von Machtansprüchen. Insbesondere das Haus Habsburg tat sich in der Anwendung dieser Strategie hervor und schreckte auch nicht vor Vermählungen im engsten Familienkreis und Eheversprechen für Kleinkinder und sogar Ungeborene zurück.

Mit großer Detailkenntnis beschreibt Alejandro Lajtonyi-Gruber den glanzvollen Aufstieg und schleichenden Verfall der Habsburger Linien, verursacht durch eine Heiratspolitik, die auf gesundheitliche Risiken keine Rücksicht nahm. Nicht wenige der königlichen Nachkommen waren, falls sie überhaupt überlebten, als Folge der erblichen Degeneration mit schweren Krankheiten sowie körperlichen und geistigen Defiziten belastet.

Der Autor ergänzt seine Ausführungen durch eine ausführliche Auflistung der standesgemäßen sowie morganatischen Ehen in den Königsfamilien, sodass eine umfassende Übersicht ihrer Genealogie entsteht.

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Copyright © 2009 | Neuauflage 2022 Alle Rechte vorbehalten

Autor: Dr. Alejandro Lajtonyi-Gruber Layout und Cover-Gestaltung: Irene Lajtonyi Verlag: Selfpublishing

Impressum: Irene Lajtonyi Schloßstr. 54 53773 Hennefhttps://www.zufallswege.de

Einleitung

Kapitel

Quellenhinweise

Literatur

Der Autor

Tafeln

EINLEITUNG

In diesem Buch wird die fatale Heiratspolitik der ehemals führenden Königshäuser Europas erörtert, eine Politik, die zigmal die Grenzen des Erlaubten und des Anstandes überschritten hat, anfangs unbekümmert und unwissend, später aber schon informiert und die großen Risiken leichtsinnig in Kauf nehmend. Die spätestens dann voraussehbaren Folgen könnte man als die fünf großen »D«s bezeichnen, nämlich Degeneration, Dekadenz, Demenz, Depression und - als Abschluss - das große Desaster.

In dieser Untersuchung soll vor allem das Treiben der Habsburger und der Bourbonen unter die Lupe genommen und dem Leser anhand von drei besonders tragischen Einzelschicksalen die ganze Breite des verantwortungslosen Handelns so mancher Herrscher zwischen 1500 und 1800 vorgeführt werden.

Diese dynastische Heiratspolitik hätte ohne den erforderlichen päpstlichen Dispens nicht durchgeführt werden können. Sucht man also nach den Verantwortlichen oder gar Mittätern, kann man die finstere Rolle - nämlich die Mitschuld - der Kirche nicht unter den Teppich kehren.

Der Leser muss vor allem mit den hier interessierenden Begriffen Inzucht und Inzest bekannt gemacht werden. Im Lexikon (Duden) steht unter Inzucht Folgendes: »Fortpflanzung unter nahe verwandten Lebewesen; beschleunigt die Art- und Rassenbildung und ist deshalb in der Landwirtschaft für Tier- und Pflanzenzucht wichtig… Für den Kulturmenschen wirkt sich die Inzucht nachteilig aus, da sie das Auftreten gewisser Erbkrankheiten begünstigt.«

Der Begriff Inzest wird wie folgt erläutert: »Engste Inzucht, Blutschande; gemäß § 173 StGB in bestimmten Fällen mit Freiheitsstrafe bedroht.«

Und schließlich wird der Begriff Blutschande folgendermaßen formuliert: »Beischlaf zwischen Geschwistern, Verwandten und Verschwägerten in gerader Linie, in § 173 StGB mit Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren bedroht.«

In der Frühgeschichte der Menschheit war der Geschlechtsverkehr zwischen nahen Verwandten in manchen Kulturen nicht verboten, sondern sogar geboten. Eines von verschiedenen Beispielen ist das der Pharaonendynastien im antiken Ägypten, vor allem das der Ptolemäer (304-330 v.Chr.), dass die Geschwisterehe des Pharao vorschrieb, wahrscheinlich, um die Machtzentralisierung zu erleichtern. Als ideologische Erklärungen hierzu führten die entsprechenden Erbmonarchien der Frühzeit die Prinzipien der »Reinerhaltung des Blutes«, der »Göttlichkeit« und der »Ebenbürtigkeit« an - Vorstellungen, die bis in die jüngste Zeit immer wieder aufgetaucht sind, allerdings nicht mehr, um die Inzestehen, sondern die verwandtschaftlichen Verbindungen zwischen den europäischen Fürstenhäusern zu rechtfertigen (Hinweise aus Wikipedia - Die freie Enzyklopädie).

Andere Kulturen wiederum lehnen die Ehe zwischen engen Verwandten strikt ab. Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament wird Inzest einheitlich verurteilt, wobei der Begriff »Inzest« sogar erweitert wird: Das Verbot gilt auch für Ehen zwischen nahen Verwandten (hierzu: 3. Mose 6 ff.; 1. Mose 35,22; 5. Mose 27,20; aber auch 1. Kor 5,1; Mark 6,18 usw.).

Inzest im eigentlichen Sinne wird in der Bibel des Öfteren erwähnt. Im Alten Testament (1. Mose 19,30 ff.) wird die Geschichte von Lot und seinen Töchtern, die in das Gebirge flüchteten und in einer Höhle lebten, erzählt. Aus Angst, in der Abgeschiedenheit niemals einen Mann zu finden, der sie schwängern könnte, beschlossen Lots Töchter, ihren Vater betrunken zu machen und dann mit ihm zu schlafen. Beide wurden schwanger und bekamen Söhne, nämlich Moab und Ben-Ammi, die zu Stammvätern der Moabiter und Ammoniter wurden (s. auch »Who’s who in der Bibel« von Peter Calvocoressi, dtv Sachbuch).

Zu erwähnen wäre noch, dass Abrahams Frau Sara seine Halbschwester war (1. Mose 20,12): »Auch ist sie wahrhaftig meine Schwester, denn sie ist meines Vaters Tochter, aber nicht meiner Mutter Tochter, und ist mein Weib geworden.«

Die Gesetzeslage heute ist ganz und gar nicht einheitlich. Verschiedene Länder, verschiedene Auffassungen! Während in Deutschland und Österreich Inzest strafrechtlich verfolgt wird, wenn auch mit kleineren Abweichungen, stellt das französische Strafgesetzbuch (der Code pénal) Inzest nicht mehr unter Strafe. Verschiedene Länder der EU folgen ihm: So wird heute Inzest in den Niederlanden, in Belgien, in Luxemburg und in Portugal nicht mehr unter Strafe gestellt. Dies gilt auch für Länder außerhalb der EU (z. B. die Türkei) und außerhalb Europas (z. B. Japan, Argentinien, Brasilien und andere Staaten Lateinamerikas).

Es ist nicht ausgeschlossen, dass in naher Zukunft auch in Deutschland Veränderungen der noch geltenden Gesetzeslage eintreten werden. Ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht, angestoßen durch ein Geschwisterpaar, das bereits vier gemeinsame Kinder hat, von denen zwei behindert sind, endete am 13. März 2008 mit einem Beschluss des Gerichtes, wonach Inzest auch weiterhin als Straftat gilt.

Das kanonische Recht der römischen Kirche erlaubt eine Eheschließung zwischen Cousin und Cousine nur mittels eines kirchlichen Dispenses, ist also strenger als die Vorschriften diverser Staaten (Deutschland, Österreich und andere), die eine Ziviltrauung nur zwischen Geschwistern sowie Nachkommen und Vorfahren verbieten, nicht aber zwischen den Geschwisterkindern. Allerdings muss man hinzufügen, dass die Kirche bei der Erteilung des Dispenses immer sehr großzügig war.

Die Argumentation »fortschrittlicher Kreise«, wonach das Inzestverbot im Prinzip überflüssig sei, da die genetisch bedingten Risiken für den aus Inzest resultierenden Nachwuchs bekannt seien und das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung höher zu werten sei, darf nicht einfach hingenommen werden. Es kann doch nicht im Interesse des Staates und der Gesellschaft sein, zu erlauben, dass voraussehbar schwer belastete Kinder gezeugt werden, deren qualvolles Leben vorgezeichnet ist und deren Leiden auch die Gemeinschaft berührt. Dabei geht es nicht nur um die Mehrbelastung (z. B. Pflegekosten) der Solidargemeinschaft, sondern auch um die seelischen Folgen bei allen, die sich nicht einfach abwenden und das Elend mitfühlend begleiten. Die biologischen Aspekte der Problematik dürfen also nicht verharmlost werden.

Über die Erbkrankheiten, die bei Kindern festgestellt werden, die aus einer inzestuösen oder inzestähnlichen (also zwischen nahen Verwandten geschlossenen) Ehe hervorgehen, wird u. a. im Kapitel VIII berichtet.

Das Risiko für die Ausbildung erblicher Defekte bei Nachkommen von genetisch Verwandten ist sehr hoch. So ist jedes zweite bis dritte Kind aus einer Beziehung zwischen Schwester und Bruder auffällig. Etwa jedes vierte Kind ist geistig behindert, jedes siebte hat einen Geburtsdefekt und jedes achte leidet unter einer bekannten rezessiven Krankheit. Nachkommen aus inzestuösen Beziehungen müssen daher aus rechtlicher Sicht als Opfer der Straftat Inzest betrachtet werden.

Über die genaue Wahrscheinlichkeit einer Erbkrankheit infolge Inzestes ist sich die Forschung wohl uneinig; manchmal wird das Risiko mit 30 Prozent angegeben, während andere Studien von 50 Prozent sprechen (s. Wikipedia).

Die überwiegende Mehrheit der Historiker ist sich einig in der Beurteilung der seinerzeit praktizierten Heiratspolitik, die einzig und allein von der Machtgier der Herrscher bestimmt war: Sie führte zu desaströsen Konsequenzen. Es gibt natürlich auch abweichende Meinungen, die die Schwere und Tragik der dynastischen Heiratspolitik verharmlosen.

Janko von Musulin sagt hierzu in seinem Beitrag »Die Habsburger« in dem Sammelwerk »Die großen Dynastien« auf Seite 82 Folgendes: »Über Inzucht und Degeneration wird oft etwas leichtfertig gesprochen. Aus der Tierzucht ist bekannt, dass dieses Mittel zur Herauszüchtung hervorragender Eigenschaften unentbehrlich ist; auch aus dem Pharaonenreich ist über die nachteiligen Folgen der Geschwisterehen nichts bekannt geworden. Wenn man jedoch die rund hundert Jahre betrachtet, die die Habsburger noch in Spanien herrschen sollten, so gelangt man doch zu der Ansicht, dass die häufigen Heiraten nah Verwandter zu einer ungünstigen Auslese geführt haben.«

Dies kann so nicht stehen bleiben, vor allem die nicht sehr glückliche Wortwahl »ungünstige Auslese«: Dies ist schlechthin eine Untertreibung, sieht man die einzelnen Kreaturen, die wir analysieren werden, näher an.

Äußerst zutreffend sind dagegen die einleitenden Worte des italienischen Historikers Giorgio Spini zur Biografie einer Habsburgerin. Obwohl es sich hier nicht spezifisch um nahverwandtschaftliche Eheschließungen handelt, erfassen seine Formulierungen haargenau die damaligen Praktiken der Herrscherhäuser, wenn es darum ging, ihre Töchter gegen territoriale Zugeständnisse oder irgendwelche Konzessionen zu »verscherbeln«. Spinis Darstellung soll hier in voller Länge zitiert werden, da sie eine brillante und präzise Schilderung der Handlungsweise der damaligen Regenten wiedergibt: »Die Prinzessinnen des 17. Jahrhunderts haben wir alle in Barockgemälden der Hofmaler gesehen, mit ihren unglaublichen Gewändern, grandios wie Denkmäler und besetzt mit Edelsteinen wie Reliquiare… Und mehr oder weniger wissen wir, dass jede von ihnen eine Art von Luxuspuppe war, zum Zwecke gemacht, um vom väterlichen Hof an einen fremden Hof gesandt zu werden, den sie nie gesehen hatte, nach einer Menge Feilscherei zwischen den Diplomaten, aber ohne, dass sie ein Wort zu ihrem eigenen Schicksal sagen konnte. Am Bestimmungsort angekommen, wurde sie in das Bett eines Ehemannes gelegt, der… hässlich wie ein Affe sein konnte, oder ein Kretin, oder ein lasterhafter Verderbter oder einfach ein alter Dummkopf, aber von dem sie sich so oft als möglich schwängern lassen musste, im Interesse der Dynastie. Es gab keinen Zweifel, dass sie von diesem Gemahl ausgiebig gehörnt wurde: Es war hingegen nur eine Hoffnung, dass er sich mit weiblichen Liebhaberinnen zufriedengab und auch nicht noch männliche wollte. Im Ausgleich um all das hatte eine Prinzessin des 17. Jahrhunderts die Sicherheit, verrückte Verschwendungen auf Kosten devoter Untertanen machen zu können und ihr Leben mit Festen, Bällen, Jagden, Banketten, heiligen Messen und geistlichen und weltlichen Zeremonien, die jeweils einen Berg Geld kosteten, zu verbringen… Wenn sie es schaffte zu überleben (ihre vielen Schwangerschaften und ihren Ehemann) und Witwe zu bleiben, konnte sie als Regentin für einen minderjährigen Sohn die Regentschaft übernehmen… doch von der Politik verstand sie nur das, was ihr ihr Beichtvater riet: Und vom Beichtvater kamen selten vortrefflichere Ratschläge als jener, so viel Protestanten als möglich umbringen zu lassen.« [1]

Im durchaus amüsanten Buch von Herrmann Mostar, »Liebe, Klatsch und Weltgeschichte«, wird im Kapitel »Geschichte durchs Schlüsselloch betrachtet« (Zweiter Einblick: Die Gegenreformation, S. 61 ff.) folgende interessante These entwickelt: »Was die Habsburger groß machte, war die Gabe, zu lieben, ganz irdisch und ganz sinnlich und ganz seelisch zu lieben… Solange sie diese Gabe besaßen… blieben sie groß; als sie sie verloren, wurden sie klein.«

Als Beispiel für diese eigensinnige Meinung brachte Mostar die liebevolle Ehe zwischen Maximilian (dem »edlen Ritter«) und Maria von Burgund sowie - als zweite große Liebe unter den Habsburgern - die Ehe von Kaiser Karl V. mit Isabella von Portugal; dann vererbt sich der »Liebessegen des Hauses Habsburg« auf Kaiser Ferdinand I., der mit der schönen und gescheiten Jagellonin Anna von Polen in sechsundzwanzigjähriger glücklichster, verliebtester Ehe fünfzehn schöne und gescheite Kinder zeugt, bis sie in einem abermaligen Kindbett stirbt. Und als letzte rechte Liebe im Hause Habsburg wird die morganatische Ehe zwischen dem zweiten Sohn von Kaiser Ferdinand I., nämlich Erzherzog Ferdinand II. von Tirol, und der bürgerlichen Philippine Welser bezeichnet.

Um der historischen Wahrheit Tribut zu zollen: Die ersten drei Ehen kamen aufgrund dynastischer Erwägungen zustande; dass sich dann die politisch zusammengeführten Eheleute - die sich vorher gar nicht kannten - aufrichtig liebten, war ein Segen, der sie im Nachhinein traf. Und das vierte Beispiel, die damals ungewöhnliche, nicht ebenbürtige Ehe eines Erzherzogs mit einer Bürgerlichen, passt nicht in die Mär vom Liebessegen des Hauses Habsburg: Es war eine Liebesehe ohne politischen Hintergrund, sicherlich sehr zur Unzufriedenheit der Eltern des Bräutigams.

Und sie brachte auch nichts ein für das Haus Habsburg: Die Braut war gar nicht die Tochter des reichen Wesers, sondern eines weit weniger reichen und total einflusslosen Verwandten, also für Habsburg uninteressant.

KAPITEL

Kapitel I

Die klassische Heiratspolitik Habsburgs oder: Die Löwen gingen und die Füchse kamen

Kapitel II

Die Querschüsse zwischen den Habsburgern und den französischen Königen (Valois und Bourbonen)

Kapitel III

Eine umstrittene und tragische Figur in Spaniens Geschichte: Don Carlos

Intermezzo: König und die jungfräuliche Königin - eine Verbindung, die nie zustande kam

Kapitel IV

Der letzte Habsburger auf Spaniens Thron, Carlos II. »el Hechizado«

Kapitel V

Felipe V., der erste Borbón auf Spaniens Thron

Kapitel VI

Die Mitverantwortung der römischen Kirche

Kapitel VII

Habsburg als Rasse

Kapitel VIII

Ein böses Erbe - das plötzliche Auftauchen der Bluterkrankheit in Europas Herrscherhäusern

Kapitel IX

Die Befreiung aus der Inzuchtfalle - die Rückkehr zur Normalität

Kapitel X

Rückblick und Vorausschau

KAPITEL I

Die klassische Heiratspolitik Habsburgs oder: Die Löwen gingen und die Füchse kamen

Ursprünglich waren die Habsburger ein schwäbisches Adelsgeschlecht, Anhänger der Staufer. Sie waren also Alemannen, die sich im Großraum Schweiz/ Elsass/ Baden-Württemberg bewegten und dort Besitztümer erworben hatten. Ihren Namen verdankten sie der Habichtsburg, am Zusammenfluss von Reuss und Aare bei Brugg gelegen, die in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts der Straßburger Bischof Werner errichten ließ. Der 1111 verstorbene Otto II. war der Erste der Familie, der sich nach dieser Burg »Graf von Habsburg« nannte. Das Geschlecht geht vermutlich auf Guntram den Reichen aus dem Elsässischen zurück.

Seit 1009 Grafen, wurden die Habsburger 1135 Landgrafen mit Besitz am Oberrhein und in der Mittelschweiz. Diesen Besitz vermehrte Graf Rudolf IV. von Habsburg (geboren am 1. Mai 1218 auf Schloss Limburg im Breisgau) durch erhebliche Teile des Schwarzwaldes mit dem Stift St. Blasien sowie durch den Erwerb großer Güter im Breisgau. Von seiner Mutter erbte er Wübberthin, Thurgau und Glarus. Von der Laufenburg-Habsburger Linie kaufte er Sempach, Stanz, Schwyz und die Gebiete um Brugg und Waldstätten. Rudolf kam aus einem zwar nicht fürstlichen, doch reich begüterten Grafengeschlecht, dessen Herrschaftsgebiet sich vom Jura das Rheintal entlang bis in den Schwarzwald und von den Zentralalpen bis nach Burgund erstreckte.

Das Reich befand sich nach dem »Aus« der Herrschaft der Staufer (Absetzung des Kaisers Friedrich II. auf dem ersten Konzil von Lyon am 17. Juli 1245) in einer kaiserlosen Zeit, in welcher sich die einzelnen Landesfürsten bemühten, herrenlos gewordene Reichsgüter an sich zu reißen und vom Chaos zu profitieren. Am meisten bereicherte sich König Ottokar II. von Böhmen, einer der weltlichen Kurfürsten. Aus seinem Ziel, auch noch deutscher König und römischer Kaiser zu werden, hatte er kein Hehl gemacht.

Doch die Deutschen wollten damals keinen starken Regenten mehr, sie befanden sich vielmehr auf dem Weg zu einer Adelsrepublik, in der lokale Machthaber das Sagen haben sollten. Die Kurfürsten - bis auf Ottokar II. - waren sich demzufolge in einem einzigen Punkt einig: Der neue König durfte nicht stark sein, sollte vielmehr schwach bleiben, damit die Rechte der Landesfürsten nicht geschmälert werden konnten.

Da Papst Gregor X. die Kurfürsten drängte, endlich einen neuen König zu wählen, wurden diese aktiv und suchten hektisch nach einem geeigneten - ihnen passenden - Kandidaten. Ausgerechnet der Nürnberger Burggraf Friedrich III. aus dem Hause Hohenzollern machte den Vorschlag, Rudolf von Habsburg zum König zu wählen, möglicherweise in der Annahme, der Schwabe würde mit seinen 54 Jahren sowieso nicht lange regieren können und noch weniger über die notwendige Zeit verfügen, eine eigene Hausmacht auszubauen.

Eine falsche Einschätzung, der sich offensichtlich die Kurfürsten - mit Ausnahme von Ottokar von Böhmen - angeschlossen haben. Sie beauftragten den Burggrafen, ins Feldlager vor Basel zu reiten, wo sich Rudolf aufhielt (er war wieder einmal in einen Kleinkrieg mit dem Bischof von Basel verwickelt), um ihn zu fragen, ob er gewillt wäre, deutscher König zu werden.

Blitzschnell überlegte der Habsburger, ob dieses Angebot ein gutes Geschäft sein würde, und da er ein schlauer Fuchs war und »ein geradezu kleinlicher Pfennigfuchser und Brotrindenknabberer« [2], gab er schließlich sein Jawort. Der Bischof von Basel soll gesagt haben, als er hiervon erfuhr: »Lieber Gott, halte Deinen Thron fest, sonst wird dieser Rudolf ihn Dir nehmen!«

Rudolfs Rivale, Ottokar II. von Böhmen, tobte natürlich, dass »dieses arme Gräflein« seine Pläne durchkreuzte.

Am 1. Oktober 1273 wählten die Kurfürsten den Habsburger in Frankfurt am Main einstimmig zum deutschen König, wobei Ottokar II. übergangen wurde: An seiner Stelle wählte Herzog Heinrich von Niederbayern. Die feierliche Krönung fand in Aachen im Münster Karls des Großen am 24. Oktober 1273 statt.

Ottokar II. sollte der größte Gegner von Rudolf werden. Das von ihm während des Interregnums geschaffene großböhmische Reich, das von der Adria bis zur Ostsee reichte, bestand außer den Stammlanden Böhmen und Mähren aus dem Erbe der Staufer und aus Reichsgut, das Ottokar dem Reich »entfremdet« hatte. Der Böhme war nicht bereit, die von ihm widerechtlich besetzten Gebiete (Österreich, Steiermark, Kärnten und Krain) zurückzugeben; ebenso weigerte er sich, dem neuen König zu huldigen.

Daraufhin ermächtigten die deutschen Fürsten auf einem Reichstag in Nürnberg den erst kurz davor gekrönten neuen König, die seit 1245 erledigten Reichslehen einzuziehen.

Da Ottokar stur blieb und eine zweimalige Vorladung, vor dem Reichstag zu erscheinen, missachtete, wurde die Reichsacht über ihn verhängt. Nach einer neuerlichen Ächtung (Aberacht) beschloss der Reichstag den Feldzug gegen den Böhmenkönig. Rudolf gelang es, innerhalb kürzester Zeit ein Reichsheer aufzustellen, und er zog mit ihm bis nach Wien. Ottokar ließ sich beeindrucken und unterschrieb zunächst den Wiener Friedensvertrag vom 26. November 1276.

Und gerade hier begann Rudolf mit seiner typisch habsburgischen Heiratspolitik. In Wien wandte er die schlaue Methode der »doppelten Absicherung« an, als er nämlich, um seinen Erzrivalen zum Einlenken zu bewegen, diesen überredete, gleich zwei ihrer jeweiligen Kinder miteinander zu verheiraten. Diesem »Deal« zufolge wurde Rudolfs gleichnamiger Sohn (damals sechs Jahre alt) mit Ottokars Tochter Agnes (sieben Jahre alt) verlobt; ebenso wurde die fünfjährige Jutta von Habsburg dem gleichaltrigen Sohn Ottokars, dem späteren König Wenzel II. von Böhmen, versprochen.

Die nur zwei Jahre später erfolgte Schlacht von Dürnkrut (26. August 1278), in welcher Ottokar den Tod fand, änderte merkwürdigerweise nichts an der Wiener Vereinbarung: Rudolf II. und Agnes heirateten im März 1289, und schon vorher, am 24. Januar 1285, fand die Eheschließung zwischen Jutta und Wenzel II. statt; beide waren damals vierzehnjährig.

In der Österreichischen Galerie in Wien befindet sich ein Gemälde aus dem 19. Jahrhundert, dessen Motiv in diese emotionsreiche Zeit hineinleuchtet: Ottokars Sohn Wenzel bittet König Rudolf (seinen späteren Schwiegervater) um die Herausgabe der Leiche seines gefallenen Vaters.

Mit der Doppelhochzeit hatte Rudolf nur einen Teil seiner Ziele erreicht. Die erfolgreiche Heiratspolitik konnte weiter betrieben werden, da er ja von seiner Frau Gertrud von Hohenberg noch weitere Kinder hatte, und die Kinder bedeuteten für ihn Kapital. So verheiratete er seinen erstgeborenen Sohn Albrecht I. mit Elisabeth von Görz (Tirol), seine Tochter Mathilde mit Ludwig II. von Bayern, seine Tochter Katharina mit Otto III. von Niederbayern, seine Tochter Hedwig mit Otto IV. von Brandenburg und schließlich seine Tochter Klementia mit dem Anjou-Prinzen Karl I. Martell, dem Vater des späteren ungarischen Königs Karl Robert. Weitere Schwiegerkinder also, die er zumindest als Verbündete gewann für den Fall, dass er für seine Zukunftspläne deren Unterstützung brauchte.

Zurück nach Wien: Als Rudolf die Stadt nach der gewonnenen Schlacht von Dürnkrut wieder verließ, ließ er seinen Sohn Albrecht als Statthalter zurück. Die deutschen Fürsten protestierten auch dann nicht, als er bekannt gab, dass er seine beiden Söhne Albrecht und Rudolf mit Österreich, der Steiermark, Kärnten und Krain belehnen (also diese Gebiete mehr oder weniger dem Familienbesitz zuschlagen) wolle. Der einzige »Hahn«, der dagegen krähte, war der Erzbischof und Kurfürst von Köln, alle anderen Mitglieder des Wahlmännergremiums stimmten der frechen Bereicherungsmaßnahme - wenn auch zähneknirschend - zu (27. Dezember 1282). Die Belehnung beider Söhne zu gesamter Hand stieß allerdings bei den Ständen auf Widerstand. Im Vertrag von Rheinfelden vom 1. Juni 1283 erhielt Albrecht für sich und seine Erben die Alleinherrschaft zugesprochen. Rudolf sollte mit einem Königreich oder einer noch zu bestimmenden Geldsumme abgefunden werden.

Er erhielt weder das eine noch das andere. (Wie wir wissen, hat Albrecht hierfür, nämlich dass er die »Entlohnung« immer wieder herauszögerte, mit dem Tode bezahlt; sein Neffe, der als Johann »Parricida« in die Geschichte einging, tötete ihn am 1. Mai 1308. Aber dies ist eine andere Geschichte.)

Fakt ist, dass es Rudolf gelungen ist, in nur neun Jahren das Haus Österreich zu errichten. Er avancierte somit zum größten »Häuslebauer« der Welt. Dies könnte in das Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen werden…

Fakt ist auch, dass die größten Meister der territorialen Zugewinne mittels Eheschließungen und schlauer Berechnungen die Habsburger waren. Ein unbekannter Poet - wahrscheinlich war es Matthias Corvinus, der legendäre Renaissance-König Ungarns - wandelte zwei Verse aus den »Heroides« des Ovid in das wohl bekannteste Distichon über die Heiratspolitik der Habsburger ab:

»Bella gerant alii / tu felix Austria nube

Quod dat Mars aliis / Dat tibi regna Venus«

(Lass andere Kriege führen, Du, glückliches Österreich, heirate! Was den anderen der Kriegsgott beschert, schenkt Königreiche Dir die Liebesgöttin.)

Habsburg war wegen der großen Erfolge der dynastischen Schachzüge dermaßen beglückt, dass sich seine Kaiser einbildeten, eines Tages die ganze Welt beherrschen zu können. Die rätselhaften Vokale A E I O U von Kaiser Friedrich III., diesem großen Meister des »Aussitzens«, die er sogar an seinen Bauten anbringen ließ, zielten in diese Richtung: Austria Est Imperare Orbi Universo. Zu Deutsch: Alles Erdreich Ist Oesterreich Untertan. Friedrich III. und vor allem sein Sohn Maximilian I. bekamen es in der Tat hin und machten durch den Griff nach Burgund, Ungarn, Böhmen und Spanien das Haus Österreich zur Weltmacht.

Der Griff nach Burgund

Vorausgeschickt werden muss eine kurze Zusammenfassung über den Begriff »Burgund« als Staat und über die dort herrschende Dynastie.

Burgund kann man sich wie einen Flickenteppich vorstellen, der sich zwischen Frankreich und dem Reich einzwängte. Es sollte die Wiedergeburt des alten Lotharingiens sein, also des mittleren jener drei Teilstaaten, in die das Frankenreich Karls des Großen nach dessen Tod zerfiel. Diese »Wiedergeburt« war nur von kurzer Dauer, eher ein Fantasiegebilde, da Burgund - fünf- bis sechshundert Jahre nach dem Entstehen des ursprünglichen, bald erloschenen Lotharingiens - eine vollkommen künstliche Konstruktion darstellte, einen Staat, in dem verschiedene, zueinander nicht passende und unterschiedliche Sprachen und Dialekte sprechende Völker lebten. Dieser plötzlich aus der Taufe gehobene Staat hatte keine richtige Identität, kein Nationalgefühl und so eigentlich auch keine Daseinsberechtigung.

Anfangs gab es eine Schenkung des französischen Königs Jean II. »le Bon« (1363) an seinen vierten Sohn Philippe (1342-1404): Er bekam das Herzogtum Burgund mit der Hauptstadt Dijon und nannte sich seitdem Philippe II. von Burgund (mit dem Beinamen »der Kühne«). Somit steht fest, dass sowohl in Frankreich als auch in Burgund die Dynastie Valois herrschte.

Durch Philippes Heirat mit Margarethe von Flandern (1350-1405) konnte Burgund bedeutend erweitert werden: 1384 kamen die eigentlich zum Reichsgebiet gehörende Freigrafschaft Burgund (Franche-Comté) sowie die Grafschaften Flandern und Artois hinzu, die zuletzt Genannten westlich der Reichsgrenze gelegen (im Zuständigkeitsbereich des Pariser Parlaments).

Der Sohn von Philippe, Johann »ohne Furcht« (1371-1419), heiratete wiederum Margaretha von Holland (1363-1423) und erwarb dadurch die Grafschaft Holland und die Grafschaft Seeland (1418). Johanns Sohn und Nachfolger Philippe »der Gute« (1396-1467) war ebenfalls ein »Mehrer des Burgunderreiches« - ein echter »semper Augustus« -, indem er noch das Herzogtum Brabant (1430), die Grafschaft Hennegau (1433), die Grafschaft Namur (1429) und schließlich die Herzogtümer Luxemburg (1451) und Limburg (1430) hinzugewann.

Der Traum der beiden letztgenannten Valois-Prinzen und Herzöge von Burgund, das alte Lotharingien wieder ins Leben zu rufen und zu einem einheitlichen Staat auszubauen, wurde langsam zur Realität, die die schlafenden Nachbarn erst viel zu spät zur Kenntnis nahmen.

Es fehlten allerdings noch zwei Bausteine, um die nördlichen und südlichen Teile des neuen Staates, die bislang getrennt waren, zu vereinigen: die Herzogtümer Lothringen und Bar. Diese letzten Bausteine hat dann 1475 der Sohn Philippes des Guten, Karl der Kühne (1433-1477), in das neue Staatsgebäude eingesetzt.

Burgund war plötzlich präsent und weckte Neid und Eifersucht. Schließlich war der niederländische Teil des neuen Staates neben der Lombardei und Venedig die damals reichste Wirtschaftsregion Europas.

Da der Herzog aus seiner Ehe mit Isabelle von Bourbon nur eine Tochter hatte, Maria (1457-1482), war diese die begehrteste Braut Europas. Habsburg ließ sich diese Chance nicht nehmen. Kaiser Friedrich III., der Urururenkel von Rudolf I., dieser Phlegmatiker, der während seiner langen Regierungszeit nur selten aktiv wurde, raffte sich auf und traf sich - in Begleitung seines attraktiven Sohnes Maximilian - 1473 in Trier mit Herzog Karl von Burgund, um über eine mögliche Verlobung seines Erben mit der Herzogin Maria zu sprechen. Allerdings war damals der von dem Burgunder hierfür geforderte Preis - nämlich die römische Königswürde - viel zu hoch und auch nicht durchführbar, da sich die Landesfürsten des Reiches dagegen gestemmt hätten. Friedrich beschloss daher, auch diese Sache auszusitzen, und lauerte auf eine günstigere Gelegenheit. Er sollte recht behalten.

1476 war es dann so weit: Karl der Kühne, von vielen Feinden umringt, befand sich in einer äußerst prekären Lage. In dieser bedrängten Situation kam dann doch das Eheversprechen zustande, diesmal ohne die oben beschriebene Forderung.

Der Burgunder hat damals auf den diversen Schlachtfeldern den Kürzeren gezogen, zuletzt im Januar 1477 vor den Mauern von Nancy, wo er sich mit den schweizerischen Feinden auseinandersetzen musste. Hierzu sei wieder Gerhard Herm (»Der Aufstieg des Hauses Habsburg«, S. 160) zitiert: »In der Nacht auf den 6. Januar 1477 irren Menschen mit Fackeln zwischen den burgundischen und schweizerischen Leichen auf dem Schlachtfeld umher. Sie leuchten jedem Toten ins Gesicht, voll Furcht, es könnte ihr im Kampfgewühl verschollener Herzog sein. ›Hélas‹, ruft endlich ein Knappe, ›voici mon bon seigneur!‹ Er war es wirklich, steifgefroren schon, die Leiche von Wölfen angenagt. Den Versuch, in voller Rüstung einen vereisten Sumpf zu überqueren, hatte Karl mit dem Leben bezahlt.«

Maria, die Erbin, hielt an dem Eheversprechen fest und heiratete Maximilian, den Sohn von Kaiser Friedrich III. Zunächst fand eine Eheschließung »per procurationem« statt: Es war der 21. April 1477 und die vertriebene Regierung von Burgund erteilte hierzu ihr Einverständnis. Dann, am 19. August 1477, stand endlich Maria mit ihrem Maximilian höchstpersönlich vor dem Traualtar. Es war zunächst eine politisch eingefädelte, letztendlich aber von gegenseitiger Liebe und Zuneigung charakterisierte, glückliche Ehe, intensiv und leider auch zu kurz.

Aber der Zugriff auf Burgund ist gelungen. Zwar gab es im Nachhinein noch etliche Komplikationen, aber auch diese konnten gelöst werden. Fazit: Kein allzu großer territorialer Zugewinn, aber dafür viel Reichtum.

Der Griff nach Ungarn und Böhmen

Rudolf I., der alte Fuchs, war natürlich mit der Gründung des Hauses Österreich - Erwerb von Österreich, der Steiermark, Kärnten etc. - keineswegs am Ende seiner Erweiterungspläne.

1290 erhob er nach der Ermordung des ungarischen Königs Ladislaus IV. - der ihm seinerzeit in der Schlacht von Dürnkrut aus der Patsche geholfen hatte - Lehnsansprüche des deutschen Reiches auf Ungarn, denen jedoch der Papst widersprach. Trotzdem belehnte er seinen Sohn Albrecht mit Ungarn und äußerte den Spruch: »Was kümmert mich des Papstes Einwand?«

Dieser erste Versuch, ein habsburgisches Erbkönigtum in Ungarn zu etablieren, misslang jedoch, zumal sich der ungarische Adel widersetzte und statt Albrecht den letzten männlichen Árpáden, Andreas III., zum König wählte. Das Geschlecht erlosch dann im Mannesstamm mit dem Tod des Letztgenannten im Jahr 1301. Wie damals im Reich nach der Absetzung des letzten Staufers begann auch in Ungarn eine wirre Zeit des Interregnums.

Woher eigentlich Rudolf seine Lehnsansprüche herleitete, ist dem Autor rätselhaft. Ladislaus IV. war nämlich keineswegs der Schwiegersohn von Rudolf (wie dies bei Reifenscheid, »Die Habsburger«, S. 19, steht), zumal Rudolfs Tochter Klementia nicht mit dem Genannten, sondern mit Karl I. Martell (Neapel) verheiratet war. Dieser wiederum war ein Sohn von Marie von Ungarn (1257-1323), der Tochter des ungarischen Königs Stefan V. und somit auch die Schwester von Ladislaus IV. Ende des Wirrwarrs: Ladislaus IV. war demzufolge ein Onkel von Rudolfs Schwiegersohn Karl I. Martell. Kann man hier überhaupt noch von Verwandtschaft oder Verschwägerung sprechen?

Habsburg musste hinsichtlich Ungarns noch lange und geduldig warten. Die zwei Habsburger, die im 15. Jahrhundert die Krone Ungarns - kurzfristig - tragen durften, waren der deutsche König Albrecht II. (in Ungarn König Albert, 1437-1439) und sein Sohn Ladislaus Postumus (1440-1457). Danach kamen andere Geschlechter an die Reihe.

Was nun Böhmen betrifft, wurde dort nach dem gewaltsamen Tod Ottokars II. sein minderjähriger Sohn Wenzel II. zum König ausgerufen. Dieser, ein Schwiegersohn von König Rudolf I., verstarb jedoch mit knapp 34 Jahren; ihm folgte sein einziger Sohn Wenzel III., der wiederum bereits mit 17 Jahren aus dem Leben schied (1306). Er war der letzte männliche Vertreter des Hauses der Przemysliden.

Danach folgten die Luxemburger (1310-1437) und einheimische Könige, u. a. Georg von Podiebrad (1452/58-1471). Die darauffolgenden Herrscher Böhmens kamen aus Polen, aus dem Hause der Jagellonen (ab 1471 in Böhmen, ab 1490 auch in Ungarn).

Dies war der Zeitpunkt, auf den Habsburg wartete; man wollte gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: die Wenzelskrone und die Stephanskrone. Der Ururururenkel von Rudolf I., Kaiser Maximilian I., übernahm die Aufgabe und holte die Taktik seines Urahnen aus der Zauberkiste, nämlich die Strategie der doppelten Absicherung, indem er dem Jagellonen eine Doppelhochzeit schmackhaft machte.

Schon 1491 konnte Maximilian den Ungarnkönig Ulászló II. (gleichzeitig König von Böhmen als Wladislav IV.) dazu verpflichten, dass die Kronen der beiden Länder an Habsburg übergehen würden, sollte der Herrscher Ungarns und Böhmens keinen männlichen Erben bekommen. Als dann die Frau von Ulászló II. die Tochter Anna gebar (23. Juli 1503), wurde Maximilian, der zum Glück nicht die Trägheit seines Vaters geerbt hatte, sofort aktiv und bewarb sich um die Hand der soeben geborenen Prinzessin für einen seiner Enkel, Karl oder Ferdinand, die damals dreieinhalb Jahre bzw. vier Monate »alt« waren.

(Hinweis: Die Vermählung zwischen Anna und Ferdinand fand am 26. Mai 1521 statt. Aus dieser Ehe stammen alle österreichischen Habsburger und die Habsburg-Lothringer).

Kaum war dann die ungarische Königin Anna, geb. Gräfin Foix, erneut schwanger, fädelte Maximilian sofort die zweite Verbindung ein: Obwohl es damals noch keine Möglichkeiten gab, das Geschlecht des Kindes vor dessen Geburt festzustellen, wurde seine Enkelin Maria einfach mit dem Embryo (!) verlobt…

Tu felix Austria, hast wieder einmal Glück gehabt: Am 1. Juli 1506 wurde in Prag ein zartes Knäblein geboren, der spätere Lajos (Ludwig) II. von Ungarn und Böhmen.

Diese Eheschließung fand dann am 11. Dezember 1520 in Innsbruck (per procurationem) und endgültig am 13. Januar 1522 in Ungarn statt. Es war eine Jugendliebe im Schatten der sich abzeichnenden Katastrophe. Die Türken bedrohten Ungarn und die historische Schlacht bei Mohács besiegelte nicht nur das Schicksal Ungarns für die nächsten 150 Jahre, sie beendete auch die junge Ehe: König Ludwig fand in der Schlacht am 29. August 1526 den Tod.

Eine Tragödie für das Abendland, ein willkommener Tag für Habsburg: Es gab keinen männlichen Jagellonen mehr und die entstandene Sedisvakanz war nur von kurzer Dauer. Ab 1526 bis 1918 kamen die Könige von Ungarn und auch von Böhmen ununterbrochen aus dem Haus derer von Habsburg bzw. Habsburg-Lothringen. Der Griff nach Ungarn und Böhmen war vollzogen.

Der Griff nach Spanien und Portugal

Den Griff der Habsburger nach Spanien haben eigentlich die Franzosen in die Wege geleitet. Wegen der bitteren Niederlage, die sie erlitten hatten, indem Maximilian ihnen die reiche Burgunder Erbin wegschnappte, wollten sie sich rächen und verursachten Habsburg einen doppelten Kummer.

Zunächst schien alles »in bester Butter«, als nämlich 1482 die damals zweijährige Tochter Maximilians, Margarethe, mit dem französischen Thronfolger (dem späteren König Karl VIII.) verlobt und kurz danach nach Frankreich gebracht wurde (24. April 1483). Diese Vorgehensweise entsprach einer uralten Tradition, man denke nur an das Schicksal der heiligen Elisabeth von Ungarn und Thüringen. Dass sich dann aber der verwitwete Maximilian an die Erbin der Bretagne, Anna, heranmachte und sie 1490 »per procurationem« heiratete, brachte aus französischer Sicht das Fass zum Überlaufen. Frankreich fühlte sich dadurch in die Zange genommen und außerordentlich bedroht.

Frankreich schlug zu, und zwar in spektakulärer Form: Unter Auflösung des Verlöbnisses mit Margarethe heiratete Karl VIII. 1491 die bereits mit Maximilian verheiratete Anna von Bretagne. Dies war nichts anderes als Bigamie, die durch einen Dispens des Papstes möglich wurde. Ein Skandal ersten Ranges, über den sich ganz Europa aufregte. Maximilian musste dies hinnehmen, forderte aber sofort die Mitgift Margarethes, die Freigrafschaft Burgund (Franche-Comté) und die Grafschaft Artois, zurück.

Es folgten kriegerische Auseinandersetzungen, an deren Ende der Friedensvertrag von Senlis (23. Mai 1493) stand. Maximilian setzte sich durch: Karl VIII. musste einer ehrenvollen Rückkehr Margarethes in die Niederlande zustimmen und auch die reiche Mitgift zurückgeben. Nun war die entlobte Braut Margarethe frei und konnte für dynastische Zwecke wieder eingesetzt werden. Die Möglichkeiten schienen verlockend zu sein.

Da Karl VIII. inzwischen eingesehen hatte, dass das Geschäft mit Burgund verloren gegangen war, sah er sich nach einem neuen Jagdrevier um. Das in Italien entstandene Chaos wurde in Augenschein genommen und für eine Operation als gut befunden.

Die dadurch in ganz Europa ausgebrochene Verunsicherung führte dazu, dass sich die katholischen Könige - Fernando von Aragonien und Isabel von Kastilien -, die ihre Länder erst vor Kurzem von den Arabern hatten befreien können, bedroht fühlten und mit Maximilian Kontakt aufnahmen. Es wurde außer einem Bündnis auch ein »familiäres Arrangement« getroffen, nämlich eine Doppelhochzeit: Philipp der Schöne, der einzige Sohn Maximilians, sollte die Infantin Juana (Johanna) heiraten, und gleichzeitig sollte der Thronfolger der Königreiche Aragonien und Kastilien, Juan, die Erzherzogin Margarethe ehelichen. So vereinbart, so auch in die Tat umgesetzt: Zunächst heirateten Philipp und Juana am 21. August 1496 in Lille, und etwas später, am 3. April 1497, wurden in Burgos der Infant Juan und die Erzherzogin Margarethe vermählt. Wieder eine Doppelhochzeit, wieder die übliche »doppelte Absicherung«.

Hier soll zum Vergnügen des Lesers noch eine nette Episode eingefügt werden: Es geschah, als die bereits »per procurationem« verheiratete Margarethe auf dem Seeweg nach Spanien unterwegs war und ihr Schiff in einen bösen Sturm geriet. In dieser heiklen Situation verzagte Margarethe keineswegs und dichtete einen hübschen Zweizeiler:

»Ci-gît Margot, la gente Demoiselle, Qu’eut deux maris et si mourut pucelle…«

(Hier ruht Margarethe, das niedliche Fräulein, sie hatte zwei Ehemänner und starb dennoch als Jungfrau…)

An Galgenhumor fehlte es der Erzherzogin nicht. Und couragiert war sie schon immer und dies ihr ganzes Leben lang. Sie starb nicht während der Seefahrt und sollte noch 33 Jahre leben, zweifach verwitwet, aber erhobenen Hauptes und immer zu Diensten des Hauses Österreich.

Dafür verstarb nach erst sechsmonatiger Ehe ihr Mann, der Infant Juan. Die jung Vermählten liebten sich leidenschaftlich, vielleicht zu innig, zu heftig, und nach einem halben Jahr intensivster Liebespraktiken verstarb der Infant am 4. Oktober 1497 in Burgos; begraben wurde er im Dominikanerkloster Santo Tomás in Ávila. Möglicherweise war die Todesursache jedoch nicht die erotische Überanstrengung, sondern die Schwindsucht. In einer gewissen Phase dieser Krankheit ist ein erhöhtes erotisches Bedürfnis keine Seltenheit.

Dieser Fall diente später mehreren Herrschern des Hauses Habsburg, besonders denen aus der spanischen Linie, als Argument, um ihre frisch verheirateten Söhne zur Mäßigung zu ermahnen.

Nach dem unerwarteten Tod des Infanten Juan und nachdem noch weitere seiner Geschwister verstarben (1500), wurde die mit Philipp dem Schönen verheiratete Infantin Juana zur Thronerbin gekürt und ihr Mann zum designierten Mitregenten. Dadurch war der Griff nach Spanien gelungen und die Herrschaft der dortigen Linie der Habsburger sollte gut zweihundert Jahre dauern.

Was nun Portugal betrifft, so vollzog sich der Zugriff erst 1580, nachdem der junge, etwas verwirrte und leichtsinnige König Sebastian in einer Schlacht in Nordafrika verschollen und mit Sicherheit gefallen war. Da andere Verwandte wegen ihres Alters oder ihrer außerehelichen Herkunft nicht in Frage kamen oder sich nicht durchsetzen konnten, war der spanische König Felipe II., der Sohn Kaiser Karls V., an der Reihe.

Die Grundlage seines Thronanspruches war durchaus legitim: Seine Mutter war Isabel von Portugal (Gemahlin von Karl V.), die Tochter von König Manuel I. von Portugal und somit die Schwester von König Juan III. von Portugal, dessen Tochter Maria von Portugal Felipes erste Frau war. Hier war also das familiäre Durcheinander perfekt. Der Leser möge hierzu die Stammbaum-TAFEL II näher in Augenschein nehmen.

Sicherlich ist für Felipe damit sein sehnsüchtigster Traum in Erfüllung gegangen. Er liebte Portugal von ganzem Herzen, Portugiesisch war neben Hochkastilisch seine Muttersprache und er verbrachte ab 1580 viel Zeit in Portugal.

ZUSAMMENFASSUNG

Mit dem Erwerb Portugals war die große Zeit der territorialen Zugewinne für das Haus Habsburg vorbei. Während Karl V. noch bis zuletzt von »unserem Haus« sprach, verwandte sein Bruder, der nachfolgende Kaiser Ferdinand I., den Ausdruck »unsere Häuser«.

In der Tat: Nach dem 12. September 1556 (Niederlegung der römischen Kaiserkrone seitens Karls V. zur Verfügung seines Bruders Ferdinand I.) gab es zwei Häuser: das »Haus Österreich« und »la Casa de Austria« - die deutsche und die spanische Linie. Diese kooperierten allerdings engstens zusammen, so eng, dass es letztendlich zu einem innerfamiliären Wirrwarr größten Ausmaßes kam, wo niemand mehr wusste, wer mit wem und wie verwandt war.

Habsburg, inzwischen eine selbstständige Rasse - engstens verflochten mit seinen Intimfeinden, den Bourbonen - hatte es nicht mehr nötig, irgendwo nach reichen Bräuten Ausschau zu halten.

---ENDE DER LESEPROBE---