Falling for Tide - Aurora Rose Reynolds - E-Book
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Falling for Tide E-Book

Aurora Rose Reynolds

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Beschreibung

Aria Heart will in ihrer Heimatstadt Ruby Falls einen Neustart wagen. Was ihr als Idee einfach erschien, gestaltet sich in Gegenwart ihrer Eltern und in dem gekauften Haus, das nur für Probleme sorgt, verdammt schwierig. Als sie ihre Entscheidung zu bereuen beginnt, klopft plötzlich Tide Goodman an ihre Tür. Ausgerechnet dem verboten heißen Kerl, für den sie schon in der Highschool schwärmte, gelingt es, ihren Schutzwall zu durchdringen. Darf sie sich erlauben, sich in ihn zu verlieben? In den Mann mit der zuckersüßen Tochter, der selbst genug Ballast im Gepäck hat? Um das herauszufinden, wird sie alles – auch ihr Herz – ein weiteres Mal riskieren.

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Seitenzahl: 292

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Falling FORTIDE

Aurora Rose Reynolds

© Die Originalausgabe wurde 2021 unter dem

Titel ONE MORE TIME von Aurora Rose Reynolds, in Zusammenarbeit mit Bookcase Literary Agency veröffentlicht.

© 2021 Romance Edition Verlagsgesellschaft mbH

8700 Leoben, Austria

Aus dem Amerikanischen von Friederike Bruhn

Covergestaltung: © Sturmmöwen

Titelabbildung: © HayDmitriy

Redaktion: Romance Edition

ISBN-Taschenbuch: 978-3-903278-70-7

ISBN-EPUB:978-3-903278-71-4

www.romance-edition.com

1. Kapitel

Aria

»Herzlichen Glückwunsch!«, ruft meine Maklerin Sara und klatscht verzückt, als ich nach gefühlt einer Million Unterschriften das letzte Dokument unterzeichnet habe.

Ihre Freude entlockt auch mir ein Lächeln – auch wenn mir klar ist, dass ihre gute Stimmung von den fast fünfzigtausend Dollar Provision herrührt. Zur Hölle, ich wäre auch hellauf begeistert, wenn ich so viel Geld verdienen würde, nachdem ich jemandem nur eine einzige Immobilie gezeigt habe.

»Danke«, sage ich und schaue kurz in ihre Richtung, bevor ich der Anwältin den Stapel Papiere zuschiebe, den sie lächelnd entgegennimmt. Dann rollt sie mit ihrem Stuhl ein Stück zurück und öffnet eine Schublade. Als sie einen Schlüsselbund herausholt, zieht sich mein Magen vor Aufregung zusammen.

Sie grinst. »Herzlichen Glückwunsch auch von mir, Aria.«

Ich umschließe das kühle Metall mit meinen Fingern, das sich daraufhin leicht in meine Handfläche bohrt. Endlich ist es so weit. Nun kann ich mich aufs Weitermachen konzentrieren, und zwar in einem Heim, das nur mir gehört. Mir und niemandem sonst. Ich möchte weinen und gleichzeitig durch den Raum tanzen. »Danke«, murmle ich stattdessen.

»Wollen Sie noch die Kontaktdaten der Baufirma, von der ich Ihnen während unseres Rundgangs erzählt habe?«, fragt Sara.

Das knapp zweihundertdreißig Quadratmeter große Haus, das ich gekauft habe, ist wunderschön. Es liegt am Fuß eines Berges, etwas abseits der Straße, und ist umgeben von sechs Hektar Wald. Als ich es das erste Mal sah, war mir sofort klar, dass es das richtige für mich ist. Nach einem Blick in das Innere kamen mir jedoch Zweifel. Die Vorbesitzer haben den größten Teil der Küche und des Hauptschlafzimmers samt dem Badezimmer vor ihrer Scheidung fertiggestellt, aber der Rest wirkt noch, als wäre es einer 70er-Jahre-Sitcom entsprungen – inklusive verrückter Tapeten, Zottelteppiche und Linoleum. Es wird einiges an Zeit und Geld nötig sein, um alles nach meinen Wünschen umzugestalten.

Das Gute ist, ich habe viel Zeit. Der finanzielle Aspekt ist hingegen etwas komplizierter. Dank meiner Arbeit als Autorin führte ich bisher ein ziemlich sorgenfreies Leben. Zumindest, bis ich mich von meinem Mann scheiden ließ. Da er für mich gearbeitet hat und ich während unserer Ehe für ihn aufkam, muss ich ihm Unterhalt zahlen. Was bedeutet, dass ich nicht nur für mich selbst, sondern auch für einen Mann sorgen muss, an den ich mehrere Jahre meines Lebens verschwendet habe. Ich hätte ihn nie daten, geschweige denn heiraten dürfen.

Warum ist man immer erst im Nachhinein schlauer?

»Geben Sie mir gern die Nummer des Bauunternehmens, aber es kann eine Weile dauern, bis ich mit der Renovierung beginne.«

Mit freudestrahlendem Gesicht drückt sie meinen Arm. »Ich bin sicher, dass man kurzfristig Kapazitäten für Sie finden wird, sobald Sie loslegen wollen.«

Am liebsten würde ich die Augen verdrehen. Seit sie herausgefunden hat, dass ich Autorin bin und mein Pseudonym Spencer Heart lautet, redet sie sich ein, dass ich jemand Berühmtes sei. Was nicht stimmt. Ja, ich habe es einige Male auf die Bestsellerliste der New York Times geschafft und über meine Bücher wurden mehrere Artikel geschrieben. Wenn man aber einem zufälligen Passanten auf der Straße mein Foto zeigt, hätte dieser keine Ahnung, wer ich bin. Himmel, derjenige würde mich wahrscheinlich nicht einmal kennen, wenn man ihm die Titel meiner Bücher nennt, es sei denn, diese Person wäre zufällig einer meiner Leser oder eine Leserin.

Fragt man jedoch die Bewohner dieser Stadt nach Aria Heart, erzählen sie einem von dem reichen Mädchen, das mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurde und wegzog, weil sie dachte, sie sei zu gut für diesen Ort. Dass meine Kindheit alles andere als schön und das schicke Haus mit dem hübschen weißen Lattenzaun nur Fassade war, weiß niemand.

Meine Familie war schon immer gestört und ist es noch. Meine Mutter ist eine gewohnheitsmäßige Fremdgeherin und mein Vater ein gesellschaftstauglicher Alkoholiker. Ich bin eine sechsundzwanzigjährige geschiedene Frau, die zu dem Flecken Erde zurückgekehrt ist, an dem sie aufwuchs. Denn, so traurig es klingen mag, ein anderes Zuhause habe ich nicht.

Trotz der angespannten Beziehung zu meinen Eltern und eines fehlenden lokalen Freundeskreises konnte ich mir keine andere Stadt vorstellen, in der ich nach dem Ende meiner Ehe leben wollte. Zum Glück bin ich in keiner Weise auf meine Familie angewiesen. Allerdings wohnen sie jetzt nur wenige Minuten von mir entfernt, was bedeutet, dass ich mich mit ihnen auseinandersetzen muss, ob ich will oder nicht.

Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück und hebe meine Tasche vom Boden auf. Ich muss hier raus. Nun, da das Haus offiziell mir gehört, möchte ich hinfahren und mich umschauen, und zwar ganz in Ruhe und allein. Vielleicht kaufe ich sogar eine dieser aufblasbaren Matratzen und ein paar Dinge für den täglichen Gebrauch, um heute Nacht dort anstatt in dem Hotelzimmer zu schlafen, das seit einer Woche meine Bleibe ist. Was meine Eltern nicht sonderlich toll fanden. Zuerst spielten sie noch Verständnis dafür vor, dass ich Raum für mich brauche. Aber in den letzten Tagen brachten sie ihr Missfallen durch tägliche Telefonanrufe zum Ausdruck. Ihr Image war ihnen seit eh und je wichtig; dass ihr einziges Kind in der Stadt ist, aber nicht bei ihnen wohnt, könnte Fragen bei ihren angeblichen Freunden wachrütteln, denen sie ausweichen müssten.

Zum ersten Mal ist mir das egal und überraschenderweise fühle ich mich deswegen nicht schuldig. In den letzten sechsundzwanzig Jahren habe ich getan, was von mir erwartet wurde. Bevor ich von daheim wegging, tat ich alles in meiner Macht Stehende, um dem Bild der perfekten Tochter zu entsprechen. Was sich danach nicht änderte. Ich ging auf ein College, suchte mir einen Job und heiratete einen Mann, von dem ich wusste, dass meine Eltern ihn gutheißen würden. Nichts davon machte mich glücklich. Als ich meine Scheidungspapiere unterschrieb, schwor ich mir, meine Zukunft nach meinen eigenen Bedingungen zu gestalten. Ich werde nichts mehr akzeptieren, weil ich das vermeintlich tun sollte, und nie wieder werde ich das Glück eines anderen über mein eigenes stellen.

Das ist mein Leben und ich werde es so leben, wie ich es will.

Bei diesem Gedanken stehe ich auf und schaue zwischen den beiden Frauen hin und her. »Vielen Dank. Wenn Sie noch irgendetwas von mir benötigen, können Sie mich über mein Handy erreichen.« Ich wende mich an Sara. »Ich würde mich freuen, wenn Sie mir den Kontakt zu dem Bauunternehmen vermitteln. Könnten Sie mir die Kontaktdaten per E-Mail zuschicken?«

»Natürlich.«

»Danke.« Ich schiebe mir den Riemen meiner Tasche über die Schulter, verlasse das Büro und gehe zu meinem Auto. Danach fahre ich ins Hotel, checke aus und lege auf dem Weg zu meinem neuen Zuhause einen Zwischenstopp bei Target ein.

2. Kapitel

Aria

Im Schneidersitz hocke ich auf dem orangefarbenen Zottelteppich in jenem Zimmer, das eines Tages mein Büro sein wird. Mit meinem Laptop auf dem Schoß klicke ich auf mein aktuelles Projekt. Normalerweise schreibe ich Abenteuerromane mit einem übersinnlichen Touch für Jugendliche, aber seit geraumer Zeit habe ich eine andere Geschichte im Kopf, an der ich mich endlich versuchen will. Eine romantische Komödie über zwei Protagonisten, die von ihren verrückten Müttern immer wieder gemeinsam in witzige Situationen gebracht werden und schließlich die große Liebe finden.

Als ich anfange, mich in der Geschichte zu verlieren und meine Finger nur so über die Tastatur fliegen, höre ich ein seltsames Geräusch, das aus der Küche oder dem Wohnzimmer zu kommen scheint. Ich halte inne und blicke zu der offen stehenden Tür. Von meiner Position aus kann ich nichts erkennen, aber das Geräusch wird eindeutig lauter. Da ich erst eine Nacht und die Hälfte des heutigen Tages hier verbracht habe, weiß ich nicht, ob das normal für dieses Haus ist. Ich stehe auf und sehe in der Küche nach dem Rechten. Als ich nichts Auffälliges entdecken kann, umrunde ich die halbhohe Wand, die Küche und Wohnzimmer voneinander trennt, und keuche entsetzt auf.

Wasser läuft aus der Decke – nicht nur ein bisschen, sondern jede Menge. Aufgrund der Nässe gibt die weiße Gipskartonplatte nach und bröckelt auf den blauen Zottelteppich darunter. Es sieht beinahe so aus, als würde ein Gletscher in ein Meer stürzen, das inmitten meines Wohnzimmers heranwächst. Wie angewurzelt beobachte ich das Geschehen, ehe ich mich ruckartig in Bewegung setze.

Ich renne die Treppe hinauf zur Wäschekammer, rutsche auf dem glatten Linoleum aus und pralle mit der Hüfte sowie meinem Ellenbogen auf dem Boden auf. Ein scharfer Schmerz schießt durch meinen Körper, aber ich ignoriere ihn, rapple mich wieder auf und schlittere abermals über den nassen Boden. Gott sei Dank bekomme ich den Deckel der Waschmaschine auf, und als das Wasser versiegt, sende ich ein stilles Dankgebet gen Himmel. Ich bin seit einer Woche in der Stadt und brauchte dringend saubere Kleidung. Da ich nun sowohl eine Waschmaschine als auch einen Trockner besitze, beschloss ich, mich um meine gesamte Schmutzwäsche zu kümmern. Tja, damit hätte ich wohl warten sollen.

Mein Atem kommt stoßweise, während ich das Chaos um mich herum betrachte. Als ich kurz darauf wieder nach unten gehe und den Schaden in Augenschein nehme, möchte ich weinen. Gestern bei Target habe ich ein einziges Handtuch gekauft, weil ich nicht die Notwendigkeit für weitere sah, wenn meine mit dem Rest meiner Sachen in ein paar Tagen geliefert werden. Allerdings wird ein Stück Stoff allein den Wassermengen niemals Herr werden.

Ich senke die Lider und erlaube mir, eine einzige Träne zu vergießen, bevor ich tief durchatme und nach meinem Handy greife. Wie versprochen, hat mir Sara gestern die Kontaktdaten des Bauunternehmens zugemailt. Ich hätte nicht gedacht, dass ich dort so schnell anrufen würde, aber jetzt bleibt mir keine andere Wahl. Also gebe ich mir einen Ruck. Ein älterer Herr nimmt meinen Anruf entgegen und verspricht mir, schnellstmöglich jemanden vorbeizuschicken. Da alle meine Klamotten pitschnass auf dem Grund der Waschmaschine schwimmen, muss ich in nichts als einem meiner Lieblingsnachthemden aus Baumwolle – ich habe weder einen BH noch ein Höschen an – darauf warten, dass ein Mitarbeiter der Baufirma vorbeikommt. Ehrlich, dieser Tag könnte nicht schlimmer werden.

Okay, da habe ich mich scheinbar geirrt. Als ich die Vordertür öffne, stehe ich einem verdammt großen Kerl gegenüber. Sein blondes Haar ist länger als bei den meisten Männern, seine Augen sind so blau und klar, dass ich mein Abbild darin erkennen kann. Unter seinem engen T-Shirt zeichnen sich seine Muskeln deutlich ab. Seine Arme sind über und über mit Tattoos bedeckt, die mich fast schon magisch anziehen.

Ich kenne Tide aus meiner Kindheit. Wir waren nie befreundet, aber ich war heftig in ihn verliebt. Nicht, dass ihm das jemals aufgefallen wäre. Wir hingen nicht mit denselben Leuten ab. Himmel, wir haben nicht mal miteinander geredet. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, meinen Eltern gefällig zu sein, und er damit, Football zu spielen und jedes Mädchen zu daten, das ihn ranließ. Mehr als einen kurzen Blick oder ein Nicken im Vorbeigehen bekam ich nicht, wenn wir uns auf dem Schulflur zwischen den Unterrichtsstunden oder auf dem Weg zum Mittagessen begegneten.

Für ihn war ich nur eines der reichen Kids. Er war für mich der Junge, den ich wollte; nicht nur, weil er superheiß war – und es offensichtlich noch ist. Er war außerdem nett und hat diejenigen verteidigt, die es nicht selbst konnten. Ich kann unmöglich aufzählen, wie oft er sich für jemanden stark gemacht hat oder sich prügelte, um eines der Kinder zu beschützen, die eine Zielscheibe für Mobbing waren.

Ich wollte wie er sein. Tief in meinem Herzen hätte ich gerne den Mut gehabt, diesen Idioten zu sagen, dass sie aufhören sollen. Meinen Eltern, dass sie gefälligst erwachsen werden und endlich merken sollen, was sie mir und einander antaten. Doch ich habe nie irgendetwas davon getan, was nicht für die Person spricht, die ich einst war. Ich hoffe nur, dass es noch nicht zu spät ist, mich und mein Verhalten zu ändern.

»Überschwemmung.«

Dieses Wort reißt mich aus meinen Erinnerungen und ich schüttle irritiert den Kopf. Es ist offensichtlich, dass er mehr gesagt hat, aber ich habe nur das gehört. »Wie bitte?«

Er mustert mich für einen Moment, als versuche er, mich einzuordnen und herauszufinden, ob beziehungsweise woher er mich kennt, ehe er über meine Schulter hinweg ins Haus sieht. »Mein Vorarbeiter meinte, es gebe hier eine Überschwemmung.«

»Entschuldigung.« Ich bemühe mich, wieder Herr meiner Sinne zu werden, und halte ihm die Tür auf. Meine Wangen glühen. »Die Waschmaschine ... Sie muss kaputt sein. Das Wasser ist ausgelaufen und durch die Decke im Wohnzimmer gebrochen. Ich glaube, irgendetwas stimmt mit der Maschine nicht.« Himmelherrgott, könnte ich noch idiotischer klingen?

»Ich schaue es mir mal an.«

Ohne Umschweife geht er an mir vorbei und direkt nach oben, ohne dass ich ihm die Richtung weisen muss. Ich folge ihm und kann meinen Blick weder von seinem Hintern noch von seiner muskulösen Rückansicht reißen. Bisher habe ich den Rücken eines Mannes noch nie für attraktiv befunden, was offensichtlich ein Fehler war.

Im Waschraum angekommen, bleibe ich hinter ihm stehen und beobachte, wie er die schwere Maschine von der Wand zieht, als wäre sie federleicht. Er verschwindet dahinter, und ich stelle mich auf die Zehenspitzen, um zu erkennen, was er tut. Vergeblich. Mit meinen ein Meter fünfundfünfzig kann ich ohne Hilfe nicht mal die Sachen auf den oberen Regalen im Supermarkt erreichen. Über den nach oben geklappten Deckel der Waschmaschine kann ich erst recht nicht spähen. Tide rumort eine Weile dahinter rum und taucht wieder auf.

»Der Schlauch war nicht mit dem Abfluss verbunden. Sieht so aus, als wollte sie jemand mitnehmen, hat es sich dann aber anders überlegt.«

»Echt?« Ich betrachte das wasserspeiende Ungetüm. »Sie war im Kaufpreis des Hauses mit inbegriffen, zusammen mit dem Trockner und den Küchengeräten.«

Tide mustert mich für einen Moment. »War es eine Zwangsvollstreckung?« Er fährt sich mit einer Hand durch sein dunkelblondes Haar und schiebt sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht. »Manchmal werden die Betroffenen sauer und wollen dem Käufer eins auswischen.«

»Nein«, entgegne ich und schlinge die Arme um meinen Körper. »Die ursprünglichen Besitzer lassen sich scheiden.«

»Auch eine passende Gelegenheit. Die Leute können echt fies sein, wenn ihr eigenes Leben den Bach runtergeht. Hin und wieder wollen sie andere mit hineinziehen.«

»Na super.« Ich beiße mir auf die Unterlippe und sehe zur Seite. »Sollte ich jemanden anrufen, um den Gasherd überprüfen zu lassen? Ich bin nicht sonderlich erpicht darauf, wegen der Eheprobleme anderer und eines Gaslecks in die Luft zu fliegen.«

Er lacht, und als ich mich zu ihm umdrehe, wirft er amüsiert den Kopf in den Nacken – und sieht ungemein gut dabei aus. Sein Lachen klingt tief und echt, was ein seltsames Gefühl in meinem Inneren auslöst. Als er mich aus seinen klaren blauen Augen anschaut, fällt mir das Atmen schwerer. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er sich nicht an mich erinnert, dennoch kommt es mir vor, als hätte er mir soeben etwas gegeben, das nicht vielen zuteilwird.

»Ich überprüfe die Leitung.« Er klappt den Deckel der Waschmaschine hinunter, woraufhin sie wieder zu laufen beginnt, und schiebt sie zurück an die Wand. »Du bist zu hübsch, um in die Luft gejagt zu werden.«

Hat er mich gerade hübsch genannt?

Ja, definitiv. Auch wenn ein Teil von mir glaubt, dass ich mich verhört habe. Nach all den Jahren mit meinen Eltern und jenen an der Seite meines Ex-Mannes entdecke ich bei einem Blick in den Spiegel nur das, was sie in mir gesehen haben. Eine Frau mit tollen Haaren, die jedoch weder rot noch blond sind. Helle Haut und zu viele Sommersprossen. Zu große blaue Augen, volle Lippen und ein Körper, der der Norm entsprechen würde, wenn ich zu Marilyn Monroes Ära gelebt hätte. Leider gilt man mit einer Kleidergröße achtunddreißig oder gar vierzig heutzutage als unattraktiv. Dumm wie ich war, habe ich über Jahre hinweg gehungert und wie eine Irre Sport getrieben, in dem Versuch, mich diesem Ideal anzupassen.

Nicht, dass das je geklappt hätte. Ich war noch nie schmaler als eine sechsunddreißig und seit meiner Scheidung trage ich durchgehend Größe vierzig, manchmal auch zweiundvierzig. Ich denke nicht, dass ich hässlich bin; mein Erscheinungsbild finde ich passabel, aber nicht hübsch. Wenn ich darüber nachdenke, hat mich noch nie jemand so bezeichnet.

Ich drücke meine Nägel in meine Handflächen und verdränge all diese Gedanken.

»Ich werde mir mal den Schaden im Erdgeschoss ansehen und sicherstellen, dass alles richtig angeschlossen ist, bevor ich wieder gehe«, meldet sich Tide zu Wort.

»Okay«, stimme ich leise zu.

Er hält für eine Weile meinen Blick gefangen, und ich habe das Gefühl, dass er mehr darin erkennen kann, als er sollte. Als wüsste er, was in mir vorgeht und was ich denke. Der Moment zwischen uns ist vorbei, als er mir bedeutet, mich in Bewegung zu setzen. Ich folge seiner Aufforderung und laufe vor ihm die Treppe hinunter. Wie wenig ich anhabe, wird mir dabei noch bewusster als vorhin. Im Wohnzimmer angekommen, schaue ich hinauf zur Decke. Sie ist weiter gebröckelt und ein großes Loch klafft dort, wo einmal die Trockenmauer war. Das Wasser hat zudem eine Spur dunkler Flecken hinterlassen.

»Scheiße«, zischt er.

Ich drehe mich zu ihm um. »Was ist?«

»Babe, die gesamte Decke in diesem Raum muss erneuert werden.« Er senkt den Kopf. »Der Teppich auch. Vielleicht sogar der Boden darunter.«

»Wie viel?«

»Wie bitte?«

»Wie viel wird es kosten, alles zu richten?«

»Mehrere tausend.« Er mustert mich und wirkt angesichts meiner Frage überrascht.

»Na toll«, stöhne ich. Sicher, ich habe ein wenig Geld für Notfälle beiseitegelegt und auch ein bisschen für die Renovierung des Hauses, aber für diese unerwartete Katastrophe wollte ich mein Erspartes ursprünglich nicht aus dem Fenster werfen. »Vielleicht kann ich so tun, als wäre es ein Dachfenster.«

»Wie bitte?«

»Nichts.« Ich wende mich um und begebe mich in die Küche. Möglicherweise könnte ich mir das Loch zu einem Dachfenster mit einzigartiger Aussicht schönreden, aber bei dem Herd, den ich bisher noch nicht benutzt habe, will ich nichts riskieren. »Könntest du sicherstellen, dass ich nicht sterbe, wenn ich dieses Ding anstelle?« Ich klopfe mit der Hand gegen die Tür des Backofens. Gestern bei Target habe ich eine dieser billigen Kaffeekannen besorgt. Außerdem Kaffee, Cola Light, Bagels und Frischkäse, weil ich die Bagels sowohl warm als auch kalt sowie morgens und mittags essen kann.

»Sara meinte, du wärst eine berühmte Autorin«, setzt Tide an, und ich werde stocksteif, als er auf mich zukommt. »Ich denke nicht, dass du dir wegen ein paar Tausender den Kopf zerbrechen musst.«

»Ich bin nicht berühmt. Ich bin zwar Autorin, aber das ist verdammt viel Geld, wenn man nicht nur für sich selbst sorgen muss.«

Bei meinen Worten verändert sich seine Miene. »Okay, verstanden«, murmelt er, dann zieht er den Herd nach vorn und sieht dahinter nach dem Rechten. »Die Gasleitung ist in Ordnung. Du kannst ihn gefahrlos benutzen.« Er schiebt das Gerät wieder an seinen Platz. Anschließend macht er sich auf den Weg zur Haustür, hält aber mit einer Hand an der Klinke inne. »Wenn du die Materialkosten übernimmst, mache ich dir einen Deal. Ich komme nach meinem Job zu dir und kümmere mich um die Instandsetzungen. So sparst du zwar nicht viel, vielleicht ein paar hundert Dollar, aber immerhin ein bisschen.«

Mir schnürt sich die Brust zu und ein Kloß bildet sich in meinem Hals.

»Da du vermutlich zeitnah mit den Reparaturen anfangen willst, müsste ich wissen, wie wir weiter verfahren.«

Zittrig atme ich ein und wieder aus. »Du musst mir keinen Deal anbieten oder dergleichen. Ich habe Geld für die Renovierung beiseitegelegt; davon werde ich was abzwacken. Aber danke, das Angebot ist wirklich lieb.«

»Bist du dir sicher? Ich könnte ein paar Sachen besorgen und mich heute Abend an die Arbeit machen. Die Decke ist nicht mehr zu retten, aber wenn ich den Teppich gleich rausreiße, kann ich den Boden darunter vielleicht erhalten.«

»Ich möchte dich nicht darum bemühen, nachdem du bereits den ganzen Tag geschuftet hast. Ich bin mir sicher, dass du mit deiner Zeit Besseres anfangen kannst.«

Ein frustrierter Ausdruck tritt auf seine Züge. »Meine Tochter ist diese Woche bei ihrer Mom, also habe ich genug Stunden totzuschlagen. Wenn ich dabei Geld verdienen kann, umso besser.«

Tochter.

Er hat eine Tochter? Warum wusste ich nichts davon? Klar, ich bin nicht auf dem Laufenden, was das Leben meiner ehemaligen Mitschüler betrifft, trotzdem checke ich hin und wieder Facebook. Diese Info sollte es irgendwann bis zu mir geschafft haben. Er meinte, sie sei bei ihrer Mom. Heißt das, dass er mit der Mutter des Mädchens nicht mehr zusammen ist?

»Also passt dir das so?«

»Ähm, ja, natürlich. Danke noch mal für ... Tja, für alles. Ich weiß das zu schätzen.«

»Kein Problem.« Er nickt mir zum Abschied zu und tritt nach draußen. Ich erhalte nicht die Gelegenheit, die Tür zuzumachen. »Schließ ab. Ich komme nachher wieder«, ruft er mir über seine Schulter hinweg zu.

Ich tue, wie mir geheißen. »Was zur Hölle war das?«, frage ich in die Stille des Hauses.

Natürlich bleibt es mir eine Antwort schuldig, also eile ich nach oben und überprüfe, ob die Waschmaschine wirklich nicht mehr leckt. Als ich sehe, dass alles in Ordnung ist, mache ich es mir auf meiner aufblasbaren Matratze bequem und starre Löcher in die Luft, bis ich die Wäsche in den Trockner tun muss. Eines steht fest: Wenn ich Tide das nächste Mal begegne, will ich angezogen sein.

3. Kapitel

Aria

Ich habe es mir mit einer Dose Cola Light und meinem Handy auf der aufblasbaren Matratze gemütlich gemacht und schaue mir lustige Katzenvideos an. Erst in zwei Tagen werde ich einen richtigen Internetzugang bekommen, was gut passt, da morgen mein Heimcomputer, mein Fernseher und meine Möbel geliefert werden. Wenn die Sachen hier sind, kann der Techniker alles Notwendige gleich mit anschließen. Während der letzten Tage habe ich nicht gearbeitet. Der Plan, eine romantische Komödie zu schreiben, wurde mittlerweile von der Idee einer anderen Lovestory ersetzt. Ich bin mir mittlerweile aber auch nicht sicher, ob ich diese Geschichte umsetzen kann, was bedeutet, dass ich keine Zeile zu Papier gebracht habe. Worüber sich meine Agentin und meine Verlegerin überhaupt nicht freuten.

Die Pause hat mir allerdings gutgetan. Obwohl ich über mein Smartphone Zugriff auf meine Autorenseiten und mein Postfach habe, fehlte das Bedürfnis, alle paar Minuten nachzuschauen. Wenn ich E-Mails erhalte, in der Regel von meiner Agentin und meiner Herausgeberin, antworte ich natürlich, aber ansonsten habe ich mich zurückgelehnt und diese dringend benötigte Auszeit genossen.

Es ist mir zudem gelungen, meinen Eltern aus dem Weg zu gehen, indem ich ihnen erzählte, dass der Hauskauf zwar abgeschlossen ist, ich aktuell aber damit beschäftigt bin, die notwendigen Vorbereitungen für das Umzugsunternehmen zu treffen. Sie waren nicht begeistert, aber ich habe sie mit einem Versprechen beschwichtigt, dass wir hier zusammen zu Abend essen, wenn alles eingerichtet ist.

Ich nehme einen weiteren Schluck von meiner Cola Light, um den Kloß in meinem Hals zu vertreiben, ehe ich meine halb volle Dose vorsichtig auf den Boden stelle. Dabei spüre ich leichte Vibrationen, die von unten kommen, und sofort schiebt sich ein Bild von Tide vor mein geistiges Auge, der momentan die Decke im Wohnzimmer ersetzt.

Ich sehe nur allzu deutlich vor mir, wie sich sein dunkelblaues T-Shirt eng um seine definierte Brust, seine Bauchmuskeln und seine durchtrainierten Arme spannt, während er eine Trockenbauwand festhämmert. An den letzten beiden Abenden habe ich beobachtet, wie er den Teppich rausriss und die nasse Decke entfernte. Auch wenn wir nur wenige Worte miteinander wechseln, schaue ich ihm bei der Arbeit zu, ohne dass er es bislang bemerkt hat. Ich versuche, ihm möglichst nicht in die Quere zu kommen, wenn ich aber ehrlich zu mir selbst bin, meide ich ihn.

Als ich ein lautes Krachen und derbes Fluchen höre, springe ich auf und laufe die Treppe runter. Im Wohnzimmer bleibe ich stehen und blicke mich um. An der Wand lehnt ein Stück ramponierte Gipskartonplatte und Tide stemmt eine weitere, intakte Platte über seinen Kopf, während er sich auf die Leiter in der Mitte des Raums zubewegt.

»Ist alles in Ordnung?«

Bei meiner Frage dreht er sich zu mir um. »Ja«, antwortet er ächzend und erklimmt mit gekonnten Schritten die Metallstufen. Rasch eile ich zu ihm, klettere die ersten sechs Stufen hinterher und helfe ihm, die Trockenwand an Ort und Stelle zu halten, als er die Nagelpistole aus dem Gürtel um seine Hüften zieht. »Babe, was zur Hölle machst du da? Geh runter.«

»Nein.« Ich sehe ihn nicht an, sondern steige noch eine Stufe höher, um meine Arme etwas zu entlasten, die unter dem Gewicht der Platte zu zittern beginnen.

»Geh runter.«

»Mach einfach«, zische ich und kämpfe gegen meine schwindenden Kräfte an. Gott, ich muss wirklich mehr trainieren.

»Zum Teufel«, knurrt er, bevor er loslegt. Bei jedem einzelnen Schuss der Nagelpistole zucke ich zusammen. Erst als ich sicher bin, dass es hält, lasse ich los und klettere die Leiter wieder runter. Als Stille eintritt, sehe ich auf und begegne Tides Blick. Er ist wütend. Auch wenn ich ihn nicht gut kenne, entgehen mir der aufgebrachte Ausdruck in seinen Augen und die Anspannung in seinem Kiefer nicht. »Was zur Hölle hast du dir dabei gedacht?« Der Klang seiner Stimme hallt durch den Raum und erfüllt mich bis in den letzten Winkel.

Ich straffe die Schultern und recke das Kinn. »Ich habe dir geholfen.«

»Mir ist klar, dass du das meinst, Babe, aber was hättest du gemacht, wenn die Leiter unter der Last von uns zwei nachgegeben hätte?«

Mist, das habe ich nicht bedacht.

»Siehst du ... Und was glaubst du, wäre passiert, wenn einer der Nägel abgeprallt wäre und dich getroffen hätte?«

Verdammt. Auf die Idee bin ich auch nicht gekommen. »Ist so was überhaupt möglich?«

»Frag mal meinen Freund Tiny, der kürzlich einen Nagel aus seiner Schulter entfernen lassen musste.«

Autsch.

»Ich habe nur versucht zu helfen«, erwidere ich leise.

»Das tust du, indem du mir nicht hilfst.«

Ich ziehe die Nase kraus. Er hat die ganze Zeit über allein gearbeitet und trotz seiner Kraft sowie Erfahrung ist es offensichtlich nicht einfach, ohne Unterstützung eine Decke anzubringen. »Warum lässt du dir nicht von jemandem helfen?«

»Weil ich hierbei kein weiteres Paar Hände brauche«, antwortet er, schiebt die Leiter ein Stück zur Seite und greift nach der nächsten Platte. Als er sie über seinen Kopf stemmt, beobachte ich das Spiel seiner Muskeln.

Als er jedoch die Metallstufen erreicht, trete ich instinktiv nach vorn und halte den Gipskarton in Waage, damit Tide ihn platzieren kann.

»Ernsthaft?«

Mich nicht noch einmal entschuldigend, warte ich ab, ohne Tide anzusehen. Er stößt ein genervtes Brummen aus, und einen Moment später zucke ich erschrocken zusammen, als erneut das Geräusch der Nagelpistole ertönt. Anschließend klettere ich zurück nach unten. Als sich eine warme, starke Hand um meine Finger schließt, halte ich inne – einen Fuß auf dem Boden, den anderen in der Luft.

»Was habe ich gesagt?«

Vorsichtig linse ich zu ihm hoch und oh Gott. Er wirkte vorhin schon sauer, was aber nichts gegen jetzt ist.

»Ich versuche nur, dir zur Hand zu gehen.«

»Was unnötig ist. Wenn ich Unterstützung bräuchte, würde ich einen meiner Jungs anrufen.«

»Also schön.« Ich werfe meine Arme in die Luft. »Aber lauf nicht heulend zu mir, wenn dir eine dieser Trockenbauwände auf den Kopf kracht und dich ausknockt.«

»Das wird nicht passieren«, meint er und greift nach der nächsten Deckenplatte. Als er wieder bei der Leiter ist, wirft er mir einen Blick zu, um sicherzustellen, dass ich nicht noch einmal Anstalten mache, ihm hinterherzuklettern.

»Ich rühre mich keinen Zentimeter.«

»Ja, und ich wette, es bringt dich förmlich um«, grummelt er, und ich schaue ihn aus zusammengekniffenen Augen an. Er hat recht; es juckt mir in den Fingern, mich in Bewegung zu setzen und ihm zu helfen, aber wenn er ein chauvinistischer Alpha-Mann sein will, bitte sehr ...

»Machen Sie weiter, Sir.« Ich salutiere und entdecke, wie seine Mundwinkel zucken, als er die Stufen hinaufsteigt. Dann beobachte ich voller Ehrfurcht, wie er die Platte mühelos an der Decke festnagelt. Er scheint das wirklich im Alleingang bewerkstelligen zu können.

»Sieh mal einer an, jetzt herrscht plötzlich Ruhe auf den billigen Plätzen.« Grinsend stützt er seine Ellenbogen auf die Leiter. Himmel, er sieht viel zu gut aus.

»Angeben ist kein feiner Charakterzug.«

»Also möchtest du lieber, dass ich bewusstlos auf deinem Wohnzimmerboden ende, ohne Rettung in Sicht, weil du dich weigerst, mir zu helfen?«, neckt er und zieht eine Braue hoch.

»Geh mir nicht auf den Keks.« Ich drehe mich um und höre ihn hinter mir lachen, als ich in die Küche stürme. Ich öffne den Kühlschrank und hole die Zutaten für eines meiner Lieblingsgerichte heraus: ein einfaches Pfannengericht mit Reisnudeln, Hühnchen und Pad Thai-Sauce.

Nachdem das Fleisch, die Nudeln und das Gemüse fertig sind, gebe ich alles in einen Topf und füge die Sauce hinzu. Ich rühre mehrmals kräftig um, bis alles gleichmäßig damit bedeckt ist. Anschließend schnappe ich mir einen Pappteller und spähe hinüber zum Wohnzimmer. Mir ist klar, dass ich mich zurückhalten sollte, was mich aber nicht daran hindert, die halbhohe Wand zu umrunden.

»Ähm«, beginne ich, und als Tide mich ansieht, muss ich mir meine plötzlich schweißnassen Hände an der Vorderseite meiner Shorts abwischen. »Keine Ahnung, ob du schon gegessen hast, aber ich habe gekocht und du kannst gern etwas davon abhaben. Es ist genug da.«

»Ich dachte schon, ich müsste mir selbst zu einer Portion verhelfen, nachdem du nach oben verschwunden bist«, sagt er und kommt auf mich zu. »Es riecht gut.«

»Danke.« Am Saum meines Oberteils herumfummelnd, mache ich auf dem Absatz kehrt, um in die Küche zurückzukehren. »Magst du Thailändisch?«

»Ich habe es noch nie probiert«, entgegnet er, als ich einen weiteren Pappteller aus dem Schrank nehme und ihm in die Hand drücke.

»Sorry, das ist alles, was ich dahabe. Ich kriege meine Sachen erst in ein paar Tagen.«

»Willst du, dass ich mich schlecht fühle?«, fragt er, und ich halte inne – mit einem Pfannenwender voller Nudeln, Gemüse und Hühnchen im Griff. Tide zuckt mit den Schultern. »Ich lebe schon einige Jahre in meinem Haus und benutze immer noch Pappgeschirr. Vermutlich, weil ich ungern abspüle.«

»Du bist ein Mann. Ich bin mir sicher, es ist in deiner DNA verankert, jegliche Art von Putzen zu umgehen.«

»Touché.« Er grinst, und ich lade lachend eine riesige Portion auf seinen Teller, denn in Anbetracht seiner Statur scheint er nicht wenig zu essen. Anschließend reiche ich ihm eine Plastikgabel und eine Wasserflasche, die ich zuvor aus dem Kühlschrank geholt habe.

»Wir haben zwei Sitzmöglichkeiten – entweder die Verandastufen oder den Boden.«

»Die Veranda klingt gut«, meint er, und mit meiner Wasserflasche unter dem Arm geklemmt, gehe ich voraus und öffne die Vordertür. Draußen setze ich mich auf die oberste Stufe, platziere meinen Teller auf meinen Knien und stelle mein Wasser neben mir ab.

»Es ist wunderschön hier draußen«, sagt Tide und lässt sich neben mir nieder.

»Stimmt.« Ich frage mich, ob ich mich jemals daran gewöhnen werde, an einem so traumhaften Ort zu leben. Wenn die untergehende Sonne durch die Blätter der Bäume scheint und Schatten wirft, sieht es aus wie das Setting eines Fantasy-Romans. Als könnte jeden Moment ein Ritter auf einem weißen Pferd den Weg hinaufreiten, während Feen aus den Bäumen stürzen und einen vor dem bevorstehenden Untergang warnen. Kopfschüttelnd wische ich meine Gedanken fort. »Als ich diese Immobilie sah, wollte ich sie haben. Beim Anblick der Innenräume kamen mir jedoch Zweifel.«

»Es hat ein gutes Fundament. Ein paar Erneuerungen sind nötig, aber du hast eine gute Wahl getroffen.«

»Danke.« Ich wickle einige Nudeln mit meiner Gabel auf und nehme einen Bissen. Obwohl ich dieses Gericht oft zubereitet habe, ist es schon eine Weile her, also stöhne ich genießerisch, als sich die köstlichen Aromen in meinem Mund ausbreiten.

»Verdammt, das schmeckt gut«, sagt Tide, und ich drehe mich zu ihm, um ihn anzulächeln. »Ich hatte lange keine hausgemachte Mahlzeit mehr.«

»Hausgemacht würde ich es nicht nennen. Es ist bloß eine Tüte Pfannengemüse, eine Packung Reisnudeln, Hühnchen und eine Flasche Thai-Sauce.«

»Es stammt nicht aus einem Drive-in, was für mich gleichbedeutend mit hausgemacht ist.«

Ich kann nicht anders, als ihn eingehend zu mustern. Er ist keineswegs dünn. Er ist groß und kräftig gebaut, voller Muskeln, die davon zeugen, dass er auf sich achtgibt. Dennoch wirkt er, als würde er auch mal ein Bier trinken und wüsste gutes Essen zu schätzen. Neben ihm fühle ich mich zierlich und auf seltsame Weise weiblicher.

»Ich schreibe dir gern das Rezept auf, dann kannst du es bei Gelegenheit ausprobieren. Es ist wirklich einfach, alles zusammenzuwerfen.«

»Ich nehme mir eigentlich nur Zeit zum Kochen, wenn ich meine Tochter bei mir habe, und sie ist ziemlich wählerisch.«

»Wie alt ist sie?«

»Vier, fast fünf.«

»Das ist ein lustiges Alter«, erwidere ich leise. Meine ehemalige Schwägerin hat zwei Jungen, und als ich mit meinem Ex zusammenkam, war der eine vier und der andere kurz vor dem sechsten Geburtstag. Einige meiner Lieblingserinnerungen sind an jenen Wochenenden entstanden, wenn wir die beiden zu uns nahmen. Selbst wenn ich erschöpft war, als sie nach Hause gingen, habe ich es stets genossen, sie bei mir zu haben.

»Wie alt ist dein Spross?«

»Was?«

»Dein Kind, wie alt ist er oder sie?«

»Ich habe keines«, widerspreche ich mit gerunzelter Stirn und frage mich, warum er das glaubt.

»Du hast gesagt, du wärst für jemand anderen verantwortlich. Da nahm ich an, du hättest welche.«

Meine Wangen fangen an zu glühen, als mir klar wird, wie missverständlich meine Worte zu interpretieren waren. Ich hefte den Blick auf meinen Teller. »Ich habe keine Kinder. Mein Ex-Mann arbeitete für mich und war während unserer Ehe finanziell von mir abhängig. Als wir uns scheiden ließen, verlangte er Unterhalt.«

»Ernsthaft?« Tide versucht nicht einmal, seine Abscheu zu verbergen. »Er hat tatsächlich gerichtlich durchgesetzt, dass du ihn nach der Trennung aushalten musst?«

»So was passiert ständig.« Ich weiß nicht, warum das meine erste Antwort ist. Sollte es nicht sein. Mein Ex Josh ist absolut in der Lage, zu arbeiten und für sich selbst zu sorgen; er möchte nur seinen derzeitigen Lebensstil nicht aufgeben. Da er alleine nicht genug Geld verdient, um das zu bewerkstelligen, erwartet er, dass ich den Rest aufbringe, und leider haben die Gerichte ihm zugestimmt.

»Du hast recht«, murmelt Tide und wendet sich wieder seinem Essen zu. Ich versuche, das Gleiche zu tun, fühle mich aber unbehaglich und verlegen. Jeder Biss kommt mir gezwungen vor. »Meine Ex hat mir Blumen geschickt.«

»Wie bitte?« Ich drehe mich zu ihm um, und er begegnet meinem Blick.

»An dem Tag, als sie mich verließ, schickte sie mir Blumen. Auf der beigelegten Karte stand, dass sie und meine Tochter bereits aus unserem gemeinsamen Haus ausgezogen wären, wenn ich das lese.«

»Autsch.«

»Mich verletzte nur, dass sie mir mein Kind weggenommen hat.« Angesichts des Schmerzes in seiner Stimme zieht sich mein Herz zusammen und ich lehne mich leicht an ihn.

»Es tut mir leid.«