Familienurlaub könnte so schön sein, wenn bloß Mutter nicht mit dabei wäre! Band 5 - Jörn Kolder - E-Book

Familienurlaub könnte so schön sein, wenn bloß Mutter nicht mit dabei wäre! Band 5 E-Book

Jörn Kolder

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Beschreibung

Nachdem Ministerpräsident Frieder Bergmann auch noch zum Professor ernannt wurde steht für seine Mutter fest, dass der diesjährige Urlaub dementsprechend standesgemäß ausfallen muss. Hannelore Bergmann ist nunmehr mit Peter Petersen verheiratet und schlägt einen gemeinsamen Urlaub an Bord eines Kreuzfahrtschiffes vor. Schon die peinlichen Ereignisse beim Kapitänsdinner lassen ahnen, dass es wieder zu vertrackten Situationen kommen wird. Es dauert tatsächlich nicht lange, und Frieder Bergmann gerät mächtig in die Bredouille. Um sich vor einer Rettungsübung wegen seiner Höhenangst zu drücken, sucht sich Bergmann ein Versteck an Bord. Jenes, welches er auswählt, bringt ihn in eine außerordentlich gefährliche Situation, aus der er erst in letzter Minute gerettet wird. Um von seiner wirren Handlung abzulenken behauptet Bergmann, dass Terroristen an Bord dafür verantwortlich gewesen wären. Gemeinsam mit Petersen, Rüdiger und Nils macht er sich auf die Suche nach den scheinbar Verdächtigen. Auch diese Aktion endet in einem furchtbaren Debakel. Bergmann will tätige Reue zeigen und übernimmt einen Dienst in der Putzkolone des Schiffes. Dort arbeirbeiten überwiegend Leute aus Asien. Dass er auch in diesem Job Durcheinander stiftet und vor allem älteren Frauen als sexgeiler Kerl erscheint, ist das peinliche Ergebnis dieser Arbeit. Der Abend im Revuetheater des Schiffes endet ebenfalls mit einigen Schäden. Peter Petersen tut es Bergmann gleich und sorgt beim Landgang in Vilnius für Chaos. Dass Bergmann zu guter Letzt auch noch einen Brand an Bord verursacht, ist wegen seiner ständig anhaltenden Pechsträhne nicht weiter verwunderlich. Dennoch geht alles glimpflich aus, und Frieder Bergmann erhält am Ende der Reise noch ein sensationelles Angebot für einen neuen Job.

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Seitenzahl: 246

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Impressum

Familienurlaub könnte so schön sein, wenn bloß Mutter nicht mit dabei wäre!

Band 5

Frieder Bergmanns erste große Schiffsreise

oder:

An Bord bricht Chaos aus!

Copyright: © 2014 Ronald Weißig

Published by: epubli GmbH, Berlin

www. epubli.de

ISBN 978-3-8442-9491-0

Der große Tag

Gourmetküche

Einschiffen

Das Kapitänsdinner

Die Rettungsübung

Auf der Suche nach den Sprengsätzen

Die Mall

In der Putzkolonne

Im Revuetheater

Das Militärmuseum in Vilnius

Die erotische Massage

Abschiedsabend

Der große Tag

„… und gratuliere Ihnen von Herzen zu Ihrer Berufung zum Professor für Verwaltungsrecht, sehr geehrter Herr Ministerpräsident“ sagte der Mann hinter dem Pult.

Frieder Bergmann strahlte, dann erhob er sich von seinem Platz und ging nach vorn. Der andere Mann schüttelte ihm lange die Hand und sagte einige Sätze zu Bergmann, die allerdings im Applaus untergingen, dann wies er auf das Pult. Bergmann postierte sich dort und blickte einen Moment in den Festsaal des Rathauses. Vor ihm saßen ungefähr 200 Leute, die Elite des Landes hatte sich zu dem heutigen Festakt eingefunden. Seine Familie war ebenfalls mit im Saal.

„Meine sehr geehrten Damen und Herren“ begann er seine Ansprache „ich blicke nunmehr auf mehr als 30 Jahre im Verwaltungsdienst zurück. Angefangen habe ich damals mit einer mechanischen Schreibmaschine, Bergen von Papier, schlechten Telefonverbindungen und als einfacher Sachbearbeiter. Nach und nach änderten sich die technischen Bedingungen, die Arbeit konnte effektiver durchgeführt werden. Auch mein Erfahrungswissen wuchs und so wurde ich erst Abteilungsleiter, dann Referatsleiter, und schließlich wurde mir die Leitung eines Amtes übertragen. Bei meiner beruflichen Entwicklung war es mir immer wichtig gewesen meine Mitarbeiter auf diesem Weg mitzunehmen. Das betrachte ich auch als Garant für die Erfolge, die ich vielfach vorweisen kann. Meine Berufung zum Minister im vorigen Jahr war durchaus folgerichtig, weil ich stets auf Bürgernähe gesetzt habe und mich als Dienstleister sehe, nicht als wirklichkeitsfremder Manager der öffentlichen Geschicke. Sehen Sie, man muss in Zeiten der Politikverdrossenheit immer den Bürger im Blick behalten. Er ist kein Störfaktor in unseren Abläufen, sondern überhaupt die Basis unseres Handelns. Wer, wenn nicht unsere Menschen, schaffen den Wohlstand in unserem Land? Wer, wenn nicht unsere Menschen, haben ein Recht darauf, dass ihre Interessen berücksichtigt werden? Ich könnte Ihnen heute noch viele Argumente nennen die uns in die Pflicht nehmen eine moderne Verwaltung zu etablieren, die innovativ, schnell und flexibel auf sich ändernde Umweltbedingungen reagieren kann. Leider fehlt mir an diesem schönen Tag die Zeit, Ihnen eine ausführliche Sicht auf diese Dinge vorzutragen. Um es ganz offen zu sagen: mich ruft noch ein weiterer Termin. Nämlich eine Hochzeitsfeier. Bitte verzeihen Sie mir, dass unsere Begegnung heute so kurz ausfällt. Seien Sie aber meine Gäste zum anschließenden Empfang. Um es ganz klar zu sagen: das Buffet, das Rahmenprogramm, die Raummiete, alles habe ich aus meiner eigenen Schatulle finanziert. Vielleicht erinnern Sie sich noch an einen gewissen Wu… der es damit nicht so genau nahm. So etwas werden Sie bei mir niemals erleben! Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag!“

Die Gäste erhoben sich und applaudierten wieder heftig. Beim Weg zum Ausgang musste Frieder Bergmann viele Hände schütteln und konnte erst nach geraumer Zeit seinen Dienstwagen, eine Mercedes S-Klasse, besteigen. Der Chauffeur kannte das Ziel. Seine Familie nahm zwei Taxis. Bergmann drückte sich in die weichen und duftenden Lederpolster und ließ den bisherigen Verlauf des Tages kurz Revue passieren. Nachdem seine Habilitationsschrift kurz vor Weihnachten fertiggestellt worden war (vor allem von Claudia und Nils) hatte man den 6. Januar – also heute - für die Verteidigung festgelegt. Frieder Bergmann hatte dieser Sache vollkommen gelassen entgegen gesehen, schließlich würde die Prüfungskommission ihn als Ministerpräsidenten kaum mit irgendwelchen lästigen Fragen löchern und genauso kam es auch. Er trug lässig vor und nach kaum 30 Minuten war er zum Professor berufen worden. Ab sofort lautete sein Titel: Ministerpräsident Professor Doktor Frieder Bergmann.

Wie es in seiner Familie abgesprochen worden war, besorgte sich Peter Petersen einen Termin für die Trauung am Tag von Bergmanns Verteidigung. Dorthin war das Dienstfahrzeug jetzt unterwegs. Da es bei Frieder Bergmanns Doktorfeier im vorigen Jahr recht rustikal zugegangen war hatte seine Mutter darauf bestanden, den beiden Anlässen entsprechend – ihrer Hochzeit und seiner Ernennung zum Professor – diesmal eine seriöse und gediegene Feier zu veranstalten. Über den Ort dieses Ereignisses hatte es im Vorfeld lange Diskussionen im Familienkreis gegeben.

„Weißt du was Hannelore“ hatte Peter Petersen gesagt „ich bin ein einfacher ehemaliger Bulle und ein ordentlicher Schnaps ist mir lieber als Sekt oder so was. Warum willst du unbedingt in diesem vornehmen Hotel feiern, da müssen wir uns doch alle furchtbar in Schale werfen und außerdem wird es sau teuer sein.“

„Es bleibt dabei“ hatte seine zukünftige Ehefrau geantwortet „diesmal werden Frieder und du nicht wieder so ein Chaos stiften wie beim letzten Mal. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie wir wegen dir den Notarzt rufen mussten und das möchte ich für unsere Feier ausschließen. Nicht vorzustellen, wenn ihr beiden wieder aus der Rolle fallt und die Öffentlichkeit bekommt davon Wind. Frieder als Ministerpräsident muss sich jetzt sehr vorsehen, er steht nämlich unter Beobachtung der Medien und das fehlte noch, dass er wieder ein peinliches Ding dreht und das publik wird. Wir werden also im Hotel in feinster Atmosphäre feiern und ihr werdet euch an diesem Tag zusammen reißen.“

„Aber die Kosten“ sagte Paula.

„Na und, schließlich wird man nur einmal im Leben Professor“ erwiderte Hannelore Bergmann leichthin.

„Ähm, Schwiegermutter, wir feiern deine Hochzeit und Frieders Ernennung zusammen“ warf Petra ein „da wird auch einiges auf dich und Peter zukommen.“

„Wieso“ fragte Hannelore Bergmann verwundert „ich gehe davon aus, dass Frieder in seiner jetzigen Funktion über erhebliche Barmittel verfügt und er natürlich die Feier ausrichten wird. Das dürfte er seiner Mutter auch schuldig sein, schließlich habe ich ihn mühevoll großgezogen und ich kann euch sagen, dass das weiß Gott keine leichte Arbeit war. Wenn ich nur daran denke, wie oft ich den Glaser bezahlen musste, weil der Junge wieder mal eine Scheibe eingeschmissen oder andere Sachen verbockt hatte, komme ich auf einen Batzen Geld, den ich damals hätte sinnvoller verwenden können. Wie siehst du das Frieder?“

Frieder Bergmann steckte in der Zwickmühle.

Finanzielle Sorgen waren ihm völlig fremd, denn er verdiente als Ministerpräsident mehr, als er ausgeben konnte. Dazu kam noch die monatliche Dotierung für den Verdienstorden aus Österreich und auch die Dividende der Aktien aus Claudias und Nils Firmen, an der mit 25 Prozent beteiligt war, fiel von Jahr zu Jahr üppiger aus. Wie viel er auf dem Konto hatte konnte er gar nicht beziffern, da er diese Angelegenheit Petra überließ. Ihre Eigentumswohnung war abgezahlt und zusätzlich vermietete er noch 2 weitere Wohnungen in Toplagen der Stadt. Was er für sich selbst brauchte war wenig, Kosten für ein Auto fielen nicht an und mit dem Kleidergeld – welches ihm monatlich mit seinem Gehalt überwiesen wurde – kam er locker hin. Als er seine monatlichen Bezüge grob überschlug kam er auf 25.000 Euro für den Ministerpräsidenten, 1.000 Euro für den Verdienstorden, auf gut 3.000 Euro Mieteinnahmen und (für das letzte abgelaufene Geschäftsjahr für Claudias Firma) umgerechnet 4.500 Euro monatliche Dividende. So alles in allem lag er bei fast 35.000 Euro im Monat und Petra als Chefärztin steuerte nochmals knapp 8.000 Euro bei, so dass sie Vorsteuereinnahmen von fast 40.000 Euro im Monat hatten. Ein paar übliche Ausgaben abgezogen und die Steuer berücksichtigt hatten sie wohl so um die 25.000 Euro im Monat zur Verfügung, aber genau wusste er es eben nicht. Bei dieser Summe konnte er kaum davon reden, dass er notleidend wäre, aber er verstand seine Frau durchaus, dass diese einen Beitrag seiner Mutter einforderte.

Also sagte er:

„Wir können uns ja reinteilen. Ich meine, dass Petra und ich 75 Prozent der Kosten übernehmen und ihr den Rest. Das wäre doch eine faire Teilung.“

„Damit bin ich nicht einverstanden“ antwortete Bergmanns Mutter „ihr schwimmt doch geradezu im Geld und Peter und ich müssen mit einer schmalen Rente auskommen. Also als ehemalige Lehrerin kann ich noch verdammt gut rechnen und ich denke, dass Frieder im Monat so um die 30.000 Euro zur Verfügung hat, stimmt‘s?“

„Brutto, Mutter.“

„Dann werden das fast 15.000 Euro Netto sein, kommt das hin?“

„Hm, vielleicht.“

„Na bitte. Dazu kommt noch die Dividende aus der Firma von Claudia und Nils. Wie viel war das denn vergangenes Jahr Claudia?“

„Sag‘ ich nicht.“

„Du willst deiner Großmutter nicht sagen, wie viel du deinem Vater überwiesen hast?“

„Genau.“

„Na gut, dann muss ich eben wieder schätzen“ meinte Hannelore Bergmann „denn ich verfolge die Entwicklung des Aktienkurses eurer Firma regelmäßig. Die Aktie stand vor zwei Wochen bei 23 Euro 47 Cent. Vor 6 Monaten noch bei 11 Euro 81. Macht so über den Daumen gepeilt 200 Prozent Kurszuwachs. Muss ich noch was sagen?“

„80 Prozent für uns“ erwiderte Frieder Bergmann schwach.

„95“ antwortete seine Mutter.

„90“ schlug Bergmann vor.

„Einverstanden“ antwortete seine Mutter schnell „wenn wir an dem Abend eine Zeche so um die 1.000 oder 2.000 Euro machen sind das immer noch 100 bis 200 Euro für Peter und mich.“

„Wie kommst du auf 1.000 bis 2.000 Euro“ fragte Petra verwundert.

„Na ich habe das Menü bereits bestellt. Es gibt Kaffee und Kuchen und dann abends vier Gänge und wir sind 8 Personen. Dazu die Getränke. Du kennst doch Frieder und Peter. Die werden wieder ordentlich bechern und Bier und Schnaps kosten dort einen Haufen Geld. Ich habe für jeden von uns 150 Euro veranschlagt und das ergibt eben 1.200 Euro. Paar Extrawünsche, Trinkgeld, sind wir schnell bei 2.000.“

Frieder Bergmann traf einige Minuten nach 13 Uhr am Standesamt ein. Seinem Fahrer gab er für den Rest des Tages frei, er solle ihn am kommenden Vormittag 10 Uhr von zu Hause abholen. Allerdings blieb einer seiner Personenschützer unauffällig bei ihm. Gut gelaunt betrat Bergmann das Gebäude und fand seine Familie bereits auf den Bänken sitzend vor.

Peter Petersen schien nervös zu sein, erhob sich und ging schnell auf Bergmann zu, so als wolle er ihm nochmals gratulieren.

„Hast du mal ne Kippe für mich“ fragte er leise.

„Klar, wir gehen noch mal raus.“

Vor dem Haus sah sich Peter Petersen verstohlen um, dann griff er in eine Tasche seines Jacketts und zog eine kleine Taschenflasche heraus, schraubte er den Verschluss ab und nahm einen großen Schluck, um die Flasche dann gleich wieder anzusetzen. Dann ließ er sich von Bergmann eine Zigarette geben und zündete diese mit zitternden Fingern an.

„Mann, bin ich aufgeregt“ sagte er zu Frieder Bergmann „mir schlottern richtig die Knie.“

„In einer halben Stunde hast du es überstanden“ tröstete ihn Bergmann „dann machen wir einen drauf, aber einen mächtigen.“

„Heute sollten wir aber mal ein bisschen vorsehen“ meinte Peter Petersen „am Hochzeitstag will ich nicht unbedingt Ärger haben.“

„Ach was, gerade an diesem Tag gibt es allen Grund, sich einen ordentlichen einzuschenken. Überlege dir, demnächst bist du mit meiner Mutter verheiratet und das wird nicht so einfach werden, du kennst sie ja. Aber da musst du jetzt durch.“

„Peter“ kam es jetzt laut aus dem Standesamt „es geht los, komm‘ endlich rein“.

Petersen und Bergmann nahmen Platz und die Standesbeamtin begann mit der Zeremonie.

Als sie kurz auf die Lebensläufe des Paares einging raunte Hannelore Bergmann Peter Petersen etwas zu, allerdings nicht leise, sondern so, dass es alle hören konnten.

„Hast du etwa eine geraucht? Seit wann machst du denn so was? Heimlich? Und du hast eine Fahne, unmöglich!“

Die Standesbeamtin legte eine Pause ein und räusperte sich. Es wurde wieder still. Dann fuhr sie fort.

„… und die Tage gemeinsam in Harmonie und gegenseitiger Achtung verbringen und auch die Meinung des anderen zu achten und zu akzeptieren …“

Wieder redete Hannelore Bergmann auf Petersen ein.

„Ich habe immer noch keine Antwort von dir bekommen Peter. Seit wann rauchst du?“

„Würden Sie bitte den Rahmen dieser Zeremonie würdigen“ sagte die Standesbeamtin etwas gereizt zu Hannelore Bergmann „Sie können sich gern später gern mit Ihrem Mann ausführlich austauschen.“

„Man sollte nie etwas auf die lange Bank schieben“ erwiderte Bergmanns Mutter „ein offenes Wort zur rechten Zeit ist immer gut.“

„Wenn ich fertig bin!“

Die Frau sprach noch über den Sinn der Ehe und andere Dinge, wurde aber durch das Geflüster von Hannelore Bergmann schnell wieder aus dem Konzept gebracht. Wahrscheinlich, um die Sache abzuschließen, leierte sie jetzt die üblichen Phrasen hastig herunter, musste aber die Stimme immer mehr erheben, da Hannelore Bergmann weiterhin auf Peter Petersen einredete.

„…. frage ich Sie jetzt, ob Sie den Bund der Ehe eingehen wollen“ wollte die Standesbeamtin fast brüllend wissen.

„Geht klar“ antwortete Peter Petersen und Hannelore Bergmann nickte nur.

„Ich benötige eine Aussage von Ihnen“ wandte sich die Beamtin laut an Bergmanns Mutter.

„Wozu, nehmen Sie etwa einen Tonbandmitschnitt vor“ wollte diese wissen „das dürfte doch wohl dem Datenschutz widersprechen. Oder wenden Sie hier auch diese widerlichen Schnüffelpraktiken der NSA an? Das geht zu weit!“

„Ich will nichts weiter als eine Aussage von Ihnen, Frau Bergmann, ob Sie die Ehe mit Herrn Petersen eingehen wollen“ sagte die Frau mit zitternder Stimme „ich muss ein Protokoll anfertigen.“

„Aber was denken Sie denn warum wir heute hier sind“ erwiderte Bergmanns Mutter „ich habe am Vormittag allein 60 Euro für den Friseur ausgegeben, natürlich will ich Herrn Petersen heiraten, ansonsten wäre das ja eine sinnlose Ausgabe gewesen.“

„Das heißt ja“ fragte die Standesbeamtin hoffnungsvoll.

Hannelore Bergmann ging gar nicht darauf ein.

„Was würde denn passieren, wenn ich mich jetzt nicht äußere oder nein sage“ wollte sie wissen.

„Dann wäre diese Scheißveranstaltung endlich vorbei“ schrie die Standesbeamtin entnervt auf.

„Aber beruhigen Sie sich doch bitte“ versuchte Frieder Bergmann die Situation zu entschärfen „spielen Sie doch jetzt zur Entspannung mal eines der üblichen Musikstücke ab.“

Die Frau nickte wortlos und mit versteinertem Gesicht, dann drückte sie eine Taste am CD-Spieler.

Einen Augenblick später dröhnten harte Gitarrenriffs durch den Raum, es war ein Titel von AC/DC. Frieder Bergmann erkannte sofort, dass es sich um „Highway to hell“ handelte. Auch Peter Petersen hatte den Song sofort erkannt, denn er sprang auf und brüllte:

„Das passt ja ganz hervorragend zu diesem Tag, genau das richtige Motto für meine weitere Zukunft!“

„Reiß’ dich zusammen Peter“ fuhr ihn Hannelore Bergmann an.

„Ich finde das super“ rief Rüdiger aus „das ist mal eine Trauung, wo richtig die Post abgeht, nicht so eine langweile Sache wie sonst immer.“

Claudia sprang auf und zog Nils mit hoch, dann tanzte sie mit ihm vor der ersten Stuhlreihe. Auch Petra schnappte sich ihren Mann, Paula und Rüdiger machten auch mit und Peter Petersen grinste Hannelore Bergmann an. Diese rief der fassungslosen Standesbeamtin zu:

„Ja, ich will Herrn Petersen heiraten!“

Dann zappelte sie wild zur Musik von AC/DC mit ihrem gerade angetrauten Mann herum.

Der Standesbeamtin liefen die Tränen über das Gesicht und sie sackte auf einem Stuhl zusammen.

Als der Titel zu Ende war wollte sie sich erheben, aber der nächste Song – „Girls get the Rhythm“ – veranlasste die Hochzeitsgesellschaft, sich jetzt noch mehr zu verrenken und den Refrain mitzusingen. Als dann noch „Hells Bells“ ertönte brüllte Frieder Bergmann begeistert:

„Na Peter, statt Hochzeitsglocken klingeln dir jetzt die Höllenglocken, Mann, ist das ein Wahnsinn!“

„Bitte, darf ich jetzt ausschalten“ flehte die Standesbeamtin, nachdem die Musik verklungen war.

„Ja, das reicht für heute“ antwortete Hannelore Bergmann außer Atem „wir gehen jetzt. Schicken Sie uns den ganzen Papierkram einfach zu.“

Zwei Taxen brachten die Gäste der Hochzeitsfeier zum Hotel.

Gourmetküche

„Es ist eine große Ehre für uns, Sie heute hier begrüßen zu dürfen, Herr Ministerpräsident“ sagte der Hoteldirektor zu Frieder Bergmann „seien Sie sicher, dass wir Ihnen jeden Wunsch, und sei er noch so ausgefallen, erfüllen werden.“

Peter Petersen drängte sich vor.

„Passen Sie mal auf“ sprach er den Direktor an „das ist ja richtig, dass Frieder der Boss ist, aber heute geht es auch um Hannelore und mich. Wir haben nämlich gerade geheiratet. Also möchte ich von Ihnen auch entsprechend begrüßt werden.“

„Aber natürlich, Herr …“

„Petersen.“

„Herr Petersen, auch Sie werden einen unvergesslichen Tag bei uns erleben, verlassen Sie sich darauf. Unser höchstes Ziel ist es, unsere Gäste vollkommen zufrieden zu stellen und dafür legen wir uns hier jeden Tag mächtig ins Zeug, wenn ich das mal so sagen darf.“

„Möchte auch sein, bei diesen gepfefferten Preisen“ knurrte Petersen „und jetzt bring‘ se uns mal zu unseren Plätzen.“

Der separate Raum verfügte über ein besonderes Ambiente, dem historischen Gebäude Rechnung tragend war er im Stil des Rokoko gehalten. Verzierte Möbel rahmten eine große Tafel ein, edler Teppich bedeckte den Boden und die Besonderheit des Raumes fiel sofort ins Auge: die mit Stofftapeten bespannten Wände.

„Unser schönster Raum“ sagte der Hoteldirektor mit wenig Überzeugung in der Stimme „Spezialisten haben an der Bespannung der Wände fast ein Jahr gearbeitet. Es war extrem aufwendig, die Tapeten so wie früher herzustellen, und dafür eine geeignete Firma zu finden war schon sehr schwierig. Erst in Italien bin ich fündig geworden und der Meister dort war schon über achtzig Jahre alt und nicht mehr der Schnellste. Jedenfalls hat es geschlagene sechs Monate gedauert, bis er das Material fertig hatte und dann musste es auch noch bemalt werden. Aber wie Sie sehen, der Aufwand hat sich gelohnt. Wir haben so um die 300.000 Euro in diesen Raum investiert. Es war ein spezieller Wunsch der Konzernführung, alles so auszuführen, wobei ich der Auffassung bin, dass eine schlichtere Gestaltung den Raum besser zur Wirkung bringen würde.“

Zwei Kellnerinnen und ein Kellner betraten den Raum und auf einen Wink des Direktors hin verteilten sie langstielige Gläser an die Gäste.

„Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrtes Brautpaar, meine lieben Damen und Herren. Unser Haus schätzt sich glücklich, Ihnen heute hier wunderschöne Stunden bereiten zu können. Bitte erheben Sie mit mir das Glas auf diesen besonderen Tag.“

„Was isn das“ wollte Peter Petersen wissen und musterte misstrauisch sein Glas.

„Bester Champagner“ antwortete der Direktor „unser Sommelier kann Ihnen mehr dazu sagen.“

„Ja, unser Champagner ist sozusagen der Mercedes unter diesen Getränken. Beste Rohstoffe und die aufwendige Flaschengärung verleihen ihm ein einzigartiges Bouquet, und wenn Sie einen kleinen Schluck nehmen, werden Sie einem Hauch Minze, Waldbeeren und Zitrus am Gaumen spüren können. Im Abgang wird sich dann ein Feuerwerk von knospenden Früchten mit einem Schuss Kälte entzünden. Bitte probieren Sie selbst. Sie werden begeistert sein!“

Während alle anderen nur einen kleinen Schluck nahmen stürzte Peter Petersen den Inhalt seines Glases in sich hinein.

„Ich spüre im Abgang nur süßes Sprudelwasser“ beschwerte er sich jetzt „schmeckt einfach nur kribblig.“

„Also ich finde, dass der Champagner eher nach Pampelmuse und Stachelbeere schmeckt“ sagte Hannelore Bergmann „von den von Ihnen versprochenen Waldbeeren ist rein gar nichts zu merken. Insgesamt ist er viel zu herb.“

„Aber ich bitte Sie“ erwiderte der Sommelier „das ist doch gerade die Feinheit dieses Getränks! Sehen Sie doch auch die Trainiertheit des Gaumens unterschiedlicher Menschen. Während Herr Petersen Süße empfindet, schmecken Sie eher Herbe. Ich fühle Beeren knospen und Sie nehmen einen bitteren Geschmack wahr. Natürlich sind auch die üblichen Trinkgewohnheiten ausschlaggebend, welche Nuancen man spürt.“

„Was wollen Sie damit sagen“ fuhr Peter Petersen auf „soll das etwas heißen, dass ich als Otto Normalverbraucher keine Feinheiten schmecken kann?“

„Keineswegs“ versuchte der Sommelier einzulenken „aber bei Ihnen tippe ich auf eher bodenständige Trinkgewohnheiten. Sie bevorzugen ein ehrliches und kraftvolles Getränk, nämlich ein ordentliches Bier oder einen klaren Schnaps.“

„Volltreffer“ bestätigte Peter Petersen „und genau diese Kombination will ich jetzt haben. Mir schmeckt diese Champagnerplörre nämlich überhaupt nicht.“

„Natürlich treffen Sie Ihre Wahl selbst“ erklärte der Hoteldirektor beflissen „der Champagner geht ohnehin auf das Haus, also was darf ich Ihnen bringen lassen?“

„Ein Sternburger Hell“ antwortete Petersen.

„Ähm“ druckste der Direktor herum „ich glaube, diese Sorte führen wir nicht. Oder wissen Sie etwas anderes“ fragte er den Sommelier und dieser schüttelte den Kopf.

„Dieses Bier liegt im Niedrigpreissegment und ist bei uns leider nicht im Angebot“ sagte der Mann.

„Moment mal“ sagte Petersen „Sie erklären vorhin großspurig, dass Sie uns jeden Wunsch erfüllen können und dann haben Sie nicht mal Sternburger im Angebot? Das kann doch wohl nicht wahr sein!“

„Sie werden Ihr Sternburger selbstverständlich bekommen“ versuchte der Direktor Peter Petersen zu beruhigen „da finden wir schon einen Weg. Ich kümmere mich persönlich darum. Und wenn ich selbst zum ALDI fahren muss, Sie werden Ihr Bier bekommen. Und was haben die anderen Herrschaften für Wünsche? Herr Ministerpräsident, was darf es für Sie sein?“

„Stopp“ rief Hannelore Petersen „mein Sohn hat sicher den höchsten Rang hier in der Runde aber es geziemt sich doch wohl, zuerst die Damen anzusprechen, oder irre ich mich da? Wo sind Sie denn ausgebildet worden, dass Sie solche elementaren Dinge nicht beherrschen?“

„Ähm, ich war in New York, Hongkong, Mailand, Kapstadt, Moskau, Tokio, Amsterdam, Sydney, Kuala Lumpur, Bogota und Paris im Einsatz“ stotterte der Direktor.

„Ziemlich viele Stationen“ schätzte Hannelore Petersen ein „so ein häufiger Wechsel ist schon verdächtig. Sie haben wohl die in Sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen können und da hat man Sie von einem Posten auf den anderen und schließlich hier in die Provinz abgeschoben. War‘s so?“

„Keineswegs“ antwortete der Direktor verunsichert „ich bin immer dorthin geschickt worden, wo es Probleme mit der Performance des Hauses gab. Im Konzern bin ich als Sanierungsexperte bekannt und man weiß, dass ich den Laden wieder auf Vordermann bringen kann. Sozusagen brutalstmöglich, wie ein Politiker das einmal gesagt hatte.“

„Wollen Sie damit andeuten, dass es in diesem Haus hier Probleme gibt, etwa mit der Küche oder dem Service“ fragte Rüdiger „und was hat es mit Ihren Sanierungsstrategien auf sich? Das klingt doch so, als würden Sie Einsparungen zu Lasten Ihrer Mitarbeiter vornehmen wollen.“

„Nein, nein“ erwiderte der Direktor vollkommen durcheinander „bei uns alles ist alles in bester Ordnung. Sie werden sich gleich von der hohen Güte unseres Angebotes überzeugen können.“

„Und die Sanierungsmaßnahmen“ fragte Paula nach.

„Ähm, hie und da ist die Motivation der Mitarbeiter noch nicht ganz so, wie sie eigentlich sein sollte. Deswegen bin ich ja hier. Unser Haus ist das erste am Platz und da dulde ich keinen Schlendrian. Ich nehme jedes Zimmer persönlich ab und auf meinen weißen Handschuhen entgeht mir nicht der kleinste Schmutzkrümel. Absolute Perfektion zu erreichen ist mein höchstes Ziel, und dem haben sich alle Mitarbeiter unterzuordnen“ sagte der Direktor stolz.

„Von Arbeitszufriedenheit haben Sie wohl noch nie etwas gehört“ sprach ihn Nils an „aus psychologischer Sicht ist der Kern eines Unternehmens nicht dessen finanzielle oder technische Ausstattung, sondern die Mitarbeiterschaft. Wenn diese durch ein unfähiges Management schlecht motiviert wird kommt es zwangsläufig zu Konflikten. Und Sie scheinen Ihre Mitarbeiter wenig wert zu schätzen, so ist zumindest mein Eindruck.“

Eine der Kellnerinnen, die dem Gespräch atemlos gefolgt war, fiel ein Champagnerglas vom Tablett und zu Boden, wo es splitternd zerbrach.

„Können Sie sich nicht vorsehen, Sie Trampel“ schrie sie der Direktor instinktiv an „das ist das dritte Glas in vier Monaten!“

„Also wenn in vier Monaten drei Gläser kaputtgehen ist das vielleicht ein Verlust von 10 Euro“ meinte Petra „das dürften Sie doch bei diesen Preisen hier locker wieder reinholen, oder? Reagieren Sie eigentlich immer so cholerisch?“

„Entschuldigung, die Aufregung wegen dem hohen Gast“ versuchte sich der Direktor zu erklären.“

„Jetzt fangen Sie schon wieder damit an“ schaltete sich Hannelore Petersen erneut in das Gespräch ein „immer erst die Obrigkeit ansprechen, in dem Falle meinen Sohn, einen Mann. Haben Sie etwa ein Problem mit Frauen?“

„Natürlich nicht“ antwortete der Direktor schwach.

„Sind Sie übrigens verheiratet“ fragte Peter Petersen.

„Nein, Sie werden das sicher verstehen können, der aufreibende Job, da bleibt keine Zeit für eine Familie.“

„Aber doch wohl für eine Frau“ bohrte Rüdiger nach.

„Auch dafür nicht, leider.“

„Mal ehrlich, wollen Sie uns einreden, dass Sie wie ein Mönch leben“ fragte Nils „Sie sind doch sozusagen in den besten Jahren. Haben Sie nicht manchmal auch Bedürfnisse, Sie wissen schon, was ich meine.“

„Bitte, das ist doch meine Privatangelegenheit“ flehte der Direktor.

„Sie müssen sich nicht mehr länger verstecken“ meinte Paula „so ein Comming Out ist doch heutzutage kein Problem mehr. Dann würde sicher auch Ihre Gereiztheit verschwinden. Haben Sie doch einfach den Mut, zu Ihrer Neigung zu stehen, Sie werden sehen, alles wird viel leichter.“

„Ich muss mich dazu nicht erklären, weil es nicht wahr ist“ wurde der Direktor lauter „ich lebe einzig und allein für meinen Beruf und das erfüllt mich mehr als genug!“

Er ging eilig zu einer der Kellnerinnen, nahm ein Glas Champagner vom Tablett und stürzte das Getränk in einem Zug herunter.

„Also im Dienst ist bei uns Alkohol strengstens verboten“ ergriff jetzt Frieder Bergmann das Wort „was sollen denn Ihre Mitarbeiter denken, wenn Sie jetzt hier einen Trinken?“

„Bitte Herr Ministerpräsident“ antwortete der Direktor mit versagender Stimme „lassen Sie uns mit dem Essen beginnen. Ich kümmere mich jetzt um das Sternburger für Herrn …“

„Petersen.“

„Für Herrn Petersen.“

Mit hängenden Schultern verließ der Mann den Raum.

„Ist der immer so mies drauf“ fragte Peter Petersen den Sommelier.

„Eigentlich nicht“ erwiderte der Mann „er fährt zwar schon schnell mal aus der Haut, aber das stimmt schon, er lebt nur für das Hotel. Manchmal tut er mir richtig leid. Oft sitzt er abends endlos im Büro und brütet über neuen Geschäftsideen. Er kniet sich wirklich richtig rein. Und gegen die zugegebenermaßen zu üppige Ausgestaltung dieses Raumes hier hat er beim Konzernvorstand immer wieder interveniert, allerdings ohne Erfolg. Da hat er richtig Mut und Biss bewiesen.“

„Egal“ sagte Hannelore Petersen „wir bestellen jetzt endlich die Getränke. Ich nehme einen trockenen Rotwein. Petra, Claudia und Paula, ihr auch? Ja? Na dann zwei Flaschen für den Anfang für uns.“

„Ich nehme zum Aufwärmen erst mal ein Bier und einen Wodka“ sagte Frieder Bergmann.

„Ich auch“ stimmte Rüdiger zu, Nils nickte.

„Wer weiß, wann der mit dem Sternburger kommt“ sinnierte Peter Petersen „für mich auch ein Bier, aber schön kühl. Und den Wodka selbstverständlich auch.“

Der Sommelier und die Kellnerinnen verschwanden.

Einige Augenblicke später wurden die Getränke serviert und gleichzeitig marschierten vier junge Kellnerinnen auf und stellten vor jedem Gast einen riesigen Teller ab. Dann gingen sie.

Peter Petersen starrte auf seinen Teller, dann sagte er:

„Das kann doch nicht wahr sein! Was ist denn das?“

Petra half ihm weiter.

„Feines Leberwurstschnittchen an Rucola und mediterranem Dressing“ las sie vor.

Auf dem großen Teller lag eine einsame kleine Schnitte, welche mit einer bräunlichen Masse bestrichen war. Der Rucola rahmte das Brotstück ein und das Dressing war darüber geträufelt.

„Ich mache einmal den Mund auf, dann ist das alles weg“ beschwerte sich Petersen „das sind doch Portionen für Babys!“

„Jetzt hör‘ auf zu meckern und koste erst einmal“ wies ihn seine Frau zurecht.

Alle aßen und Frieder Bergmann kaute vorsichtig jeden kleinen Bissen. Die Schnitte schmeckte phantastisch, der Rucola war frisch und knackig.

„Sehr gut“ verkündete er „wenn das so weiter geht können wir zufrieden sein.“

„Aber wenn die bei der Menge nicht bald zulegen gehe ich später noch an die Dönerbude“ schimpfte Peter Petersen.

„Jetzt könnte mal einer was zu diesem Tag sagen“ schlug Rüdiger vor.

„Was gibt es noch groß zu sagen“ meinte seine Großmutter „alles hat bisher so funktioniert wie vorgesehen. Frieder hat seinen Professortitel bekommen und Peter und ich haben geheiratet.“

„Freust du dich denn gar nicht“ fragte Petra erstaunt.

„Natürlich. Aber ich tue das auf meine Art, nicht so polternd wie Peter.“„Du hast mich noch nicht richtig polternd erlebt“ erwiderte dieser „wenn das mit dem Essen so weitergeht erlebt der Direktor den morgigen Tag nicht mehr.“

„Warte es doch einfach ab“ sagte Paula „es wird ja gleich der zweite Gang kommen, das ist, Moment mal, Carpacciostreifen mit Thunfischcreme auf einem Rotebeetebett.

„Ich ahne Schlimmes“ stöhnte Petersen „Streifen, keine ganzen Stücke. Na gut, dann muss es eben das Bier bringen. Prost, auf diesen schönen Tag!“

Er winkte dem an der Tür stehenden Kellner zu und bestellte eine neue Runde.

Dann wurde der zweite Gang aufgetragen.

„Bleiben Sie mal hier“ fuhr Peter Petersen die Kellnerin an, die den Teller vor ihm abgesetzt hatte und gerade wieder weg gehen wollte „und erklären mir, ob das zur Strategie des Hauses gehört, die Gäste hungern zu lassen.“

„Aber ich bin doch nur die Kellnerin“ stammelte die junge Frau „da müssen Sie schon die Geschäftsleitung fragen.“

„Die ist außer Haus, Sternburger Bier besorgen“ feixte Frieder Bergmann „gut sieht’s ja aus. Guten Appetit.“

Auch dieser Gang war hervorragend gelungen und selbst Petersen blieb ruhig.

„Wachtelbrüstchen auf Knuspergebäck mit Saisongemüse“ las Claudia vor, gerade in dem Moment, als der Direktor den Raum betrat.

Der Mann begab sich zu Peter Petersens Platz und stellte ein Glas vor ihm ab, dann schenkte er Bier aus einer Flasche ein.

„Ihr Sternburger“ sagte er.

„Alle Achtung“ erwiderte Petersen „Sie sind in der Tat ganz schön rührig. So langsam glaube ich, dass der Job Ihnen hier wirklich Spaß macht. Aber was mich mal interessieren würde: warum ist immer so wenig auf den Tellern?“

„Das ist absolute Genussküche“ erklärte der Direktor ergriffen „hier muss man alle Sinne spielen lassen, um die Gesamtkomposition begreifen zu können. Optik, Konsistenz und Herrichtung vereinen sich zu einem großartigen Ganzen. Nur wer sich diesem Zusammenspiel vollkommen öffnet kann alles in sich aufnehmen und genießen. Wer dagegen an bloße Sättigung denkt verschenkt diesen denkwürdigen Moment der totalen Wahrnehmung, wie Essen auch schmecken kann. Schließen Sie die Augen, und konzentrieren Sie sich auf dieses Erlebnis.“

„Wenn ich die Augen zu mache klaut mir vielleicht noch einer die paar Stücke vom Teller weil er auch nicht satt wird“ meinte Petersen.

„Das reicht jetzt Peter“ sagte Hannelore Petersen „trink‘ dein Bier und sei ruhig.“

„Na wenigstens habe ich mein Sternburger“ muffelte Petersen noch etwas herum, dann aß er langsam.