Fear Street 1 - Der Aufreißer - R.L. Stine - E-Book

Fear Street 1 - Der Aufreißer E-Book

R.L. Stine

5,0

Beschreibung

Eine mörderische Wette: Alle Mädchen sind scharf auf Bobby Newkirk. Jedenfalls glaubt Bobby das selbst. Schließlich ist er der bestaussehendste Junge in Shadyside. Und er ist schon mit allen Mädchen der Cheerleader-Mannschaft ausgegangen. Nur noch die verführerischen Wade-Zwillinge fehlen in seiner "Sammlung". Bobby geht eine fatale Wette ein ...Der Horror-Klassiker endlich auch als eBook! Mit dem Grauen in der Fear Street sorgt Bestsellerautor R. L. Stine für ordentlich Gänsehaut und bietet reichlich Grusel-Spaß für Leser ab 12 Jahren. Ab 2021 zeigt Neflix den Klassiker Fear Street als Horrorfilm-Reihe!

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1

Bobby Newkirk drückte mit einer Hand gegen die Spindtür und klemmte Ronnie Mitchell in ihrem Spind ein.

„Au!“, schrie sie protestierend. „Lass mich raus, Bobby!“

Er grinste sie mit seinem dämonischen Lächeln an, das er vor dem Spiegel geübt hatte. Einem Lächeln, das alle Mädchen dahinschmelzen ließ. „Jetzt hab ich dich in der Falle.“

„Lass mich raus!“ Ronnie versuchte freizukommen. Aber sie war ein kleines, zierliches Mädchen, nicht kräftig genug, um ihn vom Fleck zu bewegen.

Noch immer lachend, beugte er sich vor und küsste sie.

Sie erwiderte seinen Kuss. Er hatte gewusst, dass sie das tun würde.

Dann stieß sie ihn weg, indem sie mit beiden Fäusten gegen seine breite Brust trommelte, über die sich das kastanienbraun-weiße T-Shirt der Shadyside High School spannte.

Er lachte, machte ein paar Schritte rückwärts und ließ sie heraus.

„Du bist wirklich schrecklich“, schimpfte sie im Spaß und wischte sich eine Locke ihrer roten Haare aus der Stirn.

„Ach komm, das magst du doch“, erwiderte Bobby gelassen.

Sie zupfte am Saum ihres grünen T-Shirts herum. „Der Abend gestern war schön“, murmelte sie verlegen und senkte die Augen. Ihre sommersprossigen Wangen überzogen sich mit einer verräterischen Röte.

„Sicher doch“, sagte Bobby und sah über ihre Schulter, um sich im Spiegel in der Spindtür zu betrachten. „Du warst aber auch nicht übel, Baby.“

„Sag nicht Baby zu mir“, wies Ronnie ihn zurecht. „Das kann ich nicht ausstehen. Es klingt doof.“

„Okay, Baby.“ Er beugte sich vor, um sie erneut zu küssen, aber sie wich ihm aus.

„Wir werden beobachtet!“, flüsterte Ronnie.

„Na und?“ Bobby zuckte die breiten Schultern. „Lass sie doch ruhig eifersüchtig sein.“ Er sah wieder in den Spiegel und fuhr sich durch die glatten blonden Haare. „Ich muss jetzt los.“

Ronnie warf sich ihre Schultasche über die Schulter. „Wohin gehst du?“

„Ach, überallhin und nirgends.“ Bobby grinste sie an. Er zupfte einen Fussel von ihrem T-Shirt und setzte ihn auf ihre kleine, sommersprossige Nase.

Ronnie seufzte und blies ihn weg. „Ich gehe zum Cheerleader-Training“, sagte sie und sah auf die Uhr über ihren Köpfen. Schon zwanzig nach drei. „Wollen wir uns danach treffen?“

Bobby schüttelte den Kopf. „Äh … nö.“ Er drehte sich von ihr weg und blickte durch die fast leere Eingangshalle. „Ich muss auch zum Üben. Wir sehen uns dann ein andermal, okay?“

Er lief mit großen Schritten zum Musiksaal am Ende der Eingangshalle. Bobby bewegte sich mit sicherem, beschwingtem Gang. Er war sich sicher, dass Ronnie ihm bewundernd nachsah.

„Rufst du mich heute Abend an?“, rief Ronnie ihm nach. In ihrer Stimme lag ein flehender Unterton.

„Vielleicht“, murmelte Bobby, ohne sich umzudrehen.

Ronnie gefiel ihm. Sie war durchaus nicht das hübscheste Mädchen, mit dem er sich bisher verabredet hatte. Klein wie sie war und mit ihren roten Haaren und den Sommersprossen sah sie eher aus wie zwölf. Aber sie war okay. Irgendwie lustig.

Eigentlich hatte er sich nur mit ihr verabredet, weil sie die Einzige aus der Cheerleader-Truppe von den Tigers war, mit der er sich noch nicht getroffen hatte. Er wollte einen absoluten Rekord aufstellen, und jetzt konnte er auch Ronnie von seiner Liste streichen.

„Mit allen sechs Cheerleadern bin ich ausgegangen.“ Bobby grinste selbstsicher vor sich hin. „Und alle sechs Mädchen sind immer noch verrückt nach mir“, stellte er befriedigt fest.

„Vielleicht ruf ich Ronnie irgendwann mal wieder an“, dachte er. „Vielleicht mach ich mit der Kleinen aber auch Schluss.“

Vor dem Musiksaal blieb er stehen, weil er zwei Jungen aus seiner Klasse entdeckt hatte.

„Hi, wie läuft’s denn so?“, wurde Bobby von Markie Drew begrüßt.

„Bestens. Und was macht ihr hier noch? Nachsitzen?“, scherzte Bobby.

Jerry verzog das Gesicht. „Mein Vater wollte, dass ich mir einen Job suche. Ich arbeite jetzt bei McDonald’s. Mach Pommes frites.“

Bobby kicherte. „Fängst gleich in der höchsten Position an, was?“

„Nicht alle haben reiche Eltern“, brummte Jerry.

„Zu dumm“, meinte Bobby selbstgefällig.

Markie schob sich die Schultasche auf die andere Schulter. „Gehst du eigentlich noch mit Cari Taylor?“, fragte er Bobby.

„Nein, hab mit ihr Schluss gemacht“, antwortete Bobby, und ein breites Grinsen überzog sein hübsches Gesicht.

Markie und Jerry waren ziemlich überrascht. „Tatsächlich?“

Bobby nickte. „Ja. Sie hat Cola in meinem Auto verschüttet, also hab ich ihr den Laufpass gegeben.“ Er lachte in sich hinein. „Hab sie außerdem zu Fuß nach Hause laufen lassen.“

„Ist ja irre.“ Markie schüttelte ungläubig den Kopf.

„Eh, Mann, kannst du mir nicht auch ein paar Tipps geben?“, fragte Jerry.

„Klar. Kein Problem“, bot Bobby an. Zerstreut blickte er zum Musiksaal. „Hey, bis später. Ich komm zu spät zum Proben.“

Bobby hatte gerade die Tür zum Musiksaal geöffnet, als ihn zwei Hände bei den Schultern packten und ihn zurückzogen.

„Ich bring dich um, Bobby!“, rief eine schrille Stimme. „Ich bring dich um!“

2

Bobby lachte. Er machte sich nicht einmal die Mühe, sich umzudrehen, denn er hatte die Stimme sofort erkannt. „Stopp!“, rief er. „Rühr mich nicht an, es sei denn, du liebst mich.“

Kimmy Bass stieß einen wütenden Schrei aus und ließ Bobbys Schultern los. „Wo warst du gestern Abend?“, fragte sie sauer.

Bobby wirbelte herum, um ihr ins Gesicht zu sehen. Seine blauen Augen blitzten. Er riss sie weit auf und sah Kimmy mit seinem unschuldigsten Kleine-Jungen-Blick an. „Gestern Abend?“

Kimmy warf ihre dunklen, krausen Haare mit einer wütenden Geste nach hinten. Ihre runden Wangen waren feuerrot. Sie verschränkte die Arme vor ihrem hellblauen Sweatshirt. „Ja. Gestern Abend.“

Bobby tat so, als würde er angestrengt überlegen.

„Wir waren verabredet, falls du dich erinnerst“, sagte Kimmy mit zitternder Stimme. „Du wolltest zu mir kommen, damit wir zusammen lernen. Und danach wollten wir …“

„Du siehst wirklich toll aus“, unterbrach Bobby sie. „Bist du unterwegs zum Cheerleader-Training? Was meinst du, sollen wir uns vielleicht später auf ’ne Cola oder so treffen?“

Kimmy stöhnte genervt auf. Sie ballte die Hände zu Fäusten. „Antworte auf meine Frage, Bobby! Ich hab gestern Abend bei dir angerufen, aber du warst nicht da. Hast du unsere Verabredung vergessen?“

„Aber nein“, antwortete Bobby und legte ihr eine Hand auf die Schulter.

Sie schob sie weg.

„Ehrlich gesagt“, fuhr Bobby fort, „hatte ich ein besseres Angebot.“ Er grinste sie an.

Sie machte den Mund auf, brachte aber keinen Ton heraus.

„Hey, Kimmy, du willst doch nicht etwa, dass ich dich anlüge, oder?“

Kimmy starrte ihn an. Die Wut verschwand aus ihren Augen, und ihr Gesichtsausdruck wurde hart und kalt. „Bobby, du bist wirklich ein Schwein“, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen.

Bobby kicherte. „Ja, ich weiß.“

„Du bist ein Schwein“, wiederholte Kimmy entnervt. Dann ließ sie ihn stehen und rannte durch die Eingangshalle davon.

„He, Kimmy …“, rief Bobby ihr nach. „Soll ich dich nachher anrufen?“

Fluchend verschwand sie um die Ecke.

Bobby kicherte vor sich hin und ging in den Musiksaal.

„Hallo, Bobby.“

„Nimm deine Gitarre, Mann. Du kommst zu spät.“

Bobby nickte Arnie und Paul zu, den beiden anderen Mitgliedern seiner Band. Er ging zum Schrank, um seine Gitarre zu holen. Bei keinem von ihnen war zu Hause genug Platz zum Üben. Deshalb war MrCotton, der Musiklehrer, damit einverstanden gewesen, dass sie nach der Schule im Musiksaal probten.

Sie hatten ihre Gruppe gerade von The Cool Guys in Bad to the Bone umbenannt. In den vier Monaten, die sie jetzt zusammen Musik machten, hatte die Band mindestens einmal in der Woche ihren Namen geändert. Bobby fand, dass sie fast mehr Zeit damit verbrachten, sich neue Namen einfallen zu lassen, als zu proben.

Paul klimperte ungeduldig auf den Tasten seines Keyboards herum, während er auf Bobby wartete. Er war dunkelhäutig, athletisch gebaut und hatte breite Schultern und große braune Augen. Für seine Statur hatte er einen überraschend leichten Anschlag auf dem Keyboard. Er übte von den drei Mitgliedern der Band am meisten und nahm die Proben wesentlich ernster als Bobby oder Arnie.

Arnie hämmerte ohne großes Können auf dem Schlagzeug herum. Das Beste, was man über seine Fähigkeiten als Drummer sagen konnte, war, dass er den Rhythmus hielt. Meistens jedenfalls.

Arnie war hauptsächlich deswegen in der Band, weil er Bobbys bester Freund war. Arnie hatte kurze rote Haare, wasserblaue Augen, ein dämliches Grinsen und trug in einem Ohr einen unechten Brillantstecker. Der schmale, hellblonde Flaumstreifen auf seiner Oberlippe, den er als Schnurrbart bezeichnete, ließ ihn schlichtweg schlampig aussehen.

Bobby stöpselte seine Gitarre in den kleinen Verstärker. Dann drehte er die Lautstärke auf, bis es ohrenbetäubend quietschte. Er setzte sich auf einen Klappstuhl vor Arnie und Paul und fing an, die Saiten zu stimmen.

Bobby liebte seine Gitarre, eine weiße Fender-Strat. „Auf so einer hat Jimi Hendrix gespielt“, erzählte er jedem. Arnie hatte einmal ironisch bemerkt, dass Bobby seine Gitarre fast so sehr liebe wie sich selbst.

Bobby hatte sich empört verteidigt. „Eh, Mann“, rief er. „Und warum sollte ich mich nicht mögen? Schließlich habe ich nur mich!“

„Sehr tiefsinnig“, hatte Paul gemurmelt. „Bobby ist ja sooo tiefsinnig.“

Bobby war mit dem Stimmen fertig. Er bückte sich und suchte in seinem Gitarrenkoffer nach einem Plektron.

„Lasst uns endlich anfangen“, drängte Paul. „Ich muss heute früher aufhören, um meine Mutter von der Arbeit abzuholen.“

„Wo sind meine Plektren?“, sagte Bobby stirnrunzelnd. „Ich lass sie doch immer im Koffer liegen. Aber …“

„Vielleicht hast du dir damit wieder in der Nase gebohrt“, meinte Arnie und ließ sein schrilles Hyänengekicher ertönen. Außer ihm lachte keiner. Eigentlich lachte nie jemand über Arnies klägliche Versuche, einen Witz zu machen.

„Arnie, du bist heute mal wieder rasend komisch“, murmelte Bobby und suchte noch immer nach einem Plektron.

Paul stöhnte. „Hast du vergessen, dass wir am Freitagabend in einem richtigen Club auftreten?“, fragte er.

„Wo warst du eigentlich gestern Abend?“, fragte Arnie Bobby und überging Pauls Frage. „Warst du mit Kimmy unterwegs?“

Bobby drehte sich um und grinste ihn an. „Nein. Mit Ronnie.“

Arnie riss seine hellblauen Augen weit auf. „Ich dachte, du wärst mit Kimmy zum Lernen verabredet gewesen.“

„War ich auch“, antwortete Bobby. „Aber Ronnie hat angerufen und … was soll ich euch sagen?“ Er zuckte die Achseln. „Ich kann nun mal nicht an zwei Orten gleichzeitig sein.“

Arnie lachte. „Du bist ein Schlimmer. Du bist wirklich ein ganz, ganz Schlimmer.“

„Kimmy wird darüber hinwegkommen“, sagte Bobby ungerührt. Er fand endlich ein Plektron und strich damit ein paarmal über die Saiten.

„Mich wundert nur, dass du nicht mit beiden gleichzeitig ausgegangen bist“, sagte Paul trocken.

Bobby setzte zu einer Antwort an, aber eine Bewegung an der Tür ließ ihn abbrechen. „He!“, rief er, als zwei Mädchen zögernd den Raum betraten.

Er erkannte mit einem Blick die Wade-Zwillinge. Jeder an der Shadyside High School kannte Bree und Samantha Wade. Die beiden waren im letzten Jahr nach Shadyside gezogen. Wie alle hübschen Mädchen an der Schule waren sie auf Anhieb begehrt gewesen.

Sie waren eineiige Zwillinge und hatten beide die gleiche zarte Haut und glatte schwarze Haare, die so perfekt glänzten wie in einem Shampoo-Werbespot. Sie hatten große grüne Augen, hohe Wangenknochen und ein warmes, natürliches Lächeln.

Bree war sehr schüchtern. Im Unterricht meldete sie sich nur selten. Samantha dagegen war kontaktfreudiger und lebhafter. Die beiden hatten zwar Freundinnen und Freunde, aber offenbar keine wirklich engen Freundschaften. Sie hatten viele Verabredungen mit Jungen, aber weder Bree noch Samantha hatte einen festen Freund.

Bobby musterte sie, als sie hereinkamen, und klimperte auf seiner Gitarre herum. Bree blieb an der Tür stehen. Samantha marschierte mitten in den Saal. Beide trugen ausgebleichte Jeans und gestreifte Blusen.

„Die sind einsame Spitze!“, dachte Bobby. Zu Beginn des Schuljahres hatte er schon mal überlegt, mit einer von beiden auszugehen, aber bislang war er einfach nicht dazu gekommen.

„Ist MrCotton hier? Wir suchen ihn“, sagte Samantha, die Augen auf Bobby gerichtet.

„Kein Cotton da“, meinte Arnie. „Aber ihr könnt ja mal in meinem Spind nachsehen.“

Keiner lachte.

„Wir haben ihn nicht gesehen“, knurrte Paul ungeduldig.

„Wenn wir anfangen zu spielen, verzieht er sich normalerweise.“ Bobby lächelte.

Samantha lächelte zurück. Bree hatte die Hände in ihre Jeanstaschen gezwängt und hielt sich weiter im Hintergrund. „Vielleicht ist er im Lehrerzimmer“, sagte sie zu ihrer Schwester.

Die Zwillinge wandten sich zum Gehen. „He – wartet doch mal!“, rief Bobby ihnen zu.

„Wir müssen ihn unbedingt finden“, winkte Samantha ab.

Bobby sah ihnen nach, als sie wieder zur Eingangshalle gingen. „Wow, die haben vielleicht ’ne sagenhafte Figur!“, dachte er.

„Also, was wollt ihr als Erstes spielen?“, fragte Paul. Er trommelte mit den Fingern auf dem Rand des Keyboards herum.

„Ich will mit ihnen spielen!“, verkündete Arnie und meinte eindeutig die Zwillinge.

„Die sind wirklich sagenhaft!“, stimmte Bobby zu. „Habt ihr gesehen, wie die eine mich angeguckt hat?“

„Das hat sie doch nur gemacht, weil dein Reißverschluss offen steht“, scherzte Arnie.

„Ich kann die beiden einfach nicht auseinander halten“, sagte Paul. „Welche von ihnen war jetzt Bree und welche Samantha?“

„Was macht das schon für einen Unterschied?“, fragte Bobby. „Sie sind beide total Klasse!“ Einen Moment lang war er still. „Was spricht eigentlich dagegen, sich mit zwei Mädchen gleichzeitig zu verabreden? Wie wär’s, wenn ich mich mit beiden treffe?“

Paul schüttelte den Kopf. „Das würdest nicht mal du fertig bringen, Bobby.“

„Klar würde er das“, sagte Arnie begeistert.

„Eigentlich ist es doch ganz einfach“, murmelte Bobby nachdenklich. „Mit der einen würde ich am Freitag ausgehen und mit der anderen am Samstag. Und beide schwören lassen, der andern nichts davon zu erzählen.“

„Ausgeschlossen“, beharrte Paul.

„Warum soll ich nicht jeder mal eine Pause gönnen?“, meinte Bobby grinsend und begeisterte sich zusehends für seine Idee. „Ich meine, warum das Ganze nicht aufteilen? Diese beiden waren schon viel zu lange ohne Freund.“

„Wenigstens ist er überhaupt nicht eingebildet“, murmelte Paul trocken.

Bobby wirbelte herum, um seine Freunde anzusehen. „Ihr glaubt also nicht, dass ich es schaffe?“

„Ich glaube, sie würden es sich erzählen“, antwortete Paul. „Und dann kriegst du bestimmt ganz schön was zu hören.“

„Wollen wir wetten?“, sagte Bobby hitzig.

Arnie drehte einen Schlagstock in den Fingern und bemerkte Bobbys verbissenen Gesichtsausdruck. „Du hast im Ernst vor, dich an einem Wochenende mit beiden Wade-Zwillingen zu verabreden?“

„Kein Problem, Jungs“, prahlte Bobby. „Überhaupt kein Problem.“

3

„Ich bin spät dran. Ich muss mich beeilen“, sagte Paul. Er stellte sein Keyboard in den Schrank. „Wie ich meine Mutter kenne, wird sie wahrscheinlich schon auf der Straße stehen und warten.“

„War ’ne gute Probe“, bemerkte Bobby, die Augen auf die schweren grauen Wolken vor dem Fenster des Musiksaals gerichtet. „Vielleicht braucht ihr mich Freitagabend ja gar nicht.“

„Die zwei Tommy-Stücke müssen wir noch üben“, sagte Paul und lief zur Tür. „Wir waren im Takt auseinander, und das Tempo war etwas zu langsam.“

„Ja“, gab Bobby ihm Recht. Er spielte einen schnellen Refrain aus einem der Tommy-Songs. „Ich hab sie mir auf CD angehört – so ist das Tempo genau richtig. Wie bei The Who.“

„Sind wir eigentlich als Erstes dran?“, fragte Arnie dazwischen.

„Keine Ahnung“, sagte Bobby.

„Ich muss jetzt los“, meinte Paul und verschwand.

Bobby zog den Stecker seiner weißen Gitarre aus dem Verstärker. Er sah Arnie grinsend an. „Meinst du, die Wade-Zwillinge treiben sich noch irgendwo hier rum?“

„Du willst es also wirklich tun?“, fragte Arnie.

„Wenn ich mit ihnen durch bin, trete ich sie an dich ab“, sagte Bobby großzügig.

„Du bist ein wahrer Freund“, meinte Arnie im Scherz. Er fing einen Trommelwirbel an, ließ aber einen Trommelstock fallen. Der fiel klappernd zu Boden und rollte Bobby vor die Füße. Als Bobby sich bückte, um ihn aufzuheben, sah er Melanie Harris in den Saal kommen.

Bobby warf den Trommelstock nach ihr. „Fang auf!“

Melanie stieß einen überraschten Schrei aus und duckte sich zur Seite. Der Trommelstock landete an der Wand und hüpfte über den Fußboden. „Lass doch den Quatsch“, sagte Melanie sauer. Sie bückte sich, um den Trommelstock aufzuheben, und sah Bobby finster an.

Bobby lachte. Er musterte Melanie, als sie quer durch den Raum zu Arnie ging. Sie war klein, etwas untersetzt und hatte hüftlange, glatte braune Haare, die sie meist zu einem einzelnen Zopf geflochten trug. Sie hatte schöne braune Augen und ein tolles Lächeln.

Bobby war in ihr sagenhaftes Lächeln total vernarrt gewesen. Letztes Frühjahr war er fast drei Monate mit Melanie gegangen – ein echter Rekord für ihn.

Aber Melanie hatte aufgehört zu lächeln, als sie rauskriegte, dass er sich hinter ihrem Rücken mit anderen Mädchen verabredete. Tränenüberströmt hatte sie sofort mit ihm Schluss gemacht. Seitdem hatte sie kein einziges Lächeln mehr für ihn übrig gehabt.

Jetzt ging sie mit Arnie.

„Soll sie doch“, dachte Bobby. So Gefühlsduselige mochte er sowieso nicht. „Was musste sie auch an dem Abend, als sie mit mir Schluss gemacht hat, in Tränen ausbrechen?“, sagte er sich. „Wollte sie etwa, dass ich mir schlecht vorkomme?“

Bobby betrachtete sie, als sie Arnie den Trommelschlegel zurückgab. „Sie sieht klasse aus in diesen engen Jeans“, dachte er. Über einer goldgelben Bluse trug sie eine schwarze Seidenweste.

„Nicht schlecht“, sagte Bobby zu sich. „Wenn sie ein paar Pfund abnehmen würde, würde ich sie vielleicht sogar wieder fragen, ob sie mit mir ausgeht. Ich meine, wenn Arnie sich von ihr getrennt hat.“

Melanie und Arnie redeten leise miteinander. Bobby trug seine Gitarre zum Koffer, um sie zu verstauen. „Du kommst doch am Freitagabend?“, rief er Melanie zu.

„Arnie besteht darauf“, antwortete Melanie.

„Es wird super werden“, sagte Arnie zu ihr. „Wir haben heute eine tolle Probe hingelegt. Stimmt’s, Bobby?“

„Ja, umwerfend“, sagte Bobby und klappte den Gitarrenkoffer zu.

„Was ziehen wir eigentlich an?“, fragte Arnie. „Darüber haben wir noch gar nicht gesprochen.“

„Wie wär’s mit Tüten auf dem Kopf?“, schlug Melanie vor. Sie kicherte. „Ihr wisst schon – für den Fall, dass eure Musik das Publikum hässlich und gemein werden lässt.“

„Eine Tüte würde meine Frisur in Unordnung bringen“, murmelte Bobby. Er trug den Koffer zum Schrank und legte ihn hinein.

„Ich hab doch bloß Spaß gemacht!“, rief Melanie aus. Sie stöhnte. „Du bist wirklich der eitelste Mensch, den ich je getroffen habe!“

„Du musst es ja wissen“, gab Bobby zurück. Er zog den Stecker des Verstärkers heraus und machte sich daran, das Kabel aufzurollen.

Melanie und Arnie redeten wieder leise miteinander. Bobby brachte den Verstärker zum Schrank und schob ihn hinein.

Draußen in der Eingangshalle hörte er Mädchenstimmen. Die Wade-Zwillinge?

„Muss los“, rief er Melanie und Arnie zu. Er lief zur Tür.

„He, Bobby …“, rief Melanie ihm nach. „Tu’s nicht.“

„Was?“ Er drehte sich um. Ihre dunklen Augen waren missbilligend auf ihn gerichtet.

„Geh Bree und Samantha aus dem Weg“, warnte Melanie ihn.

Bobby konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. „Hat Arnie dir davon erzählt?“

Melanie nickte. „Bobby, ich warne dich“, sagte sie. „Ich kenne die zwei. Sie sind anders, als du denkst.“

Bobby lachte verächtlich. „Was würde ich bloß ohne deine guten Ratschläge tun, Mel.“

„Ich meine es ernst“, beharrte Melanie. „Geh ihnen aus dem Weg.“

Bobby schüttelte heftig den Kopf, so als könnte er dadurch ihre Warnung abschütteln. „Ich lass euch zwei Turteltauben dann mal allein“, sagte er bissig und rannte aus dem Saal.

Der lange Flur war leer. Seine Turnschuhe quietschten auf dem harten Boden, als er zu seinem Spind lief.

Melanies Warnung klang wieder in seinen Ohren. „Was hat sie eigentlich für ein Problem?“, fragte er sich. Er kam zu dem Schluss, dass sie sich immer noch in Dinge einmischte, die sie nichts angingen, weil es zwischen ihnen aus war.

„Melanie hat die Sache mit mir noch nicht verwunden“, stellte er fest. Tja – wer konnte ihr das verdenken?