Fleischlos schwanger mit Pilates - Harald Schmidt - E-Book

Fleischlos schwanger mit Pilates E-Book

Harald Schmidt

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Beschreibung

Harald Schmidt bei der ARD? Bei Sat1? Egal – Hauptsache bei KiWiIn Harald Schmidts neuem Kompendium des Daseins geht es wie immer ums Ganze: um zu Hause (»Heizung kaputt«) und Unterwegs (»Im Stau«). Es geht um genetische Fehlentwicklungen in der deutschen Familie (»Daddy Weichei«) und Zentralereignisse in der Kita (»Lausbefall«).Dann erweitern sich vor den Augen des staunenden Lesers die Themenfelder in konzentrischen Kreisen: Es folgen Beruf und die Politik (Innen- und Außen-), die Wirtschaft (Betriebs- und Volks-), die Religion, die Bildung und der Fußball (»Matthäus war gestern für BILD nicht erreichbar)«. Dann die schöne neue Welt der Telekommunikation (»Affäre und SMS«).Vielfalt und Tiefe zeigt der Autor wie gewohnt in Ernährungsfragen (»Darauf erstmal ein schönes Tartar«) und beim Thema Gesundheit: »Spätestens seit dem Tod von Michael Jackson muss die Rolle des Hausarztes einer breiten gesellschaftlichen Diskussion unterzogen werden«.Als Bonus-Material: Schreibanleitung für moderne Kinderbücher und den ultimativen Berlin-Roman.

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Seitenzahl: 173

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Harald Schmidt

Fleischlos schwanger mit Pilates

Erfolgreiche Frauen sagen, wie es gehtzusammengestellt von Ulrike von den LaienDie FOCUS-Kolumnen

Kurzübersicht

Buch lesen

Titelseite

Inhaltsverzeichnis

Über Harald Schmidt

Über dieses Buch

Impressum

Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

Inhaltsverzeichnis

Teil I

Der Berlin-Roman

Bei jedem anderen Mann …

Notizen

Hans, der dumme Schauspieler, der ein Kinderbuch schreiben wollte

Teil II Die Focus-Kolumnen

Ratgeber Heim, Familie und Alltag

Heizung kaputt

Supermama Dati

Mehr Kinder

Kita-Streik

Der Strandpapa

Goldene Regeln fürs Arbeitszimmer

Alkohol

Befruchtend

Ledige Väter

Späte Väter

Bahnfahren, Reisen und andere Guerillakriege

Schwarze Mamba

Der Flugzeugnachbar

Der Vierradkoffer

Koffer weg

Alkoholverbot?

Im Stau

Der Neuankömmling

Mein Traumschiff

Stuttgart 21

Kleine Reiseschule

Unsere Politiker

Adlig, männlich, 37

Null Krise

Minister im Visier

Schlitzwandlamellen

Volk ohne Koch

Der Quereinsteiger

Russische Spione

Amtsmüde

Der Mediator

Von Street View bis Treppenlift: Deutschland, soziologisch

Deutscher Obama

German Lässigkeit

Wachstum

Deutscher Frühling

Verteilungskämpfe

Schonvermögen

Der Stoiker

Großartiges Griechenland

Industrie in Not

Statuspanik

Rente mit 67

Fünf Euro

Wirtschaft im Serviceparadies: Schwaben und andere Eliten

Traurige Manager

Schwaben

Rente mit 69

Das Fest

Champagnerlaune zum Lehman-Jubiläum

Kündigungsgrund Frikadelle

Kapitalismus

Madame Bettencourt

Dienstreise

Aktien-Hausse

Reiches Hamburg

Qualifizierte Migranten

Von Fußball, Gauck und anderen Göttern

Fußballlehrer

Märklin

Ciao, Flavio

Lothar und Ron

Kevin Kurányi

Oberammergau

Kirchensteuer

System van Gaal

Blatter Seppl als Bundespräsident?

Preiswerte Fußballer

Das Ende des Bildungsnotstands: Jugend und Kultur

Hilfslehrer

Komasaufen

Hochbegabung

Globalisierung ist echt pipileicht

Klassiktod

Doofer Norden?

Der Zivi

Kompendium Medien & Kommunikation

Vor Gericht

Handy immer im Anschlag!

Martha’s Vineyard

Mein schönster Mauerfall

Handy-Ortung

Google-Handy

Affäre und SMS

Alles über Gesundheit & Ernährung

Rotes Fleisch

Grauenhafter gelber Kolben

Schlafen

Fehlende Hausärzte

Epidemien

Richtig niesen

Ernährungselite

18 Arztbesuche

Falsche Schuhe

Der Landarzt

Teure Gesundheit

Inhaltsverzeichnis

Teil I

Der Berlin-Roman

Eine Anleitung

Mein erster Roman ist fertig. Der Verleger weiß es noch nicht, ich möchte ihn damit überraschen.

Fertig nicht in dem Sinn, dass schon eine Zeile geschrieben wäre. Fertig im Sinn von Mozart oder Beethoven. Im Kopf. Jetzt muss er nur noch abgeschrieben werden. Ehrlich gesagt, hätte ich es mir nicht so leicht vorgestellt. Nach allem, was man bisher so von Romanen kannte (die Gebrüder Mann, Dostojewski), ist dafür ja jede Menge Personal und Handlung nötig. Handwerk, wohin der Leser schaut.

Aber wir sind in Deutschland. Herbst 2010, und da hat der Durchschnittsroman ungefähr 107 Seiten, notfalls etwas größer gedruckt.

Ort der Handlung ist Berlin. Hallo? Anfängern empfehlen wir Mitte. Wer schon mal einen Besinnungsaufsatz oder einen Reisebericht für die Lokalzeitung abgegeben hat, kann sich auch nach Friedrichshain wagen. Köpenick erfordert fast schon ein Schreibseminar.

Hauptfigur sollte eine Frau sein. Mitte dreißig. Anna, Hanna oder Leah. Auch Sarah, Katharina oder Thea sind möglich. Ebenso wie Inga, Jule, Agnes, Judith oder Magda. Ihr Freund heißt Lars, Lutz, Laszlo oder Sven. Denkbar wäre auch Ulf, Moritz oder Alex. Ebenso wie Christoph, Philip, Phillip oder Filipp.

Die beiden leben in einer Zweieinhalbzimmerwohnung mit schrägen Fenstern unterm Dach. Ein regelmäßiger Streitpunkt ist, wie die nächste Wohnung aussehen könnte. Altbau in der Stadt oder doch was weiter draußen. Selbst ein Reihenhäuschen wäre vorstellbar, über das Klischee von Spießigkeit sind die Hauptfiguren ebenso hinweg wie die Leser.

Sarah hat zwei Abtreibungen hinter sich (mit 18, nach der Klassenfahrt, und mit 25, nach einem verheirateten Prof). Lars hat einen Sohn (Ben, 4) aus einer früheren Hauptbeziehung, der bei seiner Mutter in Leipzig lebt. Lars sieht Ben einmal im Monat, er verbringt dafür das Wochenende in Leipzig. Sarah hätte natürlich nichts dagegen, wenn Ben nach Berlin käme, aber derzeit ist es so für alle Beteiligten rein reisetechnisch am unkompliziertesten. In Sarah schwelt der leise Verdacht, dass Lars während der Besuche noch mit Bens Mutter schläft. Sie heißt Su, 29, und arbeitet als Tänzerin und Choreografin in einem freien Projekt.

Lars ist von Beruf Tischler und verdient ziemlich gut mit Spezialaufträgen für Messebauten. Dass er auch in der Berliner Wohnung alles mit viel Geschmack und Liebe fürs Detail entworfen und gebaut hat, versteht sich von selbst. Zweimal hatte er Beziehungen zu Männern, ist aber eindeutig hetero.

Sarah hat nach dem Abitur ein Jahr in Chile verbracht. Als Erzieherin in einem Kinderheim in Santiago. Sie hat Patagonien mit dem Motorrad bereist und die Atacamawüste zu Fuß. Mit dem Bus ist sie vier Wochen durch Argentinien gefahren. Die Beschreibungen dieser Reisen nehmen im Roman gut zwanzig Seiten ein. Dialoge sind so gut wie überflüssig, denn es werden überwiegend überwältigende Natureindrücke beschrieben. Kleiner Tipp: möglichst viele Pflanzen- und Vogelnamen erwähnen, schafft Authentizität.

Fester Bestandteil eines Romans – vor allem wenn er frauenaffin sein soll – sind zwei Elemente: ein Guru und der Besuch der Eltern in Berlin. Varianten sind möglich. Es kann auch der Besuch im Elternhaus in der Provinz erfolgen, dabei könnte Sarah dem Guru über den Weg laufen.

Ergiebiger ist es meiner Meinung nach, die Eltern nach Berlin kommen zu lassen. Sie sind Anfang sechzig und heißen Dirk und Doro. Kennengelernt haben sie sich während der katholischen Jugendarbeit in Ravensburg. Eine schwäbische Herkunft ist nahezu Pflicht. Aktuell böte sich natürlich der Großraum Stuttgart an. Hätte aber etwas krampfig Aktuelles und riecht zu sehr nach Aussage. Es gingen auch Orte wie Bamberg oder Heilbronn, Bad Kissingen oder Montabaur – aber Oberschwaben ist besser.

Für den durchschnittlichen Leser (m/w) ist sowieso alles südlich von Frankfurt Schwaben oder Bayern. Und Oberschwaben bietet landschaftlich erstklassige Möglichkeiten – Ravensburg, Memmingen, Ottobeuren, Bodensee, barocke Basiliken, Reliquienverehrung, bröckelnder Katholizismus, Skiurlaube in der nahen Schweiz.

Denn das Wichtigste am zeitgenössischen deutschen Roman: Er spielt nahezu ausschließlich im Milieu, aus dem die Autorin stammt. Maximal kommt noch ein weiteres Milieu hinzu. Bei sehr erfahrenen Autorinnen noch eins, aber dann geht’s wieder zurück in die eigene Befindlichkeit.

Zusatzmilieus wären etwa ein Rentnerehepaar aus Hermannstadt (Rumänien, Vertriebenenthematik aus überraschender Perspektive), das mit im Haus in Berlin lebt.

Oder Mufti, ein libanesischer Jugendlicher in London, der in Kapital zwo eingeführt wird. Die Londoner Kapitel haben zunächst nichts mit den Berlinern zu tun. Sie unterscheiden sich in Stil und Ausdruck frappant, man merkt: Hier wurde recherchiert, hier hat sich jemand reingearbeitet, vielleicht sogar noch ein halbes Jahr dort gelebt (Praktikum? Goethe-Institut?). Je weiter die Handlung fortschreitet, desto mehr laufen die Wege von Mufti (London) und Sarah/Lars (Berlin) aufeinander zu. Bis es zur körperlichen Begegnung kommt, gern auch schicksalhaft.

Aber zurück zu Dirk und Doro, Sarahs Eltern aus Ravensburg. Die beiden sind seit ihrer Firmung zusammen und haben immer noch vier Mal pro Woche Sex. Dies lassen sie ihre Umwelt auch gerne spüren. Vor allem Sarah, die doch vom Küsschengeben und Schnäbeln und Tätscheln ihrer Eltern während des Einkaufs auf dem Markt leicht angenervt ist.

Denn am ersten Abend wird bei Elternbesuchen zu Hause gekocht. Tradition. Das übernimmt Dirk, der auch den Einkauf federführend getätigt hat. Die Beschreibung des Kochvorgangs kann sich gerne über fünf Seiten hinziehen.

Gemüse, Gewürze, Kräuter, Weine, Jahrgänge, Nachtische – alles lässt sich mit wenig Anstrengung recherchieren.

Bei der dritten Flasche Rotwein, durch die geöffneten Fenster dringt die laue (!!!) Berliner Nachtluft ins Zimmer, kommt es zum Streit zwischen Dirk und Lars. Streit ist vielleicht zu viel gesagt. Dirk verfällt in einen gereizten Monolog über Gott und die Welt. Das ist wörtlich zu nehmen, denn hier lässt sich alles unterbringen, was man als ökologisch interessierter Katholik im taumelnden Kapitalismus über die Jahre so alles zusammengelesen hat. Eine überragende Figur wie der Kirchenvater Augustinus trägt durchaus über zwei Seiten. Dirk ist Bauingenieur, und Doro hat noch kurz in Ulm bei Otl Aicher Grafik studiert, aber in ihrer Kirche waren sie immer aktiv. Kritisch und durchaus auch zu deutlichen Worten gegenüber Rom bereit, aber im Grunde ihrer Seelen tief im Glauben verwurzelt. Von Sarahs Abtreibungen wissen sie nichts. Schon gar nicht, dass die erste (die nach der Klassenfahrt nach Rom) vom katholischen Jugendpfarrer organisiert wurde.

Und damit kommen wir zum Guru. Es muss nicht gleich Bali oder ein Ayurveda-Ressort im Indischen Ozean sein. Warum sollen sich Werner, der Guru, und Sarah, die abgebrochene Pädagogin (irgendwas sehr, sehr Intensives mit »Behinderten«, so ihre berufliche Vorstellung in der Abi-Zeitschrift »Schwabylon«. Auf die Anführungszeichen bei »Behinderten« hat sie Wert gelegt), nicht zufällig im Hausflur treffen, als Guru Werner auf den Briefkästen nach einem Namen zu suchen schien?

Sarah ist noch in Gedanken. Sie hat den Vormittag über in der Agentur einer Freundin gearbeitet, die Besuchswochenenden für geschiedene oder getrennt lebende DAX-Vorstände organisiert. Oder zumindest für Führungskräfte. Aber Top-Kunde ist ein DAX-Vorstand, dessen Töchter einmal im Monat von Bonn an die Ostsee und zurückgebracht werden müssen. Außerdem hat Sarah aus Sentimentalität die Nacht in der Bettwäsche von Dirk und Doro verbracht, die am Nachmittag zuvor nach Ravensburg zurückgefahren sind. Sarah muss dann immer einmal in der Bettwäsche schlafen, bevor das Bett neu bezogen wird.

Wahrscheinlich erinnert sie das an die Geschichte aus ihrer Kindheit, wenn Oma Gretl von früher erzählte. Wie die ganze Familie sich samstags im selben Wasser wusch, im Zuber in der Waschküche, und Heinerle, der Bruder von Oma Gretl, durfte mit seinem Stumpf aus Russland zuerst in den Bottich (Hier folgt Nazizeit/Einfache-Leute-Sequenz, die noch ausgearbeitet werden muss. Stichworte Smolensk – rotes Fleisch – Krankenschwester/weiße Brüste – fremder Mann am Ende der Dorfstraße – nur noch 48 Kilo – nie geredet, nachts geschrien – Fronleichnamsprozession – flirrende Junihitze – Strick, Dachboden).

Und dann stand da plötzlich Werner an den Briefkästen. Er wirkte leicht siffig und roch geil. »Du siehst müde aus«, sagte er zu Sarah. Seine Zähne waren weiß und kräftig, und sie erinnerte sich, dass auch schon Politikerehen mit diesem Satz begonnen hatten. Hatte sie mal irgendwo gelesen.

»Wohnen die Goldhagens denn nicht mehr hier?«, fragte er, ohne sich allzu sehr für ihre Antwort zu interessieren. Er stand jetzt unmittelbar vor ihr, und sie sah die winzigen Schweißperlen auf den beiden Fibromen, die auf Höhe seiner Schilddrüse am Hals baumelten.

 

 

 

Die folgende Roman-Passage ist inhaltlich nicht zwingend, eignet sich aber perfekt für Vorabdrucke und erste Leseproben an Vertreter und den deutschen Buchhandel:

 

Bei jedem anderen Mann hätten sie die hässlichen Hautwarzen geekelt, die an ihren Spitzen aussahen, als hätten sie schwarze Mützchen auf. Selbst von Lars erwartete sie, dass er duschte, bevor sie miteinander schliefen. Manchmal ließ sie es zu, dass er sie einfach nahm, aber dann war sie noch tagelang wund gescheuert von den Sägemehlresten in seinen Schamhaaren. Bei Werner ergab sich alles wie von selbst. Er tat ihr weh, als er sie mit dem Rücken gegen die Steinstufen presste. Er war ruppig, als er ihr seinen Schwanz bis zum Schaft in den Mund rammte. Es schmerzte, als er ihren Kopf dabei an den Haaren ins Genick zog. Unwillkürlich musste sie an Annegret denken, ihre Freundin aus Ravensburger Schulzeiten.

Annegret konnte nachts nur noch sehr unsicher Auto fahren, weil sie sich beim Blasen die drahtigen Schamhaare eines deutschen Nachwuchsdramatikers ins rechte Auge gestochen hatte. Hinter dem Spiegelzelt, anlässlich einer Party während des Theatertreffens Ende der Neunziger.

Später, als sie Hand in Hand an der Topografie des Terrors vorbei Richtung Checkpoint Charlie schlenderten, fragte Werner Sarah, was sie von Margarete Mitscherlich halte. Ohne ihre Antwort abzuwarten, erzählte ihr Werner von einem Interview, das Alice Schwarzer mit Margarete Mitscherlich geführt hatte. Darin sprach die Psychoanalytikerin von ihrer Erfahrung, dass die überwiegende Mehrheit der Frauen sich davor ekelte, den Samen zu schlucken.

Werner erzählte Sarah, dass dieses Interview seinem Leben eine andere Richtung gegeben habe. Er wünsche sich so sehr, dass Sarah ihn einmal in Kärnten besuche, auf dem Bergbauernhof, auf dem er aufgewachsen war, ohne Vater, mit Mutter, Tante und vier Schwestern. Und natürlich Tieren.

Dann schwieg Werner, und als er an einer Ampel flüchtig ihren Hals küsste, merkte Sarah, dass er weinte. Sie glühte, und zum ersten Mal spürte Sarah einen magischen Sog, der ihr fast den Atem nahm: Ja, sie wollte ein Kind.

 

 

Ich breche ab. Der Roman will mir nicht recht gelingen. Pennälerhaft. Schreibe ab jetzt lieber Notizen, Fragmente, Hingeworfenes. Vielleicht stellt sich hier Leichtigkeit ein, die ich so schmerzlich vermisse. Wer weiß …

Notizen

Notizen, neuere

Kurz mit P. über F. gesprochen. Er nennt S. einen Kleinbürger. Man will ihm nicht mal den Hildegard-von-Bingen-Preis geben.

Zum Vorigen

Habe vergessen, was ich schreiben wollte …

Rom

Wieder mal in Rom. Vatikan, Spanische Treppe, Forum Romanum … Wie abgründig erregend ist doch die Stadt, wenn man neugierig bleibt. Abseits der üblichen Pfade. Goethe war hier nicht unglücklich …

WDR 3

Der einfache Arbeiter, die Landfrau mit dem kräftigen, gebräunten Nacken sagen Nietsche, wenn sie von Nietzsche sprechen. Eleonore Büning im Klassik Forum sagt Nietz-sche. Mehrmals hintereinander. Nietz-sche. Nietz-sche. So erschließt sich manches in seinem Werk wie von selbst …

Nach einem Glas Malt

Zur Zeit von Admiral Nelson zogen sich die Soldaten vor der Schlacht saubere Wäsche an, um im Verwundungsfall Infektionen zu vermeiden. Melancholische Glücksempfindung angesichts dieser verloren gegangenen Verbindung aus Stil und Hygiene.

Später

Sinaida weint, als Corinna Harfouch in der Rolle von Magda Goebbels die Kinder vergiftet. Ich verstoße sie. Blöde, sentimentale Gans.

Im ICE

Ein Mann im Anorak nimmt sich Zeitungen aus der Halterung. Er beugt sich zu mir: »Ich fahr nur 2. Klasse. Aber ich stibitze mir immer die Zeitungen in der Ersten.« Empfinde tief die Glücksfähigkeit der einfachen Menschen anlässlich des Verbs »stibitze«. Tränen.

Zwei Dinge

Betrachte abwechselnd meinen Penis und den neuen Roman von Martin Mosebach. Auf beides habe ich mich den ganzen Tag gefreut.

 

Notizen schreiben ist irgendwie nicht so mein Ding, merke ich gerade. Wahrscheinlich, weil ich wenig aufschreibe, sondern es mir eher merke. Und dann vergesse, wenn ich’s nicht mehr brauche. Was mir eher liegt, glaube ich, ist ein Kinderbuch. Kinderbuch ist natürlich nicht gleich Kinderbuch. Es gibt spannende, mit einer richtigen Geschichte. Und solche, die zum Beispiel von Schauspielern geschrieben werden, die glauben, sie könnten das …

Hans, der dumme Schauspieler, der ein Kinderbuch schreiben wollte

Eine Kindergeschichte für alle,

die von Kindern keine Ahnung haben

von Harald Schmidt

 

 

Es war einmal ein Schauspieler, der war so dumm, dass es nicht mal für den Vorabend reichte. Da er aber Hunger hatte und schon ab 11 Uhr vormittags Durst, musste er irgendwie Geld verdienen.

Eines Tages, wie er so in seiner Küche saß und grübelte, kam eine Frau herein. Sie hatte langes, goldenes Haar und trug einen kunstseidenen Morgenmantel, auf welchem Drachen Feuer spuckten.

Sie setzte sich zu Hans an den Tisch, und wie sie so plauderten und die zweite Schachtel Gauloises Blondes zu Ende ging, da merkte Hans, dass es Liese war, seine Frau.

Früher hatte Liese kranke Menschen gepflegt, die schwach und hilflos in ihren Betten lagen. Aber nach einiger Zeit war sie des Pflegens müde und fing an zu kellnern. Aber schon bald verlor sie den Spaß daran, Menschen Latte und Kürbissuppe mit Ingwer an die Tische zu bringen. So beschloss sie, Kinderkleider zu verkaufen. Aber es waren keine neuen Kleider. Es waren die Kleider, welche die Reichen nach einmal Anziehen ihren Kindern wieder wegnahmen und in einen Laden brachten, der »Gepetto« hieß. Der Laden gehörte Caro, einer ganz lieben Freundin von Liese. Morgens um 11.30 Uhr machten Caro und Liese den Laden auf und häufig um 14.45 Uhr schon wieder zu, weil Leben für sie nicht nur aus Arbeit bestand. So kam es, dass das »Gepetto« bald überhaupt nicht mehr aufmachte. Caro schenkte einem Jungen das Leben, von dessen Vater sie nur den Vornamen kannte, und Liese half halbtags in einer Buchhandlung. Während sie so neben der Kasse stand und auf Kunden wartete, kritzelte sie mit einem dicken Filzer auf Notizpapier. Das ergab hübsche Bilder, die mal einem Baum, mal einem Fisch ähnelten. Einer Kundin gefielen die Blätter besonders gut. Ihr Mann war gerade samt Galerie und neuem Lebensgefährten nach Berlin gezogen, und so hatte Henrike (die Kundin) viel Zeit. Sie beschloss, aus Lieses Kritzeleien einen Kalender für den Adventsbasar zu machen. Der Kalender fand reißenden Absatz, sodass Liese häufig zu Kindergeburtstagen eingeladen wurde, wo sie Schnellporträts der kleinen Gäste zeichnete.

Auf einem dieser Geburtstage lernte sie Hans kennen, der dort als Clown und Zauberer um die Aufmerksamkeit der Kinder kämpfte. Seit diesem Tag sind Hans und Liese ein Paar, das sich beim Einschlafen an den Händen hält.

Intermezzo

Zum besseren Verständnis der weiteren Geschichte empfehlen wir folgende Musiken, sämtlich gehört von Hans und Liese im Klassik Forum auf WDR 3:

Mozart, Quintett Es-Dur, KV 452, gespielt u.a. von Alfred Brendel und Heinz Holliger

Schostakowitsch, Bearbeitung von »Tea für Two«

Schumann, Toccata Nr. 7, gespielt von Ivo Pogorelich

Schubert, »Gesang der Geister über den Wassern«, Monteverdi Choir unter der Leitung von Eliot Gardiner

Hugo Wolf, »Wer rief dich denn? Wer hat dich herbestellt?«, gesungen von Elisabeth Schwarzkopf

Und so ergab es sich, dass eines Tages nach dem Aufwachen Liese zu ihrem Hans sprach: »Ei, Hans, höre! Du kannst nicht schreiben, und ich kann nicht malen. Lass uns ein Kinderbuch machen.«

Und beide setzten sich an den Küchentisch und fingen an, sich eine Geschichte für Kinder auszudenken.

Hätten die beiden einen Lektor, Verleger oder auch Marketingfachmann in ihrem Freundeskreis gehabt, hätten die ihnen sagen können, dass man Kinder bei Kinderbüchern besser nicht Kinder nennt. Es muss heißen: Menschen.

Für Menschen ab 5. Oder für Menschen ab 3. Denn es ist ja dann das Problem der Eltern oder der Oma, dass die Dreijährigen die Geschichte nicht kapieren.

Sie hätten ihnen auch sagen können, dass Geschichten zum Vorlesen geeignet sein müssen. Also maximal zweieinhalb Seiten lang. Weil Vati sonst auf der zweiten Seite wegpennt oder innerhalb der Geschichte abkürzt. Das führt ganz oft zu ganz schlimmem Geschrei. Denn natürlich kennen die kleinen Racker die Geschichten auswendig. Wörtlich. Und werden sehr böse, wenn ein Satz fehlt oder auch nur ein Wort verändert wird.

Arschlochpapa und Scheißemama kommt dann selbst aus Kindermäulchen, die gerade noch dem Wurzelzwerg Gutenachtküsschen gegeben haben.

Auch hätten gute Freunde aus der Buchbranche Hans und Liese bei einigen Flaschen chilenischem Roten glaubhaft vermitteln können, dass Kinder nichts anderes interessiert als Geschichten mit klaren Fronten: schwarz und weiß, gut und böse, jung und alt, lieb und gefährlich.

Die gute, alte Hexe, der böse Räuber, die einsame Prinzessin, das ängstliche Häschen und die neugierigen Kinder – unverwüstliche Klassiker, an denen nichts verbessert werden muss!

Aber – leider, leider – war das Hirn von Hans durch Alkohol, Drogen und viele Jahre Stadttheater nicht mehr frei von Dauernebel. Deshalb sollten seine Geschichten etwas mit der Wirklichkeit zu tun haben. Mit dem Alltag von Kindern ohne Schönfärberei.

Die erste Geschichte, die Hans vorschlug, hieß Papa will nicht aufstehn. Papa lebt mit seinem fünfjährigen Sohn alleine in einer großen Stadt. Mama ist weg. Ob im Himmel oder in Marokko, wird nicht erzählt. Papa ist Anwalt. Dass sich Kinder unter Anwalt nichts vorstellen können, ist für Hans ohne Bedeutung. Er schreibt Anwalt, weil er gerade mit seinem Anwalt Stress hatte. Im Wesentlichen dreht sich die Geschichte darum, dass Papa Anwalt morgens nicht aufstehen will und der fünfjährige Jakob alleine das Frühstück zubereitet und sich für den Kindergarten fertig macht. Eines Tages hat Jakob keine Lust mehr, Papa immer zum Aufstehen zu bringen, und beschließt, selber in Papas Büro zu gehen. Dabei benutzt Hans die Begriffe Talar, Blackberry, Dauerparker und Videokonferenz.

Liese tut sich echt schwer, das in Bilder zu fassen. Zumal sie eher aus dem Bauch heraus zeichnet und sich in ihrer Fantasie nicht einengen lassen möchte. Hätte Liese wissen können, dass Kinder mit Strichmännchen in DIN-A4-Format, bei denen die Augen fast so groß sind wie der Kopf, eher wenig anfangen können?

Nach einem Arbeitstag des fünfjährigen Jakob in Papas Anwaltskanzlei lässt Hans die Geschichte als wunderschöne Vision von einer Kinderwelt ohne Leistungsdruck enden: Papa Anwalt hat in Jakobs Zimmer die Ritterburg aufgebaut und die Wände mit Wachsmalkreide verschönt.

Er hat alle Spaghetti gekocht, die er finden konnte, und 500 Pfannkuchen gebacken. Jakob hat in Papas Büro alles, was auf dem Schreibtisch lag, aus dem Fenster geworfen.

Da haben Papas Kollegen ganz doll in die Hände geklatscht und gerufen: »Bravo, Jakob, bravo!«

Am Ende, als Jakob und Papa so viel Badeschaum gemacht haben, dass er durch die ganze Wohnung quoll, hielten sie sich die Bäuche vor Lachen und beschlossen, das jetzt öfter zu tun.

Hans entwarf dann noch die Grundideen für eine deutsch-afrikanische Patchworkgeschichte (»Immer musse aufessen«) und für die Geschichte einer Hartz-IV-Familie, die einem krebskranken Millionärskind das schönste Weihnachtsfest seines (zu kurzen) Lebens bereitete (»Der Engel mit der Glatze«).