Flirting with Disaster - Annie Kelly - E-Book

Flirting with Disaster E-Book

Annie Kelly

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Beschreibung

Sie ist seine Lehrerin … … aber er erteilt ihr eine prickelnde Lektion. Damit hat Hyacinth nun wirklich nicht gerechnet: Als sie ihren Job als Lehrerin antritt, sitzt in ihrer Klasse ausgerechnet der gutaussehende Kerl, dem sie eine Woche zuvor in einem Club beim Bodypainting nähergekommen ist! Dabei kam Smith Asher ihr gar nicht wie ein Schüler vor. Hyacinth ist klar, dass sie jede Verbindung zu ihm so schnell wie möglich kappen muss, wenn sie nicht beide in Schwierigkeiten geraten wollen. Zudem scheint Smith irgendetwas mit den Drogengeschäften zu tun zu haben, die an der Schule vor sich gehen. Doch bald wird das Verlangen zu groß, um es weiter zu ignorieren … Der erste Band der unwiderstehlichen ‹Flirting with Disaster›-Serie. «Eine süße Geschichte mit einem interessanten Plot, der immer mehr an Fahrt aufnimmt. Ich empfehle «Flirting with Disaster» allen, die schwierige Umstände, einen heißen Helden und eine Heldin mit einem Herz aus Gold suchen.» (Harlequinjunkie.com)

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Seitenzahl: 321

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Annie Kelly

Flirting with Disaster

Roman

Aus dem Englischen von Michael Schickenberg

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Sie ist seine Lehrerin …

… aber er erteilt ihr eine prickelnde Lektion.

 

Damit hat Hyacinth nun wirklich nicht gerechnet: Als sie ihren Job als Lehrerin antritt, sitzt in ihrer Klasse ausgerechnet der gutaussehende Kerl, dem sie eine Woche zuvor in einem Club beim Bodypainting nähergekommen ist! Dabei kam Smith Asher ihr gar nicht wie ein Schüler vor.

Hyacinth ist klar, dass sie jede Verbindung zu ihm so schnell wie möglich kappen muss, wenn sie nicht beide in Schwierigkeiten geraten wollen. Zudem scheint Smith irgendetwas mit den Drogengeschäften zu tun zu haben, die an der Schule vor sich gehen. Doch bald wird das Verlangen zu groß, um es weiter zu ignorieren …

 

Der erste Band der unwiderstehlichen ‹Flirting with Disaster›-Serie.

 

Über Annie Kelly

Für Josh

Tja, da war ich nun, weit von meinen ehrgeizigen Zielen entfernt, mit jeder Minute schwerer verliebt.

 

F. Scott Fitzgerald

 

Das Verbotene hat einen Reiz, der es ungemein erstrebenswert macht.

 

Mark Twain

Kapitel 1Mädelsabend

«Du hast mir eine To-do-Liste geschrieben? Für den Club?»

«Ich habe dir eine To-do-Liste geschrieben. Für den Club», wiederholt Carson und lächelt strahlend.

Wenn sie so grinst, ähnelt meine ehemalige Mitbewohnerin mit ihren kurzen schwarzen Haaren und den feinen Gesichtszügen einer Fee. Oder einem Dämon, der sich als Fee verkleidet hat und der mich dazu bringen will, all meine sorgsam aufgestellten Regeln zu brechen.

«Erstens», liest Rainey, wie immer die Dritte in unserem Bunde, hinter mir vor. «Einen Long Island Iced Tea trinken – und zwar bis auf den letzten Tropfen!» Sie lacht auf. «Hyacinth trinkt doch gar nicht mehr. Nicht mal den Sekt an Silvester hat sie geleert.»

Carson zuckt die Schultern. «Es ist immer gut, die eigenen Grenzen auch mal zu überschreiten.»

«Oder sie gleich einzureißen», ergänze ich missmutig. «Ist das dein Ernst mit dem zweiten Punkt? Wild abtanzen und mit dem Arsch wackeln?»

«Na klar! Du bist eine gute Tänzerin – musst dich nur ein bisschen locker machen und entspannen.»

«Aber an mir ist nichts dran zum Wackeln.»

«Da oben schon», erwidert Rainey und schaut vielsagend auf meinen Ausschnitt. «Sogar im Doppelpack, Süße.»

«Das sagt ja die Richtige», gebe ich schnaubend zurück.

Wenn wir zu dritt ausgehen, zieht Rainey ganz klar die meisten Blicke auf sich. Sie ist eine echte Sexbombe – blonde Haare, riesige Brüste, Beine bis nach Australien, alles. So ziemlich jeder Mann, den ich kenne, gerät aus dem Konzept, wenn sie zufällig in Rock oder Shorts vorbeispaziert.

Ich lasse mich in den Beifahrersitz von Carsons Jeep sacken und verschränke die Arme. Als ob ich nie gelebt hätte! Da gab es durchaus so einige betrunkene Karaokeauftritte, Tabledance-Einlagen und One-Night-Stands. Okay, ich hatte bisher nur eine richtig ernsthafte Beziehung. (Und der Typ hat meine Lieblingsfleecedecke und meine Tasse von den Baltimore Ravens mitgenommen.) Aber die ist jetzt vorbei, und mittlerweile habe ich mich damit abgefunden, dass Brent der Meinung ist, wir hätten keine gemeinsame Zukunft. Abgefunden, aber verwunden habe ich nichts. Wenn ich daran denke, versetzt es mir immer noch einen Stich.

«Mein persönlicher Favorit ist Nummer drei», sagt Carson vom Fahrersitz und nimmt den Blick kurz von der Straße, um mich anzugucken. «Den geilsten Typen im ganzen Club finden und mit nach Hause nehmen.»

Rainey legt mir vom Rücksitz aus die Arme um die Schultern und drückt mich. «Alkohol, Arschwackeln und heiße Kerle – besser kann das Wochenende doch nicht losgehen, oder, Cyn?»

Mein Blick verfinstert sich. «Ist euch klar, dass ich Lehrerin bin und Amerikas Jugend unterrichte? Für die ich ein Vorbild sein muss, zu dem man aufblickt?»

«Du bist Lehrpraktikantin», erwidert Carson und sieht mich leicht genervt an. «Erst danach bist du eine richtige Lehrerin. So läuft das, Schwester.»

«Genau», pflichtet ihr Rainey bei und lehnt sich wieder zurück. «Außerdem sitzen wir doch alle im selben Boot, oder? Wir unterrichten zwar nicht alle in der Schule, aber ich leite die Nachmittagsbetreuung beim YMCA, und Carson gibt drei Tage die Woche Nachhilfe. Während der Arbeitszeit müssen wir alle Vorbilder sein. Aber in unserer Freizeit können wir machen, was wir wollen.»

«Oh», erwidere ich spöttisch, «dann sollte ich unbedingt gleich losziehen und so richtig einen auf Miley Cyrus machen. Vielleicht macht ja jemand ein Video von meinem wackelnden Arsch und stellt es auf YouTube. Also, wenn die Kids dann keinen Respekt vor mir haben, weiß ich es auch nicht …»

Rainey zuckt mit den Schultern. «Ich will nur, dass du mal Spaß hast. Du bist immer so ernst, und du arbeitest so viel. Du hast eine Pause verdient.»

Ich muss lächeln. Typisch Rainey. Immer in Sorge, wenn es um die Menschen geht, die sie liebt. Eigentlich kann sie gar nicht anders, als sich immer um andere zu kümmern. Als ich sie am College kennengelernt habe, wollte sie erst Psychiaterin werden, dann Kinderpsychologin. Jetzt ist sie fast mit ihrem Master in Sozialpädagogik fertig und schwört, ihre Berufung gefunden zu haben. Aber ich bin fast sicher, dass sie alles aufgeben und dem Peace Corps beitreten würde, wenn sich die Gelegenheit böte.

Carson dagegen ist die geborene Lehrerin, und ich verstehe immer noch nicht recht, warum sie sich nicht wie ich für ein Lehrpraktikum beworben hat. Jedes Mal, wenn ich sie gefragt habe, hat sie nur mit den Achseln gezuckt und vage geantwortet, sie sei besser darin, «mit Einzelpersonen zu arbeiten». Sie ist eine klasse Nachhilfelehrerin, von daher stimmt das wohl. Jedenfalls habe ich gelernt, dass es besser ist, das Thema nicht mehr anzuschneiden.

«Wo fahren wir denn eigentlich hin?», frage ich und bemühe mich, etwas weniger angenervt zu klingen. Immerhin sind es meine besten Freundinnen, und ohne sie an meiner Seite hätte ich den ganzen Mist in meinem Leben – die Krankheit meines Vaters, das stressige Studium, die völlig unerwartete Trennung – niemals bewältigt.

«In einen neuen Club», sagt Carson lässig. Sie schaut kurz in den Rückspiegel und setzt den Blinker. «Heißt Cave, soweit ich weiß.»

«Cave?» Ich runzele die Stirn. «Nie gehört. Ist der an der Hafenpromenade?»

Rainey kichert. Ich sehe sie strafend an.

«Was?» Sie schüttelt den Kopf. «Nichts. Tut mir leid. Ich hab dich gern, Cyn, das weißt du, aber manchmal bist du echt naiv. Das ist irgendwie süß.»

«Wow. Was für ein wunderbar falsches Kompliment. Vielen Dank.»

Sie runzelt die Stirn. «So war das nicht …»

«Rainey will eigentlich nur sagen», fährt Carson dazwischen, «dass das Cave nicht am Hafen ist. Es ist im Zentrum, und zwar richtig im Zentrum. Außerdem ist es nicht so ganz öffentlich.»

Ich ziehe skeptisch eine Augenbraue hoch. «Wir fahren zu einem Privatclub?»

«Jepp.»

«Und der ist im Zentrum? Oh, Pardon, richtig im Zentrum? Im Sinne von nicht im Hafen, keine Straßenbeleuchtung, keine sicheren Bars und Clubs, wo auch Touristen hingehen?»

«Jepp.»

«Also eigentlich ein Ort, den man normalerweise meidet?»

«Jepp.»

«Toll.» Sofort wühle ich in meiner Handtasche nach Pfefferspray, das aber – wie sollte es anders sein – schön ordentlich zu Hause in meinem Nachttisch liegt. «Es wäre wirklich nett, wenn ihr mich in solche Aktionen vorher einweihen würdet.»

«Ach bitte!», spöttelt Carson. «Hätte ich dir gesagt, wo wir heute Abend hingehen, hättest du es gegoogelt. Und dann wärst du völlig ausgerastet und hättest gekniffen. Ich kenne dich doch.»

«Kann sein», gebe ich zu. «Aber denk mal an dieses Café in Little Italy. Hätte ich das vorher nicht im Netz gesucht, hätten wir nie von dem Ärger mit dem Gesundheitsamt erfahren.»

«Tja, und dann hätten wir dort wahrscheinlich lecker gegessen, und es wäre überhaupt nichts passiert.»

«Vielleicht», antworte ich schulterzuckend. «Aber … Wieso wäre ich eigentlich nicht mitgekommen, wenn ich den Club gegoogelt hätte?»

Rainey beugt sich wieder nach vorne. «Heute Abend machen wir mal was anderes als sonst. Der Club ist super exklusiv. Nur ausgewählte Gäste kommen da rein. Und wir stehen fett auf der Gästeliste.»

Carson zwinkert mir zu. «Mal nicht ins Power Plant Live, hm? Keine Chicas, die gerade einundzwanzig geworden sind und die Security-Typen angraben. Mal nicht in eine dämliche Tiki-Bar. Dieser Laden ist ein bisschen … extremer.»

Ich beiße auf meiner Lippe herum. «Extremer? Wie jetzt?»

Carson biegt in die Lombard Street ein. Diesmal antwortet sie, ohne mich anzusehen. «Extremer in dem Sinn, dass dort ein anderer Schlag von Leuten abhängt, als du es gewohnt bist.»

Ich werfe die Hände in die Luft. «Was soll denn dieses Rumgeeiere? Spuckt’s aus. Ihr habt doch sonst nichts gegen klare Worte. Fahren wir zu einem illegalen Pokerabend, oder was? Oder … Oh nein, schleppt ihr mich wieder in einen Stripclub?»

Die beiden lachen los.

«Vertrau uns, okay?», sagt Rainey schließlich. «Auch wenn es dir schwerfällt. Glaub mir, du wirst einen Superabend haben. Versuch dich einfach mal zu entspannen.»

«Na, danke.»

Selbst an guten Tagen kann ich mich nicht entspannen, da wird es wohl jetzt erst recht nicht klappen. Ich habe gerade echt mehr als genug um die Ohren – meine Masterarbeit ist demnächst fällig, dazu noch der Job an der Franklin School. Gestern beim Abendessen hat Dad mich sogar gefragt, ob nicht eher ich diejenige bin, die betreutes Wohnen bräuchte.

«Prinzessin, ich habe gehört, dass Rockys Zimmernachbar gerade abgehauen ist. Ich wette, ich könnte dich da günstig reinbringen!»

Natürlich weiß ich, dass er nur Spaß macht, allein schon deshalb, weil ich ja ursprünglich gar nicht wollte, dass er da hinkommt.

Carson parkt den Wagen am Ende einer dunklen Gasse. Beim Blick aus dem Seitenfenster muss ich schlucken. Ich bin an gutbeleuchtete Parkhäuser in Hafennähe gewöhnt oder daran, mit dem Taxi zum Federal Hill zu fahren. Hier brüllt mein Überlebensinstinkt förmlich, ich soll angeschnallt im Auto sitzen bleiben und mich an den Griff über der Beifahrertür klammern.

«Da wären wir», sagt Carson fröhlich, als wären wir im Park angekommen und würden gleich den Picknickkorb aus dem Kofferraum holen. «Hat jede ihr Handy?»

«Jepp.» Rainey klingt genauso happy und hüpft im Sitzen leicht auf und ab.

«Gut. Sollten wir uns verlieren oder sollte eine von uns gehen wollen, wird eine SMS geschickt. Und die anderen antworten auf jeden Fall. Klar?»

Ich starre Carson an. «Warum sollten wir uns verlieren?»

Sie zuckt die Schultern. «Der Club ist groß. Man kann ja nie wissen.»

Zweifelnd betrachte ich durchs Fenster die Rückseiten der schmalen Reihenhäuser an der Straße. Wo um alles in der Welt soll hier ein Club sein, der so groß ist, dass man sich darin verlieren kann?

«Na los, kommt schon!», sagt Rainey und klettert vom Rücksitz hinaus in die Nacht. Ich nehme noch einen letzten tiefen Zug gute, sichere Jeep-Luft, dann öffne ich die Tür und steige aus.

«Hey», sagt Carson zu mir, während sie den Wagen abschließt und zur Sicherheit noch einmal am Türgriff zieht, «ich bin froh, dass du dich heute Abend für die Stiefel entschieden hast. Du siehst echt heiß aus.»

Ich lasse den Blick an mir hinabgleiten, über den dunkelgrünen Sweater mit V-Ausschnitt und die Skinny Jeans zu den fast kniehohen Stiefeln, die Rainey mir geliehen hat. Sie musste mir aber zuerst versichern, dass ich nicht wie eine Nutte aussehe, «weil Nutten keine Sweater von Ann Taylor tragen».

«Ja, du siehst super aus. Kaum wiederzuerkennen», sagt Rainey mit heftigem Nicken.

Ich streiche mir das Haar glatt, das sich schon wieder kringelt, weil ich beim Glätten geschlampt habe. Gereizt funkele ich die beiden an. Dann stapfe ich grummelnd los.

«Äh, falsche Richtung.»

Ich drehe mich um. Carson hat die Arme verschränkt und grinst mich blöd an. Rainey ist bereits voraus und folgt einem Pflasterweg zwischen zwei Häusern, an Müllsäcken und Mülltonnen vorbei. Seufzend gehe ich zurück. Als ich neben Carson bin, klopft sie mir auf den Rücken.

«Wir wollen dich doch nur aufbauen. Du solltest mit dir zufrieden sein und dich amüsieren. Aber ohne fremde Hilfe bekommst du das anscheinend nicht hin.»

Ich beiße mir auf die Lippe und lehne mich an Carsons Schulter. «Ich weiß. Danke. Ich werde mich bemühen, es mir heute einfach gutgehen zu lassen und Spaß zu haben.»

«Na also!»

Sie nimmt mich fest an der Hand und zieht mich halb hinter sich her. Ich lächele, jetzt tatsächlich vorfreudig. Zwar weiß ich nicht, auf was ich mich eingelassen habe, aber ausnahmsweise bin ich wirklich mal gespannt auf das Unbekannte.

Kapitel 2Große Erwartungen

Das gute Gefühl hält ganze drei Minuten an.

«Ist das hier dein Ernst?», zische ich Carson ins Ohr.

Wir stehen in einer Menschenschlange in einem dunklen Gang, den wir durch die Haustür eines völlig unscheinbaren Reihenhauses betreten haben. Dann ging es abwärts, und der Gang wurde immer tunnelartiger, absolut gruselig. Die Wände sind eigentlich gar keine Wände – sie bestehen aus feucht glänzendem Fels. Der Boden ist nur festgetrampelt, und über unseren Köpfen hängen aus Tierschädeln gefertigte Lampen. Jedenfalls nehme ich an, dass es Tierschädel sind, da sie nicht wie menschliche Schädel aussehen – beruhigend, wenn ich mich so umschaue. Die Luft ist abgestanden und feucht, dabei aber kühl. Als wären wir in einer Höhle. Sind wir wohl auch.

Ich war nie sonderlich klaustrophobisch, aber dieser Ort fühlt sich an wie ein kaltes, nasses Grab. Innerlich bereite ich mich darauf vor, mir den Weg nach oben notfalls mit Kratzen und Beißen freizukämpfen.

«Ich weiß», sagt Carson mit ernster Miene, «der Laden wirkt ein bisschen suspekt, aber vertrau mir. Wenn wir erst mal drin sind, wird es besser. Ich versprech’s dir.»

Ich verdrehe die Augen. «Aber du hast doch gesagt, du warst noch nie hier.»

«War ich auch nicht.»

«Wie kannst du mir dann irgendwas versprechen?»

Sie zuckt mit den Schultern. «Weiß nicht. Ich dachte, du würdest dich dann besser fühlen.»

Als wir in der Schlange vorrücken, sehe ich, wie die Leute hinter einem dicken, schwarzen Vorhang verschwinden. Dann stehen wir ganz vorn. Ich spähe durch ein Loch im Stoff, kann aber nichts sehen, denn auf der anderen Seite ist es völlig dunkel.

«Name?»

Ein Mann mit dickem Glitzerlidschatten und einer schwarzen Melone auf dem Kopf sieht mich fragend an.

Ich blinzele verwirrt. «Äh, Hyacinth?»

Carson drängt sich an mir vorbei. «Hi», sagt sie und schenkt dem Einlasser ihr strahlendstes Lächeln, «Carson Tucker. Wir sind zu dritt. Das Passwort ist ‹Leder›.»

Passwort?

Ich drehe mich fragend zu ihr, aber sie grinst immer noch den glitzernden Einlasser an. Überrascht mich nicht. Anders als ich hat Carson eine Schwäche für extravagante Typen. Außerdem steht sie auf die glitzerhäutigen Vampire aus Bis(s) zum Morgengrauen …

Der Einlasser blickt auf sein Tablet, dann sieht er auf. «Eure Ausweise, bitte.»

Jede von uns zeigt kurz ihren Führerschein, wofür wir von Mister Glitter einen Stempel auf den Handrücken bekommen. Nachdem er uns offiziell für einlasswürdig befunden hat, weist er höflich auf den schwarzen Vorhang und macht dabei einen kleinen Diener.

«Dort entlang, Ladys. Viel Vergnügen.»

Carson kann ihren Blick kaum von ihm losreißen, aber Rainey schiebt sie weiter durch den Vorhang. Als ich ihr folge, verstehe ich, warum ich auf der anderen Seite des Vorhangs nichts sehen konnte – da ist nicht nur ein Vorhang, sondere mehrere hintereinander, alle aus dickem schwarzem Samt mit eingewirkten Silberfäden. Als wir zum vierten oder fünften Vorhang gelangen, wird dieser von einer Art mechanischem Arm für uns aufgezogen.

«Guten Abend. Willkommen im Cave.»

Vor uns steht eine Frau, die das gleiche glitzernde Make-up und den gleichen Hut trägt wie der Einlasser. Der einzige Unterschied ist, dass sie nackt ist – splitternackt. Bis auf einen metallisch grünen Bodypaint-Bikini.

Rainey betrachtet sie mit großen Augen von oben bis unten. «Du siehst super aus. Wo kann ich das machen lassen?»

«Bodypainting ist in Kammer vier», antwortet die Frau freundlich. Sie deutet hinter sich und rattert dann herunter, was sie zu jedem Gast sagt: «Bitte nehmt bei allem, was ihr ausprobiert, Rücksicht auf die anderen Gäste. Oberstes Gebot ist Anonymität. Die Clubregeln sehen vor, dass die Gäste niemals ihren echten Namen preisgeben, sondern einen selbstgewählten Namen verwenden, der ihnen gefällt. Ich zum Beispiel nenne mich Ivy.»

Na klar.

Ich nehme an, Carson spürt, wie unwohl ich mich fühle, weshalb sie mich am Arm zur Seite zieht. Außerdem kommt hinter uns schon die nächste Gruppe herein.

Sie fasst mich fest an der Schulter. «Das hier ist ein Fantasy-Club. Es geht darum, dass die Leute hier in einer sicheren, anonymen Umgebung ihre Hemmungen ablegen.»

«Was für ein Club?»

«Ein Fantasy-Club», wiederholt sie und zeigt vage umher.

Der Raum ist riesig. Vor uns befindet sich eine große runde Bar, die ein paar Stufen tiefer liegt und deren Sockel schwach bläulich leuchtet. Ringsherum stehen Tische, an denen ich jetzt nach und nach Gesichter und Körper ausmache. Sie tauchen wie aus einem Nebel auf, als wäre ich betrunken. Da ist eine junge Frau in einer engen Lederhose mit korsettartiger Seitenschnürung. An einem dreibeinigen Tisch sitzen einige Männer im Anzug. Zwei Männer in Jeans und mit Irokesenschnitt gehen an der Bar vorbei und verschwinden in einem dunklen Gang. Erst jetzt fallen mir die Gänge auf.

Es gibt acht davon, alle dunkel und eng; wie die Beine einer Spinne gehen sie von der Haupthalle ab. Über jedem Gang hängt ein Schild, von denen ich einige entziffern kann:

Bondage.

Bodypainting.

Power Exchange.

Und etwas weniger bedrohlich: Dancefloor.

Rainey zeigt auf das Schild, das uns am nächsten ist – Power Exchange. «Die Leute kommen hierhin, um ihre Interessen auszuloten.»

«Interessen?»

Ich spiele nur ungern den Vollidioten, aber hier muss mir echt jemand auf die Sprünge helfen. Eigentlich habe ich viel Phantasie, aber selbst in meinen wildesten Träumen hätte ich nicht gedacht, mal in so einem Schuppen zu landen.

«Sexuelle Interessen. Fetische und so», klärt mich Rainey bereitwillig auf. Ich starre erst sie an, dann Carson, die mit den Schultern zuckt.

«Es gibt verschiedene Bereiche, wo man Sachen ausprobieren kann. Man kann sich bemalen lassen wie die Frau am Eingang. Oder du lässt dir die Augen verbinden. Für die Mutigeren gibt es auch ‹Bondage›, das probieren angeblich auch viele aus.»

Da ich noch nie gestorben bin, ist es eine völlig neue Erfahrung für mich, dass mir plötzlich das Herz stehenbleibt.

«Ihr habt mich in einen Sexclub gebracht?», quietsche ich. «Spinnt ihr?»

Carson hebt beschwichtigend die Hände. «Ich schwöre dir, das ist kein Sexclub. Das ist einfach ein Club für Leute, die etwas trinken gehen und dabei mal etwas Neues ausprobieren wollen. Sieh dich um – die meisten hier sind ganz normal angezogen und werden auch nicht an der Leine geführt oder so was. Auch wenn man nicht mitmacht, ist es einfach lustig hier. Es ist wie Halloween in Fell’s Point oder Mardi Gras in New Orleans. Es ist eine Erfahrung.»

Ich beiße mir fest auf die Lippe und sehe mich noch einmal um. Immer mehr Menschen strömen hinter uns durch den Vorhang herein, und ich muss zugeben, dass die meisten von ihnen nicht aussehen wie Ivy-Girl oder Glitter-Boy, sondern eher wie ich. Ich sehe viele Jeans, Röcke und Hemden.

Einige der Frauen tragen dieselbe Art sexy Stiefel, zu denen Rainey mich heute Abend überredet hat. Die meisten von ihnen sind allerdings von Kopf bis Fuß in Lackleder gekleidet. Soll ich jetzt lachen oder weinen? Gerade noch hatte ich Angst, wie eine Nutte auszusehen, jetzt fürchte ich, als Domina zu gelten.

«Hand aufs Herz», fährt Carson fort und legt die Hand an die entsprechende Stelle, «wir sind nur hier, um zu gucken. Man kommt nur mit Einladung hier rein. Mein Bruder ist mit Micah, einem der Barkeeper, befreundet, und der hat uns auf die Gästeliste gesetzt.»

«Komm schon, Cyn.» Rainey wippt auf den Fußballen, was unweigerlich zur Folge hat, dass ihre blonde Haarpracht hin und her schwingt – und ihre Brüste in dem engen schwarzen Top auf und ab hüpfen.

«Du musst nichts machen, was du nicht willst», beschwört sie mich.

«Äh, außer der To-do-Liste dann wohl», erwidere ich.

«Na gut, stimmt.» Sie grinst. «Außer der Liste.»

Ich betrachte meine Fingernägel; das Weiß der French Nails schimmert im Schwarzlicht.

«Nur um es noch mal zusammenzufassen», sage ich schließlich langsam. «Wir sind hier in einem komplett kranken Club, und ich soll mir einen heißen Lover mit nach Hause nehmen, ja? Und was ist, wenn dieser Typ sich als Zehenfetischist entpuppt oder mich ans Bett fesseln will?»

«Das wird schon nicht passieren.» Carson klingt, als sei sie sich ihrer Sache sehr sicher. «Ich kenne niemanden, der bessere Menschenkenntnis hat als du. Du durchschaust jeden kranken Spinner mit Hang zu Gummimasken und Reitgerten sofort.»

Ich schnaube und schüttele dann den Kopf. «Na gut. Aber gebt mir schnell was zu trinken, bevor ich es mir anders überlege und doch noch abhaue.»

Rainey jubelt und umarmt mich stürmisch. «Das wird der Hammer!»

Ich erwidere die Umarmung halbherzig. Prompt gehen zwei Männer mit Hundehalsband an uns vorbei.

Worauf zum Teufel habe ich mich hier eingelassen?

Während wir die Stufen zur tiefergelegenen Bar hinabgehen, versuche ich, meine Schnappatmung in den Griff zu kriegen. Selbst beim Getränkeholen habe ich in diesem Club das beunruhigende Gefühl, als würde ich gleich vor ein Erschießungskommando gestellt.

«Drei Long Island Iced Teas», sagt Rainey zu einer Barkeeperin in blauem Latexanzug, der so eng ist, dass nichts mehr der Phantasie überlassen bleibt.

Die Frau hebt eine ihrer perfekten Augenbrauen und sieht uns an. «Long Islands machen wir nicht. Alle Drinks sind hauseigene Kreationen.»

«Prima. Dann dreimal den stärksten Drink, den ihr habt.»

Rainey wirft ihre Kreditkarte auf die Bar. Nachdem die Barkeeperin sie genommen hat, klatscht sie drei Pappuntersetzer vor uns hin. Carson thront schon auf einem der Barhocker, als würde sie hier hingehören – und irgendwie tut sie das auch. Sie war immer schon die Wagemutigste von uns dreien, und mit ihrer lässigen, leicht trashigen Art passt sie einfach gut hierher. Heute Abend trägt sie einen knappen Jeansrock mit Netzstrumpfhose und ein Def-Leppard-T-Shirt. Je nachdem, wie sie den Kopf dreht, lässt das Schwarzlicht ihr dunkles Haar fast blau aussehen.

Ich bekomme gar nicht mit, wie die Barkeeperin die Drinks hinstellt, aber als ich wieder zur Bar schaue, stehen dort drei hohe Gläser ordentlich nebeneinander. In Reih und Glied, wie drei kleine Soldaten. Na ja, jedenfalls wenn Soldaten fluoreszierend grün wären und eine Ananasscheibe am Helm tragen würden – und einen kleinen Plastiktotenkopf.

«Ich will noch was loswerden», sagt Carson, während sie die Drinks verteilt. «Ich trinke auf die beiden Frauen, die ich über alles liebe, und die Schwestern, die ich nie hatte. Auf dass wir immer glücklich und gesund bleiben, und so saucool, wie wir nun mal sind!»

«Amen.» Ich lächele, als wir anstoßen und den ersten Schluck nehmen.

«Scheiße!», keucht Rainey und hustet. «Ist der stark!»

Sogar Carson, die sonst jeden unter den Tisch trinken kann, verzieht das Gesicht.

Ich dagegen mag den Geschmack irgendwie. Ja, stimmt schon, der Drink ist stark, aber er ist auch fruchtig. Und säuerlich. Wie eine Mischung aus Gummibärchen und Sauren Zungen.

Ich nehme noch einen kräftigen Schluck. «Ich find’s lecker», stelle ich fest.

Die Mädels starren mich an. Dann schüttelt Carson grinsend den Kopf. «Ich hätte es wissen müssen – ein Schluck richtig hartes Zeug, und die Frau kommt auf den Geschmack. Los, gehen wir tanzen.»

«Yeah, let’s go!», stimmt Rainey zu und schwingt sich von ihrem Hocker. Sie zeigt auf das Dancefloor-Schild. «Zeit für Nummer zwei auf der Liste, Cyn.»

Ich trinke noch einen Schluck. «Geht schon mal vor. Ich muss mir noch ein bisschen Mut antrinken, bevor ich mich da reinwage.»

Carson legt den Kopf schief. «Hast du jetzt Schiss?»

«Nein, nein. Ehrlich nicht, ich werde heute Abend tanzen. Ich will mich nur noch etwas … an die Umgebung gewöhnen.»

Sie stemmt die Hände in die Hüften und schüttelt den Kopf. «Wir lassen dich hier ganz sicher nicht alleine an der Bar sitzen, Hyacinth.»

Ich zucke halb gleichgültig mit den Schultern. «Ich bin schon ein großes Mädchen. Außerdem bin ich nicht allein – Mystique ist ja auch noch da.» Grinsend nicke ich in Richtung der blau gekleideten Barkeeperin. «Und soll ich mir nicht einen Mann suchen? Mit euch beiden als Babysitter wird das eher nichts, denke ich.»

«Sie hat recht, Cars. Sei nicht so eine Mutti», springt Rainey mir bei.

Carson verdreht die Augen, lässt sich aber schon vom Barhocker gleiten. «Na gut, wenn du meinst …»

«Es ist alles okay.» Ich wedele mit der Hand. «Geht tanzen und kommt in zehn Minuten wieder, dann habe ich ausgetrunken.»

Rainey kichert. «Eher in fünf, wenn du in dem Tempo weiterschluckst.»

Ich trinke achselzuckend noch einen Schluck. «Dann habe ich eure Gläser vielleicht auch schon leer, wenn ihr zurückkommt.»

Rainey hakt sich bei Carson ein. «Ich fänd’s super – tu’s doch.»

Dann sehe ich meinen zwei besten Freundinnen hinterher, wie sie in Richtung Tanzfläche abmarschieren. Kaum hat der Gang sie geschluckt, krame ich mein Handy aus der Handtasche und schaue aufs Display.

Keine verpassten Anrufe aus Holly Fields.

Hat das etwas zu bedeuten? Warum hat Dad nicht angerufen? Er wollte sich vor dem Zubettgehen noch einmal melden.

Mir ist egal, ob hier an der Bar jemand mithört – ich drücke die erste Schnellwahltaste und halte mir das freie Ohr zu.

«Holly Fields, Heim für betreutes Wohnen.»

«Hey, Bridget, hier ist Hyacinth.»

«Hallo, Cyn!» Ich kann ihr breites Grinsen quasi durchs Telefon hören. «Wie geht’s dir, Schätzchen? Man sieht dich ja fast gar nicht mehr hier.»

Offenbar schaltet die Musik auf dem Dancefloor jetzt einen Gang hoch, denn plötzlich dringt ein wummernder Beat zu mir herüber. Ich drücke mir mit der Handfläche fest das Ohr zu.

«Ja, ich weiß. Es geht bei mir drunter und drüber in letzter Zeit. Sag mal, mein Dad wollte mich eigentlich anrufen, bevor er ins Bett geht. Ist alles in Ordnung mit ihm?»

«Aber sicher, Kleines. Ach, diese Männer – spielen bis in die Puppen Poker oder gucken irgendeinen MVA-Kampf im Fernsehen.»

«Du meinst wohl ‹MMA›? Mixed Martial Arts?», frage ich grinsend. Sie seufzt leise auf; es klingt genervt.

Ich muss grinsen. «Wenn du Dad siehst, kannst du ihm sagen, dass ich mit Freunden aus bin und dass ich ihn morgen früh anrufe?»

«Na klar. Du machst das genau richtig, Kindchen. Ab und zu muss man auch mal die Puppen tanzen lassen.»

«Danke, Bridget. Dann bis Donnerstag.»

Ich lege auf und reibe mir das schmerzende Ohrläppchen. Dad will, dass ich mein eigenes Leben lebe, aber irgendwie bin ich noch nicht so weit, die Verantwortung für ihn wirklich abzugeben. Nachdenklich zur Decke schauend, trinke ich einen großen Schluck. Wahrscheinlich war das einer der Gründe, warum Brent mit mir Schluss gemacht hat. Er wollte sich auf keinen Fall eine Freundin ans Bein binden, die ihren Vater versorgen muss, und das im Laufe der Zeit womöglich immer mehr. Er wollte reisen, bis spät in die Nacht ausgehen und spontan etwas unternehmen. Ich dürfte diesem Traum ziemlich im Weg gestanden haben.

Die traurige Wahrheit ist, dass die meisten Frauen in meinem Alter jetzt mit ihrem Freund oder Verlobten oder Mann zu Hause sind.

Und ich?

Tja, ich habe gerade am Samstagabend von einem Club aus bei meinem Vater angerufen. Ich sollte mir wirklich einen Mann suchen, der Lust hat, Punkt zwei auf Carsons Liste zu werden.

«Darf ich mal raten – dein Mann?», sagt eine tiefe Stimme neben mir.

Ich blicke sofort auf, trotzdem brauche ich noch gut zehn Sekunden, um den Sinn der Worte zu erfassen. Die ersten neun bin ich vollauf damit beschäftigt, in einem Paar tiefblauer Augen zu versinken.

Natürlich habe ich schon gutaussehende Männer gesehen. Aber so gutaussehend? Solche Männer gibt es doch nur in Hollywood. Er hat ein Gesicht, das man «hübsch» nennen würde, wenn es nicht gleichzeitig so männlich-markant wäre. Mit den kurzgeschorenen Haaren und dem kantigen Kiefer sieht er aus wie jemand, mit dem man sich nicht unbedingt anlegen möchte, aber der warme und schelmische Blick erweckt eher den Eindruck, als würde er gleich loslachen.

Moment mal.

Etwa über mich?

«Was?», frage ich, als ich schließlich wieder Worte formen kann.

«Dein Mann.» Er zeigt auf das Handy in meiner Hand. «Wolltest du ihm erklären, wo du bist? Natürlich ohne dabei zu verraten, dass du in einem Sexclub bist, in dem der normalen Bevölkerung Bondage und sexuelle Freizügigkeit nahegebracht werden.»

«Oh.» Ich schaue kurz auf mein Telefon, das ich so fest umklammert halte, als hinge mein Leben davon ab. «Äh, nein. Das war nicht mein Mann.»

«Dein Freund?»

Ich schüttele den Kopf.

«Hm.» Er kneift leicht die Augen zusammen. «Dann hast du dir ein Taxi gerufen? Um dich vor den Hundehalsbändern und dem ganzen Glitzerkram in Sicherheit zu bringen?»

Darüber muss ich lächeln. «Nein, so furchtbar ist es hier gar nicht. Höchstens ein bisschen … gewöhnungsbedürftig.»

«Du bist noch nie hier gewesen?»

Ich verneine wieder mit einem Kopfschütteln. «Zum ersten Mal. Ich bin mit Freundinnen hier.»

Blue Eyes nickt und blickt kurz auf zu dem Schild, das den Weg zur Tanzfläche weist. «Ja, ich weiß. Ich habe sie gesehen.» Dann lächelt er schief mit einem Mundwinkel. «Aber dich habe ich zuerst gesehen.»

«Oh», antworte ich lahm und spüre, wie mein Gesicht warm wird. Nervös stecke ich mein Handy zurück in die Handtasche und widme mich eifrig meinem neongrünen Cocktail. Ich bin so verdammt lange mit Brent zusammen gewesen, dass ich gar nicht mehr weiß, wie man sich verhält, wenn man von einem Mann angesprochen wird.

«Also, äh …» Ich sehe Blue Eyes wieder an und räuspere mich. «Willst du einen Drink?»

Er lächelt wieder, und diesmal bilden sich in den Augenwinkeln süße kleine Fältchen. «Müsste ich das nicht eigentlich fragen?»

Da hat er recht, oder? Gott, ich bin so eine Niete beim Flirten.

«Ich habe aber schon einen», gebe ich zurück und zeige dabei auf mein Glas.

«Hm.» Er verschränkt die braungebrannten muskulösen Arme vor der Brust, die ebenfalls muskulös und braungebrannt ist, jedenfalls lässt der V-Ausschnitt seines T-Shirts das vermuten. «Der ist allerdings gleich alle.»

Ich schwenke das Glas hin und her, sodass die Eiswürfel aneinanderklackern, und lächele ihn an. «Hm. Da hast du wohl recht.»

Na also, ich kann das ja doch.

Ich kann flirten.

Peinliche Hyacinth: 0.

Sexy und selbstsichere Hyacinth: 1.

«Dann sollte ich dir unbedingt einen neuen besorgen», schlägt Blue Eyes vor.

Ich sehe ihn mit leicht gesenktem Kopf an. Mein Mund ist plötzlich wie ausgedörrt. Attraktive Männer dieses Kalibers werfen meist einen einzigen Blick auf Rainey und schauen für den Rest des Abends weder nach links noch rechts. Nachdem ich ihn sekundenlang angestiert habe, hebe ich schließlich leicht die Schultern und lächele scheu.

«Wenn du willst.»

«Oh, und ob ich will.» Er zwinkert mir zu und stößt sich dann von der Bar ab. «Schön hierbleiben, hübsche Frau.»

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie er ans andere Ende der Bar schlendert und dort mit der Barfrau spricht. Ihre Körpersprache ist eindeutig – sie reibt ihm ihr latexgeschnürtes Dekolleté regelrecht ins Gesicht. Aber der Blick seiner durchdringenden blauen Augen wandert zurück zu mir. Und dann lächelt er wieder. Er hat diese halbmondförmigen Lachfalten, die ich so liebe, die fast wie ein zweites Lächeln sind. Die fand ich immer schon viel besser als normale Grübchen.

Plötzlich wird mir heiß, und ich fühle mich leicht schwindlig. Morgen werde ich dieses Gefühl «angetrunken» nennen, aber für den Augenblick nenne ich es «selbstbewusst». Denn dort kommt der heißeste Mann, den ich je gesehen habe, mit einem Drink auf mich zu und lächelt mich genau so an, wie ich es mag. Der stetig pulsierende Beat der Musik, die laut von der Tanzfläche herüberschallt, ist in meinem Kopf wie ein Mantra – Nummer drei, Nummer drei, Nummer drei.

Den geilsten Typen im ganzen Club finden und mit nach Hause nehmen.

Lächelnd fahre ich mir mit der Zunge über die Unterlippe.

Ich glaube, den nehme ich.

«Also», sagt er, als er wieder zurückkommt und den Drink vor mich hinstellt, «was machst du so? Wenn du nicht gerade deine Fetische erkundest, natürlich.»

Ich nippe lächelnd an meinem neuen Drink, der noch stärker als der letzte zu sein scheint. «Ich beende gerade meinen Master.»

Er sieht mich erstaunt an. «Wow, ein Master? Du siehst noch gar nicht so alt aus.»

«Ist das deine Art, mir ein Kompliment zu machen?», frage ich leicht skeptisch.

Er lacht. «Unbedingt.»

«Danke.» Auch wenn meine Wangen spürbar rot werden, zwinge ich mich, nicht wegzugucken – nicht, wenn mir ein derart göttlicher Mann seine ganze Aufmerksamkeit widmet.

«Ich tue mein Bestes», gibt er zurück. «Davon abgesehen muss ich doch dafür sorgen, dass du mir nicht von einem, äh, wirklich interessanten Gast weggeschnappt wirst.»

Mit einem Kopfnicken zeigt er auf einen Mann, der gerade vorbeigeht. Er trägt ein enges silbernes Glitzer-T-Shirt und darüber einen ebenfalls glänzenden BH mit spitzen, kegelförmigen Körbchen.

Ich lache auf und schüttele den Kopf. «Ich bin sicher offen für ein Abenteuer, aber für so was bin ich dann wohl doch noch nicht bereit.»

Blue Eyes trinkt grinsend einen Schluck aus seiner Bierflasche. «Wer hier ein Abenteuer will, der bekommt auch eins. So viel ist sicher.»

«Klingt, als wärst du öfter hier.»

«Öfter würde ich nicht sagen – aber ich bin oft genug hier gewesen, um eine Menge schräger Sachen miterlebt zu haben. Manchmal frage ich mich, wieso dieser Laden nicht längst geschlossen ist.»

Ich lehne mich leicht zu ihm rüber. «Da ich anscheinend einen echten Experten vor mir habe – kann ich dich was fragen?»

«Klar, frag.»

«Was soll diese Sache mit den falschen Namen? Ich meine, warum sollen die Gäste nicht wirklich wissen, mit wem sie es zu tun haben?»

Er stützt einen Arm auf die Bar und streicht mit dem Finger an der Kante meines Untersetzers entlang. Beim Anblick der Hand, die sich vor und zurück bewegt, regt sich irgendwo tief in meinem Bauch etwas Warmes.

«Es ist so eine Art Regel, dass jeder im Club anonym bleiben soll», antwortet er. «Geht man mit jemandem nach Hause, kann man natürlich machen, was man will. Aber solange man hier ist, soll man sein, wer man sein will, und nicht, wer man ist.»

Ich rümpfe leicht die Nase. «Das klingt mir ein bisschen suspekt.»

Er lacht. «Das sehe ich allerdings auch so.»

«Warum kommst du dann her?»

«Da gibt es mehrere Gründe.» Er schiebt sich ein bisschen näher an mich heran. «Zum einen gehört der Club einem Freund von mir, und ich komme umsonst rein. Aber vor allem komme ich her, weil die meisten anderen Clubs in der Stadt doch bloß Fleischmärkte sind – und das nervt gewaltig.»

Jetzt muss ich aber lachen. Ich schaue demonstrativ zu unserer Barkeeperin hinüber und blicke dann wieder ihn an. «Ach, und dieser Club soll kein Fleischmarkt sein?»

Er setzt ein schiefes Grinsen auf, das wahnsinnig sexy aussieht und meine Knie weich werden lässt. Jedenfalls ein bisschen. Gut, dass ich sitze.

«Ich meinte eher die Männer auf dem Fleischmarkt – prollige Typen wie aus der Realityshow, mit Anabolika-Muskeln, tonnenweise Gel im Haar und gefakter Bräune. Hier ist es anders, finde ich. Hier wollen die Gäste nicht nur jemanden abschleppen – sie haben hier auch einfach Spaß, sie tanzen und lassen sich ein bisschen gehen. Es geht nicht nur ums Flachlegen.»

Aus der Traum. Mist. Wenn er vom Fleischmarkt genervt ist und er Flachlegen doof findet, war’s das dann wohl mit Nummer drei. «Dann bist du wohl nicht daran interessiert, hier jemanden … flachzulegen?»

Als ich schließlich all meinen Mut zusammennehme und ihn wieder ansehe, erwidert er meinen Blick, die Lider leicht gesenkt. Er hat unfassbar lange Wimpern, die seine Augen dunkel einrahmen, fast wie ein Lidstrich.

«Ich würde nicht sagen, dass ich nicht interessiert bin», sagt er langsam. «Ich bin einfach nur wählerisch.»

«Wählerisch?»

«Ja.» Langsam wie ein Raubtier auf der Jagd schleicht sich ein sexy Grinsen auf sein Gesicht. Es wird breiter und breiter. Und breiter. «Wählerisch, wenn es darum geht, mit wem ich mich an der Bar unterhalte. Wem ich einen Drink spendiere. Und wen ich abschleppe.»

Ich muss mich mit aller Macht zwingen, mir nicht auf die Unterlippe zu beißen. Jetzt bloß nicht aussehen wie eine verängstigte Schülerin. Stattdessen spiele ich an meinem Strohhalm herum.

«Gut zu wissen», bringe ich schließlich hervor.

«Also», sagt er, lehnt sich mit dem Rücken an die Bar und nimmt einen Schluck Bier. Im Gegensatz zu mir scheint ihn das Gespräch überhaupt nicht nervös zu machen. «Du bist zum ersten Mal im Cave. Das bedeutet, dass du ein paar Sachen tun musst.»

«Ach ja?» Ich sehe ihn fragend an. «Und welche wären das?»

Er hält zwei Finger hoch. «Erstens, du musst tanzen.»

Ich verdrehe die Augen. «Du redest wie meine Freundinnen. Die wollten mich schon fast mit Gewalt auf die Tanzfläche zerren.»

Er zuckt die Schultern. «Richtig so. Tanzen ist Pflicht. Und dann musst du dich bemalen lassen.»

«Auf keinen Fall.»

«Warum nicht?»

Ich ziehe eine Augenbraue hoch. «Äh, weil ich nicht exhibitionistisch veranlagt bin?»

Er schnaubt. «Ach, komm. Das ist doch keine große Sache.»

Ich verschränke die Arme. «Sich splitternackt ausziehen und dann nur mit Gebrannter Umbra und Preußischblau bekleidet herumhüpfen ist keine große Sache?»

Und schon wieder dieses schiefe Lächeln. «Na, ich weiß nicht, Bob Ross. Ich glaube nicht, dass sich alle, die sich hier bemalen lassen, ganz ausziehen. Außerdem sind die Bodypainter hier wirklich seriöse Künstler. Die meisten haben eigene Tattoo-Läden oder sind Grafikdesigner. Ihre Arbeiten sind hammergut.»

«Tja», sage ich und kippe den Rest meines zweiten Drinks hinunter, «nur eine klitzekleine Kleinigkeit hast du dabei nicht bedacht.»

«Und die wäre?»

«Dass ich mich nicht bemalen lassen will.»

Blue Eyes mustert prüfend mein Gesicht, als könne er direkt darin lesen. Mir wird heiß unter seinem Blick – aber vielleicht ist es auch nur der Alkohol. Oder beides, wer weiß.

«Willst du nicht oder traust du dich nicht?»

Ich verdrehe die Augen. «Natürlich traue ich mich. Ich bin einfach nur … wählerisch», pariere ich mit seinem Wort, was mir ein weiteres Grinsen einbringt.

«Wählerisch in welcher Hinsicht?»

«Wählerisch, wem ich erlaube, mich anzufassen.»

«Aha.»

Ganz kurz blitzt seine Zunge auf, als er sich die Lippen befeuchtet. «Sehr tugendhaft», stichelt er dann und lehnt sich wieder gefährlich nah zu mir herüber. «Aber in Wirklichkeit ist das doch nur eine Ausrede.»

«Ach, echt?»

Er kommt noch näher, bis seine Lippen fast mein Ohr berühren. Dann flüstert er: «Echt.»

Mein Herz hämmert plötzlich wie verrückt. Unmöglich, dass ihm das verborgen bleibt. Er nimmt meine Hand, die auf meinem Schoß liegt, und verschränkt seine Finger mit meinen. Ein paar Sekunden betrachtet er konzentriert unsere verwobenen Finger. Dann sagt er mit ruhiger und leicht heiserer Stimme: «Ich würde ein beliebiges rechtes Körperteil dafür geben, dich mit etwas weniger Kleidung und dafür mehr Farbe am Leib zu sehen.»

Herr im Himmel.