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Über eine harmlose App auf seinem Smartphone nähert sich Stefan virtuell einer Frau, die seine verhaltenen Kontaktversuche erstaunlich offenherzig erwidert. Ihr anfangs unverfänglicher Chat entwickelt sich mit der Zeit zu einem Austausch intimster Fantasien und Wünsche, in die sich die beiden immer mehr hineinsteigern und sich schließlich darin verfangen. Ohne Gegenwehr begibt sich Stefan mental und emotional in die Abhängigkeit dieser fremden Frau. Die Sucht nach ihr bestimmt seinen Tagesablauf, ja sein Leben. Er spürt ihren Atem, fühlt ihre warme weiche Haut, ihre vollendete Weiblichkeit und riecht den Duft ihrer Haare, obwohl sie weit von ihm entfernt ist. Er weiß, wie sie sich anfühlt, obwohl er ihr noch nie begegnet ist. Beide wollen die räumliche Trennung überwinden, wollen aus der virtuellen Beziehung eine wahre Begegnung machen und treiben damit einem Finale entgegen, das für niemanden vorhersehbar ist.
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Seitenzahl: 137
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Seit dieser Geschichte sind einige Monate vergangen. Wenn ich zurück denke, wundere ich mich noch immer über mich selbst. Nie hätte ich geglaubt, mich einmal freiwillig der manipulativen Kraft animalischer Begierde so bedingungslos auszuliefern, dass mir jeder Realitätssinn abhandenkommt. Alles, was anfangs geschah, ließ ich in vollem Besitz meiner geistigen Fähigkeiten geschehen. Ob aus Neugier, Arglosigkeit oder purer Lust, sei dahingestellt. Doch als das Geschehen mit hoher Eigendynamik Fahrt aufnahm, konnte ich keine Gegenwehr mehr leisten. Wie so viele Impulse in meinem Leben häufig von meinem Bruder ausgingen, nahm auch diese Geschichte ihren Anfang mit Enrico.
Enrico ist der komplette Gegenentwurf zu mir. Manchmal bin ich neidisch auf ihn, weil ihm vieles von dem, was ich mir wünsche, einfach so in den Schoß fällt. Wir sind in fast allen Belangen verschieden. Trotzdem haben wir uns bis heute ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis bewahrt, wie es unter Brüdern nicht selbstverständlich ist.
Der Kontrast zwischen ihm und mir wird nicht nur in die Namen deutlich, die sich unsere Eltern für uns ausdachten, sondern auch in unserer äußeren Erscheinung. Enrico ist ein temperamentvoller Typ mit dunklem Teint und dunkelblonden Locken. Die Natur hat ihn mit einem muskulösen, drahtigen Körper ausgestattet. Sein schlagfertiges Mundwerk, das häufig schneller ist als sein ansonsten auch nicht gerade langsamer Verstand, macht ihn überall zum Maitre de Plaisier. Er ist das, was man landläufig einen Frauentyp nennt.
Für mich ist unseren Eltern nur der biedere Name Stefan eingefallen. Der passt zu mir genau so gut wie Enrico zu meinem Bruder. Ich wirke tatsächlich brav und tugendhaft. Ich bin eine durchschnittliche Erscheinung und mit Sicherheit kein Entertainer. Manche sagen, ich sei maulfaul. Mag sein. Jedenfalls bin ich ausgeglichener und ganz bestimmt zurückhaltender als er.
Unsere Mutter ist die einzige Person auf der Welt, die erklären könnte, weshalb unsere Namen so perfekt zu uns passen und wir aussehen wie Toto Cutugno und Liam Neesen. Nur sie weiß schließlich, wer unsere Väter sind. Dieses Thema wurde in unserer Familie manchmal im Scherz angesprochen, jedoch in der Hoffnung, dass entweder unsere Mutter oder sogar unser offizieller Vater irgendwann einmal ernsthaft darauf einsteigen würden. Leider ist es dazu nie gekommen. Falls es in dieser Sache jemals ein Geheimnis gab, haben sie es mit ins Grab genommen.
In wenigen Dingen aber sind Enrico und ich ähnlicher, als mancher glauben mag. Dazu gehört die Neigung, unendliche Diskussionen am Kneipentisch zu führen, bis wir uns akustisch nicht mehr verstehen. Eine andere Sache ist der ewige Wettkampf. Es macht uns höllisch Spaß, uns zu duellieren, wo immer sich die Gelegenheit bietet. Selten geht es dabei verbissen zu, ehrgeizig aber allemal. Wir bewerfen uns mit nutzlosem Wissen über längst vergangene Fußballmeisterschaften oder die Geschichte der Charts und einzelner Rockbands. Wir tragen Radrennen gegeneinander aus, ziehen uns gegenseitig das Geld beim Roulette aus der Tasche und lassen keinen Billardtisch, keine Dartscheibe und kein Tischhockey ungenutzt stehen.
Niemals aber haben wir die Frauen in unseren permanenten Wettkampf einbezogen, sind. Da gab es eine stillschweigende Übereinkunft. Das Thema war zu ernst, um Niederlagen mit einem Augenzwinkern vom Tisch zu wischen. Außerdem war die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau sich gleichzeitig in so unterschiedliche Männer wie uns verlieben würde, äußerst gering. Anders herum war diese Gefahr schon größer. Es gab aber nie Probleme. Bis auf eine leidvolle Ausnahme.
In meinen jungen Jahren, als ich noch keine Familie hatte und für niemanden außer für mich selbst verantwortlich war, hatte ich ein Motorrad. Ich fuhr leidenschaftlich gern die kurvigen Asphaltstraßen hinaus ins Tal der Unstrut. Ich liebte die Geschwindigkeit und das Gefühl, eins zu sein mit Sonne, Luft und Landschaft. Jeder Autofahrer war zu bedauern, weil er dieses rauschhafte Gefühl am Steuer seiner Blechbüchse niemals erfahren würde. Freiheit und Pferdestärken machten mich jedem spießigen Fahrzeuglenker überlegen. Ich gebe aber zu, ein ausgesprochener Schönwetterfahrer gewesen zu sein. Und es war ein einem Tag mit schönstem Wetter, als ich in einer Linkskurve auf den Randstreifen geriet, ins Rutschen kam und mein Bike zwischen zwei Bäumen hindurch in den Straßengraben schoss. Ich konnte abspringen, wurde mehrere Meter über die Straße geschleudert und schließlich durch einen weiteren Baum abrupt gebremst. Meine schwere Schulterverletzung brachte mir einen mehrwöchigen Aufenthalt in einer Spezialklinik ein. Dort sah ich Katrin. Sie war ein Mädchen, deren Schönheit sich erst auf den zweiten Blick erschloss. Sie trug eine Brille mit dickem Rahmen. Dahinter versteckten sich zwei strahlende, quicklebendige blaue Augen. Sie hatte schulterlanges, gewelltes Haar, das leider allzu oft in ihr hübsches Gesicht fiel. Ihre Wangen zierten zwei reizende Grübchen, wenn sie lachte und das tat sie ziemlich oft. Katrin war nicht sehr groß, ungefähr 1,65, und sie war ein Vollweib! Trotz ihrer ausgeprägten und perfekt platzierten Rundungen hatte sie eine schmale Taille. Ganz so, wie es wohl dem Frauenideal der 50er Jahre entsprach. Sie trug ihren weißen Schwesternkittel wie Haute Couture. Wenn ich mich unbeobachtet fühlte (oder das zumindest glaubte), starrte ich sie an wie ein seltenes Naturereignis. Es kostete Anstrengung, den Blick von ihren Brüsten loszureißen, die sie vor sich her schob wie zwei Orden. Und wenn es meine Augen schafften, sich davon abzuwenden, wurden sie durch den Anblick ihre Taille, ihre Hüften und ihres Hinterteils belohnt. Alle ihre Bewegungen waren anmutig und überaus weiblich. Sie war ein Gedicht.
Nun gut, es gibt auch andere Frauen mit tadelloser Figur. Doch im Falle von Katrin wurde die beeindruckende Gestalt durch ein fröhliches, aufgeschlossenes Wesen umrahmt, das jedermann in seinen Bann zog. Sie war hübsch, sie war provozierend, selbstbewusst und sexy! Es war schwer, sich ihrem Reiz zu entziehen. Dass ich Gefallen an ihr fand, stand völlig außer Frage. Da war ich sicher nicht der einzige Patient in dieser Klinik. Doch offenbar war ich ihr auch nicht unsympathisch. Es dauerte drei Wochen, bis ich mir dessen sicher sein konnte. Dann hielt ich dieses prachtvolle Geschöpf in meinen Händen. Die Gelegenheit ergab sich in ihrer Nachtschicht. Es ist dabei nichts Einschneidendes passiert, doch wir haben uns leidenschaftlich geküsst und ich durfte ihren Körper mit meinen Händen ausgiebig erkunden. Nur die Angst, erwischt zu werden, hielt sie von einer vollkommenen Hingabe ab. Immerhin war sie im Dienst und hatte die alleinige Verantwortung für eine ganze Station. Ich fühlte mich beschenkt wie ein Kind, für das Weihnachten und Ostern auf den gleichen Tag fallen.
Aber was zum Teufel machte so ein göttliches Wesen in einem Krankenhaus? Es kam mir nicht in den Sinn, dass sie auf andere Männer die gleiche Wirkung haben könnte, dass sie fast täglich umworben wird und süßen Verlockungen ausgesetzt ist. Und dass sie diesen Verlockungen auch zu erliegen droht - nicht nur bei mir! Sie war sehr offenherzig und leistete keinen nennenswerten Widerstand. Ich schrieb das alles mir selbst zu Gute und war wie besoffen.
Nach meiner Entlassung aus der Klinik trafen wir uns regelmäßig. Ich war stolz auf meine Errungenschaft. Katrin war eine Sinnesfreude und ich liebte sie. Sie schien sich des Resultats ihres appetitlichen Kleidungsstils überhaupt nicht bewusst zu sein. Alles wirkte so beiläufig, so selbstverständlich. Ihre engen Shirts setzten ihre Brüste stets vorteilhaft in Szene. Ihr Hintern war eine Augenweide, egal ob sie ihn in eine Jeans steckte oder einen Rock über in fallen ließ. Und sie hatte auffallend schön geformte Beine.
Kurz und gut: Ihre äußere Erscheinung machte sie in Symbiose mit ihrer gewinnenden Art zu einer sehr begehrenswerten Frau. Wir hatten Sex miteinander, wo immer sich eine Gelegenheit bot. Ihre Offenheit, ihre Hingabe, ihre Leidenschaft setzten mich in Verzückung. Sie schenkte sich mir und ich gab ihr alles, was sich eine Frau von einem Mann erhofft. Wir kosteten jede Minute miteinander aus und ich glaube auch heute noch, dass sie mich auch liebte.
Irgendwann hatte ich das Gefühl, sie betrachte es als ihre Aufgabe, mich aus meiner vermeintlich spießigen Welt befreien und mir das richtige Leben zeigen zu müssen. Obwohl sie sich auf ihre weibliche Intuition normalerweise verlassen konnte, lag sie damit allerdings falsch. Ich bin nämlich weder Moralist noch Spießer oder Hinterweltler. Im Gegensatz zu Enrico ist mir der Hang zum Lebemann und Genießer nicht anzusehen. Manchmal leide ich darunter und fühle mich unterschätzt. Bei Katrin spielte mir dieser Effekt jedoch in die Hände.
In diesen Zeiten des Glücks blieb mir das Naheliegende leider verborgen. Katrins Lebenslust konnte nicht für alle Ewigkeiten von mir allein befriedigt werden. Sonst wäre es keine Lebenslust! Ihre Neugier und ihr Tatendrang waren viel zu groß für einen Mann. Diese Erkenntnis setzte schlagartig ein, als ich den bis dahin wohl größten Fehler meines Lebens machte: ich stellte Katrin meinem Bruder vor. Es war die Art, wie die beiden von Beginn an miteinander sprachen, wie sie sich gegenseitig beobachteten und belauerten, die mir bewusst machte, dass ich diese Frau soeben unwiederbringlich verloren hatte.
Es kam wie es kommen musste. Schon wenige Tage später beichtete Katrin mir tränenreich ihre Liebe zu Enrico, beschwor, dass sie nichts dagegen tun könne weil man gegen Liebe nun mal nichts machen kann und dass sie gerne mit mir befreundet bleiben wolle. Die ganze Litanei musste ich über mich ergehen lassen. Es waren die typischen, klischeehaften Sprüche, mit denen sie in melodramatischer Weise ihr schlechtes Gewissen beruhigen wollte und die sie deshalb über mir ausschüttete. Ich wusste, dass die Initiative von ihr ausging und nicht von Enrico. Ich wusste auch, dass das Geschehene unausweichlich war. Ich hatte es nur nicht kommen sehen. Er liebte Katrins Temperament, ihre intensive Art zu leben, ihre Neugier auf alles und natürlich ihre erotische Ausstrahlung ebenso wie ich. Mit welchem Recht konnte ich annehmen, dass all diese Vorzüge ein Leben lang nur mir zugutekommen sollten? Das wäre naiv und vermessen. Genauso wenig konnte es mich verwundern, dass Enrico Katrins Charisma nicht wiederstand. Was mir aber am meisten zusetzte war die Tatsache, dass Enrico als der vermeintliche Frauenheld am Ende das bessere Ende für sich hatte. Hätte es nicht einmal anders herum laufen können?
Enrico war in seiner Hingabe genauso blind wie ich zuvor. Und langsam dämmerte es mir, dass auch diese Beziehung nicht lange halten konnte. Schließlich, nach nicht einmal einem viertel Jahr, ging sie mit dem gleichen lauten Getöse zu Bruch, wie meine eigene.
Katrin verschwand nie vollständig aus unserem Leben. Immer wieder meldet sie sich in unregelmäßigen Abständen bei einem von uns beiden. Manchmal um sich zu entschuldigen, ein anderes Mal, um eine weitere ihrer inzwischen gescheiterten Beziehungen zu betrauern und wieder, um einfach nur den Kontakt nicht abreißen zu lassen. Ich weiß nicht genau, was das Leben für sie alles bereitgehalten hat, ich habe aber das starke Gefühl, dass sie unserer gemeinsamen Zeit nachtrauert. Wir lassen diese Kontaktversuche beide über uns ergehen, erwidern ihre Avancen aber nie. Warum verstehen Frauen nicht, dass Männer nach dem Scheitern einer intensiven erotischen Beziehung anschließend nicht noch Ewigkeiten mit dem Objekt ihrer Begierde befreundet bleiben können? Wozu? Das macht keinen Sinn!
Enrico und ich haben die Geschichte niemals miteinander ausdiskutiert. Uns hat die Zeit geholfen. Die emotionalen Narben sind kaum noch zu sehen und unserem Verhältnis hat die Affäre letztendlich nur einen kleinen Kratzer verpasst. Keine Schramme, die durch den Lack geht. Das alles ist inzwischen viele Jahre her und nur wenn sich Katrin mal wieder bei einem von uns meldet, schauen wir uns vielsagend in die Augen und wissen, die Erinnerung an diese Sexgöttin kann uns niemand nehmen. Alles andere ist Vergangenheit.
Doch zurück zu unserem Wettkampffaible. Quizduell hieß die neue Spielwiese. Enrico hatte sich sehr zum Leidwesen seiner Frau Heike entschlossen, mit seinem Smartphone eine Zweitehe einzugehen. Videospiele, Handyspiele und alles, was man in diese Kategorien einordnen kann, waren für mich stets Langweiler, die mir die Zeit stahlen. Trotz einiger gutmeinender Versuche sprang der Funke einfach nicht über. Es gelang meinem Bruder lange Zeit nicht, mich zu diesen elektronischen Spielchen zu überreden. Doch jetzt nahm er einen neuen Anlauf.
"Hast du etwa immer noch dein altes Nokia-Handy? Willst du dir nicht langsam mal ein vernünftiges Smartphone zulegen? Du lebst ja sonst völlig hinter dem Mond. Du schneidest dich von jeglichem technischen Fortschritt ab", hielt er mir vor.
Es gab eine Unzahl von Smartphone-Spielen. Einige konnte man allein spielen, für andere brauchte man Partner. Enrico kannte sie alle. Eines Tages kam er mit einer neuen App um die Ecke. Quizduell hieß das Spiel. Dabei handelt es sich um ein Ratespiel, in dem man via Smartphone paarweise gegeneinander spielt. Man muss in einem Match jeweils 6 Fragenpakete mit jeweils drei Fragen beantworten, die zuvor aus 19 Kategorien ausgewählt wurden. Auswertung und Statistik erhält man automatisch. Es gräbt in der Allgemeinbildung, ist sehr kurzweilig und man hat schnell ein Ergebnis. Nach einigen widerwilligen Versuchen meinem Bruder zuliebe konnte ich schon bald nicht mehr widerstehen. Das Suchtpotenzial war nicht zu leugnen. Also alles in Ordnung. Wir spielten!
Wie so oft bei uns war das Resultat sehr ausgeglichen. Irgendwann fragte ich Enrico:
"Wieso spielst du nur so sporadisch? Du lässt mich manchmal stundenlang warten!"
"Ich habe auch noch andere Sachen zu tun. Irgendwie muss ich mein Geld verdienen und wenn mein Chef im Zimmer steht, kann ich nicht mit dem Handy hantieren."
Meine Begeisterung für das Spiel war grenzenlos. Ich musste mir weitere Gegner suchen, um nicht immer auf Gunst und Zeit meines Bruders angewiesen zu sein.
"Ich habe da jemanden, mit dem du einmal spielen solltest. Es gibt eine Rubrik, unter der du andere Spieler auffordern kannst. Such mal nach Korbi und fordere sie heraus. Mit ihr spiele ich auch manchmal", sagte Enrico.
"Wer ist Korbi?" fragte ich. "Kennst du die persönlich?"
"Das ist die Tochter eines Arbeitskollegen. Sie spielt exzessiv, ist richtig gut und hat ein hohes Ranking. Wenn du gegen sie gewinnst, bekommst du ordentlich Punkte. Außerdem verträgt sie auch mal einen derben Spruch."
Ich versuchte es. Korbi reagierte sofort. Nach einigen Spielen lag ich deutlich zurück. Dann holte ich auf. Nach etwa zwanzig Spielen hatte ich ihren Vorsprung halbwegs kompensiert. Nie aber fragte sie mich im Chatkanal des Spiels, wer ich eigentlich bin. Sie spielte und haute mir die schwierigsten Antworten um die Ohren. Ich versuchte mich so gut es geht zu revanchieren. Doch nie kam ein Chat, nie eine Anfrage oder ein Kommentar. Das wollte ich ändern und frage Enrico:
"Was ist diese Korbi für eine Frau? Was macht sie im richtigen Leben, wenn sie einmal nicht spielt?"
"Das hat sie mich über dich auch schon gefragt."
"Wieso weiß sie, dass wir beide uns kennen?" fragte ich verwundert.
"Ganz einfach. Ich hab sie angeschrieben und gefragt, ob sie von einem 'Brainstorm' zum Quizduell herausgefordert worden ist. Sie sagt, du spielst ganz gut."
'Brainstorm' war der Name, unter dem ich im Quizduell angemeldet war.
"Das hättest du mir auch sagen können," beschwerte ich mich. "Sie ist aber auch nicht schlecht. Besser als du!"
"Sie wundert sich nur", sagte Enrico, "dass du während des Spiels nicht mit ihr chattest."
"Macht sie doch auch nicht."
"Sie fragt, ob du Angst vor ihr hast."
Was? Ich ärgerte mich. Wofür hielt sie sich? Ich soll Angst haben? Quatsch! Wovor denn? Aber was sollte ich ihr schreiben? Ich kenne sie nicht und weiß überhaupt nichts von ihr! Außerdem wollte ich spielen und nicht talken.
Nach dem nächsten Spiel wollte ich meinen guten Willen zeigen. Ich kommentierte ihre Leistung mit der viel-sagenden Bemerkung:
"Das war eine starke Leistung. Woher weißt du das alles?"
Banaler ging es nicht! Und die Antwort war genauso banal:
"Ich habe eben gut geraten."
"Dann solltest du öfters mal die Lottozahlen raten!" erwiderte ich.
"Du auch. Du spielst auch ganz gut."
Mein Gott. War das der Chat, auf den sie so erpicht war? Ich lasse es. Wir spielten tagelang weiter, ohne uns auch nur eine einzige Nachricht zu schicken. Sie spielte wirklich stark und immer sehr schnell. Ich hatte inzwischen mehr Spiele mit ihr in der Statistik stehen, als mit meinem Bruder. Doch dann plötzlich plongte eine Nachricht von Korbi auf:
"Enrico sagt, du bist ein ganz braver. Deshalb chattest du nicht mit mir. Ich glaube, du hast wirklich Angst."
Ich war sprachlos! Ist das frech? Anmaßend? Hat das Mädchen lange Weile? Ich fühlte mich provoziert. Außerdem ist 'brav' für mich ein Schimpfwort. Mein alter Komplex trat wieder zutage. Warum schätzten mich alle Leute immer so beschränkt ein, so bieder? Leute, die sich ein Urteil überhaupt nicht leisten konnten! Ich lasse mich doch nicht zum Idioten machen!
"Wovor sollte ich Angst haben? Was möchtest du mir denn gerne tun?" frage ich. "Bist du so gefährlich?" Die Antwort kam nicht nach dem nächsten Spiel. Nach den nächsten drei Spielen auch nicht. Ich fragte wieder: