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Diese Biografie erzählt die wahre Geschichte des großartigsten Bankdrückers aller Zeiten: Frank "The Bank" Pfraumer. Über Jahre hinweg beherrschte er die Kraftsportbühnen der Welt, errang Weltmeistertitel und stellte neue Rekorde auf. Frank stieg auf bis zur Sonne, und stürzte, dem Ikarus gleich, in den Abgrund. Denn neben Ruhm und Glanz des Rampenlichts wuchsen auch die Schatten in seinem Leben stetig heran. Franks Platz an der Weltspitze forderte seinen Tribut. Auf der Kehrseite seiner Medaillen sammelten sich Verletzungen, Dopingmissbrauch, Inhaftierung und schwere Krankheit, ein Schicksal, das sich nicht länger verdrängen ließ.
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Seitenzahl: 207
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Prolog
Kennst du Frank The Bank?
Kapitel 1
Die legendären 300 Kilo
Kapitel 2
Feuer entfachen
Kapitel 3
Weltmeister werden
Kapitel 4
Disco-Pumper
Kapitel 5
Wettrüsten
Kapitel 6
Weltmeister bleiben
Kapitel 7
Durchbruch
Kapitel 8
Premiere
Kapitel 9
Gastauftritte
Kapitel 10
Arnold Classic
Kapitel 11
Training eines Champions
Kapitel 12
Knast und Krankheit
Kapitel 13
Natural Bodybuilding
Kapitel 14
Kuba: Leben in zwei Welten
Kapitel 15
Finale
Epilog
Abschied
Chronik eines Champions
Medien
Autor
Quellen
Kennst du Frank The Bank?
»Kennst du Frank The Bank?« – ohne diese eine Frage wäre dieses Buch wohl nie zustande gekommen. Gegen Ende des Jahres 2020 stellte man sie mir, und ich antwortete wahrheitsgemäß: »Ja, schon. Hab früher mal was über ihn gelesen.«
Doch um ehrlich zu sein: Viel wusste ich nicht über diesen Frank The Bank – und das, obwohl ich doch beinahe alles über Kraftsport und seine Helden weiß. Seit über 25 Jahren lese, recherchiere, konsumiere und praktiziere ich alles, was man wohl mit Fug und Recht als Leidenschaft zum Kraftsport bezeichnen kann. Ja, sogar Bücher habe ich darüber veröffentlicht – und doch: Wenn es um Frank The Bank geht, bleibt mein Gedächtnis merkwürdig leer.
Was ist das überhaupt für ein Wortspiel: «The Bank»? Müsste es nicht «The Bench» heißen? Aber gut – das reimt sich wohl einfach nicht so schön auf Frank.
Was ist Kraftsport?
Zwei Erkenntnisse habe ich zum Thema Kraftsport innerhalb dieser lang Zeit gewonnen. Die erste Erkenntnis lautet: Du kannst dich dein ganzes Leben damit befassen und wirst dennoch nicht alles wissen und verstanden haben.
Für Außenstehende scheint es ein überschaubarer Mikrokosmos zu sein. Für Leute, die sich damit nicht befassen, muss man sich Kraftsport wohl folgendermaßen vorstellen: Da gibt es Gewichte, mit denen man trainiert. Da geht es um Kraft und den Aufbau von Muskeln, irgendwie wohl auch um Ernährung, aber im Großen und Ganzen war es das bestimmt? Nun, auch wenn ich hier ganz provokant versuche, die Sichtweise der Unwissenden darzustellen, bringt es diese Annahme doch ganz gut auf den Punkt. Kraftsport ist am Ende des Tages nur ein Überbegriff, wie beispielsweise Motorsport oder Ballsport. Und genauso wie man Ballsportarten weiter aufteilen kann in Mannschafts- und Einzelsport, oder Kontaktsport und kontaktlosen Sport, lässt sich Kraftsport in vielfältiger Form ausüben. Befragt man das Internet nach einer Antwort, erhält man zum Beispiel auf Wikipedia1 diese Erklärung:
Kraftsport ist ein Begriff, der eine Sportartenkategorie beziehungsweise eine Sportgattung bezeichnet. Die Kraftsportarten erfordern ein besonders hohes Maß an Kraft und daher eine entsprechend entwickelte Muskulatur.
Typische Kraftsportarten sind das Gewichtheben, der Kraftdreikampf und das Armdrücken. Da in vielen Kraftsportarten Gewichtsklassen gelten, ist die Entwicklung von hoher spezifischer Kraft das primäre Ziel und die wichtigste erfolgsbegrenzende Einflussgröße.
Aha – alles klar – oder etwa doch nicht? Wer die Kraftsport- und Fitnesskultur nur von der Seitenlinie kennt, hat Müh und Not, das Ganze irgendwie einzuordnen. Aber es spielt keine Rolle, mit welchen Inhalten die Begriffe Kraftsport oder Krafttraining beschrieben werden. Jegliche Form von ergebnisorientiertem, progressivem und systematischem Widerstandstraining darf als Krafttraining bezeichnet werden. Kraftsport dient ganz allgemein als Sammelbegriff für eine sportliche Disziplin, für deren Ausführung die körperliche Kraft die entscheidende Fähigkeit darstellt.
Für Außenstehende besteht da ohnehin wenig Unterschied. Ob jemand einen LKW mit bloßen Händen zieht oder bei der Olympiade eine beladene Hantelstange, wie Matthias Steiner, über den Kopf stemmt, sich im Fitnessstudio an der Beinpresse verausgabt, sich mit brauner Farbe lackiert und auf der Bodybuildingbühne seine definierten Muskeln präsentiert oder in Schottland große Baumstämme über eine Wiese werfen kann, ohne dabei seinen Kilt zu verlieren: »Alles das Gleiche!«, denken die meisten Leute und haben irgendwo auch Recht. Davon bekommt man Kraft und Muskeln. Fertig. Das kann ich so stehen lassen. Wofür man sich entscheidet ist hochgradig individuell und die Basics für jeden Kraftsport lassen sich in den meisten vollausgestatteten Fitnesscentern trainieren.
Damit wir uns in diesem Buch aber nicht über Begrifflichkeiten verzetteln, ist es wohl am relevantesten, wenn wir verstehen, dass der Kraftdreikampf (englisch: Powerlifting) aus den drei Disziplinen Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben besteht. Das Bankdrücken nimmt hierbei eine Sonderrolle ein. Zum einen ist dies wohl die bekannteste Übung, die wohl jeder, der mal ein Fitnessstudio von innen gesehen hat, kennt. Zum anderen wird das Bankdrücken bei vielen Wettkämpfen auch als Einzeldisziplin dargeboten – und dafür gibt es regelrechte Bankdrückspezialisten. So einer muss wohl auch dieser Frank The Bank gewesen sein.
Die zweite Erkenntnis, die ich im Kraftsport gewonnen habe, könnte man folgendermaßen formulieren: Nur Fan sein geht nicht.
Nicht jeder, der mit Gewichten trainiert, interessiert sich für Kraftsport und seine Kultur. Aber jeder, der sich für Kraftsport und seine Kultur interessiert, trainiert mit Gewichten. Personen, die Wettkämpfe von Profi-Bodybuildern verfolgen, sich für neue Weltrekorde im Powerlifting begeistern können oder Strongman-Athleten am liebsten live dabei zusehen möchten, wie sie mit bloßen Händen 150kg schwere Betonkugeln heben, diejenigen werden in ihrer Freizeit nach Wegen suchen, stärker zu werden und den eigenen Körper durch Widerstandstraining aufzubauen.
Generation Social Media
Sowohl die Zahl der Kraftsportfans, als auch derer, die irgendwie Kraftsport betreiben, und sei es einfach nur zweimal die Woche im Gym etwas pumpen zu gehen, nimmt stetig zu – dies lässt sich mit Zahlen belegen. Misst man den Siegeszug des Kraftsports nicht an Preisgeldern und Zuschauerzahlen, sondern am erwirtschafteten Gewinn der gesamten Fitness- und Nahrungsergänzungsindustrie, darf man hier inoffiziell schon zum Titelgewinn gratulieren. Die Industrie verzeichnet Rekordgewinne, während internationale Titelgewinner oftmals nicht von ihren Erfolgen leben können. Extreme Kraftsportarten wie Powerlifting, Olympisches Gewichtheben, Strongman oder Bodybuilding in der Schwergewichtsklasse, sind bestenfalls dann lukrativ, wenn der Athlet oder die Athletin weltweit in den Top 10 rangiert, und das am besten so lange wie möglich, um den Bekanntheitsgrad und die Selbstvermarktung zu optimieren.
Zeiten ändern sich und durch das Internet hat sich die alte Gemeinschaft der Kraftsportfans um eine neue, mit anderen Absichten ausgestattete Generation erweitert. Fitness-Influencerinnen und -Influencern wird auf Social Media Plattformen millionenfach gefolgt und damit lässt sich unanständig viel Geld verdienen. Als Fan, oder besser gesagt als Follower auf Instagram oder Tik-Tok, möchte man ein Teil dieser Community sein und bekennt sich öffentlich mit jedem Like, Teilen oder Posting dazu. Diese Social-Media-Phänomene sortieren das Feld der Fitness- und Kraftsportbewegung von Grund auf neu. Es zeigt sich hierbei, dass diese meistens jungen Leute viel Wert auf ihre Außendarstellung legen und stark an das Internet und ihre Smartphones gebunden sind. Die Wertschätzung, das Befriedigen von Aufmerksamkeitsbedürfnissen und die Kommunikation finden vorrangig online statt. Als Nebeneffekt lässt sich teilweise feststellen, dass die unkontrollierbare Informationsflut des World Wide Web aus diesen Hobbysportlern vorsichtige Theoretiker, die alles skeptisch in Frage stellen, macht. Schließlich ist die Gegenthese zu einem Argument nur drei Klicks entfernt im Internet zu finden. Wenn die Sozialisation zum Kraftsport über die sozialen Medien erfolgt, bringt dies in vielen Fällen keine mutigen Praktiker hervor, die nach eigenen Erfahrungen in der Offline-Welt suchen. Aber trotz meiner gewagten Aussage sind auch sie Gleichgesinnte, wenn es um das Interesse am Kraftsport geht. Es ist eben die neue Generation – und schließlich wollen wir doch dasselbe: Die Leidenschaft zum Sport ausleben. Ein jeder so, wie es ihm beliebt. Und jeder Sport hat seine Helden, oder etwa nicht?
Wer war jetzt nochmal Frank The Bank?
War er auch ein schwermütiger Theoretiker wie die heutige Internetgeneration es zu sein scheint? Damals, in den 1990ern, gab es noch kein Internet. Und was macht dieser Frank eigentlich heute so? Da ich auf Instagram bisher nichts von ihm gesehen habe, muss ich mich ernsthaft fragen: Lebt der eigentlich noch?
Mir war es einigermaßen peinlich, dass ich 2020 so wenig über Frank The Bank wusste. Also schnell ins Netz abtauchen und sich schlau machen. Meine ersten Recherchen führten mir Interessantes vor Augen. »Alles erreicht, was es zu erreichen gab. Der hatte eine bewegte Karriere«, murmelte ich vor mich hin, während ich den Rechner wieder ausschaltete. Nun wusste ich, dass sein Nachname Pfraumer lautet und er im Kreis Sindelfingen bei Stuttgart aufgewachsen ist. Aha! Die Stadt Sindelfingen. Das ist ja fast bei mir um die Ecke, der Firmenhauptsitz von Mercedes Benz. Dort, wo mein Vater 35 Jahre lang gearbeitet hatte. Und dann dieser Nachname. Wirklich Pfraumer? Typen wie dieser Frank haben eigentlich keinen Nachnamen – da genügt ein Künstlername – ein Name für die Showbühne, so dachte ich. Oder fällt jemand gerade der bürgerliche Name von Wrestling-Legende Hulk Hogan ein? Ganz spontan und ohne zu googeln? Vermutlich nicht.
Es gibt Ikonen unserer Zeit, die für etwas stehen, das größer ist als ihr eigener Name. International berühmte Schauspieler, Musiker und Sportidole symbolisieren das, was für die meisten von uns unerreichbar erscheint. Sie sind in der Lage, ihre Fähigkeiten, ihr Talent, ihren Arbeitswillen und ihre nie versiegende Leidenschaft erfolgreich zu nutzen. Das scheint auf diesen Frank wohl auch zuzutreffen.
Zwei Fragen, die sich mir stellen
Ab diesem Zeitpunkt beschäftigten mich nur noch zwei Fragen. Zum einen wollte ich begreifen, warum dieser Mensch, der seinerzeit unschlagbar und erfolgreich war, nur fünfundzwanzig Jahre später in unserer eigenen Szene scheinbar in Vergessenheit geraten konnte? Franks Karriere fand vor dem digitalen Internetzeitalter statt, eventuell liegt es daran – es gibt keine hochauflösenden Videoaufnahmen, die sich online erhalten haben. Vielleicht konnte er den Kraftsport nicht als Sprungbrett für eine zweite Karriere nutzen, so wie Arnold Schwarzenegger, Ralf Moeller oder Dwayne "The Rock" Johnson es taten? Dieser Frank war doch offensichtlich eine Rampensau, wie man so sagt. Wer derartig souverän vor Publikum in diesen knalligen Outfits Weltklasseleistungen abliefern konnte, der wäre doch auch anderweit einsetzbar gewesen?
Die zweite Frage war da schon einfacher, oder zumindest schneller zu klären: Was macht Frank Pfraumer heute? Ich rief meinen Bekannten Attila an, der mir ein paar Tage zuvor die Frage nach Frank The Bank stellte.
Das Telefon klingelt, Attila nimmt ab.
»Hey, Attila, der Markus hier. Du, weshalb hast du mich neulich nach Frank The Bank gefragt?«
»Ach, das ist ein Bekannter von mir. Wir stehen regelmäßig in Kontakt und tauschen uns über mein Bankdrücktraining aus.«
»Echt? Also lebt der noch. Was macht der jetzt so?«
»Erzähl ich dir ein anderes Mal. Der Frank möchte zusammen mit seinem Autor ein Buch schreiben. Über sein Leben, seine Erfolge, eben alles. Da gibtʼs einiges zu erzählen, kann ich dir sagen. Du bist doch ganz gut im Schreiben und Formulieren? Vielleicht kannst du den beiden Männern etwas unter die Arme greifen?«
»Ja, schon, klingt ganz spannend. Wenn die zwei mal Hilfe beim Korrekturlesen brauchen, kannst denen gerne meine Unterstützung zusichern. Wäre mir eine Ehre.«
»Telefonier du mal besser selber mit Frank. Ich schick dir seine Nummer.«
Einen Tag später formuliere ich eine höfliche WhatsApp-Nachricht, eine Art kurzen Abriss zu meiner Person und unserem gemeinsamen Bekannten. Zusätzlich ließ ich ihn noch per Sprachnachricht wissen, dass ich ihn bei der Formulierung und Korrektur seiner Buchtexte gerne unterstützen würde.
»Ruf einfach an! Gruß Frank«, schrieb Frank Pfraumer mir umgehend zurück. Tatsächlich war ich etwas aufgeregt, alles ging recht schnell. Wie peinlich es doch wäre, jetzt nicht souverän und aufgeräumt am Telefon mit ihm zu sprechen. Wie der wohl so drauf ist? Online waren keine Interviews zu finden, nur wildes Material in schlechter Ton- und Bildqualität. Ich erwartete eine laute, harte Stimme – wie ein Wrestler der WWE – in Verbindung mit kurzen Hauptsätzen.
Wenige Minuten später klingelt bei Frank The Bank das Smartphone, und er nimmt meinen Anruf entgegen.
»Ja, hallo, Markus Beuter hier. Spreche ich mit Frank the Bank Pfraumer – dem erfolgreichsten Bankdrücker aller Zeiten?« Eine kurze Pause auf der anderen Seite. Frank stellt sich höflich vor – mit ruhiger, freundlicher Stimme –, und er entkräftet meine etwas zu enthusiastische Begrüßung mit einer Mischung aus Bescheidenheit und trockenem Humor. Ich spüre sofort, wie unangenehm ihm der Wirbel um seine Person ist, als er sagt: »Ach, Frank The Bank? Der war ich früher mal. Hier ist einfach nur der Frank am Telefon.«
Ich war verblüfft. Was soll das heißen – »der war ich früher mal«? Einmal Frank The Bank, immer Frank The Bank … oder etwa nicht?
An meiner damaligen Reaktion erkenne ich heute, wie wenig ich über Frank tatsächlich wusste. Die Black Box seiner letzten fünfundzwanzig Jahre – sie war für mich bis dahin noch verschlossen.
Heute, nach über vier Jahren des Austausches, unzähligen Video-Telefonaten und hunderten von Sprachnachrichten, darf ich mit Fug und Recht behaupten, den Mythos Frank The Bank zu kennen. Ich erhielt kompletten Zugang zu einer Welt, die mir an sich nicht fremd ist, schließlich geht es um Kraftsport und seine Milieus, die jenseits der Spießbürgerlichkeit der alten Bundesrepublik liegen.
Hatte ein Sportler vor 20 oder 30 Jahren durch intensives Krafttraining eine überdurchschnittlich muskulöse Figur, so fehlten nur noch ein paar klischeebeladene Accessoires, zum Beispiel eine Gürteltasche, weitgeschnittene Uncle Sam Sportbekleidung oder eine Bomberjacke, und man wurde im besten Fall als ungebildeter, selbstverliebter Prolet abgestempelt. Dieser Stereotyp wurde aber bis heute einigermaßen überwunden. Extreme Typen, die sich ihren Look und ihre Rolle aus freien Stücken selbst gewählt haben, können ihren Lebensentwurf heutzutage einigermaßen ungehindert realisieren. Auch wenn sie nicht zum durchschnittlichen Bild der Mehrheitsgesellschaft gezählt werden. Die Gesellschaft ist heute wesentlich toleranter und vielfältiger, als es damals zu Franks Zeiten der Fall war.
Kraftsport & Vorurteile
Im Kanon der Vorurteile hört man aber bis heute, hinter vorgehaltener Hand, immer noch zwei weitere Meinungen heraus, wenn es um die Bewertung muskelbepackter Menschen geht.
Da gibt es die eine Meinung, die verkündet, dieser unnatürlich muskulöse Körper sei lediglich die Folge eines noch größeren Geltungskomplexes und der tragische Versuch, die eigenen Selbstzweifel hinter Muskelbergen zu verstecken.
Die andere Stimme ist nicht weniger respektlos und vermutet bei auffällig muskulösen Männern oftmals die Nähe zu kriminellen Milieus. Auch hier sind szenetypische Statussymbole relevant, insbesondere luxuriöse Autos, Uhren, Kleidung, Schmuck, Tätowierungen oder ein bestimmter Haarschnitt. Es gibt einige Stempel, die natürlich auch mir selbst, aber vor allem Frank aufgedrückt wurden.
Durch unsere Gespräche gelangte ich schnell zu der Erkenntnis, dass uns beide zwar nur 16 Jahre Altersunterschied trennen, sich die Kraftsport- und Fitnessszene in dieser kurzen Zeit aber komplett verändert hat. Als ich 1997 mein erstes Fitnessstudio in Tübingen besuchte, war ich gerade 14 Jahre alt geworden und Frank hatte zu dieser Zeit schon Weltrekorde aufgestellt.
Anfang der 2000er Jahre vollzog sich ein Wandel, der alles verändern sollte. Kommerzielle Fitnessstudioketten mit niedrigen Mitgliedspreisen waren dabei, sich langsam aber sicher zu etablieren. Spätestens jetzt war klar, die Industrie hat erkannt, dass man damit gute Umsätze erzielen kann. Das Prinzip war so einfach wie genial, sehr zum Leidwesen alteingesessener Studiobesitzer, die bei der Billigpreis-Politik der Ketten unmöglich mitgehen konnten. Viele Schließungen folgten.
Wer sie noch kennt, die Gyms der alten Schule, das waren noch die richtigen Muckibuden. Schön randvoll mit allen Klischees, über die im Jahre 2025 eine Generation von Internet-Cowboys abfällig scherzt. Alte, praxiserprobte Trainingsmethoden dieser vergangenen Tage werden sofort mit dem Label «Bro Science» herabgesetzt, weil man keine fünf Studien dazu auf Wissenschaftsplattformen wie Pubmed.gov findet. Man trainierte in diesen Old-School-Gyms, weil man das Ziel hatte, stärker, breiter und besser zu werden. War das damals schon hip und angesagt? Nein. Definitiv nein. Es war vor den 2000er Jahren weder angesagt, noch gesellschaftlich voll akzeptiert, dort seine Freizeit zu verbringen. Ambitioniertes Training mit schweren Gewichten, als eigenständige Freizeitaktivität, war bis Ende der 1990er Jahre noch deutlich von Sportarten wie Fußball, Tennis oder Handball abgegrenzt.
Es waren oft miefige Gyms, mit Rost, Schweißgeruch, kaputten Sitzpolstern und nicht erstgemeinten Duschkabinen. Es war kein Gewinnstreben im Spiel. Klassische Studioinhaber haben damals nie das große Geld gemacht, das Gym war ihre Passion und einen Fünf-Stufen-Businessplan gab es nicht. Diese Einrichtungen haben ihre Mitglieder geformt und geprägt, gerade weil es dort unbequem, ehrlich und ohne Schnick-Schnack zur Sache ging. Und ja, ich kann es nicht von der Hand weisen: Damals, wie heute eben auch, gibt es immer noch genügend Gyms, zu deren Klientel natürlich auch Leute zählen, die ihren Lebensunterhalt durch Tätigkeiten in kriminellen oder zumindest halblegalen Milieus erwirtschaften. Da unterscheiden sich manche Muckibuden nicht von Amateurboxclubs, die schon immer ein Magnet für Menschen jenseits der Rechtsstaatlichkeit waren. Aber ganz ehrlich: Dort fühlte ich mich persönlich stets am wohlsten. Dort, wo Türsteher und berüchtigte Motorrad Club Mitglieder neben Polizisten und Powerlifting-Champions gleichgestellt trainieren konnten, nur dort spürt man, was echt ist und kann geistig und körperlich wachsen.
Frank The Bank. Extrem. Stark.
Bevor wir uns auf die Reise durch Franks Leben begeben, dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass man – damals wie heute – in einer Randsportart wie dem Powerlifting keine Reichtümer anhäufen kann. Aber das Ausmaß der Möglichkeiten, die sich zu Franks Zeit boten, mit extremem Kraftsport ein großes Publikum zu erreichen und gut davon leben zu können, war selbst mir bis dato nicht begreifbar und muss in diesem Buch erzählt werden.
Dass ich dieses Buch nun schreibe hat mit der Rekordsammlung von Frank Pfraumer aber nur teilweise etwas zu tun. Dafür würde auch ein ausführlicher Wikipedia-Eintrag genügen, wenn wir mal ganz ehrlich sind. Aber Frank ist mehr als die bloße Sammlung seiner Erfolge. Frank war in den 1990ern wohl der schrillste, stärkste und verrückteste Kraftathlet, den man sich nur vorstellen kann. Seine Rekorde und Showauftritte im eigens entworfenen Bühnenoutfit sind legendär. Dies lässt mich – und wohl jeden anderen auch – bis heute staunen, was er auf seine spektakuläre Art und Weise alles vollbracht hat.
Die eigentliche Geschichte dieses Buches erzählt vom Wechselspiel zwischen der Person Frank Pfraumer und seinem Alter Ego Frank The Bank. Denn neben dem Ruhm und Glanz des Rampenlichts wurden auch die dunklen Schatten in seinem Leben immer größer. Frank stieg auf bis zur Sonne und stürzte – dem Ikarus gleich – in den Abgrund. Jahrelang dominierte er die Kraftsportbühnen der Welt, errang Weltmeistertitel und feierte Weltrekorde. Franks Platz an der Weltspitze forderte seinen Tribut. Auf der Kehrseite seiner Medaillen staute sich ein Schicksal in Form von Verletzungen, Dopingmissbrauch, Inhaftierung und schwerer Erkrankung auf.
Meine Aufgabe besteht hier und jetzt darin, die Leistungen von Frank The Bank Pfraumer würdig ins Jahr 2025 zu holen – und, was noch weit darüber hinausgeht, ein aufrichtiges Porträt jener außergewöhnlichen Persönlichkeit zu zeichnen, die hinter dem Glanz der Medaillen steht. Nehmt Platz – es wird wild.
Markus Beuter im Sommer 2025
Die legendären 300 Kilo
Viele Geschichten beginnen am Anfang. Unsere beginnt genau hier. Bühne frei für den Größten aller Zeiten …
Magdeburg, November 1995. Franks Hände sind blau – das Blut hat sich längst verabschiedet aus seinen Unterarmen. Vor ihm liegt eine Langhantel, beladen mit 300 Kilo, bereit, gedrückt zu werden. Doch die Show endet abrupt. Das Publikum ist enttäuscht, schließlich hatte man ihnen heute einen Rekordversuch von keinem Geringeren als Frank the Bank versprochen. Frank selbst ist tief getroffen. Was ist passiert?
Spulen wir einige Wochen zurück: Wir stehen auf der weltweit größten Fitness- und Bodybuildingmesse, der FIBO in Nürnberg, im Herbst. An diesem Tag verliert Frank den Kampf gegen das Gewicht auf der Stange. Sein Versuch, 282,5 Kilo zu drücken, misslingt. Die Stange folgt nicht dem perfekten Weg von der Brust nach oben, verliert die Kontrolle – und fällt nach vorn, direkt in den Bauchraum. Zum Glück greifen die Helfer blitzschnell ein und verhindern Schlimmeres.
Nach diesem Rückschlag ist für Frank eines klar: Ein neuer Rekord braucht nicht nur Kraft, sondern vor allem Ruhe und eine sorgfältige Vorbereitung. Mit zwei Bankdrückshirts der damaligen Generation gewappnet, stemmt er am Ende seiner Trainingsphase 272,5 Kilo – und das gleich dreimal. Die 300? Für ihn keine Frage mehr. Alle Zeichen stehen auf Erfolg. So jedenfalls glaubt Frank.
Zurück in Magdeburg: Die internationale Bodybuilding-Meisterschaft der IFBB soll die ideale Location sein, an der Frank sein Können erneut unter Beweis stellen kann. Die vom Veranstalter bereitgestellte Drückeranlage, bestehend aus einer Ablage für die Hantelstange und einer gepolsterten, aber sehr harten und stabilen Bank, entspricht internationalen Wettkampfstandards. Bereits nach dem Warm-up ist für Frank klar: Heute wird Geschichte geschrieben – es läuft richtig gut. Die 260 Kilo im letzten Aufwärmsatz bewegen sich fast schon lächerlich schnell nach oben in die Endposition. Frank plant zwei Versuche auf der Bühne: 275 Kilo als Opener und 300 Kilo als neuen Rekord.
Es beginnt
Die Show von Frank The Bank nimmt ihren Lauf. Franks musikalisches Intro hämmert aus den Boxen. Er betritt die Bühne in seinem selbst kreierten Outfit: ein neongelber Jumpsuit mit pinkfarbenen Fransen an Armen und Beinen. Sein feiner Oberlippenbart und die geflochtenen Rastazöpfe runden diesen extravaganten Look ab. Mit diesem Aufzug lässt er jeden Show-Wrestler der 90er Jahre vor Neid erblassen. Das Publikum muss nicht animiert werden, Frank anzufeuern. Die mit 1.000 Zuschauern gefüllte Hotelhalle kocht vor Begeisterung für diesen unglaublich verrückten Kerl. Der Eröffnungsversuch verläuft ohne nennenswerte Komplikationen, die Probleme tauchen erst hinter der Bühne auf.
Franks Hände sind blau
Kein Blut fließt mehr durch seine Unterarme. Die Show endet hier. Seine damalige Frau wendet sich per Mikrofon an das Publikum in der ausverkauften Halle und nennt eine plötzliche Schulterverletzung Franks als Ausrede. Die Enttäuschung des Publikums ist deutlich hörbar. Hinter der Bühne ist Eile geboten. Die Bandagen, mit denen zu Gunsten der Stabilität die Handgelenke umwickelt werden, sind dieses Mal viel zu eng und müssen sofort gelöst werden. Der unter Adrenalin stehende Frank hat dies beim Anlegen nicht wahrgenommen, erst nach dem Versuch bemerkt er die durch den unterbundenen Blutfluss entstandene Taubheit in seinen Händen. Die beiden engen und ultraharten Bankdrückshirts, die seine Leistung optimieren sollen, sorgen ebenfalls dafür, dass kaum noch Blut in seine Unterarme fließt. Frank und sein Team haben nur noch eine Option: Die engen Ärmel der Shirts müssen so manipuliert werden, dass die Blutzirkulation wieder anläuft. Dafür benötigt man vier starke Männer, die mit bloßen Händen die Ärmel der Shirts etwas dehnen und die Hauptschlagader entlasten. Das Blut und das Gefühl kehren in Franks Hände zurück, und er ist erneut voller Selbstbewusstsein, den Rekordversuch erfolgreich zu absolvieren.
Das Team gibt bekannt: Frank wird seinen 300er-Versuch nun doch antreten. »Versprochen ist versprochen«, gibt seine Frau den Zuschauern zu verstehen. Der Saal tobt vor Begeisterung. Im Team machen sich aber Sorgen breit. Der Fehler mit den Bandagen soll sich nicht wiederholen, also beschließt Frank, ganz ohne Handgelenksbandagen anzutreten. Das Risiko, die Kontrolle über die Hantel zu verlieren, nimmt er billigend in Kauf. Frank betritt die Bühne, nimmt am Ende der Drückerbank Platz und überlässt nichts dem Zufall – sich für solche Leistungen zu pushen, verlangt das richtige Maß an Konzentration und Aggression. Im Falle von Frank bedeutet das, zwei Züge Riechsalz zu nehmen sowie sich zwei harte Ohrfeigen durch seinen Betreuer verpassen zu lassen. Jetzt hat er den richtigen Fokus und das nötige Adrenalin, die 300 Kilo zu drücken. Der Kampfrichter gibt das Kommando, und Frank schreibt erneut Geschichte: Er atmet tief ein, senkt die Hantel zur Brust und drückt – mit einem leicht kopfwärts gerichteten Bogen – das Gewicht mit aller Kraft nach oben. Der Saal tobt. Standing Ovation für Frank the Bank.
Nach Franks Aussage war dies der größte, für ihn wahrgenommene, Applaus seiner Laufbahn. Auch wenn ich davon ausgehe, dass weitere Highlights seiner Karriere noch spektakulärer und leistungsstärker waren als die 300 Kilo von Magdeburg, so ist dies doch ein Meilenstein auf dem Weg zum großartigsten Bankdrücker aller Zeiten. Mitte der 90er gibt es weltweit nur sechs weitere Athleten, die ebenfalls imstande sind, 300 Kilo auf der Bank zu drücken: Jim Williams, Ted Arcidi, Ken Lain, Anthony Clark, Chris Confessore und Craig Tokarski. Das, was Franks Leistung zur damaligen Zeit so einzigartig macht, ist der Umstand, dass diese Jungs einige Kilos mehr auf die Waage bringen als Frank. Mit gerade mal 99 Kilogramm Körpergewicht bewältigt er die dreifache Last seines Körpers – die aufgezählten Athleten sind allesamt im Schwer- oder Superschwergewicht zu Hause.
Nach diesem bahnbrechenden Ereignis am Ende des Jahres 1995 geht es für Frank weiter bergauf. Er erhält fortan Anfragen für Gastauftritte in ganz Baden-Württemberg, in Bayern, in den damals neuen Bundesländern sowie in Österreich und der Schweiz.
Feuer entfacht
Sindelfingen 1981. Ganze zwei Jahre, bevor ich das Licht der Welt erblicke, steckt ein noch schmächtiger, 14-jähriger Junge mit dem Namen Frank Pfraumer bereits mitten in seiner Pubertät. Auf eine Größe von 1,60 Metern erstrecken sich magere 56 Kilo Körpergewicht – aber dies soll sich ändern. Wie die meisten Kraftsportler, die aus der Zeit vor den günstigen Fitnessstudioketten stammen, begann Frank im heimischen Keller mit einfachstem Krafttraining – einige Leserinnen und Leser wissen sicherlich noch, was ein sogenannter Expander ist. Und wie die meisten Jugendlichen weiß Frank so gar nichts über Bodybuilding, geschweige denn strukturiertes Krafttraining. Dies ändert sich, als er sich dazu entschließt, im Trainingsraum der Sindelfinger Leichtathleten zu trainieren. Bis heute weiß er es sehr zu schätzen, dass zwei erfahrene Bodybuilder und ein Gewichtheber ihn damals an die Hand genommen haben. Von 1981 bis 1983 erarbeitet sich der junge Frank ein Basiswissen für die richtigen Trainingstechniken und vergrößert sein Repertoire an Grundübungen, die ihn unaufhaltsam stärker werden lassen.
