Frauenpower auf Arabisch - Karim El-Gawhary - E-Book

Frauenpower auf Arabisch E-Book

Karim El-Gawhary

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Beschreibung

Starke Frauen, gute Geschichten: In Porträts und Reportagen erzählt Karim El-Gawhary vom Leben in den dunklen Zeiten der Diktatur, während der Aufstände und in der heutigen arabischen Welt. "Es ist wichtig, was wir im, und nicht, was wir auf dem Kopf haben", sagt die junge libysche Frauenaktivistin Magdoulin. In diesem Buch geht es darum, was arabische Frauen im Kopf haben. Ohnmächtige, wehrlose graue Mäuse, das ist oft das Bild, das der Westen von arabischen Frauen hat. Meist wird über sie, selten mit ihnen geredet. Nun kommen Araberinnen selbst zu Wort, lassen ihr Leben für sich sprechen. Den arabischen Frauen eine Stimme zu geben, das ist das Ziel dieses Buches. Da gibt es die stolzen Pionierinnen wie Umm Khaled, die einzige LKW-Fahrerin Ägyptens, die mit ihrem 30-Tonner durchs Nilland brettert, oder Ghalia, die Fernsehköchin der Armen. Bittere Verliererinnen sind Umm Naama, die mit einem Euro am Tag ihre sechsköpfige Familie durchbringen muss, oder die Palästinenserin Kamile, deren Sohn in den Krieg zieht, weil Mama nicht gegen Gott konkurrieren kann. Und schließlich erzählt Karim El-Gawhary auch von den unerschrockenen Kämpferinnen wie Abier, die die erste Gewerkschaft der Brotverkäuferinnen erstritten hat, oder von der Bahraini Zeinab, die für ihr Engagement für Demokratie auch ins Gefängnis geht.

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Seitenzahl: 246

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Karim El-Gawhary • Frauenpower auf Arabisch

Karim El-Gawhary

Frauenpowerauf Arabisch

Jenseits von Klischee und Kopftuchdebatte

www.kremayr-scheriau.at

ISBN 978-3-218-00897-6 Copyright © 2013 by Verlag Kremayr & Scheriau GmbH & Co. KG, Wien Alle Rechte vorbehalten Schutzumschlaggestaltung: Kurt Hamtil, Wien Fotos auf der Umschlag-Vorderseite: Dana Smillie, das Graffiti auf dem Foto stammt von Mira Shihadeh Satz und Layout: Kurt Hamtil Wien Datenkonvertierung E-Book: Nakadake, Wien

Inhaltsverzeichnis

Kaleidoskop der WirklichkeitVorwort von Claudia Roth

Spray it, Habibti

Alle reden vom Kopftuch – wir nicht

Die stolzen Pionierinnen

Samira und Iman: Sie zogen aus, um in der ägyptischen Wüste Tomaten zu züchten

Inas: Die Kairoer Taxifahrerin

Die 30 Tonnen der Umm Khaled

Salwa und Abier sorgen für mehr saudische Frauenzimmer

Bouschra testet mit ihrer Kamera die jemenitischen Grenzen

Tahani, Ägyptens erste Richterin

Randa: Ägyptens erste revolutionäre Dekanin

Ghalia: Auch mit wenig Geld kocht es sich mit Würde

Die bitteren Verliererinnen

Ajat: Wenn eine junge Palästinenserin als Waffe stirbt ...

Kamile: Die palästinensische Mama gegen Gott

Die Palästinenserin Ghada: „Mama, sie werfen Feuer auf uns“

Die syrische Studentin Hadil: In einem Jahr um 20 Jahre gealtert

Fatma und Magda: Das biblische Drama von Port Said

Umm Naama, die Heldin des täglichen Überlebens am Stadtrand von Kairo

Die unerschrockenen Kämpferinnen

Der Anfang: Die Töchter des Tahrir

Die Fortsetzung: Die dunkle Seite des Tahrir

Frauen im libyschen Aufstand

Asmaa und Magdoulin: Vom Aufstand gegen Gaddafi zum Aufstand gegen die Tradition

Wafa und Intisar: Libysche Politikerinnen der ersten Stunde

Abier: Die kämpferische Gewerkschafterin aus Suez

Zeinab: @angryarabiya, die zornige Bahraini. Ein virtuelles Porträt

Manal wagt es, sich in Saudi-Arabien ans Steuer zu setzen

Der Schlüssel für den Erfolg der arabischen Revolution ist weiblichNachwort

Für meine Tochter Sophia,die von ihrem Zuhause in Kairoin die weite Welt auszog,um das Leben zu lernen.

Kaleidoskop der Wirklichkeit

Vorwort von Claudia Roth

Das Buch von Karim El-Gawhary macht neugierig darauf, tiefer in das Leben von Frauen in arabischen Ländern einzutauchen. Wir ahnen, wie wenig wir über diese Wirklichkeit wissen und wie sehr unsere Vorstellungen von „der Frau“ im arabischen Raum auf Stereotypen basieren. Wir ahnen, dass ihre Alltagsrealität nicht nur von der großen Politik geprägt ist, die wir täglich in den Medien verfolgen, sondern auch von den sozialen Beziehungen, Traditionen, wirtschaftlichen Notwendigkeiten und vielem anderen mehr. Das Buch schafft es, uns diese vielfältige Wirklichkeit kaleidoskopartig vor Augen zu führen, mit unendlich vielen Facetten, die uns wie schillernde Steine immer neue Einblicke gewähren.

Mit einfühlsamen Porträts erweckt der Autor die gesellschaftlichen Realitäten seiner Protagonistinnen zum Leben. Er beschreibt behutsam, mit Witz und Leichtigkeit, wie Frauen als Heldinnen des Alltags, als soziale Pionierinnen oder als politische Aktivistinnen agieren. Er zeigt aber auch, wie Frauen im Krieg leben und leiden und mit Tod und Trauer umgehen.

Wer hätte gedacht, dass es in Saudi-Arabien Redakteurinnen und Werbefachfrauen gibt, die sich trotz aller Repressionen in einer von Männern dominierten Welt ihre Freiräume erkämpfen. Und wir wussten zwar, dass internationale Banken Kleinkredite bevorzugt an Frauen vergeben, weil sie eine hohe Zahlungsmoral haben. Dass ein Unternehmer in Ägypten Taxifahrerinnen aber bevorzugt, weil diese umsichtiger fahren würden, dürfte auch in unseren Breitengraden viele dann doch überraschen. Denn das Vorurteil, dass Frauen schlechter Auto fahren als Männer, grassiert ja nicht nur in der arabischen Welt.

Wir tauchen auch in die Widersprüche ein, die aus solchen Freiräumen folgen: Ist es nun erstrebenswert, dass es Taxifahrerinnen gibt, zumal Frauen so nicht nur eine Berufsmöglichkeit haben, sondern auch als Mitfahrende vor sexistischer Anmache geschützt werden? Oder führt das eher zu einer problematischen Ausweitung der nach Geschlechtern getrennten Räume? Das Buch gibt keine abschließenden Antworten, es zeigt die Wege, die Frauen erkunden, um im Dickicht der Alltagswidersprüche zu bestehen.

Das Leben in vielen arabischen Ländern ist seit Jahrzehnten geprägt von Krieg und Gewalt, neuerdings aber auch von einem Arabischen Frühling, der zu einem wahren Wechselbad von Hoffnung und Enttäuschung für viele Beteiligte wurde. Ohne voyeuristisch zu sein, lässt Karim El-Gawhary uns an den Gefühlen und Gedanken der Verwundeten teilhaben. Und er spricht mit den Müttern von Opfern. Auch hier spüren wir die Widersprüche zwischen Stolz und Verzweiflung, Trauer und Trotz. Und wir steigen hinab in den Krieg als grausame Alltagserfahrung und erahnen die tiefen Spuren, die er bei den betroffenen Frauen und Müttern hinterlässt. Hier gibt es keine Heldinnen, sondern nur drängende Suche und tiefen Zweifel am Sinn des Geschehens.

Am Ende seines Buches lässt uns Karim El-Gawhary am Engagement der Frauen in der Arabischen Revolution in Ägypten und Libyen teilhaben. Wir spüren die Stärke und Kraft der Frauen, die die Errungenschaften auch nach den Aufständen erhalten und verteidigen. Und wir begreifen, wie der Widerstand gegen den Versuch, Frauen aus führenden Positionen wieder herauszudrängen, zu etwas Neuem führt. Die Frauen des Arabischen Frühlings sind den konservativen Kräften ein Dorn im Auge. Aber sie sind da, halten stand, lassen sich nicht unterkriegen und führen ihre Kämpfe auf anderer Ebene fort.

Das Buch wischt mit Leichtigkeit und ohne erhobenen Zeigefinger Klischees über Frauen im arabischen Raum beiseite. Es zeigt auch, dass es keinen Grund zur Skepsis gibt, wenn Männer sich wagen, über Frauen zu schreiben. Karim El-Gawhary führt Frauen nicht vor, sondern gibt ihnen Raum für ihre Geschichten. Ich möchte das Buch immer wieder in die Hände nehmen, um noch einmal zu schauen, in welchen Bildern und Farbenspielen die Lebenswirklichkeiten von Frauen hier aufscheinen und sich zu lebendigen Porträts fügen.

Claudia Roth

Mitglied des Deutschen Bundestages undVorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen

Spray it, Habibti

Sie hat es zu Hause oft genug geübt und genau gestoppt: Nur acht Minuten braucht die Grafitti-Künstlerin Mira Shihadeh, um ihr Supergirl an die Hauswände Kairos zu sprühen. Ihre arabische Comic-Heldin, stets in den ägyptischen Nationalfarben Schwarz, Weiß und Rot gehalten, sprüht selbst kämpferisch mit einem Insektenspray ein paar nervige Männer wie Kakerlaken weg. „Nein zur sexuellen Belästigung“, heißt es daneben auf Arabisch. „Das ist meine ägyptische 007, sie zieht ihre Sprühdose und pustet einfach alles weg“, beschreibt Mira ihr Werk – „Spray it, Habibti“, „Sprüh’s weg, Liebling“, hat jemand auf Facebook ihre paradoxe Figur getauft. Kämpferisch breitbeinig steht sie da, aber auch sexy mit ihren Stöckelschuhen, in engen Leggings und einem Oberteil, das ihre Rundungen betont, und lächelt mit ihren rot geschminkten Lippen unter dem Kopftuch hervor.

„Spray it, Habibti“ verkörpert so ziemlich alle Widersprüche vieler junger arabischer Frauen. Ihre Sexualität zelebrierend, die auch das Kopftuch nicht verstecken kann, sind sie oft Opfer sexueller Belästigung, beginnen aber auch, sich aggressiv gegen die eigene lästige Männerwelt zur Wehr zu setzen und gegen einen Westen, der sie nur als Opfer sieht.

Es sind dieselben Widersprüche, die auch in diesem Buch immer wieder auftauchen werden. Denn arabische Frauen sind wesentlich komplexer, als sie im Westen oft wahrgenommen werden. Die einen in Europa nehmen sie in ihren islamfeindlichen und oft offen rassistischen Blogs als Beweis, um die Schlechtigkeit der Religion zu untermauern. Die anderen illustrieren mit ihnen die Rückständigkeit patriarchaler Gesellschaften. Die neueste Mode: Wohlgefällige, auserwählte Migrantinnen werden als Kronzeuginnen für die islamische Rückständigkeit bestellt, mit dem einzigen Ziel, sich die eigene Meinung bestätigen zu lassen. Die ausgefeiltere Variante dieser Methode besteht darin, die zehn üblichen weiblichen verdächtigen „Feministinnen“ in der arabischen Welt wieder und wieder zu zitieren.

Auf diese Weise werden die arabischen Frauen vereinnahmt, die wenigsten machen sich die Mühe, sie selbst zu fragen. Und vielleicht ist dieses Buch ein weiterer Versuch der Vereinnahmung. Die Unterdrückung der arabischen Frau ist ein gutes Geschäftsmodell. Aber in diesem Buch kommen die Frauen selbst zu Wort oder lassen ihr Leben für sich sprechen. Die Geschichten zeigen, dass die Wirklichkeit nicht schwarz oder weiß ist und westliche Stereotypen die Realität nicht abbilden.

Verliererinnen und Gewinnerinnen des arabischen Wandels

Aber es soll hier auch nichts schöngeredet werden. Islamisch-konservative Strömungen und Traditionalisten versuchen die Frauen immer wieder an den Rand zu drängen. Betrachtet man die obere politische Ebene, erscheinen Frauen als die Verliererinnen im neuen arabischen Umbruch. Sie hatten aktiv an den Aufständen gegen die Diktatoren teilgenommen, doch die in der Folgezeit erstarkten Islamisten wollten sie wieder zurück an den Herd schicken. Es gibt im Westen eine Tendenz, sich in besserwisserischer Arroganz zurücklehnen, nach dem Motto: „Die Araber oder Muslime bekommen es ohnehin nicht gebacken. Das haben wir schon immer gewusst.“ Weil sie aus den politischen Entscheidungsprozessen weitgehend ausgeschlossen bleiben, müssen die arabischen Frauen dabei als Beweis dafür herhalten, dass der Arabische Frühling nicht über Nacht die erträumten Tausendundeine Revolutionen hervorgebracht hat.

Betrachtet man das Bild von unten, von der gesellschaftlichen Ebene her, wird aber deutlich, dass die Frauen auch zu den Gewinnerinnen des arabischen Wandels zählen. Der hat weder mit dem Sturz der Diktatoren begonnen noch wird er damit aufhören. In der jetzigen Zeit, in der alles im Fluss ist und die politischen Schleusen geöffnet wurden, entstehen auch für die Frauen neue Möglichkeiten des sozialen Wandels. Denn die alten Hierarchien in den Familien, zwischen Jugendlichen und Alten und zwischen Männern und Frauen, wenn sie vielleicht auch nicht zusammenbrechen, werden zumindest so in Frage gestellt wie noch nie zuvor.

In diesem Buch tauchen Frauen als Pionierinnen auf, wie die ägyptische Lastwagenfahrerin Umm Khaled, die mit ihrem 30-Tonner durchs Nilland kreuzt, oder Samira und Iman, die schon zu Mubaraks Zeiten auszogen, um die Wüste zu begrünen, oder Ghalia, die Fernsehköchin für die Armen.

Sie kommen auch als Opfer vor, die selbst in Krieg und Leid ihre Frau stehen, wie die Studentin Hadil, die in nur einem Jahr Aufstand in Syrien um 20 Jahre gealtert ist, oder Kamile, die als palästinensische Mutter ihren Sohn nicht davon abhalten kann, in den heiligen Krieg zu ziehen, während die junge Palästinenserin Ajat als Selbstmordattentäterin selbst zur Waffe wird.

Und dann sind da noch jene unzähligen Frauen, die sich der Veränderung verschrieben haben. Mariam, die nur 23-jährige ägyptische Frauenrechtlerin, die gerade erst angefangen hat, in der neu entstehenden arabischen Welt für ihre Rechte zu kämpfen, und die sich schon jetzt energisch Gehör verschafft. „Eine Revolution dauert nicht 18 Tage oder ein oder zwei Jahre. Sie ist permanent. Dass wir Frauen unsere Ziele nicht erreicht haben, heißt nur, dass wir weiterkämpfen müssen“, lautet ihr Kommentar am zweiten Jahrestag des Sturzes Mubaraks. Da ist Zeinab, die als @angryarabiya, als wütende Araberin, aus Bahrain twittert, wenn sie nicht gerade wieder für ihren couragierten Einsatz für die dortige Bürgerbewegung hinter Gittern sitzt. Oder Abier, die im ägyptischen Suez die erste Gewerkschaft der Straßen-Brotverkäuferinnen gegründet hat und die auch nicht davor zurückschreckt, ihren Arbeitskampf voranzubringen, indem sie die Vertreter der Bezirksverwaltung mit ihren Schuhen verprügelt. Und dann ist da natürlich Manal, die sich in Saudi-Arabien trotzig allen Verboten widersetzt und sich hinters Steuer gesetzt hat. Auch nach neun Tagen Haft erklärte sie noch aufmüpfig: „Sie haben sich mit der falschen Frau angelegt.“

Mehr als nur Objekt männlicher oder westlicher Vorurteile

„Wir müssen endlich dieses Image der arabischen Frau als passives Opfer demontieren“, fordert die libysche Frauenrechtlerin Zahra Langhi unter heftigem Applaus auf einer Veranstaltung zum Thema „Frauen und der Arabische Frühling“. Und genervt ist so manche Araberin darüber, wie ihr Leben und ihre Individualität auf einige wenige Themen reduziert werden. Die ägyptische Feministin Mona Eltahawy spricht von den beiden H’s – „Headscarfes and Hymens“ – „Kopftücher und Jungfernhäutchen“, weil, wie sie schreibt, „arabische Frauen zu oft nur über das definiert werden, was sie auf dem Kopf oder zwischen den Beinen haben.“

Die Kritik vieler arabischer Frauen macht dabei auch nicht vor dem Westen halt, der sich so gerne die Befreiung der arabischen Frau auf die Fahnen heftet und sie als orientalistischen Maßstab benutzt, um seine eigene Aufklärung und seinen eigenen Fortschritt in Sachen Frauenrechte zu zelebrieren. Doch geht es dabei vor allem darum, mit einem „schaut mal, wie schlecht es im Vergleich zu uns unseren arabischen Schwestern geht“, das selbst nicht Erreichte zu vertuschen.

Diese Haltung strotzt nur so von stereotypem Schubladendenken und voreiligen Schlussfolgerungen, die der Realität der arabischen Frauen nicht gerecht werden. Ob die Ägypterinnen Samira, Iman, Inas, Fatma, Magda, Tahani, Randa, Ghalia und Abier, die Jemenitin Bouschra, die Palästinenserinnen Ghada, Ajat und Kamile, die Libyerinnen Sareen, Fawzia, Magdoulin, Wafa und Intisar, die Syrerin Hadil, die Bahraini Zeinab oder die saudischen Frauen Salwa und Manal: Alle Frauen, die auf den folgenden Seiten porträtiert werden, haben ihre ganz eigenen Kämpfe durchzustehen, sei es als Pionierinnen in ihrer Gesellschaft, als Frauen im Krieg oder als Aktivistinnen, die Veränderungen vorantreiben. Sie alle können jedem arabischen Mann, aber auch jeder europäischen Frau das Wasser reichen. Das gilt umso mehr, als sie oft unter viel widrigeren Umständen für ihre Rechte zu kämpfen haben: in Armut, im Krieg, in der permanenten Krise, also immer steil bergauf oder mit dem Rücken zur Wand. Die Araberinnen, die jetzt, besonders in den Zeiten des Umbruchs, für ihre Rechte kämpfen, brauchen kein selbstgefälliges westliches Bedauern und Mitgefühl, das erbarmungslos als Stigma an ihnen klebt.

Die junge libysche Frauenaktivistin Magdoulin Obeida fasst es mit Blick auf westliche Kopftuchdebatten so zusammen: „Es kommt doch nicht darauf an, was wir auf dem Kopf, sondern was wir im Kopf haben.“ Ein Satz, mit dem die arabischen Frauen in den letzten Jahren immer wieder und wieder in Richtung Westen appelliert haben. Wie oft muss man diesen Satz noch wiederholen, bis diesen Frauen endlich zugehört wird, bis zur Kenntnis genommen wird, was sie selbst wollen und was sie im Kopf haben? Wie lange werden sie noch zum Objekt degradiert? Die arabischen Frauen zum Subjekt zu machen und ihnen eine Stimme zu geben, das ist das Ziel dieses Buches.

Alle reden vom Kopftuch – wir nicht

Oder wir tun es nun doch ein wenig, wenngleich nur am Anfang, um dann im Rest des Buches nicht mehr darüber zu sprechen.

Es ist ein Stück Stoff, um das sich die Geister streiten, ganz besonders, wenn es vor dem Gesicht oder auf dem Kopf platziert ist, aber auch, wenn es gar nicht vorhanden ist. Für die einen ist es ein Symbol der Frauenunterdrückung. Für die anderen ist es ein religiöses Muss oder zumindest ein Symbol ihrer Religion, Kultur und Tradition. Es gibt vielfältige Gründe, warum muslimische Frauen in der arabischen Welt ein Kopftuch oder einen Schleier tragen, wie etwa: der gesellschaftliche Druck der islamisch konservativen Strömungen, eine Modeerscheinung, das Gefühl, geschützter zu sein und weniger angemacht zu werden, die Hoffnung, ins Paradies zu kommen, das Verdecken der Armut durch vereinheitlichte Kleidung, die Ermöglichung von Mobilität als Frau in einer konservativen Familie, weil Frauen mit Kopftuch draußen mehr Freiheiten zugestanden werden.

Nur eines ist das Kopftuch oder das offene Haar mit Sicherheit nicht: ein Zeichen oder ein Ausdruck, mit dem die Trägerinnen oder Nichtträgerinnen in eine Schublade gesteckt werden können. Oft wird in Europa das Kopftuch mit der Frau als ohnmächtiger grauer Maus in Verbindung gebracht, während offenes Haar für Stärke und Selbstbewusstsein steht. Dieses Bild konterkarieren Frauen, die auch in diesem Buch vorkommen, wie Umm Khaled, Ägyptens einzige Fernfahrerin, die sich das Kopftuch zurechtrückt, bevor sie an ihrem 30-Tonner die Reifen wechselt. Oder die Libyerin Fawzia mit ihrem schicken Tuch im Leopardenmuster, das sie trägt, als sie sich für die nächste Fahrt zur Rebellen-Front gegen Gaddafi vorbereitet. Auch bei einem Besuch der immer populäreren Frauenselbstverteidigungskurse in Kairo kann man sehen, wie die Kopftuchträgerinnen zum Schlag ansetzen. Am 8. März, dem internationalen Frauentag, demonstrierten in Kairo mehrheitlich Kopftuch-Frauen Seite an Seite mit ihren unbedeckten Mitstreiterinnen. Weibliches Selbstbewusstsein und ein Kopftuch sind kein Widerspruch.

„Es ist nicht mehr länger hinnehmbar, dass die Lage der Frau in unseren Gesellschaften verkürzt auf die naive Formel gebracht wird, ,unverschleiert ist gleich zwangsläufig modern und kopftuchtragend ist gleich zwangsläufig traditionell unterdrückt‘.“ Das greife zu kurz und werde der komplexen Wirklichkeit nicht gerecht, schreibt die bekannte ägyptische Schriftstellerin Mansura Eseddin.

Nur ein Stück Stoff

Aber nicht nur in Europa ist die Kopfbedeckung der arabischen Frauen mit einem Stigma belegt. Junge Ägypterinnen können ein Lied davon singen, wie Nehal Elmeligy, die in ihrem Blog „Onmymind“ über ihre persönlichen Erfahrungen, aber auch die ihrer Freundinnen, mit und ohne Kopftuch, schreibt. Auf dem Blog findet sich ein Foto, auf dem Nehal mit einem Schild auf einem der großen Plätze Kairos gemeinsam mit einer Gruppe von Anhängerinnen des damaligen Präsidentschaftskandidaten und Muslimbruders Mohammed Mursi steht. Sie war die einzige ohne Kopftuch und hielt ein Schild hoch mit der Aufschrift: „Ich bin keine Anhängerin der Muslimbrüder, aber ich werde Mursi wählen.“

Das war zur Zeit der ersten ägyptischen Präsidentschaftswahl. Die Frage damals war, wer wird das Land in Zukunft regieren, die Restposten des Mubarak-Regimes, wie der ehemalige Premier Ahmed Schafik, oder die Muslimbrüder unter Mohammed Mursi? Nehal hatte ihre Wahl getroffen.

Das Bild machte auf Facebook die Runde. Die einen brandmarkten sie als Verräterin. Wie könne sie nur, wo sie doch kein Kopftuch trage, einen Muslimbruder wählen. Andere bezeichneten sie als „respektable Person“, obwohl sie kein Kopftuch trägt.

„Ich habe mich gefragt, was hat das Kopftuch mit meiner politischen Auswahl zu tun“, schrieb sie anschließend in ihrem Blog. „Ich hatte keine Ahnung, dass ich mit oder ohne dieses Stück Stoff sofort katalogisiert werde“, erklärt sie.

Als sie 13 Jahre alt war, hatte sie ein Kopftuch angezogen, gefolgt von einer, wie sie schreibt, „vielfältigen persönlichen Schlacht“. Sie behielt es zehn Jahre lang an, bevor sie es dann wieder abnahm. Abgesehen vom ersten Tag, an dem sie erstmals wieder mit unbedecktem Kopf in die Öffentlichkeit trat, war ihr nie wieder so bewusst geworden, kein Kopftuch zu tragen, wie an jenem Tag, als sie das Mursi-Schild hochhielt.

Sie schreibe diesen Artikel nicht, um zu diskutieren, ob das Kopftuch islamisch vorgeschrieben sei, und auch nicht, um ihre Geschichte zu erzählen, wie es war, als sie das Kopftuch abnahm. Sie wolle einfach nur aufzeigen, wie faszinierend es ist, dass Frauen nur über dieses Stück Stoff definiert werden.

Etwa am Arbeitsplatz: Der Personalleiter des „Four Season“-Hotels in Kairo hat ihrer Bekannten A.H. unmissverständlich klar gemacht, dass sie sofort dort zu arbeiten anfangen könne, wenn sie das Kopftuch abnehme. Frauen mit Kopftuch werden als „nicht präsentabel“ und „schlecht qualifiziert“ angesehen, schreibt die Nicht-Kopftuch-Trägerin Nehal, um dann gleich ein weiteres typisches Beispiel zu bringen. Als ihre Freundin, die 26-jährige Sara Imam, mit offenem Haar einen Mann nach einer bestimmten Straße in Kairo fragte, erklärte der ihr automatisch den Weg zur benachbarten Kirche.

„Wenn eine Gesellschaft dich als ,gutes Mädchen‘ oder als ,Christin‘ oder als ,nicht qualifiziert‘ einordnet, je nachdem, ob du ein Kopftuch trägst oder nicht, werden die Frauen dann nicht als Massenware abgestempelt? Wo ist die Individualität der Frauen geblieben?“, fragt Nehal.

Von denen, die sich für das Kopftuch entscheiden, werde auch erwartet, dass sie sich züchtig verhalten und konservativ kleiden und in der Öffentlichkeit nicht laut lachen. Und es werde dann darüber diskutiert, ob diese oder jene Frau, die ein Kopftuch trägt, ansonsten züchtig gekleidet sei, ob die Hose zu eng oder ob eine Hose überhaupt passend sei. Die Frau verliert ihren Individualismus. „Frauen mit Kopftuch werden als kulturelle, religiöse und intellektuelle Blaupausen angesehen“, schreibt Nehal. Viele Kopftuchträgerinnen versuchen das zu unterlaufen und ihre Individualität mit modischen Accessoires zu unterstützen. Auch die Kopftücher, ihre Farben und wie sie gewickelt sind, durchlaufen modische Trends.

Manche Frauen haben ihren ganz eigenen, oft recht pragmatischen Zugang. Wie Nehals Freundin, die 24-jährige Nesma A. Sie trägt einen Bikini, wenn sie im ägyptischen Badeort Scharm El-Scheich arbeitet, und ein Kopftuch, wenn sie in Kairo ist. Nicht, weil sie das als religiöse Pflicht ansieht, sondern weil sie es dort als bequemer und passender empfindet. Und wenn sie bei einem Metal Concert am Keyboard spielt, dann trägt sie eine Perücke, weil sie sich dort einfach nicht mit einem Kopftuch vorstellen kann.

Das Kopftuch – ein Politikum

Es sind beileibe nicht immer die Väter oder Ehemänner, die ihren Frauen das Kopftuch aufzwingen. Hamdy arbeitet als Fahrer und lebt im Kairoer Armenviertel Daressalam. Verzweifelt erzählt er mir, dass seine Frau begonnen habe, einen Gesichtsschleier, einen Niqab, zu tragen, der nur ihre Augen freilässt. Das habe ihr ein Fernsehscheich in einem der Koranprogramme eingeredet, klagt ihr Ehemann. Der TV-Prediger habe sie überzeugt, dass das ihre islamische Pflicht und für die Mutter von vier Söhnen der Weg ins Paradies sei. Seitdem huscht sie immer schnell ins Hinterzimmer, wenn ein Fremder an der Haustür klingelt, und zieht ihren Schleier über. „Diese Tradition des Vollschleiers ist von Saudi-Arabien auf Ägypten übergeschwappt“, meint Hamdy. Er ist selbst ein gläubiger Moslem, aber das habe nichts mit dem Islam zu tun, ein Kopftuch reiche vollkommen aus, glaubt er, doch er kann sich in dieser Frage nicht gegen den Willen seiner Frau und ihre persönliche Wahl durchsetzen. Hoffentlich geht das irgendwann vorbei, seufzt er. Hamdy hasst diesen Schleier, aber bei ihm zu Hause hat die Frau die Hosen bzw. den Schleier an.

Als im ersten ägyptischen Parlament nach der Revolution mehrheitlich Muslimbrüder und erzkonservative Salafisten und später der Muslimbruder Mohammed Mursi zum Präsidenten gewählt wurden, wurde auch das Kopftuch wieder zum Politikum. Ägyptens Liberale fürchteten, dass nun der Kopftuchzwang kommen könnte. Mursi selbst gab sich alle Mühe, diese Ängste zu zerstreuen. „Das Kopftuch kann man niemandem aufzwingen, auch hier gilt die Freiheit der Wahl“, erklärte er bei einer seiner Reden. Wer ein Kopftuch tragen möchte, solle das tun können. Und wer etwas anderes tragen möchte, was sie passender finde, habe die freie Wahl, führte er weiter aus. „Wird sie dadurch der Gesellschaft schaden?“, fragte er weiter, um dann selbst zu antworten: „Nur wenn ihr Verhalten sich in etwas wandelt, dass der Gesellschaft schadet, können wir laut dem Koran intervenieren.“ Das gelte im Übrigen auch für ihn als Präsidenten, schloss er.

Nun gab es früher einen stillschweigenden Deal zwischen dem Mubarak-Regime und den Islamisten. Die Muslimbrüder und Salafisten stellten nicht die politische Machtfrage und gefährdeten damit nicht das Regime, dafür überließ ihnen das Regime die Straße. Die gesellschaftliche Islamisierung war schon unter der Diktatur in vollem Gange. Verstärkt wurde sie auch durch den wachsenden Einfluss der Golfstaaten und der von dort zurückgekehrten Arbeitsmigranten, die erzkonservative Wertvorstellungen nach Hause brachten. Ein Ausdruck dieser Islamisierung war die steigende Zahl von kopftuchtragenden Frauen in Ägypten, in den letzten Jahren sah man auch den Niqab immer häufiger. Nur in zwei Bereichen bestand das Mubarak-Regime auf einem kopftuchfreien Raum: im staatlichen Fernsehen und bei der nationalen Fluglinie Egypt Air. Diese beiden aufgezwungenen und gegenüber dem Rest der Gesellschaft künstlich wirkenden Bastionen sind mit dem politischen Aufstieg der Muslimbrüder gefallen.

Als Erste brach eine Nachrichtensprecherin das bisher ungeschriebene Gesetz und trat mit einem Kopftuch im Fernsehen auf. Fatma Nabil erschien erstmals im September 2012 im schwarzen Kostüm und cremefarbenen Kopftuch. Sie selbst bezeichnete die Entscheidung des staatlichen Kanals in der ägyptischen Presse als eine „Errungenschaft der Revolution“, mit diesem „merkwürdigen und abnormalen Kopftuchverbot“ aufzuräumen. Mona Salman, eine ihrer Kolleginnen mit offenem Haar, sah in diesem Schritt dagegen eine Bedrohung. „Ich fürchte, das ist erst der Anfang und es wird demnächst keine Nachrichtensprecherinnen mehr ohne Kopftuch geben“, meinte sie dazu.

Auch bei Egypt Air sind die Kopftuch-Barrieren gefallen. Nachdem sich einige Flugbegleiterinnen das Recht auf das Tuch erstreikt hatten, hob am 11. November 2012 der erste Flug ab, in dem erstmals eine Stewardess mit Kopftuch die Sicherheitsbestimmungen an Bord erklärte. Eine Premiere seit Gründung der Fluglinie 1923. Gesichtsschleier bleiben allerdings weiter für die Mitarbeiterinnen an Bord verboten. Die neue Regelung gilt zunächst nur für Flüge in islamische Länder, soll dann aber später ausgeweitet werden.

Aber nach der ägyptischen Revolution gab es auch Gerichtsentscheidungen, die Angriffe auf Mädchen ohne Kopftuch bestraften. So hatte ein Gericht in Oberägypten eine Lehrerin zu einer Strafe von sechs Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt, weil sie zwei Schülerinnen die Haare abgeschnitten hatte. Die Lehrerin wollte damit die beiden zwölfjährigen Mädchen dafür bestrafen, dass sie kein Kopftuch trugen. Die Eltern der Kinder stellten daraufhin eine Strafanzeige gegen die Pädagogin. Der Vorfall ereignete sich an einer Schule in dem Dorf Qurna in der Provinz Luxor.

„Es begann alles als Spaß, als ich ihnen sagte, ich würde ihre Haare abschneiden, wenn sie kein Kopftuch tragen“, erklärte die Lehrerin für Naturwissenschaften, Iman Abu Bakar Kilany. Die beiden Mädchen waren die einzigen in der Klasse ohne Kopfbedeckung.

Kilany, die selbst einen Niqab, einen Vollschleier, trägt, verteidigte sich damit, dass ihrer Ansicht nach ein Kopftuch ab dem Alter von zehn Jahren für muslimische Mädchen aufgrund der Tradition verpflichtend sei. „Ich musste das tun, um meine Autorität vor den Schülern durchzusetzen“, rechtfertigte sie sich. Außerdem habe sie nur zwei Zentimeter abgeschnitten. Sie fügte hinzu, sie habe nicht gedacht, dass dies ein Verbrechen sei. Kilany gehört nach eigener Aussage keiner politischen Gruppierung an und trägt seit fünf Jahren den Vollschleier, der nur ihre Augen freilässt. Bereits vor dem Urteil war die Lehrerin von der Schulbehörde an einen Verwaltungsposten versetzt worden. Zwei Monatsgehälter wurden als Strafe einbehalten. Der Gouverneur von Luxor hatte die Aktion der Lehrerin als „Schande“ bezeichnet.

Aber ähnlich wie in Europa ist es nicht das Kopftuch, sondern der Niqab, der Gesichtsschleier, der die arabische Welt außerhalb der konservativen Golfstaaten, wo er zum gesellschaftlichen Standard gehört, polarisiert. Es ist ein innerarabischer Kulturkampf, der schon vor den Revolutionen in vollem Gange war. Mit dem Wandel in der arabischen Welt brechen diese Konflikte noch offener aus.

In die Schlagzeilen geriet damit etwa Tunesien, als ultrakonservative salafistische Gruppen im Dezember 2011 die zeitweise Schließung der Kunstfakultät mit der Forderung erzwangen, dass die Studentinnen mit einem Niqab auch zu Prüfungen zugelassen werden müssten. In tunesischen Universitäten ist es erlaubt, mit Kopftuch zur Prüfung zu kommen, ein Niqab ist verboten. Am Ende schritt die Polizei ein und löste den Protest auf.

Freiheit, unterschiedlich definiert

Auch in Ägypten beschäftigt die Frage, ob Studentinnen im Niqab zu Prüfungen zugelassen werden, seit Jahren die Gerichte. Immer wieder gab es Versuche der Konservativen, die sich dabei auf Artikel zwei der ägyptischen Verfassung beriefen, in dem bereits zu Mubarak-Zeiten festgelegt war, dass die Prinzipien der Scharia die Grundlage der Gesetzgebung darstellen sollen. Regelmäßig heben niedrigere Gerichte den Bann von Gesichtsschleiern bei Universitätsprüfungen auf, und ebenso regelmäßig geben höhere Gerichte dann wieder den Universitäten Recht und setzen das Verbot wieder durch.

Der Streit um den Niqab an den Universitäten währt schon lange. Furore machte schon 2007 der Fall Iman Al-Zeinys. Damals hatte ich die junge Ägypterin interviewt. Es war bei dem Gespräch nicht auszumachen, ob Iman Al-Zeiny siegesgewiss lächelte oder eine unbeteiligte Miene zog. Ihre Gesichtszüge waren unter einem weißen Vollschleier versteckt. Ihre Stimme klang jedenfalls aufgeweckt. „Es ist wichtig, im Leben konsequent zu bleiben, seine Prinzipien und seine Werte nicht aufzugeben“, sagte sie selbstbewusst.

Die junge Englischprofessorin an der islamischen Kairoer Al-Azhar-Universität kämpfte damals an vorderster Front im Kulturkampf innerhalb der arabischen Gesellschaften. Ihr Gegner war die Amerikanische Universität in Kairo (AUC), die Elitehochschule Ägyptens, gegründet vor 90 Jahren als ein Hort des liberalen Denkens und Forschens. Sie wird als Symbol eines westlichen Lebensstils angesehen.

Al-Zeiny hatte damals einen großen Erfolg zu verzeichnen. Denn vor dem obersten Verwaltungsgericht des Landes hatte sie sich nach einem sechsjährigen Rechtsstreit den Zugang zur Bibliothek der AUC erstritten, um dort weiter forschen zu können. Die Universitätsverwaltung hatte 2001 allen, die den Niqab tragen, den Zugang zum Campus untersagt. Für Nizar Ghorab, den Anwalt der Klägerin, stellte sich das Urteil als Sieg zweier Prinzipien dar.

Erstens sei es Frauen nach dem islamischen Recht vorgeschrieben, sich zu bedecken. „Und zweitens geht es hier um Menschenrechte, um Fragen der persönlichen Freiheit, der Gerechtigkeit und Gleichheit“, führt der Anwalt aus. Dessen Prominenz geht auch darauf zurück, dass er in den 80er-Jahren Führungspersönlichkeiten militanter Gruppen verteidigt hatte. „Jemanden von der Ausbildung auszuschließen, weil sie sich verschleiert hat, ist schlichtweg diskriminierend“, argumentiert er.

In einer Erklärung der Universität hieß es: „Das Verbot, das Gesicht zu bedecken, ist eine Frage der Sicherheit. Wir respektieren aber auch die religiösen Werte unserer Studenten.“ Das Verbot sei eingeführt worden, „weil Mitglieder der Universität grundsätzlich das Recht haben sollten, zu wissen, mit wem sie es zu tun haben, sei es in der Klasse, in den Labors, in der Bücherei oder irgendwo sonst auf dem Campus. Dies ist keine Angelegenheit der Religion, zumal die Universität das Tragen eines einfachen Kopftuches nicht verbietet.“ Al-Zeiny stellte ihren Erfolg als „Sieg Ägyptens“ dar. „Jeder Ort in Ägypten muss sich nach ägyptischen Regeln verhalten.“

In einem Café auf dem Campus der AUC in der Kairoer Innenstadt befragt, konnten sich Studentinnen und Studenten nicht vorstellen, dass Vollverschleierte unter ihnen weilen könnten, die ihre Verhüllung als „ägyptisches“ Kulturgut ansehen. „Wenn ich jemanden mit Gesichtsschleier sehe, wie kann ich mit ihr ins Gespräch kommen?“, fragte die Kommunikationsstudentin Nura. „Und woher sollen die Professoren bei einer Gesichtsverschleierten in der Prüfung wissen, mit wem sie es zu tun haben?“, führte sie weiter aus.

Für Lubna, die ein Kopftuch trug, war das Ganze eine Frage der Sicherheit. „Eine Gesichtsverschleierte müsste ihr Gesicht bei der Sicherheitsschleuse am Eingang zeigen, sonst weiß keiner, ob es sich um dieselbe Person wie auf dem Studentenausweis handelt.“

Al-Zeiny ließ all diese Einwände nicht gelten. „Ich will nicht an der AUC studieren oder lehren, sondern nur die Bücherei benutzen. Mein einziger Austausch dort wird der mit den Büchern und den Computern sein“, erläuterte sie. „Ich habe der Verwaltung auch erklärt, dass ich bereit bin, am Eingang selbst dem männlichen Sicherheitspersonal kurz mein Gesicht zu zeigen“, warf sie ein. Schließlich gehe es auch um ihre eigene Sicherheit, und sie wolle nicht, dass jemand den Niqab missbrauche.

Doch für Rania, die sich ebenfalls ein Kopftuch umgebunden hat, geht es wie für Al-Zeiny ums Prinzip. „Das hier ist eine liberale und weltoffene Universität. Daher kann man nicht voll verschleiert sein“, sagt sie. „Keiner sollte mich zwingen können, meine Ideen aufzugeben. Das nennt man Freiheit.“ So argumentieren beiden Seiten im Namen der Freiheit: der Freiheit, den Niqab überall tragen zu können, gegenüber der Freiheit, eine liberale, weltoffene Universität zu verteidigen.