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Der wohl beliebteste Pfleger Deutschlands Rashid Hamid hat mit seinem ersten Buch «Ein Herz und eine Pflege» zahlreiche Menschen begeistert – und gezeigt, was seinen Alltag als Pfleger zu etwas ganz Besonderem macht. In seinem zweiten Buch erzählt der sympathische Hamburger die Geschichten der Menschen, vor denen er am meisten Respekt hat: seinen Patientinnen und Patienten. Oma Lotti, Heiko, Thorsten, Barbara, Uli, Oma Edith – sie alle sind ihm wichtig, und ihre Geschichten verdienen es, erzählt zu werden. Aus Sicht Rashids, der sicher ist: Freundschaft kennt kein Alter. Ein Buch, das die positiven Seiten des Lebens feiert und zeigt, wie zwischenmenschliche Werte wie Freundschaft und Vertrauen Alter und Krankheit besiegen – und eine Community begeistern können, die ihren Helden viel zurückgibt. @pflege.smile
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Seitenzahl: 191
Veröffentlichungsjahr: 2025
Rashid Hamid
Wie Oma Lotti und alle anderen mein Leben verändert haben
Pfleger Rashid Hamid begeistert mit seinen Posts Hunderttausende, zeigen er und seine Patienten doch die schönen Seiten von Freundschaft, Fürsorge und Miteinander.
Nach seinem Erfolgsbuch über Pflege erzählt er in seinem zweiten Buch von den Menschen, die ihn am meisten berühren: seinen Patientinnen und Patienten. Oma Lotti, Ulli, Thorsten, Oma Edith, Heiko, Barbara – sie alle verbindet eine enge Freundschaft mit Rashid. Zusammen bestreiten sie den Alltag, der Lustiges wie Ernstes bereithält, sprechen über beeindruckende und bewegende Erinnerungen und teilen die kleinen und großen Freuden, die ihr Leben – ob alt oder jung – bereithält. Davon zu lesen, wie viel sie einander bedeuten, ist einfach schön.
«Was wäre unser Leben ohne Freundschaften. Die Verbindungen mit Menschen sind es doch, die unserem Leben einen Wert geben. Zwischen Jung und Alt genauso wie zwischen Kranken und Gesunden. Wir alle leben doch in Wirklichkeit davon, dass wir die anderen haben.» Rashid Hamid @pflege.smile
«Alle lieben diesen Altenpfleger: Rashid Hamid macht seine Patienten zu Internet-Stars.» Neue Osnabrücker Zeitung Online
Rashid Hamid wurde 1992 in Hamburg geboren, seine Eltern stammen aus Afghanistan. Nachdem er 2013 seine Ausbildung als Altenpfleger abgeschlossen hat, gründete er 2021 seinen eigenen Pflegedienst und teilte erste Videos von sich und seinen Klienten unter @pflege.smile bei Tiktok. Mittlerweile folgen ihm dort über 500.000 Menschen. Rashid Hamid ist verheiratet und hat eine Tochter.
Judith Schneiberg, geboren in Wien, ist Autorin und Lektorin und lebt mit ihrer Familie in Hamburg. In der Sprache zu Hause, reizt sie vor allem das Zwischenmenschliche, gesellschaftlich Relevante in den Texten, die sie schreibt und redigiert.
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Juni 2025
Copyright © 2025 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg
Covergestaltung zero-media.net, München
Coverabbildung Yvonne Schmedemann
ISBN 978-3-644-02283-6
Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation
Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp
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Für Oma Lotti – eine Freundin fürs Leben
Es gibt Begegnungen im Leben, die alles verändern. Oma Lotti war für mich genau so eine Begegnung. Sie war nicht nur eine Patientin, nicht nur eine ältere Dame – sie war meine beste Freundin.
Für sie spielten Alter, Herkunft oder Unterschiede keine Rolle. Sie nahm die Menschen so an, wie sie waren – offen, neugierig und voller Lebensfreude. Niemals scheute sie sich davor, Neues auszuprobieren, und genau das machte sie zu einem ganz besonderen Menschen.
Unsere Freundschaft hat mir gezeigt, dass wahre Verbindung keine Grenzen kennt – nicht die der Generationen und nicht die des Lebenswegs. Was wirklich zählt, ist ein gutes Herz, und ihres war voller Wärme.
Sie hat das Leben geliebt, viel gelacht und war glücklich. Dank euch durfte Oma Lotti noch einmal unvergessliche Erinnerungen sammeln. Ihr habt ihr so viel Freude geschenkt – und dafür bin ich unendlich dankbar.
Dieses Kapitel ist nicht nur meine Geschichte – es ist unsere Geschichte. Die Geschichte einer besonderen Freundschaft, die für immer in meinem Herzen bleiben wird.
In liebevoller Erinnerung
Rashid Hamid
Ich weiß noch genau, wie ich sie damals das erste Mal zusammen gesehen habe. Ich hatte gerade mein Auto auf dem Parkplatz abgestellt, mein Handy und meinen Schlüsselbund geschnappt und wollte vor Feierabend noch schnell bei Erwin reinspringen, um nach ihm zu sehen. Einfach so, weil ich mich gerne mit eigenen Augen überzeugen wollte, dass es ihm gut geht. Ich hatte ihn nicht erreichen können, als ich eine Viertelstunde vorher angerufen hatte, obwohl er normalerweise um diese Zeit ziemlich sicher zu Hause war.
Als ich aus dem Auto stieg, wusste ich, warum er nicht ans Telefon gegangen war. Er kam gerade erst vor seiner Haustür an. Seinen Rollator schob er in seinem üblichen langsamen Tempo vor sich her, und neben ihm ging diese alte Dame mit grauen Locken auf ihren Stock gestützt. Ihre andere Hand hatte sie auf seinen Unterarm gelegt. Erwin sagte etwas, das ich nicht verstehen konnte, und sie, das konnte ich zumindest sehen, sagte in einem fort: «Ja, ja, ja», und nickte dabei. Heute weiß ich genau, wie es geklungen haben muss, dieses Ja. Ich kenne sogar die kleinsten Unterschiede im Tonfall und weiß, wann dieses Ja eigentlich Vielleicht bedeutet oder Aber sicher doch oder Ist mir doch egal …
Die Frau, die ich da neben Erwin sah, war seine Freundin Lotti. Er hatte mir schon oft von ihr erzählt, aber bisher waren wir uns noch nie über den Weg gelaufen. Ich blieb in einiger Entfernung stehen, um das Bild, das sie zusammen abgaben, zu bewundern. Es rührte mich total, wie die zwei da gemeinsam ganz langsam gingen, ein bisschen wie aus der Welt gefallen, während auf der Straße Autos flitzten, ein Hund vorbeischoss und ein kleiner Junge auf dem Laufrad seinem Vater hinterherjagte. Die beiden blieben völlig unberührt davon und sahen aus wie ein altes glückliches Ehepaar. Dabei wusste ich, dass sie kein Paar waren, sondern einfach nur wirklich gute Freunde, die unzertrennlich geworden waren.
Sie hatten sich vor vielen Jahren in der Kirche kennengelernt, die sie damals noch regelmäßig besuchten. Im Gespräch hatten sie festgestellt, dass Erwin sich nicht gut ernährte, weil er niemanden hatte, der für ihn kochte, und Lotti jemanden brauchte, der ihr half, ihre Post und den ganzen Schreibkram zu erledigen, der monatlich anfiel. Also beschlossen sie, sich gegenseitig zu unterstützen. Ich gehe davon aus, dass sie sich außerdem von Anfang an gerne mochten. Schließlich lässt man nicht jeden sein Essen kochen oder seine Post durchschauen.
Seitdem machte sich Erwin jeden Tag auf den Weg zu Lotti, um bei ihr zu essen und ihre Schreibtischarbeit zu erledigen. Er brauchte eine Dreiviertelstunde für die achthundert Meter zu ihrer Wohnung. Aber das hinderte ihn nicht. Über all die Jahre war eine so enge Freundschaft zwischen den beiden gewachsen, dass sie füreinander wahrscheinlich noch viel weiter und länger gelaufen wären.
An diesem Tag, an dem ich sie auf dem Gehsteig vor seiner Wohnung sah, schien Lotti Erwin ausnahmsweise zurückzubegleiten. Wahrscheinlich hatte sie beschlossen, sich noch ein wenig bewegen zu müssen. Es war Sommer und wurde erst gegen 22 Uhr wirklich dunkel. Die Zeit sollte also für den Heimweg reichen. Es war erst halb acht 😊. Ich ging auf die zwei alten Leutchen zu. Sie hatten mich noch nicht gesehen. Oder vielmehr Erwin, denn Lotti kannte mich ja gar nicht. Für sie wäre ich einfach einer der vielen schnellen Menschen um sie herum gewesen, wenn Erwin nicht freudig gewunken und zu mir herübergerufen hätte, als er mich erkannte. Er stellte Lotti und mich einander vor und freute sich aufrichtig, mich zu sehen. Und ich freute mich auch sehr, vor allem darüber, Lotti endlich kennenzulernen. Als ich ihr sagte, wie viel Erwin schon von ihr erzählt habe, bekam ich den Eindruck, dass die Freude nur meinerseits zu sein schien. Lotti lächelte zwar nett und sagte freundlich: «Guten Tag», aber sehr viel mehr Aufmerksamkeit bekam ich nicht. Dann tätschelte sie Erwin die Hand, sagte: «Auf Wiedersehen, morgen sehen wir uns, nicht wahr?», mit diesem speziellen Akzent, von dem ich heute weiß, dass er aus ihrer preußischen Heimat stammt. Erwin strahlte mich an und sagte: «Es gibt Kartoffeln mit Spinat.» Lotti nickte noch einmal höflich zu mir rüber, drehte sich um und ging wieder in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Ganz langsam, mit aller Zeit der Welt im Rücken.
Sie hatte bei unserer ersten Begegnung mit ihrer Art Eindruck auf mich gemacht, die gute Lotti. Ich glaube, das hört man, wenn ich von ihr erzähle. Und heute gehört sie zu meinem Leben, wie damals zu Erwins.
Gar nicht lange nach diesem Zusammentreffen auf der Straße, circa eineinhalb Jahre später, musste Erwin wegziehen. Er sollte in einem Heim in der Nähe seines Sohnes betreut werden. Erwins größte Sorge galt dabei seiner Freundin Lotti. Wer würde sich um sie kümmern und nach ihr schauen?
Dann kam er darauf, mich zu fragen. In den zwei Jahren, die ich ihn im Rahmen meines Pflegedienstes täglich versorgt hatte, waren auch wir zu richtig guten Freunden geworden. Wir hatten uns immer was zu erzählen und haben viel gelacht. Ich war sehr gerne mit Erwin zusammen und freute mich jeden Tag auf meine Einheit bei ihm, wobei ich immer ein bisschen Extrazeit mitbrachte. Es war das Naheliegendste, dass ich Lotti in meinen Pflegedienst aufnahm. So gab mein lieber Freund Erwin die Fürsorge für seine geliebte Freundin Lotti an mich ab. Natürlich war sie allein schon deswegen von Anfang an etwas Besonderes für mich.
Leider haben weder ich noch Lotti Erwin seit seinem Umzug gesehen, weil es einfach zu weit weg ist von Hamburg. Da hilft auch die engste Freundschaft nichts, um diese Distanz zu überwinden. Nur das Telefon ermöglicht es den beiden, jeden Tag voneinander zu hören und zu erfahren, ob es dem anderen gut geht – immerhin. Oft wartet Lotti, bis ich während meiner Frühschicht bei ihr bin, damit wir zusammen mit Erwin sprechen können.
Mittlerweile ist aus der einen Freundschaft die nächste gewachsen, und Oma Lotti und ich sind fast so unzertrennlich wie sie und Erwin damals. Sie ist ein Herzensmensch für mich geworden, genauso, wie es Erwin für mich und sie war.
Wenn ich manchmal darüber nachdenke, wie die eine Freundschaft aus der anderen entstanden ist, empfinde ich das als ein riesiges Geschenk, das mir mein Leben gemacht hat. Dabei spielen die vielen Jahre, die Lotti und mich trennen, gar keine Rolle. Im Gegenteil, es ist gerade deswegen so besonders. Mal abgesehen davon, dass Oma Lotti einzigartig und deswegen so liebenswert ist, ist es ihr Alter, das ich als bereichernd empfinde. Ihre ganzen Geschichten sind so interessant und ihre Ansichten manchmal echt der Knaller. Und dass ich diese Dinge mit meiner Community teilen darf, die übrigens ganz meiner Meinung ist, ist das Größte. Lotti hatte den ganzen Zirkus schon vorher über Erwin mitbekommen, der mein erster Social-Media-Star war. Mit ihm war ich mit meinen Videoposts viral gegangen und in ganz Deutschland und über die Grenzen hinaus bekannt geworden. Lotti war dann, als ich sie in meinen Pflegedienst aufnahm, gleich bereit, mitzumachen. Die Community konnte eins zu eins mitverfolgen, wie unsere Freundschaft nach und nach gewachsen ist und Oma Lotti immer mehr aufblühte, auch durch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit.
Genauso ist es mit noch ein paar anderen meiner Patienten gewesen, die mit der Zeit zu meinen Freunden geworden sind und zu den Lieblingen unserer Community. Kein Video, kein Post, der nicht mindestens Hunderte Kommentare bekam und Zigtausende von Likes. Meine Freunde sind mittlerweile Stars, so wie Erwin es war, und jeder von ihnen wird für etwas anderes gefeiert. In jedem stecken eine ganz spezielle und liebenswerte Persönlichkeit und manchmal auch viel Weisheit und Lebenserfahrung, die sie für mich so besonders machen.
Ich möchte in diesem Buch davon erzählen, was diese Menschen, die mittlerweile eine halbe Million Leute über Instagram, TikTok und YouTube kennen, erlebt haben und wie sie mit ihrem Alter oder ihrer Krankheit umgehen. Ganz oft werden wir online gefragt, woher sie kommen, welche Geschichte sie haben, welchen Beruf sie hatten und so weiter und so weiter. Ich habe alles, was ich weiß, hier zusammengetragen und all das, was ich nicht wusste, nachgefragt und aufgeschrieben, teilweise auch kleine Interviews zu wichtigen Lebensfragen geführt, die hier zu lesen sind. Eigentlich dürften keine Fragen mehr offengeblieben sein und klar werden, was jeden und jede für mich so besonders macht.
Mal abgesehen davon, dass ihr alles über Oma Lotti erfahrt, erzähle ich von meiner Freundschaft mit Heiko und davon, was er erlebt hat. Alle, die ihn kennen, lieben ihn für seinen Wahnsinnshumor, den er sich trotz seiner schlimmen Krankheit, die ihn ans Bett fesselt, bewahrt hat.
Diejenigen, die denken, Barbara hätte sicher eine wilde Vergangenheit gehabt, weil ihre Sprüche einen das einfach vermuten lassen, werden sehen, dass alles ganz anders gewesen ist. Sie hat es geschafft, dass es mir auch mal die Sprache verschlägt. Das ist normalerweise gar nicht so einfach.
Dann ist da noch Thorsten, der Gute. Wer ihn von den Videos kennt, weiß, dass man gar nicht anders kann, als ihn lieb zu haben. Wenn ich euch erzähle, was er alles mitgemacht hat, werdet ihr ihn noch mehr ins Herz schließen, weil es beeindruckend ist, was dieser Typ schon weggesteckt hat und trotzdem lacht.
Und wer Ulli noch nicht kennt, wird Lust bekommen, sie zumindest über unsere Videos kennenzulernen. Sie ist ein weiser Mensch, die mit ihrer Arbeit als Psychologin schon viel bewegt und noch immer so viel Wichtiges weiterzugeben hat. Ihre Geschichte zu erfahren, macht alles noch viel interessanter. Auch für mich.
Die Frau, die zumindest altersmäßig Oma Lotti den Rang abläuft, ist Oma Edith. Ihre Geschichte lässt sich nur mit Yama gemeinsam erzählen. Er ist einer meiner Super-Kollegen und Teamleiter bei Pflege Smile und derjenige, der Oma Edith wirklich nahe ist und sich um sie kümmert. Er hat mich darauf gestoßen, was für eine tolle und beeindruckende Frau diese Omi ist, die, wen wunderts, richtig viel Spannendes zu erzählen hat.
Und wenn wir schon bei den Kollegen sind und über Freundschaft reden, möchte ich an dieser Stelle ein paar Worte zu Seyf oder Lukas, wie er auch heißt, sagen. Er taucht immer wieder in den Posts mit meinen Alten und Kranken auf und auch in diesem Buch. Das liegt daran, dass dieser Typ bei meiner Arbeit, aber auch privat, für mich gar nicht mehr wegzudenken ist. In meinem letzten Buch habe ich schon erzählt, wie wir uns gefunden haben, nämlich als ich jemanden suchte, der mich bei meinen Social-Media-Ideen unterstützt. Mittlerweile ist viel mehr daraus geworden, nämlich eine richtig enge Freundschaft. Seyf und ich teilen unsere Leidenschaft für unseren Beruf als Kranken- und Altenpfleger. Was unseren Einsatz für diese Menschen angeht, haben wir eine ganz ähnliche Auffassung und leben es deswegen sehr ähnlich. Das passt einfach. Wir verbringen oft zusammen Zeit mit unseren Klienten, die wir als unsere Freunde verstehen, und haben dabei auch noch sehr viel Spaß. Unseren Humor teilen wir nämlich auch, und wer mich kennt, weiß, wie wichtig es mir ist, zu lachen, am liebsten und besten mit anderen zusammen. Ich kann nur sagen, wenn ich Seyf nicht hätte, wäre mein Leben nur halb so lustig und mein Job nur halb so schön. Danke dafür, Kumpel!
Sowieso, was wäre unser Leben ohne Freundschaften. Die Verbindungen mit Menschen sind es doch, die unserem Leben einen Wert geben. Zwischen Jung und Alt genauso wie zwischen Kranken und Gesunden. Wir alle leben doch in Wirklichkeit davon, dass wir die anderen haben.
Mit Oma Lotti verbindet mich eine ganz eigene Beziehung. Alle, die unsere Videos kennen, wissen das. Als ich sie vor fast drei Jahren über Erwin kennenlernte, hätte ich mir niemals vorstellen können, so eine enge Bindung mit einem mehr als sechzig Jahre älteren Menschen aufzubauen, aber so kam es. Manche der Bilder auf unseren Social-Media-Kanälen zeigen die Veränderung unseres Verhältnisses richtig deutlich – wie wir nach und nach Vertrauen aufgebaut haben und wie nahe wir uns mittlerweile sind.
Auch in den Herzen unserer Community hat Oma Lotti einen besonderen Platz. Auf jeden Post mit ihr reagieren die Leute mit riesiger Freude, tausend Herzchen und Entzücken. Oma Lotti ist einfach liebenswert, da gibt es kaum geteilte Meinungen!
Was das ist, was Oma Lotti und ich da haben, lässt sich trotzdem nicht so leicht festlegen und in Worte fassen. Klar, in erster Linie bin ich ihr Pfleger. Unser Dienst fährt dreimal täglich bei ihr vorbei, um ihr Medikamente zu verabreichen und Kompressionsstrümpfe morgens an- und abends wieder auszuziehen. Das ist nämlich gar nicht so einfach für einen Menschen mit dreiundneunzig Jahren, der nur noch wenig Kraft in den Fingern hat und sich nicht mehr so gut nach vorne beugen kann. Ich selbst übernehme diese Dienste bei ihr regelmäßig, um nach ihr zu sehen und sicherzustellen, dass es ihr gut geht. Ehrlich gesagt ist das aber nicht der Grund, warum ich zu ihr fahre. Ich würde das alles auch so für sie tun, ohne dass die Pflegekasse übernimmt. Denn ich verbringe richtig gerne Zeit mit dieser alten Dame mit dem speziellen Akzent, manchmal langen Denkpausen, nach denen sie dann fast immer einen Knaller raushaut, der mich zum Lachen bringt, und diesem riesengroßen Herzen, das mich dort in Empfang nimmt. Deswegen bin ich meistens viel länger bei ihr, als es mein Dienstplan vorsieht, und auch viel öfter.
Einmal war ich vier Tage nicht bei ihr und hab dafür richtig Anschiss kassiert: «Wo warst du? Du warst nicht hier!», bekam ich zu hören, als sie mir die Türe öffnete. Und dann konnte sie mich gar nicht mehr loslassen. Sie hielt meinen Arm fest umklammert, legte ihren Kopf immer wieder auf meine Schulter und gab mir ganz klar zu verstehen, wie sehr sie mich vermisst hatte. Sogar ein Küsschen auf die Wange habe ich bekommen. Das kam wirklich unerwartet und hat mich ein klein wenig verlegen gemacht. Sonst ist das nicht so üblich bei uns.
Als ich Oma Lotti einmal fragte, wie sie unser Verhältnis nennen würde, wollte sie sich lieber auf «Kameraden» festlegen. «Freunde» war ihr zu heikel, ich hätte ja schließlich eine Frau, meinte sie. Natürlich habe ich gleich eingewandt, dass man doch trotzdem befreundet sein kann, aber Kameradschaft war ihr lieber. Ja, so ist sie, meine liebe Freundin Lotti – denn eigentlich ist sie das für mich ohne Frage und auf jeden Fall –, immer sehr fein und zurückhaltend und darauf bedacht, keine Grenzen zu überschreiten.
Das Gegenteil von Barbara, die sich gerne einen Spaß daraus macht, das zu tun. Aber das ist es, wofür wir Barbara lieben. Jeder ist anders und jeden Menschen kann man nehmen, wie er ist. Und außerdem wird einem so auf keinen Fall langweilig.
Lotti und ich verbringen unsere Zeit gerne damit zu plaudern. Wir haben uns eigentlich immer etwas zu erzählen. Dabei bekomme ich mal einen Kaffee serviert oder einen Tee, je nach Uhrzeit. Besonders gerne essen wir zusammen. Mir macht es wahnsinnig Spaß, mit Oma Lotti Dinge auszuprobieren, die sie noch nie gegessen hat. Davon gibt es so einiges. Menschen in ihrem Alter, die nicht so viel gereist sind, kennen viele Speisen nicht, die für uns heute auf den Standard-Essensplan gehören, und damit meine ich nicht nur so was wie Burger von Mecces.
Poke Bowl, Döner, syrische Küche – unsere Stadt ist voller Restaurants und Essensangebote, die für Lotti neu sind. Doch sie schreckt vor nichts zurück, und fast immer bekomme ich ein begeistertes «Ja! Jaaaa!» auf meine Frage, ob sie es mag. Das fasziniert mich immer wieder an ihr. Ich meine, ehrlich, nicht jeder muss Sushi und rohen Fisch mögen. Ich steh voll drauf, nicht falsch verstehen. Aber dass Oma Lotti das mit ihren dreiundneunzig Jahren feiert und ihre Geschmacksknospen sich auf so was einlassen, finde ich schon erstaunlich. Beim Wasabi war sie dann allerdings ein wenig zu euphorisch, als sie mit ihrem Suppenlöffel hineinfuhr – ja, Oma Lotti isst Sushi mit dem Löffel, mit Stäbchen probiert sies auf ihre alten Tage dann doch nicht mehr – und sich, noch bevor ich sie davon abhalten konnte, eine ganze Ladung pur in den Mund schob. Das gab Tränen und Gehuste – ziemlich heftig sogar. Da habe ich mir dann doch kurz Sorgen um sie gemacht. Aber Lotti hat schon ganz anderes überstanden, und nach kurzer Zeit und viel Wasser lächelte sie beim nächsten Bissen Reis mit rohem Thunfisch schon wieder in die Kamera. Nur noch ein paar Tränchen hatte sie dabei in den Augen.
Ein anderer Grund, warum ältere Menschen oft nicht so viel verschiedene Speisen aus aller Welt ausprobiert haben, ist, dass man einfach nicht so oft essen ging oder sich was nach Hause bestellt hat wie heute. Das Geld wollten und konnten viele Leute teilweise nicht ausgeben. Man machte sich deswegen eher die Mühe zu kochen und blieb bei seiner Hausmannskost. Auch Oma Lotti kocht schon immer viel und gern. Ich habe schon erzählt, dass ihre Freundschaft zu Erwin sogar so entstanden ist.
Oma Lottis absolut liebstes selbst zubereitetes Essen ist Spargel. Will man frischen essen, muss man im Mai zuschlagen, da hat er Saison. Das haben Oma Lotti und ich sogar schon mal gemacht und gemeinsam Spargel gekocht. Sie hat mir gezeigt, wie man die Dinger schält, was gar nicht so einfach ist, lang und dünn, wie die sind. Und dass man ein wenig Zucker ins Wasser macht, damit es schmeckt, und Salzkartoffeln dazugehören. Ich mochte es. Aber Oma Lottis Buletten mag ich noch lieber. Die macht sie aus reinem Rinderhack für mich. Sie weiß, dass ich Muslim bin und kein Schweinefleisch esse. Einmal hat sie sogar extra Leberwurst beim Türken für mich besorgt, um sie mir bei einem gemeinsamen Abendessen anbieten zu können. Dass sie das auf dem Zettel hatte, hat mich wirklich sehr gerührt.
Für mich zeigt sich darin eine wirkliche Akzeptanz meiner Person, mit allem, was und wer ich bin. Ich finde das nicht selbstverständlich. Religion und Glaubensfragen können ein sehr heikles Thema zwischen Menschen sein.
Die meisten nehmen wahrscheinlich an, dass vor allem die ältere Generation in Deutschland islamfeindlich gesinnt ist. Aber das kann man wirklich nicht pauschal sagen. So viele meiner älteren Patienten haben überhaupt kein Problem mit meiner Religion. Im Gegenteil, sie interessieren sich sogar dafür. Diese Toleranz zwischen den Generationen zu erleben, finde ich eine wirklich wichtige und schöne Erfahrung, die alle Vorurteile in beide Richtungen sprengt. Und jemand wie Oma Lotti zeigt mit ihrer Aufmerksamkeit, dass es eine Selbstverständlichkeit für sie ist, mich mitsamt meinem Glauben zu respektieren.
Grundsätzlich reden wir nicht wirklich viel über Religion, aber einmal habe ich Lotti zu ihren Überzeugungen ausgefragt. Ich weiß, dass sie früher regelmäßig in die Kirche gegangen und ihr Glaube an Gott und Jesus für sie sehr wichtig ist.
Ob sie glaubt, dass sie in den Himmel komme, wollte ich damals wissen. Ihre Antwort war mal wieder der Hammer – mit einem Lachen sagte sie: «Ich geh dahin, wo die mich hinschmeißen.» Mit Oma Lotti kann man sogar über den Tod lachen. Aber bei der Frage, ob sie Angst vor ihm habe, wurde sie dann doch ganz ernst und vertraute mir an, dass