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Friedrich Engels - Der kreative Schatten Kompetent. Kritisch. Kurz. Diese Biografie gewährt Einblick in Leben und Werk des Mannes, der als kreativer Schatten hinter Karl Marx wirkte. Ohne Friedrich Engels wäre 1. Marx nur philosophischen und sozialwissenschaftlichen Fachkreisen bekannt und 2. der Marxismus nur ein Staubkorn im Kosmos der sozialistischen Bewegungen. Friedrich Engels war eine Persönlichkeit voller Widersprüche, ein Atheist mit vielen christlichen Tugenden, der preußischen Fleiß mit rheinischem Humor verband. Der glühende Kommunist entließ Arbeiter und Angestellte und starb als Millionär... Dieser erste hilfreiche und praktisch gegliederte Überblick enthält viele Zitate.
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Seitenzahl: 133
Veröffentlichungsjahr: 2020
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Band1: Friedrich Engels – Der kreative Schatten
Band 2: Karl Marx – Genie und Chaot
Band 3: General und Mohr – Die siamesischen Zwillinge
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Der/die VerfasserIn des Zitats setzte die Klammer
(…)
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Literatur zum Thema
Hunt, Tristram: Friedrich Engels, Berlin 2017
Jones, Gareth Stedman: Karl Marx, Frankfurt a.M. 2017
Enzensberger, Hans Magnus (Hrsg.): Gespräche mit
Marx und Engels, Band 1 und Band 2, Frankfurt a.M.
1973
Schubert, Käte (Hrsg.), Heiteres und Bissiges von Marx und Engels, Berlin (Ost) 1987
Die Rechtschreibung der Zitate wurde nicht verändert.
Währungsangaben
entsprechen grob dem Wert von 2010.
1.
1789 - 1849
Daten
1.1 Friedrich Engels - ein Champagnersozialist?
1.2 Barmen und die Familie Engels
1.3 1837
1.4 Friedrich Engels betet
1.5 Haubitzen und Hegel
1.6 Cottonopolis und Warehouse City
1.7 Zwei Jahre und zwei Texte
1.8 Owenisten und Charisten
1.9 Partnerschaft, Freundschaft, "Bruderbund"
1.10 Revolutionäre Theorie, mühsame Praxis
1.11 1848: Das Feuer der Revolution
1.12 1849: Kampf mit Gewehren
2.
1850 – 1895
Daten
2.1 Armut
2.2 Streit unter Flüchtlingen
2.3 Ausweg Manchester?!
2.4 Ein Bourgeoise in Manchester
2.5 Weggefährtinnen
2.6 Verschwörungstheorien
2.7 Autor und Lektor
Engels und der „dialektische Materialismus“
2.8 Intensive Zusammenarbeit mit Karl Marx
Die internationale Arbeiter-Assoziation
Die Pariser Commune
Der Anti-Dühring
2.9. Differenzen zwischen Engels und Marx?
2.10 Trauerfeier für Karl Marx
2.11 Vordenker und Strippenzieher
Herausgeber: "Das Kapital", Band 2 und Band 3
Ein Text gegen die Unterdrückung der Frau
Der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie
Wie soll sich der russische Weg gestalten?
2. 12 Die zweite Internationale
2.13 Autor: Christen und Sozialisten
2.14 Stürme und Ernten
2.15 Engels letzte Jahre
3.
Nach dem Tod…
3.1 Das Testament
3.1 Schuld und Unschuld
Friedrich Engels wird in ein Westeuropa geboren, das sich in Umbrüchen befindet.
1789
Die
Französische Revolution:
Das Feudalsystem wird durch die bürgerliche Gesellschaft abgelöst.
1793/4
Die
Terrorphase
der Französischen Revolution lässt eine Reihe ihrer Anhänger zu verschreckten Gegnern werden.
1799
übernimmt Napoleon Bonaparte die Herrschaft in Frankreich und bestimmt in den folgenden Jahren die Politik in Kontinentaleuropa. Mit dem
Code Napoleon
gelten für alle Bürger die gleichen Gesetze.
1806
wird
Preußen
von Frankreich vernichtend geschlagen. Die preußischen Reformen werden eingeleitet: Ende der Leibeigenschaft, Auflösung der Zünfte, Wahl von Stadträten, Wehrpflicht, jeder kann Offizier werden, Gründung von Universitäten...
1800 -
1900 In den Augen vieler Europäer verlieren die [noch bestehenden] Dynastien an Bedeutung. In vielen Ländern entwickelt sich
Nationalbewusstsein.
1815
Nach dem Sieg über Napoleon beginnt die
Restauration
. Dynastische Herrschaftsstrukturen bleiben bestimmend. Dagegen regt sich in Griechenland [gegen die Osmanen, 1821-1830, erfolgreich] und Polen [z.B. gegen die Russen 1830/31, erfolglos] nationaler Widerstand.
Auch viele Deutsche wollen ein vereintes Deutschland, zumindest Verfassungen und Parlamente, und
Republikaner
fordern Staatssysteme ohne Monarchen.
1819
Karlsbader Beschlüsse: Maßnahmen gegen „demagogische Umtriebe“, Verbot der Burschen schaften…
1823
USA:
Monroedoktrin
[Europa darf sich nicht im Erdteil Amerika einmischen.]
1830
Revolutionäre Erschütterungen:
In Frankreich flieht König Karl X. [ein Bourbone] und wird vom bürgerlichen Julikönig Louis Philippe [aus dem Haus Orleans] abgelöst. Belgien löst sich von den Niederlanden.
1840-42
China: Erster Opiumkrieg
[ 28. Nov. 1820 - 5. Aug. 1895 ]
1820
Geburt in Barmen als das älteste von neun Kindern [ Er hat vier Schwestern und vier Brüder. Barmen ist erst seit 1929 ein Stadtteil Wuppertals, das seit 1930 so heißt. ]
Mutter: Elisabeth Engels, geb. van Haar, 11.11.1799 - 12.12.1873 Vater: Friedrich Engels sen., Unternehmer, 12. 5. 1796 - 20. 3. 1860
1834-1837
Besuch des Gymnasiums in Elberfeld
1837/8
Kaufmännische Ausbildung in Barmen
1838-1841
Kaufmännische Ausbildung in Bremen, "Briefe aus dem Wuppertal"
1841/2
Militärdienst in Berlin [ Garde Fußartillerie Regiment ] - Besuch von Vorlesungen an der Universität, Kontakte zu Linkshegelianern
1842
Nov. Begegnungen mit Marx [ in Köln, folgenlos ] und Moses Heß [ wichtig ]
1842-44
Ausbildung in England [ Ermen & Engels, Manchester ]
1848
Revolutionen
in Westeuropa [Ausnahme England]. In Deutschland wird eine Nationalversammlung gewählt. Sie tritt in Frankfurt a.M. [Paulskirche] zusammen.
1849
scheitert
die
deutsche Nationalversammlung
und wird gewaltsam aufgelöst. Einzelne Aufstände radikaler revolutionärer Gruppen scheitern.
Während dieser Periode wächst die Schicht der [oft ungelernten] Industriearbeiter. Sollen diese [vielfach Analphabeten, mit minimaler Schulbildung] künftig eine Rolle bei der politischen Willensbildung spielen? In England setzen sich die Chartisten in den 1830er/40er Jahren für das allgemeine Wahlrecht ein.
1842-44
Ausbildung in England [Ermen & Engels, Manchester]
1844
"Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie" [veröffentlicht in den Deutsch-Französischen Jahrbüchern]
1844
[28.8.-6.9.] Beginn der lebenslangen Freundschaft mit Karl Marx [Paris]
1845
"Die Lage der arbeitenden Klasse in England", Reise mit Marx nach London und Manchester [Juli/August], "Die heilige Familie..." [mit Marx]
1846
"Die deutsche Ideologie" [mit Marx]
1847
Juni und Nov./Dez.: Kongresse des Bundes der Kommunisten in London
1848
"Manifest der Kommunistischen Partei", Unter Bezug auf Engels´ Entwürfe schreibt Marx den endgültigen Text.
Engels als Revolutionär in Paris und Köln, Mitarbeit in der Neuen Rheinischen Zeitung.
Vierwöchige Wanderung durch Frankreich und die Schweiz
1849
Aktive Teilnahme an Aufständen in Elberfeld und Süddeutschland, Flucht in die Schweiz, Weiterreise zu Marx nach London
Kann ein Millionär gleichzeitig Sozialist sein?
Darf ein Sozialist gleichzeitig Millionär sein?
Kann und darf ein Sozialist
ein ganzes Portfolio von Aktien besitzen,
in komfortablen Wohnungen und Häusern leben,
Mitarbeiter entlassen
und regelmäßig Champagner schlürfen?
So wie Friedrich Engels? War dieser Mann wirklich ein Sozialist? Engels stammte aus einer erfolgreichen Unternehmerfamilie. Fast sein ganzes Leben lang praktizierte er einen großbürgerlichen Lebensstil.
Gleichzeitig trat er zusammen mit Karl Marx für eine Revolution ein: den Kampf des Proletariats für die Abschaffung des Privateigentums und eine zukünftige klassenlose Gesellschaft. Engels selbst aber hatte Hausangestellte, nahm mit einem eigenen Reitpferd an Fuchsjagden in England teil, mietete in Manchester eine zweite Wohnung für seine Geliebte und gönnte sich 1888 einen mehrwöchigen Urlaub in den USA.
Zählte Friedrich Engels also zur großen Menge jener Propheten, die Wasser verkündeten und selbst Wein tranken? Als er 1895 starb, hinterließ außer zwei Millionen englischen Pfund auch über 150 Flaschen
Champagner. In den Augen vieler Kritiker war Engels nichts als ein Salonsozialist. Zwar setzte er sich mit Marx für die wissenschaftliche Fundierung des Sozialismus ein. Aber möglicherweise war das nur eine Laune oder ein Zufall. Unter anderen Bedingungen hätte seine Energien (und sein Geld) vielleicht in das Anlegen eines Landschaftsparks gesteckt.
Andere sehen in Engels einen hundertprozentigen Sozialisten. Denn Engels riskierte 1849 seine Freiheit und sein Leben: Als Freischärler kämpfte er in Deutschland für die Revolution. Im Gegensatz zu ihm hatten viele Abgeordnete der Deutschen Nationalversammlung in Frankfurt a.M. "brav" ihre Koffer gepackt und waren nach Hause gefahren. Zudem engagierte Friedrich Engels bis zum Ende seines Lebens viel Geld, Zeit und Energie in die Entwicklung der sozialistischen Bewegung.
Sein Freund Karl Marx konnte sich nur deshalb auf das Schreiben seines Hauptwerks "Das Kapital" konzentrieren, weil Engels ihn mit großzügigen Zahlungen unterstützte. Um das überhaupt leisten zu können, musste Engels in die ihm verhasste Rolle eines Unternehmers schlüpfen. Letztlich verzichtete er sogar auf das Verfassen eigener Werke, um Marx´ Werke herauszugeben. Festzuhalten bleibt: Friedrich Engels kannte und nutzte die Spielregeln des Kapitalismus. Im Gegensatz zu Karl Marx konnte er mit Geld umgehen und verwaltete sein Vermögen sehr geschickt.
Als 20-Jähriger formulierte Friedrich Engels sein Lebensprogramm, in dem es noch nicht um Politik oder Sozialismus ging. "Die Alten klagen zwar entsetzlich über die Jugend, [...] laßt sie aber nur ihre eigenen Wege gehen, sie wird sich schon zurechtfinden [...] Wer sich scheut vor dem dichten Walde, in dem der Palast der Idee steht, wer sich nicht durchhaut mit dem Schwerte und küssend die schlafende Königstochter weckt, der ist ihrer und ihres Reiches nicht wert, der mag hingehen, Landpastor, Kaufmann, Assessor oder, was er sonst will, werden, ein Weib nehmen, Kinder zeugen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit, aber das Jahrhundert erkennt ihn nicht als seinen Sohn an."
1820 geboren, sieht Engels das 19. Jahrhundert, sein Jahrhundert, als den Anbruch einer neuen Zeit. Es genügt nicht, das Alte zu bewahren. Die Menschheit braucht neue Horizonte. Engels will sich bis zum Palast der Idee durchkämpfen.
Friedrich Engels wird am 28. November 1820 in der sich rasant entwickelnden Stadt Barmen geboren. Der Nachbarort Elberfeld besitzt schon seit 1610 Stadtrechte, Barmen erst seit 1808. [Die Großstadt Wuppertal gibt es erst seit 1930, nachdem 1929 Barmen, Elberfeld und andere Orte zusammengelegt wurden.]
Beide Gemeinden liegen im Bergischen Land. Das ist kein geographischer Begriff. Zwar erklären die Bewohner des Bergischen Landes Besuchern gerne augenzwinkernd, in ihrer Heimat gehe es entweder bergauf oder es regne. Doch der Name Bergisches Land leitet sich von den Grafen von Berg ab, denen das Gebiet bis 1255 gehörte. Nach deren Aussterben wechseln die Herrscherhäuser oft.
Das Bergische Land gehört unter anderem zu Jülich, Kleve, Pfalz-Neuburg, Kurpfalz, Bayern und schließlich ab 1815 zu Preußen. Bei allen Wechseln bleibt die Bezeichnung Bergisches Land bis in die Gegenwart bestehen.
Die Orte an der Wupper entwickeln sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem deutschen Manchester. Das kalkfreie Wasser dort eignet sich ideal zum Bleichen von Flachsfasern, die unterschiedlich weiterverarbeitet werden können. Die Wucht der Industrialisierung verändert sowohl die Landschaft als auch die Arbeit und das Leben der Menschen. Barmens Einwohnerzahl steigt im 19. Jahrhundert grob um das Zwölffache:
[Jahr, Einwohner -aufgerundet-]
1800:
12.000;
1819:
19.500;
1831:
24.300;
1840:
30.800;
1849:
36.000;
1861:
50.000;
1900:
141.000
Die meisten Einwohner finden Arbeit als Weber, ein kleinerer Teil als Spinner und Färber. Engels selbst
hat die Wupper als schmalen Fluss zwischen rauchigen Fabrikgebäuden beschrieben, dessen hochrote Farbe von den vielen Türkischrot-Färbereien herrührt. Auf die Umwelt wird keine Rücksicht genommen. An manchen Tagen ergänzen sich ungünstige Faktoren, und beißender Fabrikgeruch führt zu brennenden Augen und sogar Nasenbluten.
Die reiche Unternehmerfamilie Engels lebt in keinem abgesonderten Viertel, sondern mitten in der Stadt Barmen. Ihre eleganten Häuser befinden sich neben den eigenen Fabriken und Bleichplätzen. Jeden Tag verhandeln die Mitglieder der Familie Engels mit Kaufleuten, Fabrikanten, Handwerkern und Arbeitern.
Ihre Kinder kommen mit allen Berufsgruppen in Berührung und wachsen so ohne Standesdünkel auf. Friedrich Engels wird sich sein ganzes Leben lang problemlos mit Leuten aus den unterschiedlichsten Schichten unterhalten können.
Innerhalb von drei Generationen hatte sich die Familie Engels zu einer der bedeutendsten Barmer Familien hochgearbeitet. Der Urgroßvater siedelte sich dort an, angeblich mit nur 25 Talern Besitz. Schon der Großvater gehört zum Stadtrat. Calvinistisch geprägte Unternehmer wie die Familie Engels sehen sich durch ihre Erfolge als von Gott gesegnet und auserwählt an.
Engels´ Vater, Friedrich Engels sen. wird später beklagen: "Mein Vater hat in Barmen die evangelische Gemeinde erst gestiftet, ich habe eine Kirche gebaut, und mein Sohn reißt sie nieder." Barmen ist protestantisch, viele Einwohner sind vom Pietismus geprägt. Dieser Glaube ist tief, emotional und geprägt von einem persönlichen Bezug zu Christus.
Friedrich Engels wird später Parallelen ziehen zwischen diesem Glauben und dem starken Alkoholkonsum in Barmen. Glauben und Alkoholismus erklärt er als Flucht vor den brutalen Arbeits- und Alltagsbedingungen dort.
In das Jahr 1837 fallen für den Unternehmer Friedrich Engels sen. und für seinen ältesten Sohn Friedrich Entscheidungen mit weitreichenden Folgen. Friedrich Engels sen. und seine Brüder Caspar und August führen das Familienunternehmen Engels gemeinsam. Doch sie verfolgen unterschiedliche Konzepte zur Führung der Firma und Gestaltung der Geschäfte, und die Probleme der 1830er Jahre verlangen Einigkeit bei unternehmerischen Risiken.
Zum Wohl von Firma und Familie lassen sie das Los entscheiden. Entweder Friedrich sen. wird die Firma Engels allein weiterführen oder Caspar und August zu zweit. Das Los fällt auf Caspar und Ausgust. Friedrich Engels sen. erhält zwar eine ordentliche Geldsumme, muss aber eine neue Grundlage für
die Existenz seiner elfköpfigen Familie finden. Außer Friedrich haben Elisabeth und Friedrich Engels sen. diese Kinder:
Hermann (1822-1905),
Marie (1824 -1901),
Anna (1825-1853),
Emil (1828-1884),
Hedwig (1830-1904),
Rudolf (1831-1903),
Wilhelm (1832-1833),
Elise (1834-1912).
Friedrich Engels sen. findet zwei Partner: die niederländischen Brüder Gottfried und Peter Ermen. Gemeinsam gründen sie die Firma Ermen & Engels. Die produziert nicht nur mit Flachs, sondern auch mit Baumwolle.
Anfangs in Manchester, und bereits vier Jahre später hat Ermen & Engels auch Nähgarnfabriken in Barmen und Engelskirchen. Bis zum Ende seines Lebens beweist sich Friedrich Engels sen. als cleverer und durchsetzungsfähiger Unternehmer.
1837 gerät auch das Leben des 16-jährigen Gymnasiasten Friedrich Engels aus der Bahn.
Er besucht das Elberfelder Gymnasium, eines der besten in Preußen. Ein Jahr vor dem Abitur träumt er davon, nach der Schule Jura zu studieren und in den Staatsdienst zu gehen. Vielleicht kann er auch Schriftsteller werden?
Doch aus seinen Plänen wird nichts. Abrupt nimmt ihn sein Vater aus der Schule und steckt seinen
Ältesten in eine Ausbildung zum Kaufmann. Ein Jahr lang lernt er im Familienunternehmen in Barmen. 1838 brechen Vater und Sohn zu einer Geschäftsreise nach Manchester und London auf, bei der der Vater die dortige Startphase von Ermen & Engels kontrolliert. Auf dem Rückweg wird in Bremen vereinbart, dass der jetzt 17-Jährige Friedrich Engels seine Ausbildung im Kontor des Handelshauses von Heinrich Leupold fortsetzten wird.
Bremen, 1838-1841
"Ich bete täglich, ja fast den ganzen Tag um Wahrheit [...]", schreibt der 18-jährige Friedrich Engels aus Bremen seinem ehemaligen Klassenkameraden Friedrich Graeber, der später Gemeindepfarrer werden will. "Du liegst freilich behaglich in Deinem Glauben wie im warmen Bett und kennst den Kampf nicht [...]." Friedrich Engels zweifelt, aber er wirft seinen christlichen Glauben nicht mit einem einzigen Entschluss über Bord. Sein Weg in den Atheismus erfolgt schrittweise. Genauso wird er auch nicht von einem Tag zum anderen Kommunist.
Sein Leben verläuft weder in sturer und vorhersagbarer Linearität, noch in ständigem oder gar verzweifeltem Verirren in Labyrinthen.
Kindheit und frühe Jugend sind vom Glauben der Eltern geprägt. Die sind überzeugte Christen. Als 1845 in Westeuropa zu wenige Kartoffeln wachsen, kommentiert Friedrich Engels sen. das so: "Es ist, als wenn Gott in dieser gottvergessenen Zeit den Menschen zeigen wollte, wie abhängig sie von Ihm und wie sehr in Seiner Hand sie sind."
Die Familie Engels kann zu den Pietisten gezählt werden. Der Glaube dieser protestantischen Bewegung hat sich in der Lebenspraxis zu äußern: Alle Gläubigen haben die Bibel zu kennen, sind zum Priestertum der Laien berufen, üben ihren Glauben intensiv und persönlich aus.
Die Predigten vieler pietistischer Pfarrer sind weder sachlich noch ausgewogen. Sie wühlen die Emotionen ihrer Zuhörerinnen und Zuhörer auf. Gerne gehört wird der Prediger Friedrich Wilhelm Krummacher. Wenn er redet, wird die Kanzel zur Bühne. Er dreht sich in alle Richtungen, stampft mit dem Fuß auf, schreit so laut, dass Passanten außerhalb der Kirche zusammenzucken. Dieser Art von Verkündigung steht Familie Engels reserviert gegenüber.
Friedrich Engels erhält aber nicht nur religiöse Anregungen. Sein Großvater van Haar führt ihn in die Welt der griechischen Sagen ein, Vater Friedrich sen. beherrscht mehrere Musikinstrumente. Gegen alles, was in Barmen sittsam ist, schenkt seine Mutter ihm ein Buch von Goethe. Der steht in Barmen in keinem Bücherschrank. Schließlich ist Goethe ist kein Christ!
In der Schule wird erkannt, wie leicht es Engels fällt, Sprachen zu lernen. Später wird mit einer Mischung aus Häme und Respekt in sozialistischen Kreisen oft gesagt: "Engels stottert in zwanzig Sprachen.“
Häme, denn Engels kann ins Stottern geraten, wenn er sich sehr aufregt; Respekt, denn Engels spricht außer Deutsch fließend Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Russisch, ... und er korrespondiert in diesen Sprachen.
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