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Europas rote Gespenster sind Friedrich Engels und Karl Marx. Ihre Spitznamen waren "General" und "Mohr." Das Buch vereint das Leben und die Leistung beider in einer biografischen Skizze. Zusammen bildeten sie einen monolithischen Block, wurden als siamesische Zwillinge gesehen, als die Zwei-Mann-Partei. Gemeinsam begründeten sie jenen wissenschaftlichen Sozialismus,der als "Marxismus" bezeichnet wird. Dieser ist erstens eine wissenschaftliche Methode und zweitens ein Movens für die Arbeiterbewegung. Die biografische Skizze erläutert auch Kritikpunkte, enthält über 50 Zitate und ist 200 Seiten kurz.
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Seitenzahl: 196
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Literatur zum Thema
Hunt, Tristram: Friedrich Engels, Berlin 2017
Jones, Gareth Stedman: Karl Marx, Frankfurt a.M. 2017
Enzensberger, Hans Magnus (Hrsg.): Gespräche mit
Marx und Engels, Band 1 und Band 2, Frankfurt a.M. 1973
Schubert, Käte (Hrsg.), Heiteres und Bissiges von Marx und Engels, Berlin (Ost) 1987
Engelsismus: siehe Internet unter „Marx-Engels-Problem“
Die Rechtschreibung der Zitate
wurde nicht verändert
Währungsangaben
entsprechen grob dem Wert von 2010.
Was sie einte
[1818-1844]
Siamesische Zwillinge
Eine gelungene Metapher
Marxismus: Wissenschaft und Movens
Nr. 1: General, Nr. 2: Mohr
Welche Gemeinsamkeiten führten zu ihrem Bündnis?
Unterschiede gab es auch
Das Fundament (be)gründen
[1840-1849]
Vom Finden des Standorts
Gemeinsames Ausschachten
Das sichere Fundament
Das Kommunistische Manifest
Das Feuer der Revolution: 1848
Die Asche der Revolution: 1849
Mühsamer Turmbau
[1849 - 1883]
Die Mühen der fremden Ebenen
1.400 Briefe
"
Das Kapital"
Der
dialektische Materialismus
Die Internationale
Endlich prominent und gehasst
Der
"Anti-Dühring"
Kein Schlusspunkt beim
"Kapital"
Arbeiten am Turmhelm
[1883-1895]
Endgültige Geburt des Marxismus
Das Kapital, Band und 3
Ein Text gegen die Unterdrückung der Frau
Der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie
Zur Geschichte des Urchristentums
Wie soll sich der russische Weg gestalten?
Die zweite Internationale
Stürme und Ernten
Letzte Jahre
Marxismus: Positive Utopie oder fataler Irrweg?
Unlösbar hafteten sie aneinander. Bereits in der Fruchtblase wuchsen die Körper der eineiigen Zwillinge Chang und Eng Bankes zusammen. Seitdem teilten die beiden 1811 geborenen bis zu ihrem gemeinsamen Tod [ 1874 ] ihren Brustbereich.
Chang und Eng Bankes waren nicht das erste eineiige Zwillingspaar, das durch die zusammenhängende Doppelbildung eines Embryos entstand. Aber sie lebten in jener aufregenden Epoche, in der Zeitungen mit bisher unvorstellbaren Auflagen von 50.000 oder 200.000 Einzelexemplaren pro Tag [!] gedruckt werden konnten.
So erfuhren hunderttausende, letztlich Millionen Leser*innen vom Schicksal der Bankes. Unerschöpflicher Gesprächsstoff ergab sich über die Lebensumstände der siamesischen Zwillinge:
Sie sind also an der Brust verwachsen… Wie lösen sie ihre alltäglichen Probleme?
Aufstehen, An- und Auskleiden, Gehen, Setzen, Schlafen, Essen, das Aufsuchen der Toilette? Wenn sie sehen, hören, schmecken… Hat jeder seine eigenen Augen und Ohren? Sieht, hört, schmeckt jeder anders?
Es stellten sich auch komplexere Fragen: Hat Chang andere Gefühle und Gedanken als Eng? Besitzt jeder seinen völlig eigenen Kopf, seine ganz eigenständige
Persönlichkeit? Verfügt Chang über Fähigkeiten, die Eng nicht hat? Liebt Eng möglicherweise Orgelmusik und Chang überhaupt nicht? Freuen und ärgern sich beide gleichzeitig? Können sie in einen heftigen Streit geraten?
Sind sie letztlich zwei Menschen mit einem Körper oder ist das ein Mensch mit zwei Körpern?
Chang und Eng Bankes kamen aus Siam [ Heute: Thailand ]. Aufgrund ihrer Popularität entstand für zusammengewachsene Zwillingspaare die volkstümliche Bezeichnung siamesische Zwillinge.
Professor Karl Eugen Dühring [ 1833 – 1921 ] bezeichnete zwei seiner Gegner als siamesische Zwillinge: Friedrich Engels und Karl Marx. [ Engels sei Marx´ „siamesisches Zwillingsanhängsel“ ] Eigentlich meinte er es polemisch, doch gibt diese Metapher die tiefe und enge Verbundenheit dieser beiden Männer am treffendsten wieder.
Der Chartist Julian Harney beschrieb ihr Verhältnis so: { 1883 nach Marx´ Tod in seinem Kondolenzbrief an Engels }
„Deine Freundschaft und Zuneigung,
seine Herzlichkeit und sein Vertrauen
machten den Bruderbund von Karl Marx und Friedrich
Engels zu etwas, das über allem stand,
was ich je unter Menschen kennengelernt habe.
Denn dass zwischen euch (beiden) ein Band war,
stärker als die Liebe einer Frau, ist nichts als die Wahrheit.
(…)“
Friedrich Engels und Karl Marx bildeten ein effektives Duo. Zurecht sprachen viele von ihnen als der „Zwei-Mann-Partei“.
Wilhelm Liebknecht schrieb über die beiden:
„Was hat der eine, was hat der andere geliefert?
Marx und Engels sind ein Geist -
wie sie es bis zu ihrem Tode
in ihrem ganzen Wirken und Schaffen geblieben sind“.
Beide gemeinsam
setzten den wissenschaftlichen Sozialismus gegen den Idealismus
befeuerten Sozial- und Politikwissenschaften { bis heute und auch in Zukunft },
griffen in Organisation und Ausrichtung der kommunistischen Bewegung(en) ein...
Ihr „Kommunistisches Manifest“ und das „Kapital“ werden immer wieder zitiert.
Engels und Marx ergänzten sich menschlich und ideologisch perfekt. Dieser Fakt verblüfft, gibt Anlass zu Rätseln und Widerspruch. Schließlich waren beide gebildet, intelligent und willensstark. Jeder hätte seine eigene Lehre entwickeln und seine eigene Anhängerschar sammeln können. Schließlich kommt es nach aller Erfahrung zu Funkenschlag, wenn zwei Alpha-Rüden zusammentreffen. Dazu kam es auch. Doch die beiden richteten Funken und Feuer nie gegeneinander, sondern stets in Richtung ihrer Gegner.
Das berechtigt dazu, die beiden großen Denker in einer gemeinsamen biografischen Skizze zu würdigen.
Denn keine Biografie über Friedrich Engels kann auslassen, wie eng er mit Karl Marx verbunden war { gemeinsam diskutierten und entwickelten sie Ideen und Theorien, verfassten Texte und organisierten kommunistische Gruppierungen. – General verstand sich bald nach ihrem Kennenlernen als Mitglied von Mohrs Familie. Marx´ Töchter sahen in ihm einen Onkel. }.
Und ohne Friedrich Engels´ Einsatz für seinen Freund [ besonders nach dessen Tod ] wäre Karl Marx heute nur in sozialwissenschaftlichen und historischen Fachkreisen bekannt.
Biografien, die Engels und Marx als Einzelpersonen darstellen, werden der Qualität ihrer engen Beziehung nicht gerecht. Engels´ und Marx´ Leben und ihr Werk sind so untrennbar miteinander verknüpft wie Kett- und Schussfäden eines Tuchs.
Harmonisch trugen sie ihr wissenschaftliches, politisches und organisatorisches Werk zusammen, einem Turm vergleichbar. Aus der Ferne, von außen und von innen betrachtet, wirkt er wie der Entwurf eines einzigen Architekten; der von einem einzigen Ingenieur berechnet und von einem einzigen Baumeister ausgeführt wurde.
Spezialist*innen erkennen an Details: Diese Treppe ist von Engels, diese Kammer gestaltete Marx. Doch insgesamt handelt es sich um einen in einzigartigem Teamwork gebauten Turm.
Engels und Marx ließen während ihres lebenslangen Zusammenwirkens nie ihre gemeinsamen Ziele aus den
Augen. Jeder arbeitete und wirkte an seiner Position, ohne Eifersucht auf den anderen. Genau darin begründet sich das Rätsel unserer siamesischen Zwillinge. Große Werke, wundervolle Kirchen und beeindruckende Wolkenkratzer verdanken ihr Entstehen häufig dem Wettkampf von Menschen. Die Erbauer*innen dokumentieren damit letztlich ihre individuelle Überlegenheit oder die überwältigende Macht ihres Systems. Doch Engels und Marx schufen den Marxismus durch ihre Einigkeit .
Das belegt ein bemerkenswerter Vorfall: Um das Jahr 1880 herum machte der reiche Engländer Henry Mayers Hyndman dem finanziell immer klammen Karl Marx ein großzügiges Angebot. Er sei bereit, zukünftig Marx´ Lebenskosten zu begleichen.
Hyndman begründete seine Zusage so: Dann müsse Marx nicht länger in Abhängigkeit von Friedrich Engels leben. Schließlich klage Marx´ Ehefrau Jenny, Engels´ sei zwar ein begabter und loyaler, aber unsympathischer Gehilfe ihres Mannes, eigentlich so etwas wie ein „böser Geist“.
Marx lehnte Hyndmans Angebot ab. Zu groß war die Verbundenheit der beiden „siamesischen Zwillinge“. Was sie zusammen erarbeitet und erlebt hatten, ihre gemeinsamen Siege und Niederlagen, das fügte sie untrennbar zusammen.
Emotionaler Gleichklang prägte das Verhältnis beider. Als General 1868 Mohr zum 50. Geburtstag gratulierte, erinnerte er ihn an 1844: „Ich gratuliere anyhow zu dem halben Sekulum. (…) Was wir doch vor 25 Jahren für jugendliche Enthusiasten waren, als wir uns rühmten, um diese Zeit längst geköpft zu sein“. Tatsächlich rechneten sie zu Beginn ihrer Freundschaft nicht damit, unter behäbig bürgerlichen Umständen alt zu werden.
Schließlich begriffen sie sich als Revolutionäre, deren Radikalität die schlimmsten Folgen haben musste. Ganz sicher würden sie im Gefängnis landen { Diese Ahnung traf zu.
Aber: Die jeweiligen Gefängnisaufenthalte endeten meist bereits nach einer Nacht. } oder sogar zum Tode verurteilt werden.
Engels und Marx verästelten unlösbar ihre Lebensentwürfe und deren Konsequenzen. Entsprechend teilte General Mohrs Tochter Laura Lafargue 1885 mit { Marx war zwei Jahre zuvor gestorben, Engels bearbeitete den 2. Band des „Kapitals“ }: „[ich] kann … aufrichtig sagen, solange ich an seinem Buch arbeite, bin ich mit ihm verbunden, als ob er lebte“.
Zwei wurden eins und waren eins. Friedrich Engels und Karl Marx: Ihr Leben und ihr Werk verdienen, gemeinsam in einer biografischen Skizze beleuchtet zu werden.
Oder: Was macht Generals und Mohrs Leistung aus?
Friedrich Engels und Karl Marx
begründeten erstens den wissenschaftlichen Sozialismus
und engagierten sich zweitens in der Organisation der kommunistischen Bewegung.
Diese Leistungen erfahren je nach Standpunkt unterschiedlichste Bewertungen. Für seine Gegner ist der Marxismus ein Albtraum, für seine Anhänger ein Leuchtturm.
Er ist ein Pfahl im Fleisch aller auf Traditionen beharrenden Parteien und Politiker*innen. Denn: unsere Welt ist nicht alternativlos.
Gerechtere Gesellschaften, mit gleichen Chancen für alle, sind denkbar [ und machbar!? ].
Für die Profiteure der bestehenden Systeme sind das beunruhigende Gedanken. Allzu gern weisen sie darauf hin, dass alle Staatssysteme, die sich auf Engels und Marx beriefen [ oder sich heute noch auf sie berufen ], zu Tragödien entwickelten. { Ziehen wir eine Parallele: Jesus Christus verkündete das Reich Gottes. Und was kam? Die Kirchen. - Engels und Marx verkündeten die klassenlose Gesellschaft. Und was kam? Die kommunistischen Parteien. }
Worin also besteht die Leistung von Engels und Marx? Erstens wandten sie überprüfbare sozialwissenschaftliche Methoden an und begründeten so wissenschaftliche Disziplinen [ Die aktuell meist nachweisen wollen, dass Marxismus theoretisch nicht stimmig ist. ].
Zweitens mobilisierten sie Millionen Menschen durch die Zukunftsvision einer klassenlosen Gesellschaft, die durch Klassenkampf erreicht werden kann.
Marxismus als wissenschaftliches System
Im Endeffekt bewirkten Engels und Marx die Entstehung sozialwissenschaftlicher Fakultäten an den meisten Universitäten der Welt. Ihre „marxistische“ Methode: Sie sammelten zuerst korrekt und systematisch Fakten. Deren Bedeutung beleuchteten sie in sozialen, politischen und historischen Zusammenhängen.
Zwar gab es schon vor Engels und Marx Sozialtheoretiker und Sozialreformer. Zwei seien erwähnt:
1. Der französische Theoretiker Claude Henri de Rouvroy, Graf von Saint Simon [1760-1825] verlangte, dass alle produktiv Tätigen Teile ihres erarbeiteten Wohlstands an Ärmere abgeben. Aber die hierarchische Gesellschaft sollte bei diesen Transaktionen bestehen bleiben. Die Saint-Simonisten schlugen vor, das Erbrecht an Produktionsmitteln abzuschaffen und meinten, ein Staat lasse sich als Assoziation von Werktätigen organisieren.
2. Der Schotte Robert Owen [1771-1858] experimentierte mit Sozialreformen. Als Mitbesitzer einer Baumwollspinnerei richtete er für deren Arbeiter*innen eine Musterwohnsiedlung ein. Die Arbeitszeit wurde auf 10,5 Stunden begrenzt, Kinder arbeiteten erst ab 10 Jahren [!] in der Fabrik. In Läden wurde Ware zum Selbstkostenpreis verkauft.
Ein weiteres Projekt Owens in den USA, eine Gemeinschaftssiedlung mit gleichen Anteilen, scheiterte. Danach entstanden in England in Kooperation mit Gewerkschaften weitere Arbeitersiedlungen, in denen Gedanken Owens praktiziert wurden.
Insgesamt fanden die Gedanken und Projekte Saint-Simons und Owens zu wenig Echo, um größere Wirkungen zu erzielen. Auch der Marxismus fand anfangs kaum Zuspruch. Denn er analysierte zuerst soziale Systeme in ihrer Gesamtstruktur: Welche materiellen Bedingungen [ an erster Stelle: Möglichkeiten der Produktion ] liegen vor? Wie baut sich die die Gesellschaft unter diesen Bedingungen auf?
Bewusst distanzierten sich Engels und Marx vom „utopischen“ Sozialismus Saint Simons oder Owens. Da ginge es um Versuche ohne Rückkopplung an Produktions- und gesellschaftliche Realitäten, damit letztlich um Seifenblasen, die zum Scheitern verurteilt seien
Engels und Marx beschränkten Untersuchungen aktueller sozialer Missstände [ z.B. Warum gab es 1788 in Frankreich eine Hungersnot? ] nie auf Details, sie analysierten die Gesamtsituation. Wichtig war ihnen das Verstehen der Zusammenhänge zwischen technischem Fortschritt und sozialen Veränderungen [ Welche Bedeutung hatte die in der Antike entstehende Technik des Baus kilometerweiter Wasserleitungen für Gesellschaft und Politik? ].
1845 zählte Engels in seinem Buch über „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ hunderte von Fakten zur Lebenswirklichkeit der Arbeiter*innen auf. In „Das Kapital“ stellte Mohr mit gleicher Gründlichkeit und Systematik soziale Zusammenhänge dar.
Mit dieser { sich auf Fakten und nicht auf Ideen stützenden } Vorgehensweise legten sie das methodische Grundgerüst für Sozialwissenschaften und historische Studien.
Anmerkung: Materialismus und Idealismus
Oder: General und Mohr waren keine radikalen Materialisten.
General
schrieb 1890:„Nach materialistischer Geschichtsauffassung ist das in letzter Instanz bestimmende Moment in der Geschichte die Produktion (…).“ Der ökonomische Kontext stehe für Menschen an erster Stelle, doch Traditionen, politische Einstellungen u.a. beeinflussten Entscheidungen und historische Abläufe ebenfalls.
Mohr
setzte sich sein ganzes Leben lang mit dem Idealisten Hegel auseinander. [ Dessen Lehre wollte er vom Kopf auf die Füße stellen. ] Aber er selbst vertrat ebenfalls idealistische Positionen. So lehnte er Darwins [ letztlich konsequent materialistische ] Grundeinstellung, die Entwicklung der Menschheit erfolge nach dem reinen Zufallsprinzip [ durch erfolgreiche Variationen des Erbguts ] strikt ab.
Für Marx war die Geschichte der Ursprung des Menschen und nicht die Natur. Geschichte sei die Vermenschlichung der Natur durch bewusste Lebenstätigkeit des Menschen.
So werde der Mensch zu einem Gattungswesen und schließlich frei, weil er nicht durch spezifische Bedürfnisse bestimmt ist. Die Probleme des Pauperismus lösen sich in der Verbindung menschlicher Selbsttätigkeit mit dem Sozialismus. Deshalb kritisierte Marx viele sozialistische Ideen [ und Feuerbach ]. "Die materialistische Lehre von der Veränderung der Umstände und der Erziehung vergisst, dass die Umstände von den Menschen verändert und der Erzieher selbst erzogen werden muss".
Engels und Marx setzten die Kämpfe von Ausbeutern und Ausgebeuteten in historische Bezüge. Sie befassten sich dazu mit Steinzeit, Antike, Mittelalter und Neuzeit
{ Ihre Begrifflichkeiten: Urgesellschaft, Sklavenhaltergesellschaft, Feudalismus, Kapitalismus und Klassenlose Gesellschaft }
und verknüpften soziale Entwicklungen der jeweils existierenden Gesellschaften mit vorhandenen technischen Möglichkeiten.
Nach ihrem Verständnis entwickelten sich
Entsprechend analysierte General 1850 in „Der deutsche Bauernkrieg“ , dass der sich auf die Seite der Bauern stellende Reformator Thomas Müntzer scheitern musste. Die 1525vorhandenen Produktionsweisen und sozialen Strukturen ermöglichten noch nicht die Umsetzung der von den Bauern und Müntzer gestellten Forderungen.
Wilhelm Liebknecht erinnerte sich an eine methodische Äußerung Mohrs: Der„spottete der siegreichen Reaktion in Europa, welche sich einbilde, die Revolution erstickt zu haben, und die nicht ahne, daß die Naturwissenschaft eine neue Revolution vorbereite.
Der König Dampf, der im vorigen Jahrhundert die Welt umgewälzt, habe ausregiert, an seine Stelle werde ein ungleich größerer Revolutionär treten: der elektrische Funke. Und nun erzählte mir Marx (…), daß seit einigen Tagen in der Regent´s Street das Modell einer elektrischen Maschine ausgestellt sei, die einen Eisenbahntrain ziehe (…)“.
Anmerkung: Engelsismus
Im Folgenden geht es um die Deutung von Werken, die erst später vorgestellt werden. Doch damit die Leser*innen in keine Falle tappen, sei die hier vertretene Lesart offengelegt:
Diese biografische Skizze stellt sich auf die Seite derer, die Engels und Marx im Gleichklang sehen. Dieses Verständnis teilen viele Wissenschaftler*innen nicht und wenden sich gegen den Engelsismus. Für ihre Position können sie gewichtige Gründe anführen.
Der Mythos der Engels-Marxschen Einigkeit sei partei- und staatsoffizielle Doktrin gewesen. Das Verständnis des Marxismus sei dabei von Engels geprägt worden. Faktisch jedoch sei Engels gegenüber Marx nie ein kongenialer Partner gewesen.
Die zurzeit erfolgende Veröffentlichung der kompletten Schriften von Engels und Marx [ MEGA 2] lasse erkennen, was Marx ursprünglich gemeint und wie Engels es, seiner Widerspiegelungstheorie folgend, falsch interpretiert habe.
Zwischen Engels und Marx habe es methodische und gegenstandsbezogene Differenzen gegeben. Das wirkte sich negativ auf die Veröffentlichungen des „Kapital“ aus. Engels habe durch entsprechende Vorworte und Bemerkungen, sowie durch die redaktionelle Bearbeitung des zweiten und des dritten Bandes Karl Marx´ ursprüngliche Aussagen verzerrt.
Marx habe den Kapitalismus als „offenes System“ untersucht, „mit innerer Dynamik und offener Zukunft“. Er kam [ z.B. im Zusammenhang mit „Ware“ ] zu begrifflichen Abstraktionsebenen der Darstellung, die von Engels in „plattem Empirismus (…) in idealtypische Modelle und Verlaufsformen historischer Entwicklungen“ verwandelt wurden. Ingo Elbe führt aus: „Die Ware am Anfang des „Kapital“ ist also für Engels begrifflich und geschichtlich der kapitalistisch bestimmten vorhergehend. (…) Auch hier kann sich Engels nämlich (…) eine begriffliche Entwicklung nur als ein möglicherweise vereinfachtes Abbild empirisch konstatierbarer Phänomene und zeitlich abgestufter Prozesse vorstellen.
Weil ihm die ´logische Behandlungsweise (…) nichts anderes als die historische (…)´ zu sein hat, kann er auch im Vorwort zum dritten Band (…) vom (…) ´logischen Bildungsprozeß´ der ´Gedankenabbilder´ sprechen“.
Die Vorwürfe gegen Engels lauten plakativ: Er verstand Marx´ wissenschaftliche Ansätze nur zum Teil und stellte sie als angewandte Hegelsche Dialektik dar. Durch Engels` simple Optik sei das „Kapital“ entstellt worden und Engels so zum Urheber eines verflachten „Marxismus“ geworden. Karl Marx´ wirkliche Ansätze müssten erst ans Tageslicht gehoben werden.
Mit welchen Argumenten wird in dieser Skizze eine andere Meinung vertreten? General und Mohr waren nicht nur engste Freunde. Sie bildeten ein eingespieltes Arbeitsteam. Marx formulierte das einmal so: …
“Was nun mich selbst und Friedrich Engels betrifft,
ich erwähne Engels,
weil wir beide nach einem gemeinsamen Plane und nach vorheriger Verabredung arbeiten.“….
Konkret bedeutete das: General und Mohr tauschten sich über ihre Ideen und die geplanten schriftlichen Projekte aus. In den 1840er Jahren verfassten sie gemeinsame Werke. Marx war über die Inhalte von Engels „Dialektik der Natur“ informiert [ Mohr besaß übrigens hervorragende Kenntnisse über den damals aktuellen Stand der Naturwissenschaften. ] und über den „Anti-Dühring “ [ an dem er sich selbst mit einem Kapitel beteiligte].
Engels wiederum kannte jedes Detail des „Kapital“, denn Marx hatte alle mit ihm diskutiert. { Es ist zu erwähnen: Engels kannte auch die Ideen, die Marx nicht publizierte; weil die nicht schlüssig waren oder nicht in bestimmte Abschnitte des „Kapital“ passten… } Ihr reger Briewechsel von 1850 bis 1870 [ Engels lebte in Manchester, Marx in London ] gibt Einblick in ihre wissenschaftlichen Diskussionen. Marx traf sich während dieser Jahre mehrfach mit Engels [ z.B.: 6. – 24. Mai 1858 ], um komplexere Sachverhalte eingehend mit ihm erörtern zu können.
Mohr nahm Generals Urteile stets ernst und gestaltete Textabschnitte nach dessen Vorschlägen um. Der völlig ohne Eitelkeit arbeitende Engels stellte Marx´ Texte immer in den Vordergrund.
Das führte im Zusammenhang mit dem dritten Band des „Kapital“ zu einer interessanten Diskussion. Engels hatte zur Veröffentlichung des Werkes auch erkennbar unfertige Entwürfe von Marx verwendet.
Hätte Engels an diesen komplexen Stellen die Sachverhalte nicht besser mit seinen Worten formuliert? Engels antwortete den Kritikern, es ginge darum, „Marx in Marx´ Worten“ abzudrucken, „selbst auf die Gefahr hin, dem Leser etwas mehr eignes Denken zuzumuten“.
Engels wusste um die steinigen und steilen Pfade, die ihn und Marx erst zu neuen Erkenntnissen geführt hatten. Schließen wir diese Anmerkung mit einer polemischen Frage [ übernommen von Michael Krätke ] : Da verfolgen Wissenschaftler*innen den Ansatz, den wirklichen, den eigentlichen Karl Marx entdecken zu wollen. Werden sie ihn [ aus ihren Positionen des 21. Jahrhunderts heraus ] besser verstehen können als Friedrich Engels, der mit Marx befreundet war, seine Gedanken teilte und mit ihm in ständiger Diskussion stand?
Marxismus als Movens
Warum treten Arbeiter*innen in einen Streik, wann und unter welchen Bedingungen? Wenn Arbeiter*innen im 19. Jahrhundert streikten, ging es nicht um Lohnerhöhungen und längere Urlaubszeiten.
Damals ging es für die Arbeiter*innen um das nackte Überleben:
Ihre Löhne ermöglichten weder würdiges Leben noch würdiges Sterben.
Die Höhe der Entlohnung und ihre Auszahlung waren unsicher.
Die Arbeitszeit betrug meist zwölf Stunden an sechs Wochentagen.
Es gab keinen Arbeitsschutz, keine Krankenversicherung, keine Rente.
Gewerkschaften waren verboten, ebenso durften Arbeiter*innen keine Parteien gründen.
Arbeitskampf bedeutete Arbeitskrieg. Gegen streikende Arbeiter*innen schickten die Regierungen Soldaten und Polizisten. Verhaftungen waren möglich und Gefängnisstrafen. Streikende setzten ihre Existenz, ihre Gesundheit und ihr Leben aufs Spiel. Nur Arbeiter*innen, die mit dem Rücken zur Wand standen, gingen das Wagnis eines Streiks ein.
Engels und Marx stellten diesen brutalen und existenziellen Kampf um Nahrung, Kleidung und Unterkunft in eine ganz andere Kulisse: Jeder Streik wurde als Teil der fundamentalen Auseinandersetzung zwischen Proletariern und Kapitalisten verstanden. Das gab der Organisation und Ausrichtung von Streiks einen Kompass und stärkte die Moral der Kämpfenden. Sie handelten in dem Bewusstsein, durch ihr Engagement positive Veränderungen für die gesamte Menschheit zu bewirken.
Beschrieben marxistische Analysen der Gegenwart nicht exakt soziale Zusammenhänge und Verwerfungen?
Stand dafür nicht am Ende der Klassenkämpfe eine humane, gerechte, solidarische Welt [ die klassenlose Gesellschaft ]?
Der Marxismus verkündete Arbeiter*innen eine lebenswerte und faire Zukunft. Um dieses Ziel zu erreichen, konnten „Proletarier“ Entlassungen riskieren oder Gefängnisstrafen. Was zählten schon die eigene Gesundheit und das eigene Leben?
Am Ende würden die Ausgebeuteten solidarisch ein Paradies, eine bessere Welt für die gesamte Menschheit erstritten und geschaffen haben. Mit dieser Vision bewirkten Engels und Marx die Mobilisierung ungeheurer Kräfte.
Diese biografische Skizze geht von drei Prämissen aus:
Erstens dürfen Friedrich Engels und Karl Marx nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Ihr Leben und ihr Werk gehören in eine gemeinsame Biografie. Zweitens hat Engels Marx nicht falsch verstanden. Drittens spielte in diesem Duo Friedrich Engels die wichtigere Rolle. [ Für ihre spätere Bedeutung allemal. ]
Warum spricht dann alle Welt vom Marxismus? Von Engels ist nur negativ die Rede. Engelsismus besagt, Engels habe Marx missverstanden und verursachte die späteren falschen Entwicklungen kommunistischer Parteien [ z.B. den Stalinismus ].
[ Wir ] alle reden vom Marxismus, weil General diesen Begriff akzeptierte und förderte. Er war damit zufrieden, „die zweite Violine“ zu spielen. Diesen sich auf Karl Marx konzentrierenden Mythos griffen führende Köpfe der Sozialdemokratie wie August Bebel und Karl Kautzky, sowie russische Kommunisten wie Georgi Plechanow und Wladimir Iljitsch Lenin gerne auf. Sie beriefen sich auf Marx´ Sonderstellung. Er habe für die Gesellschaftswissenschaften das geleistet, was Darwin für die Naturwissenschaften leistete. Im „Kapital“ werde bewiesen, dass der Kapitalismus dem Untergang geweiht sei. Marxismus sei wissenschaftlicher Sozialismus.
Nach Marx´ Tod 1883 war Engels zwölf Jahre ein führender Kopf des radikalen Sozialismus. Auch in dieser Zeit berief er sich auf Marx als Autorität, stellte ihn in den Vordergrund.
So erklärte er 1893 zum Abschluss des Kongresses der 2. Internationale in Zürich: „Der unerwartet glänzende Empfang, den sie mir bereitet haben (…), ich nehme ihn an nicht für meine Person, sondern als Mitarbeiter des großen Mannes [= Karl Marx], dessen Bild dort oben hängt (…)
Marx ist gestorben, aber wenn er heute noch lebte, so wäre nicht ein Mann in Europa und Amerika, der mit solchem Stolze zurückblicken könnte auf seine Lebensarbeit.“
Anmerkung: Zitate als Propaganda
Etwa die Hälfte der hier abgedruckten Zitate stammt aus privaten Briefen. [ Engels und Marx gingen übrigens davon aus, dass ihre Briefe niemals veröffentlicht würden. ] Die andere Hälfte der Zitate entstand mit Blick auf die Öffentlichkeit.
Wilhelm Liebknechts Texten ist leicht anzumerken, dass er besonders Mohr positiv darstellen wollte. Engels äußerte sich gleichermaßen: Mohr war der Denker und der Schreiber . Er, Engels, sei doch nur der unbedeutende Wasserträger gewesen. Harold Laski kommentierte das so: „Nur wenige Männer haben sich jemals derart eifrig bemüht, auf Kosten der eigenen Bedeutung die Größe eines Kollegen nachzuweisen.“
Engels Äußerungen und sein Verhalten ersparte „Marxisten“ das Problem, zwischen den Meinungen von Engels und von Marx differenzieren zu müssen. Marx spielte die erste Violine, Engels nur die zweite. – Und Gegner des „Marxismus“ konnten zu ihrem eigenen Leidwesen nie süffisant auf gravierende Streitpunkte der siamesischen Zwillinge verweisen.
Hinter einer ganzen Reihe von in dieser Skizze aufgeführten Zitaten steckt die Absicht der Propaganda; um nach außen hin zu überzeugen und um den eigenen Reihen Selbstgewissheit zu vermitteln.
Friedrich Engels unterschlug allzu gern seinen Anteil am System des Marxismus. Mohr war der bessere Schreiber, der systematischere Denker. Aber es gelang ihm oft nicht, seine komplexen Gedankengänge so zu strukturieren, dass sie für Buchleser*innen verständlich blieben.
General beriet ihn; er kritisierte Mohrs Texte aus der Perspektive der Leser*innen. Mohr akzeptierte fast alle Korrekturvorschläge Generals.
Zudem besaß General gegenüber Mohr einen für an der
Praxis orientierte sozialistische Denker wichtigen Informationsvorsprung. Er kannte technische Abläufe in Handwerk und Fabriken, war vertraut mit Produktionsketten und Warenhandel. Dieses Wissen brachte Engels in seine Diskussionen mit Marx ein.