Frozen, Ghosted, Dead - Sameena Jehanzeb - E-Book

Frozen, Ghosted, Dead E-Book

Sameena Jehanzeb

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Beschreibung

BODYGUARD TRIFFT CYBERPUNK Streamjumper. Was könnte lästiger sein als diese anonymen User, die zum Spaß in anderer Leute Simulationen einbrechen? Vielleicht Streamjumper, die mörderische Botschaften hinterlassen? Jackpot! Es ist das Jahr 2204 und das Verbrechen schläft noch immer nicht. Seit der Ermordung ihrer Mutter – eine Politikerin, die sich oft unbeliebt gemacht hat – befindet sich Niobes Leben in einer immer steileren Abwärtsspirale. Welche Erleichterung, dass sie in ein paar Wochen zu einem fernen Planeten aufbrechen und all das hinter sich lassen kann – sofern ihr Stalker sie nicht vorher in die Finger bekommt. Als sich dessen makabre Botschaften zu häufen beginnen und von der virtuellen in die reale Welt wechseln, tritt Personenschützerin L in Niobes Leben. Ihr neuer Bodyguard ist wortkarg, geheimnisvoll und verflucht sexy. Genau die Art Problem, die Niobe so kurz vor dem Abflug nach Gaia noch gefehlt hat.

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Sameena Jehanzeb

Frozen, Ghosted, Dead

Ein Zukunftsroman

Besuchen Sie die Autorin im Internet:

www.sameena-jehanzeb.de

Weitere Werke der Autorin:

BRÏN

Was Preema nicht weiß

Winterhof

Runa. Eine kurze Geschichte vom Winterhof

Impressum:

Frozen, Ghosted, Dead

1. Auflage

Erstveröffentlichung im April 2022

© Sameena Jehanzeb, Eifelstr. 4, 53119 [email protected]: saje design, www.saje-design.de

Coverdesign unter Verwendung von Bildmaterial von 123rf.comLektorat: Simone Heller, Maike Claußnitzer

Korrektorat: Maike ClaußnitzerDruck: bookpress, 1-408 Olstzyn (Polen)

ISBN: 978-3-98595-326-4 (Print)

Alle Rechte vorbehalten.Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diesePublikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.dnb.de abrufbar.

Dieser Roman könnte Themen enthalten, die bei manchen Menschen negative Reaktionen auslösen. Eine Auflistung dieser Themen kann über den aufgeführten QR-Code oder durch Direkteingabe im Browser abgerufen werden:

www.sameena-jehanzeb.de/inhaltswarnungen

[ Simulation wird gestartet … ]

Geist stand da und blickte auf den sich windenden Menschen hinab. Das Ding, das dort lag, war im Grunde schon seit Wochen nur noch eine halbtote, heruntergekommene Hülle. Das Hirn zerfressen von all den Glücklichmachern. Geist empfand kein Mitleid mit der Person, deren Körper soeben die letzten Zuckungen eines akuten Krampfanfalls erlebte. Weder als Geist ihr aus dem Hinterhalt die erste Dosis Lucid verabreicht hatte, noch später, als sie mit ihrem getrübten Bewusstsein um mehr und mehr Injektionen zu betteln begonnen hatte, und auch nicht jetzt, da sie für Geists Ziele starb. Manchmal mussten Opfer gebracht werden. Das war nicht unbedingt schön, aber notwendig. Außerdem würde niemand die Gestalt auf dem schmalen Bett vermissen und niemanden würde ihr Tod erschüttern. Sie besaß weder eine Familie noch Freunde, hatte alles getan, um soziale Kontakte zu vermeiden. Kaida Lane tauchte bloß dieses eine Mal noch auf, um endgültig zu verschwinden.

Sicher, es würde ein paar Fragen geben. Wie konnte sie hier im Rehazentrum an Lucid kommen? Vor allem in so großer Menge? Warum war nicht aufgefallen, dass sich ihr Zustand zunehmend verschlechtert hatte? Und das trotz der medizinischen Nanobots, die dabei helfen sollten, die Effekte der Droge zu mildern. Doch Geist hatte wenige Bedenken. Abhängigkeit machte erfinderisch. Süchtige waren gut darin, Dinge zu beschaffen, die nicht beschaffbar sein sollten. Das wusste kaum jemand besser als Geist. Zudem war ein Lucidjunkie ohnehin mehr Zombie als Mensch und niemand würde dem Tod von Kaida Lane große Aufmerksamkeit schenken. Man würde sich die Besuchslisten ansehen und feststellen, dass es keine Einträge gab. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass doch jemand nachhaken sollte, hatte Geist selbstverständlich vorgesorgt. ID-Einträge zu fälschen, hier und da einen Namen austauschen … das war ein Kinderspiel, wenn man die Hintertüren kannte. Die Systeme des Rehazentrums waren zwar gut geschützt, aber nicht gut genug. Geister kamen schließlich überallhin.

Nicht, dass durch Wände zu gehen eine Möglichkeit gewesen wäre. Technisch gesehen handelte es sich bei Geist schließlich noch immer um einen Menschen aus Fleisch und Blut. In der Seele dieses Menschen aber verhallte nur noch das leiser werdende Echo eines gestohlenen Lebens. Das Echo einer Wut, die Geist so lange von innen heraus zerfressen hatte, bis nichts weiter übriggeblieben war als eine verblasste Gestalt. Ein Ding. Ein Schatten. Ein Geist. Ebenso konturlos, ebenso leidenschaftslos.

Das Schicksal hatte Geist alles Gute entrissen und nur das Schlechte zurückgelassen. Der einzige Reiz, den das Leben noch bot, war das Verschwinden in der Bedeutungslosigkeit. Das Vergessen von allem, was einst war, das Vergessen des Davor. Geist war bereit gewesen, zu verschwinden, sich aufzulösen in Gleichgültigkeit, bis zu diesem Moment vor drei Wochen. Ein Aufbruch zu den Sternen! Ein Neuanfang auf einer unbewohnten Welt! Hoffnung für die Hoffnungslosen. Das versprachen sie in den Holos, deren verheißungsvolle Botschaften großflächig und bunt über die Hauswände tanzten. Und wenn Geist eines war, dann doch wohl hoffnungslos und bereit für einen neuen Start.

Das Angebot der Silverline Company klang verlockend, die Credits waren für jemanden mit Talent leicht zu beschaffen und so hatte Geist einen Blick riskiert. Auf die Menschen, die sich anschickten, diesen verdorbenen Planeten für immer zu verlassen. Es hielt Geist nichts auf dieser Welt. Vielleicht war es an der Zeit, sich eine neue zu suchen. Doch bevor Geist die Gelegenheit bekam, einen neuen Anfang zu finden, hatte etwas Altes Geist gefunden. Etwas, das das Feuer der Leidenschaft zurückbrachte. Die alte Wut. Diese unfassbare Ungerechtigkeit. Wie es schien, gab es eine unvollendete Sache, die erledigt werden wollte, bevor Geist ein neues Leben beginnen durfte. Ein Ziel, für das es sich lohnte, wieder von einem Geist zu einem Menschen zu werden. Darum musste jemand sterben. Allen voran Kaida Lane.

Geist wartete ungeduldig auf das Finale dieses ersten Aktes. Geduld war eine Tugend, doch es gab noch so viel mehr zu tun und es kribbelte Geist in den Fingern, endlich zu beginnen.

Die Frau auf dem Bett zuckte ein letztes Mal, dann wurde sie plötzlich steif und blieb mit offen hängendem Mund liegen. Es war vollbracht. Kaida Lane war tot und Geist ein wiedergeborener Mensch.

Streamjumper

ID: Niobe

Niobes Schritte jagten über den Waldboden. Zweige und Steine knackten und knirschten unter dem Profil ihrer Sohlen. Ihr Puls war ruhig, trotz des hohen Tempos. Einatmen – tap, tap, tap – ausatmen – tap, tap, tap. Die Bäume ragten hoch über Niobes Kopf auf und die Blätter bewegten sich in dem lauen Frühlingswind wie eine einstudierte Gruppe Balletttänzerinnen.

Das Rauschen der Baumkronen nahm Niobe gefangen und sie beschleunigte ihre Schritte. Endorphine strömten ihr durch den Körper und alle Ängste, Sorgen und schweren Erinnerungen verloren sich zwischen zwei Atemzügen. Als ob Niobes Gedanken zu langsam wären, um mit ihren Füßen Schritt halten zu können.

Seit dem Tod ihrer Mutter Mona stand Niobes Welt kopf. Das Leben war innerhalb kürzester Zeit farblos geworden und so viel unfreundlicher, als sie sich hätte vorstellen können. Niobe fand nicht einmal die Ruhe, um den Verlust anständig verarbeiten zu können. Kein Raum für Trauer, wo Kapital verschoben werden musste. Behörden plagten sie mit der Forderung nach Belegen und Bescheinigungen, die Lebensversicherung verweigerte die Zahlung, das Krematorium brauchte Antworten auf Dutzende Fragen und natürlich die Credits für die Bestattung. Die schiere Menge an Dingen, die erledigt werden musste, drohte Niobe auch sieben Monate nach Monas Dahinscheiden noch zu erschlagen. Dabei war das bloß die berüchtigte Spitze des Eisbergs. Die Erinnerungen trieben ihr in den hinterhältigsten Momenten Tränen in die Augen und versuchten, sie zu ersticken. Doch hier auf dem Waldweg spielte nichts davon eine Rolle. Für diese eine Stunde am Tag vergaß Niobe alles, lauschte nur ihrem eigenen Atem und lächelte. Sie vergaß die vielen Lasten auf ihren Schultern und den Kummer in ihrem Herzen.

Der Weg teilte sich. Ein silbern schimmerndes Band leuchtete über dem Boden auf und markierte die richtige Abzweigung. Niobe folgte dem Wegweiser, der daraufhin wieder verblasste. Die Illusion des Waldes war einmal mehr perfekt und der simulierte Duft von Fichtennadeln stieg ihr in die Nase.

Einatmen. Ausatmen. Gesegnete Ruhe.

Plitsch-Plitsch!

Niobe spürte die Störung in der Simulation, bevor das Bild vor ihren Augen zu flimmern begann. Das unangenehme Ziehen in dem Neurolink auf ihrem Nacken war ein allzu vertrautes Zeichen. Nur Millisekunden später übertönte jenes metallisch verzerrte Geräusch das Rauschen der Baumkronen und stellte Niobe die Härchen auf. Aus dem Nichts tauchte ein neuer User in ihrem Sichtfeld auf. Kein Sportler, nur jemand, der auf sie zu gerannt kam. Die Person trug eine blutrote Maske mit einem großen, schwarzen X darauf und einem Grinsen, das vom einen bis zum anderen Ohr reichte. Ein unbefugter User, ein Streamjumper.

Die Person kam schnell näher und machte keine Anstalten auszuweichen. Stattdessen sprang Niobe im letzten Moment zur Seite. Sowohl ihre Schritte als auch ihr Atem kamen aus dem Takt. Der Boden unter ihren Füßen bewegte sich, während der Boden vor ihren Augen weiterhin ruhig vor ihr lag. Sie geriet aus dem Gleichgewicht, stolperte und fiel. Der Streamjumper lief unbeeindruckt an ihr vorbei.

»Hey!«, rief Niobe dem Eindringling hinterher. Der aber lachte bloß hohl und schadenfroh unter seiner Maske und rannte weiter. Sein Abbild flackerte erneut. Einmal, zweimal und mit einem finalen Plitsch war der Streamjumper wieder verschwunden. Niobe schimpfte leise darüber, dass ihr Moment der Glückseligkeit jäh unterbrochen worden war, und rappelte sich auf.

»Verfluchte Jumper«, raunte sie verstimmt.

Für Streamjumper war es ein Sport, in die laufenden Simulationen anderer User zu springen, sie zu erschrecken und so schnell zu verschwinden, wie sie gekommen waren. Es gab Punktetafeln in entsprechenden Foren des Clusters. Vielleicht würde ein Schnappschuss von Niobes Stolpersturz nun jemandem die Chance geben, eine Position aufzusteigen oder eine Challenge zu gewinnen. Keine große allerdings, denn die Firewall eines in die Jahre gekommenen SimCenters zu hacken, dessen Hard- und Software nur unregelmäßig aktualisiert wurde, würde nicht einmal einen Grundschüler herausfordern. Aktuelle Biotech und Sicherheitsupdates erschwerten es Streamjumpern deutlich, in fremde Simulationen zu springen. Doch anders als die Premium-SimCenter in den Innenbezirken lagen die in der Randstadt mit ihren Updates grundsätzlich zwei oder drei Versionen zurück. Irgendwo mussten die Credits schließlich eingespart werden.

Die meisten Streamjumper stellten keine Bedrohung dar und wurden schnell von den Sicherheits-KIs erkannt. Das machte sie und ihr übergriffiges Verhalten für Niobe jedoch nicht weniger anstrengend. Sie vermisste ihr früheres Premium-SimCenter, das sie bis vor ein paar Monaten besucht hatte. In den Jahren ihrer Mitgliedschaft dort hatte sie nur eine einzige Begegnung mit einem Streamjumper gehabt. Hier im Randbezirk dagegen gehörten sie beinahe zur Tagesordnung.

Niobe rieb sich die Schläfen. Streamjumper bedeuteten nicht nur für sie eine Belastung. Der Neurolink, der auf ihrem Nacken saß und bioelektrische Impulse an ihr Nervensystem schickte, bestand zu neunzig Prozent aus organischer Masse. Er besaß kein Bewusstsein, schließlich war er nur ein Werkzeug. Eine Schnittstelle zwischen digitalem Signal und biologischem Empfänger. Gewaltsame Einbrüche in einen Stream veranlassten den Neurolink jedoch dazu, Stresshormone zu produzieren. Diese gab er unweigerlich an seinen Träger ab. Nichts, was einen Menschen gefährdete, ein ordentlicher Kopfschmerz folgte einem solchen Vorfall aber fast immer. Was Niobe außerdem ärgerte, war die Tatsache, dass sie das quirlige Kerlchen auf ihrem Nacken eben nicht bloß als Ding betrachten konnte. Sie empfand Zuneigung zu ihrem Neurolink, dessen feine Tentakel und Saugnäpfe sich scheinbar liebevoll an ihre Haut klammerten. Sie war sich durchaus des Fakts bewusst, dass sie hier ein Ding vermenschlichte. Es waren alles nur biotechnisch programmierte Reaktionen, die von dem Neurolink ausgingen, doch das machte für Niobe keinen Unterschied. Menschen gaben ihren Fahrzeugen Namen oder führten ihre Intimbots zum Standesamt. Wie viel verrückter konnte es da sein, eine gewisse emotionale Bindung an so ein niedliches Ding wie einen Neurolink zu empfinden?

Niobe strich sanft über die kühle Haut ihres Alltagshelfers und wie üblich reagierte der Neurolink auf ihre Berührung. Die aufgeregten Signale wurden schwächer, bis die Tentakeln wieder reglos auf ihr lagen und Niobe sie kaum noch spüren konnte. Der stechende Schmerz in ihrem Kopf ließ nach, zurück blieb nur eine seicht pochende Erinnerung daran. Schon besser.

Sie setzte sich wieder in Bewegung, versuchte die Störung durch den Streamjumper aus den Gedanken zu verbannen und ihren Rhythmus wiederzufinden. Doch der finale Moment der Glückseligkeit würde ihr heute verwehrt bleiben.

»Arschloch«, murmelte sie als abschließendes Statement und lief, trotz des bereits verfehlten Trainingsziels, weiter. Doch gerade als Niobe dabei war, sich wieder in einen angenehmen Takt einzufinden und sich zu entspannen, blitzte etwas in ihrem Sichtfeld auf. Simuliertes Sonnenlicht fiel darauf, spiegelte sich darin und blendete Niobe. Was war das nun wieder? Ein weiterer Streamjumper? Zwei hintereinander waren selbst für dieses heruntergekommene SimCenter ungewöhnlich.

Als Niobe näher herankam, erkannte sie, dass es ein Ballon war. Ein goldener Helium-Ballon in der Form eines Sterns, der in der Mitte des Weges über dem Waldboden schwebte. Immer wenn ein Luftzug durch die Bäume fegte, ließ die Brise den Ballon mal ein wenig nach links und mal ein wenig nach rechts gleiten. Er war mit einer schwarzen Kordel an etwas befestigt, das schwer genug zu sein schien, um ihn an Ort und Stelle zu halten.

Niobe verlangsamte ihre Schritte und näherte sich dem Objekt mit einer gesunden Portion Skepsis. Im Stillen verfluchte sie sämtliche Streamjumper des galaktischen Systems und deren idiotische Challenges. Was sollte das hier sein? Eine Art Geburtstagsüberraschung? War das die jüngste Aufgabe? Finde einen User, der Geburtstag hat, und mache ihm ein Geschenk? Kurz kam ihr der Gedanke, dass sie vielleicht dankbarer sein sollte, schließlich würde das wohl die einzige Aufmerksamkeit sein, die sie zu ihrem 28. Geburtstag bekam, nun, da Mona fort und Niobe praktisch alleine war.

Während sie sich dem Ballon näherte, suchte sie den Pfad nach irgendwelchen Mechanismen ab, die ein Event auslösen mochten, doch es war nichts zu sehen. Dafür entdeckte sie einen mattschwarzen, geschwungenen Schriftzug auf der reflektierenden Oberfläche des Ballons. Ein einzelnes Wort stand darauf. Ein Name.

Eboni

Niobe blieb abrupt stehen. Ein Schauer lief ihr über den Rücken und sie schaute sich argwöhnisch um. Hatte der Streamjumper sie etwa gezielt ausgesucht, statt sie nur zufällig auszuwählen? Weshalb sonst sollte ihr Alias in diesem privaten Umfeld auftauchen? Ebonis Werbeaccount folgten ein paar merkwürdige Gestalten, die sie mitunter beschimpften, beleidigten, manchmal sogar bedrohten. Das Cluster war voll von diesen enthemmten Feiglingen, die sich hinter ihren Avataren versteckten und aus der Ferne verbale Projektile verschossen.

Ihr Blick wanderte erneut durch die simulierten Büsche und Baumreihen, über den Wasserfall und die Klippen in der Ferne. Ihr Neurolink würde den Stream unterbrechen, falls sie in echte Gefahren geriet. Sie wusste das, vertraute der Technologie dahinter, doch der weniger rationale Teil von ihr wollte sich nicht recht überzeugen lassen. Besonders ein User sorgte schon seit längerem dafür, dass Niobe eine konstante Anspannung und Furcht vor dem Unbekannten empfand. Ihr Alias aber war nicht mit ihrer echten ID verknüpft, folglich konnte es sich nur um einen Zufall handeln.

Dennoch trat Niobe nur misstrauisch näher an den Ballon heran. Die schwarze Kordel war mit einer Schleife an einem cremeweißen, altmodischen Briefumschlag befestigt. Elegant wie die fein strukturierten, teuren Umschläge, die man allenfalls noch in den gehobenen Kreisen zu besonders feierlichen Anlässen verschickte. Papier war ein teurer Rohstoff, wenn man auf einem Planeten lebte, der sich noch nicht vollständig von dem kolossalen Natursterben des 21. Jahrhunderts erholt hatte. Insbesondere dann, wenn besagter Planet in den Besitz einer technologisch weit überlegenen Alienrasse übergegangen war, die kurzen Prozess mit denjenigen machte, die sich nicht an die Auflagen zum Schutz des globalen Ökosystems hielten.

Niobe ging in die Knie und hob den Umschlag auf. Der Ballon bewegte sich mit ihr in die Höhe und tanzte dabei an seiner zarten Fessel. Es gab nur einen Weg, herauszufinden, was es mit dem ominösen Brief auf sich hatte, und so löste sie die Schleife und wickelte sich die Kordel einmal um den Zeigefinger. Kunstvolle Ornamente prägten die Oberfläche des Papiers. Niobe strich mit den Fingerkuppen über die Höhen und Tiefen der Linien, ihr Neurolink sendete die entsprechenden Signale an ihre Nervenenden. Es war immer wieder verblüffend, wie echt alles wirkte.

Schließlich betrachtete sie die Rückseite des Umschlags. Kein Absender. Sie löste die Lasche und zog eine Karte heraus. Weiß, mit einem schwarzen Rahmen und einer ebenso schwarzen Rose darauf. Niobes Stirn bildete unwillkürliche Falten.

»Was für ein fauliger Scherz soll das sein?«, fragte sie niemand Bestimmten. Niobe wusste nicht, ob der Streamjumper bereits völlig aus der Simulation verschwunden war oder noch zuhörte. Falls er noch da war durfte er ruhig erfahren, was sie von seinem Humor hielt.

War die Nachricht womöglich als Kondolenzkarte zu Monas Gedenken zu verstehen? Die käme jedoch reichlich spät. Die Urne ihrer Mutter hing längst am Baum der Seelen und kein normaler Mensch würde einen Stream kapern, um sein Mitgefühl auszudrücken. Da gab es doch wirklich respektvollere Wege. Niobe klappte die Karte dennoch auf, was sollte sie auch sonst tun?

Sie war sich nicht sicher, welche Art Melodie zu einer Trauerkarte passte, die Noten des Kinderliedes, die ihr entgegensprangen, allerdings taten es nicht. Twinkle, Twinkle, Little Star. Ein uralter Klassiker, den Mona ihr ebenso vorgesungen hatte wie abertausende andere Eltern es seit Generationen bei ihren Kindern taten. Die Worte, die Niobe auf dem makellosen Papier begegneten, waren dagegen alles andere als schlaffördernd. Ganz im Gegenteil. Kalte Furcht kroch Niobe durch die Glieder, als sie die geänderten Strophen las.

Röchel, Röchel, kleiner Stern,

ich bin nah und gar nicht fern.

Spürst du, wie die Zeit verrinnt?

Sei bereit, das Spiel beginnt.

Röchel, Röchel, kleiner Stern,

ich hab’ dich zum Töten gern.

– Geist –

Niobe zitterte. Diesen Alias sah sie nicht zum ersten Mal, doch er war ihr noch nie außerhalb der Asteria-App begegnet. Wie konnte die Person dahinter an Ebonis echte ID gelangen?

In ihrer Unachtsamkeit entglitt Niobe die Kordel. Der Ballon erhob sich in die Lüfte und flog mit ihrem Namen davon. Wie gerne sie es ihm gleichgetan hätte. Mit einem Mal beschlich sie das Gefühl, von unsichtbaren Augen beobachtet zu werden. Die Bäume schienen auf sie zuzukommen und sie einzukesseln. Wie schwarze Giganten ragten sie über ihr auf und Niobes Atmung kam in schnellen, kurzen Zügen. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Holperte.

Als Konsequenz dieser plötzlichen Veränderung gab der Neurolink in ihrem Nacken verschiedene Warnmeldungen aus, die mit einer durchscheinenden Systemgrafik vor dem Hintergrund des Waldes eingeblendet wurden. Unbarmherzig verkündeten die Graphen und Kurven auf dem Thinkscreen das endgültige Verfehlen des Trainingsziels und den Punktabzug auf Niobes Gesundheitskarte. Ganze drei Punkte. Zum Glück bewegte sie sich im oberen Gesundheitsbereich, sonst hätten sie diese drei Punkte den günstigen Versicherungstarif kosten können.

Anders als an den meisten Tagen schenkte Niobe den Meldungen in diesem Moment aber nur wenig Beachtung. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt den Worten auf der Karte. Trotz der Furcht, die sie körperlich lähmte, war sie geistesgegenwärtig genug, einen Gedankenbefehl an den Neurolink zu senden:

Streamverlauf speichern und an meinen privaten Speicherknoten leiten.

Sie hörte den Bestätigungston.

Simulation beenden.

Der Neurolink schickte das Signal zum Abbruch des Streams an das SimCenter. Die Bäume und der Waldboden fielen auseinander und verschwanden. Niobe blinzelte gegen die kalt aufleuchtenden Lichtstreifen der Simulationskammer an.

»Grund fixieren«, ordnete Niobe diesmal laut an. Die Spracherkennung der Kammer reagierte entsprechend. Der Boden unter Niobes Füßen verlor seine Beweglichkeit, so dass sie zum Ausgang hasten und die Tür mit mehr Kraft als nötig aufstoßen konnte. Auf dem Korridor dahinter sah sie sich verunsichert um. Die Simulationskammern reihten sich zu Dutzenden in beide Richtungen aneinander. Sie hörte weder Schritte noch andere auffällige Geräusche, in den Gängen zwischen den Kammern würde man sich allerdings gut verstecken können.

Röchel, röchel, kleiner Stern …

Atmen. Atmen! Muss rennen. Nein, nein, muss still sein! Darf mich nicht bewegen, nicht auffallen. Schreien! Still! Still!

Ich hab’ dich zum Töten gern …

Was tun? Was? Was? Tu endlich etwas!

Niobes Instinkte waren lauter als ihre Gedanken und fällten die Entscheidung, bevor sich ihr Verstand anschließen konnte.

Niobe rannte.

Nicht im Rhythmus mit ihrem Herzschlag und auch nicht im Einklang mit ihrem Atem. Nur weg von dem Ballon und seiner makabren Botschaft. Durch die Gänge und den Empfangsraum hindurch, hinaus ins Freie. Sie rannte über den Vorplatz des SimCenters, sah, wie gerade eine der Tramway-Linien an der Haltestation einfuhr, und legte einen Sprint hin, um es rechtzeitig in den Wagon zu schaffen. Sie keuchte und drückte sich mit dem Rücken in eine Ecke. Die Menschen starrten sie an und sie starrte mit einem hektisch umherspringenden Blick zurück. War es einer dieser Fahrgäste, der ihr die Nachricht geschickt hatte? Jeder war fähig, einen schlecht geschützten Stream zu kapern. Jeder von ihnen könnte es gewesen sein. Irgendjemand musste es gewesen sein. Der Wagon wirkte auf einmal klein wie eine Schuhbox. Die Wände kamen näher und näher und würden Niobe bald zerquetschen.

Leise und sanft setzte sich die Tram in Bewegung, während in Niobes Gedanken ein Sturm tobte.

Ein solistisches Stelldichein

ID: L

L fiel. Und fiel. Ins Bodenlose.

Ihr Verstand hatte nur noch wenige Sekunden Zeit zu begreifen, dass sie tot war. Sobald sie auf dem Boden aufschlug, war es vorbei. Alles. Ein Hilferuf baute sich in ihrer Kehle auf, der vermutlich letzte Urinstinkt ihres Lebens. Ein viel zu kurzes und bedeutungsloses Leben.

Sie schlug auf. Eine Explosion aus Schmerz und Unglauben überdeckte all ihre Gedanken. Raubte ihr für einen Moment sogar die Angst. Es wurde still in Ls Kopf. Der laute, gewaltige Schrei, der sich eben in ihrer Kehle geformt hatte, wurde von dem Schock erstickt und entwich als kaum hörbares Stöhnen. Nur ein kurzer Luftstoß, für mehr reichte es nicht. L war noch da, doch außer Unglauben empfand sie in diesem Moment nichts. Es kann nicht sein. Das kann einfach nicht passieren.

Sie war reglos. Ihr Blick getrübt, ihre Gedanken ein Feuerwerk. Nicht weit entfernt: der Mann, mit dem sie oben auf dem Brückenübergang gerungen hatte. Er lag still da, die Augen im Schock weit aufgerissen. Sein Gesicht war zu einer unbewegten, zerschmetterten Maske geworden, Kopf und Gliedmaßen in einem unnatürlichen Winkel verdreht. Blut umgab ihn, floss auf L zu. Sie starrte den Mann an, unfähig, den Blick abzuwenden. Nur Leere starrte zurück. Hatte er mehr oder weniger Glück, weil ihn der Aufschlag gleich getötet hatte, während L noch hier lag und durch nasse Lungen atmete? Jeder Atemzug schwerer als der davor und schwanger mit der unvermeidlichen Prophezeiung ihres bevorstehenden Todes.

Etwas Warmes lief L den Nacken herunter. Der Geruch von Eisen stieg ihr in die Nase. Es kroch ihr über das Gesicht, den Kiefer hinab und tropfte schließlich in eine Lache des eigenen Blutes. Bald würde es sich mit dem ihres Feindes vermischen. Welch philosophische Wendung.

Jemand rief ihren Namen. Sie kannte diese Stimme. Es war die Stimme des Verrats. L versuchte, den Blick von dem Toten zu lösen und sich abzuwenden, doch ihr Körper gehorchte nicht. Wo waren ihre Arme, ihre Beine, ihr verdammter Torso? Ls Fantasie malte ein Horrorszenario für sie aus. War ihr Kopf bei dem Sturz abgetrennt worden? Sie war gegen mehrere Dinge geprallt, bevor sie finale Bekanntschaft mit dem Grund gemacht hatte. Das Gehirn eines Menschen, so stand es in einem alten Zeitungsartikel, den sie einst gefunden hatte, lebte nach einer Enthauptung zehn Sekunden lang weiter. Die Vorstellung entsetzte L damals wie heute. Wie lange noch würden sich Ls zehn Sekunden hinziehen? Wie lange noch, bis ihr Lebensfunke endgültig erlosch? Ausgeblasen wie ein Kerzenlicht. Als hätte sie nie existiert.

Ls Augen sprangen wild hin und her, bewegten sich stellvertretend für ihren zerbrochenen Körper. Sie wollte nicht sterben. Noch nicht. Nicht so.

»Fe«, pustete sie das unfertige Wort kaum wahrnehmbar durch die Lippen. »Hfe.«

Senkrecht fuhr L aus dem Schlaf. Die letzten Reste eines verklingenden Hilferufs erreichten ihre Ohren. Ihre Hände tasteten wild an die Brust, die Arme und Beine. Schweiß klebte an ihr, das unmissverständliche Erinnerungsstück eines Albtraums. Sie rang nach Luft, ihre Lungen sogen den kostbaren Sauerstoff ohne Widerstand ein. Sie rieb sich über den Nacken, betrachtete die Hände. Kein Blut. Ihr Körper war weder taub noch gelähmt, die Knochen nicht gebrochen. L lag nicht auf dem betonierten Boden einer stillgelegten Fabrik, sondern zuhause in ihrem Bett. Warm, weich und sicher.

»Shit«, murmelte sie und ließ sich erschöpft zurück aufs Kissen fallen.

Sie ging sich durch das kurze, nass geschwitzte Haar, wartete, bis sich ihr Puls und ihr Atem beruhigt hatten. Was für eine miese Art, aufzuwachen. Sie schaute auf die Uhr: zwanzig Minuten bis zum Weckruf. Das war nicht genug Zeit, um noch einmal einzuschlafen, große Lust verspürte sie dazu erst recht nicht. Stattdessen rieb sie sich die Reste des Albtraums aus den Augen und griff nach der Smartbrille auf dem Nachttisch. »Vee, starte die Asteria-App.«

»Anwendung wird geladen«, antwortete die virtuelle Assistentin mit dem rauchigen Stimmenprofil einer Schauspielerin, die vor den Ressourcenkriegen zu den Berühmtheiten gezählt hatte. Die nötigen Audiospuren zu beschaffen, war nicht einfach gewesen, doch die Mühe wert. Die Stimme machte es L leichter, zu vergessen, dass sie mit einer künstlichen Intelligenz sprach. Assistenz-KIs waren ihr nicht ganz so unheimlich wie die weit verbreiteten Servicebots, aber nah genug dran.

Die Bilder auf dem Hologlas erwachten bereits zum Leben, bevor Vees Worte verklungen waren. Das Firmenlogo der Silverline Company leuchtete auf. Eine Sekunde lang drehte sich der Ladering um das Raumschiff in der endlosen Weite des Weltalls, begleitet von dem Werbejingle des interstellaren Unternehmens. Dann löste sich die Abbildung auf und wich der Übersicht zahlreicher Benutzerprofile. Wartende Passagiere des ersten irdischen Tiefenraum-Kolonieschiffs. Die Asteria würde in knapp zwei Monaten aufbrechen, um einen neuen Planeten zu erschließen. Was für unglaubliche Zeiten dies doch waren.

L nahm das altmodische Sensorpad vom Nachttisch und zog es sich wie eine zweite Haut über die Hand, so dass sie die Smartbrille durch Berührungen auf dem Handrücken bedienen konnte. Sie navigierte durch die Benutzerprofile der Applikation. So viele neue Gesichter und Namen füllten jeden Tag die Liste. Keines davon interessierte L und trotzdem tat sie oft minutenlang so, als wäre sie nicht aus nur einem einzigen Grund hier. Am Ende wechselte sie ja doch zu ihren gespeicherten Favoriten.

Nur zwei der unzähligen Profile warteten dort auf sie. Das ihres Freundes Markus: SecChief@Asteria; und das einer Passagierin: Eboni@Asteria. L rief den Feed von Eboni auf und arbeitete sich durch die jüngsten Aufnahmen. Hin und wieder vergrößerte sie eines der Holos und verweilte einen Moment.

Eboni blickte aus der digitalen Welt zu ihr zurück und zwinkerte in die Kamera. Mal wirkte sie verträumt und sanft, mal hatte sie den Blick einer Raubkatze. Letzterer ließ Ls Körper auf die beste Art schaudern. Dieser Blick nahm L stets gefangen und veranlasste ihr Herz dazu, schneller zu schlagen. Sie spürte das vertraute Ziehen unter der Bauchdecke, die Sehnsucht, das unangebrachte Verlangen. Eboni verstand es, auf subtile Weise mit der Kamera zu spielen und mit den Menschen, die ihre Beiträge abriefen. Unklar war an dieser Stelle nur, ob L die einzige Perverse war, die Eboni zur Protagonistin ihrer schmutzigen Fantasien machte.

Sinn und Zweck der Asteria-App gingen freilich in eine völlig andere Richtung als Ls Gedanken, so viel war klar. Sie hatte die App auf Anraten ihres Freundes Markus installiert. Dessen Intention bestand darin, dass L sich mit den Auswanderern vertraut machte. Sie kennenlernte. Er hoffte, dass L sich ihnen – und ihm – anschließen würde. In dieser Hinsicht gab es bisher keinen Erfolg zu vermelden, und wenn Markus wüsste, wofür L die App stattdessen missbrauchte, würde er sicher eine schnelle Deinstallation fordern. Er würde es nicht im Geringsten gutheißen, dass L sich in romantischen bis erotischen Fantasien mit einer der Passagierinnen verlor. Aber L konnte es nicht ändern. Sie hatte sich in dieses Profil verliebt.

Bei ihrem ersten Besuch in Ebonis virtuellem Raum war L sofort in ein unsichtbares Netz gestolpert und sie versuchte seither erfolglos, sich daraus zu befreien. Eboni stellte ein ausgesprochen attraktives Spinnchen dar. Im Grunde war ihr Account einer wie tausend andere. Nicht eins der öffentlichen Profile war provozierend oder auch nur ansatzweise erotisch ausgelegt. Für derlei Inhalte brauchte man einen Extra-Zugang, doch an denen hatte L kein Interesse. Sie war nur hier, um Eboni zu sehen. Manchmal redete sie bloß mit ihr und erzählte ihr von den Ereignissen des Tages. Eine einseitige Unterhaltung, denn L hatte nie Kontakt zu Eboni aufgenommen und plante auch nicht, es zu tun. Was sollte sie ihr schon sagen? ›Hallo, mein Name ist L und ich träume jede Nacht und manchmal sogar am Tag von dir. Darf ich dich in mein Schlafzimmer einladen?‹ – das Desaster wäre vorprogrammiert.

Außerdem war Eboni nicht mehr lange auf der Erde. In ein paar Wochen würde sie diesen Planeten verlassen und zu einer knapp hundertjährigen Reise durch das Weltall aufbrechen. Was auch immer sich aus einer Kontaktaufnahme ergeben mochte, hätte keine Zukunft. Nicht zuletzt fürchtete sich L davor, dass die echte Eboni den Traum von ihr zerstören würde. Doch L brauchte den Traum. Wenigstens noch für eine Weile. Und so begnügte sie sich mit den Holos, die Eboni in der App teilte.

Zusammengefasst ließ sich sagen, dass es für L höchste Zeit zu sein schien, sich in den Dating-Pool zu stürzen und ihre unfreiwillige Enthaltsamkeit zu beenden. Das hätte ihr schon klarwerden müssen, als sie damit anfing, schnulzige Liebesromane aus längst vergangenen Zeiten zu lesen. Leider ließ sie bereits der Gedanke an erzwungene Treffen und die Hürden des ersten Kennenlernens in eine Art Schockstarre verfallen. Die Datingwelt war eine, die L unbekannter erschien als die heutige Erde, ja sogar fremdartiger als die Existenz der Telarin. Und selbst wenn L diesen überaus unangenehmen Prozess des Kennenlernens überstand, dann war es damit schließlich noch nicht getan. Wenn sie Pech hatte, fing das ganze Drama hier erst richtig an. Eifersucht, Streit, die unvermeidliche Trennung. Nicht, dass L da viele Erfahrungen vorzuweisen vermochte. Sie bezog ihr diesbezügliches Wissen hauptsächlich aus Büchern und Filmen, hegte jedoch nicht viel Interesse dafür, diese Dinge aus erster Hand zu erfahren. Zusätzlich besaß sie ein ausgeprägtes Vertrauensproblem. Mit anderen Worten: Es war hoffnungslos. Ls Geschick, reale Frauen kennenzulernen, war nur geringfügig besser als ihre Fähigkeit, sie dauerhaft für sich zu gewinnen. So viel hatte L in den letzten fünf Jahren gelernt.

Berufsbedingt verbrachte sie nur wenig Zeit in ihrem eigenen Zuhause. Sie kam oft tage- oder wochenlang gar nicht heim, manchmal sogar für Monate nicht. Ihr treuer Kaktus Cornichon überstand das problemlos, ihre zaghaften Beziehungsversuche dagegen nicht. Vielleicht lag es auch schlicht daran, dass L verlernt hatte zu lieben, wie es ihre letzte Bekanntschaft formulierte. L war sich allerdings nicht sicher, ob es bei ihr viel zu verlernen gab. Das Leben zu ihrer Zeit war völlig anders gewesen und ›Sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage‹ bedeutete oft genug, dass das gemeinsame Leben tatsächlich nur noch Tage währte. Sie hatte für den Moment gelebt, nicht für das Morgen.

Was blieb L unter diesen Voraussetzungen also anderes übrig, als sich in die Fantasien mit einem unbekannten Menschen zu flüchten, der nichts von Ls Existenz ahnte? Eboni würde L nie nach längerer Abwesenheit ignorieren und ihr nie vorwerfen, dass sie öfter bei ihren Schutzbefohlenen übernachtete als bei ihrer Partnerin. Ironisch daran erschien L, dass sie selbst diejenige war, die leichter zur Eifersucht neigte und in nunmehr altmodischen Denkmustern feststeckte. So viele ihrer Verhaltensweisen und Vorstellungen galten inzwischen als altmodisch. Heutzutage gab es beispielsweise mehr polygame als monogame Beziehungen und Ls oft lange Abwesenheit in Kombination mit ihrem Unwillen, polygam zu leben, führte unentwegt zu Streit. Sie war da mehr wie ein Pinguin. Wenn sie jemanden liebte, dann verschrieb sie sich ganz diesem einen Menschen und fühlte sich wohl dabei. War es zu viel verlangt, dass auch sie für jemanden der Pinguin sein wollte? Möglicherweise lag darin das eigentliche Problem. L hatte ihren Pinguin verloren und nun waren sie ausgestorben.

Ein cleverer Mensch in ihrer Situation würde sich vermutlich einen Intimbot anschaffen. Die ließen sich an jeden Wunsch anpassen. Wenn ihr die Dinger bloß nicht so dermaßen unheimlich wären … Schon der Gedanke daran, mit einem Roboter in einem Raum zu sein, egal wie menschlich er aussah, erstickte sämtliches Interesse im Keim. Ls Vorstellung nach brauchte es nur einen kleinen Programmfehler und aus dem zärtlichen Intimbot wurde eine Killermaschine, die ihr mit einem Fingerschnippen das Genick brach. Eine imaginäre Partnerin schien L da eine deutlich ungefährlichere Lösung zu sein.

Entschlossen drückte sie ihre Anerkennung unter Ebonis jüngstes Holo. Aurora-131 schickt dir Sterne!

Sie navigierte weiter durch die Holos und fand die eine Aufnahme von Eboni, mit der Ls peinliche Obsession ihren Anfang genommen hatte. Es war ein neckischer Blick über die halb heruntergezogenen, pinken Gläser der Modebrille hinweg, den Zeigefinger locker auf dem Brillenbügel und ein Lächeln auf den Lippen, das einem die Knie weich werden ließ. Mit diesem Blick schien Eboni L direkt in die Seele zu schauen und sie herauszufordern.

›Tag der Begegnungen auf der Asteria! Gönne mir eine Pause mit TimTinTin@Asteria und einem Lemon Beach Cocktail‹, lautete die Beschreibung dazu, die als schwebendes Fenster neben dem Holo eingeblendet wurde.

L wischte den Textblock mit Hilfe ihres Sensorpads beiseite. TimTinTin und seine kreative Gesichtsbehaarung in drei Farbtönen tauchten für ihren Geschmack deutlich zu oft in Ebonis Feed auf. Sie trug keinen Sindex, folglich hatte L keine Ahnung, was für Präferenzen Eboni bei der Partnerwahl hatte. Die Vertrautheit zwischen Eboni und TimTinTin ließ jedoch vermuten, dass sie eine Beziehung führten. Das, in Kombination mit dem Fehlen eines Sindex an Ebonis Ohr, schickte eine Welle der Eifersucht über L hinweg. Personen nahmen den Stecker auf der Scapha des Ohrs oft ab, wenn er seinen Zweck erfüllt hatte oder wenn kein Interesse an intimen Kontakten bestand. In jedem Fall ließ sich das Fehlen des Sindex übersetzen mit: Mach mich nicht an!

Zum Glück störte sich die digitale Eboni nicht daran, dass L dieses eindeutige Signal ignorierte und Eboni in der Fantasie zur willigen Gefährtin wurde. Einmal mehr strich sie daher über das Sensorpad, vergrößerte das Holo und schob es so zurecht, dass der gut gelaunte Mann aus dem Sichtfeld fiel und Eboni ausschließlich für L existierte.

Auf dem Bild trug Eboni eine durchscheinende Bluse, die ein wenig zur Seite gerutscht war und eine ihrer Schultern freigab. Ein Teil ihres gelben Bikinioberteils lugte unter dem weißen Stoff hervor. Gelb war eine Farbe, die nicht allen Menschen stand – L hätte damit ausgesehen wie der farblose Teil eines Spiegeleis –, doch Ebonis dunkler Hauttyp harmonierte mit der sonnigen Farbe ebenso wie das krause schwarze Haar, aus dem ihr einzelne Kringel ins Gesichts fielen. Im Hintergrund erstreckte sich ein wolkenloser Himmel in alle Richtungen, die Ecke einer Liege und die Blätter irgendeiner Palmenart ragten seitlich ins Holo. Künstliches Sonnenlicht strahlte Eboni an und zeichnete leuchtende Konturen um sie.

Die Aufnahme ließ L leicht die Bilder und Schrecken ihres Albtraums vergessen, denn das Einzige, woran sie jetzt noch dachte, war, dass sie gerne mit ihren Fingern über diese samtige Haut streichen, der Kurve von Ebonis Halsbeuge folgen und die Bluse zärtlich von ihrer Schulter streifen wollte. L wollte sie auf die Strandliege niederdrücken und den Geschmack ihrer Lippen kosten, während ihre Finger die Wärme von Ebonis Schoß erkundeten. Wie schön die leisen, lustvollen Töne klingen mussten, die aus diesem Mund kämen. Welche Wonne es wäre, den eigenen Namen zwischen ihnen zu entdecken.

Wie von selbst wanderte Ls Hand über ihren Körper, strich über die Bauchdecke und verschwand schließlich in ihrem Slip. Sie spürte den Puls und das warme Sekret an den Fingern. Was war schon dabei? Eboni würde nie erfahren, was L in der Abgeschiedenheit ihres Schlafzimmers trieb. Und so befahl sie ihrem Gewissen, still zu sein und sich der ruchlosen Fantasie hinzugeben, in der sie Eboni verlockende Dinge ins Ohr flüsterte und noch verlockendere Dinge mit deren Körper anstellte.

Ls Atmung entwickelte eine unruhige Kadenz, als sich Ebonis Schenkel in Gedanken mit ihren verwoben. Als sich imaginäre Hände in Ls Haar vergruben, zog sie den gelben Stoff von Ebonis Busen und schloss die Lippen um die Brustwarze, die darunter zum Vorschein kam. Eboni sog scharf die Luft ein und L antwortete ihr mit einem ähnlich lustvollen Ton, der sich ihrer Kehle entwand. Wärme breitete sich zwischen Ls Schenkeln aus und sie spürte den neuen, feineren Schweißfilm, der sich auf ihrer Haut bildete. Das Kribbeln und Ziehen in ihrem Körper verdichtete sich, sammelte sich in diesem einen winzigen Punkt unter Ls Fingerspitzen. Während die imaginäre Eboni früh genug darum bettelte, von L erlöst zu werden, flossen Erregung und Anspannung mit einem enthemmten Stöhnen auch aus L heraus. Die Muskeln in ihrem Unterleib zogen sich ein paar Mal zusammen, bevor die Wellen verebbten und sich ein Mantel der Zufriedenheit über sie legte.

»Eboni«, murmelte L halb erleichtert und halb beschämt. Sie öffnete die Augen, begegnete dem Holo, das noch immer von den Gläsern der Smartbrille auf L schaute. Diesmal schien Ebonis Blick ein vorwurfsvoller zu sein.

»App schließen, Vee«, ordnete L an und die KI gehorchte umgehend. Ebonis Antlitz verschwand aus Ls Sichtfeld, aber nicht aus ihrem Geist. Sie rieb sich den Schweiß von der Stirn, vernahm die kraftvollen Schläge ihres Herzens und beobachte Eboni in der Fantasie dabei, wie sie sich an Ls Seite schmiegte, an ihrem Ohrläppchen knabberte und herausfordernd fragte: War das schon alles?

L schmunzelte und zog es in Erwägung, der Traum-Gefährtin zu zeigen, wie viel mehr es da noch gab, doch in dem Moment fuhr der Weckruf schrill dazwischen und erklärte Ls solistisches Stelldichein für beendet. Sie schaltete den Alarm ab und sah die Benachrichtigung in der neu aufgesprungenen Infobox:

Falcon-Sec:

Außerordentliche Besprechung um 9:30 Uhr angesetzt. Ihre Teilnahme ist verpflichtend. Code 37/§1

L seufzte. Sie musste nicht erst im Regelwerk ihres Arbeitgebers nachschlagen, um zu wissen, was der Code bedeutete. Es war offensichtlich naiv gewesen zu hoffen, dass ihr letzter Einsatz keine Probleme nach sich ziehen würde.

Sie warf die Bettdecke von sich, trank von dem Elektrolytwasser auf dem Nachttisch und lief ins Badezimmer. Ihrem Singledasein würde sich demnächst vermutlich die Arbeitslosigkeit hinzugesellen, was Ls Marktwert bei realen Frauen wohl weiter reduzieren dürfte.

Willkommen im Delta-Komplex

ID: Niobe

Der Türsummer ließ Niobe zusammenzucken, obwohl sie das Geräusch schon unzählige Male gehört hatte. Der Schreck aus der Simulation saß ihr noch immer in den Knochen und machte sie sprunghaft. Dabei hatte sie sich fest vorgenommen, der makabren Botschaft keine Beachtung zu schenken. Irgendein emotional verrostetes Individuum wollte sich auf ihre Kosten amüsieren, doch auf das Spiel ließ sie sich nicht ein. Auf keinen Fall.

»Guten Tag«, begrüßte sie den diensthabenden Sicherheitsbeamten, der hinter der Glasscheibe des Anmeldeschalters saß. Wieder ein neues Gesicht. Die Mitarbeiter im Delta-Komplex wechselten häufig. Die wenigsten arbeiteten hier, weil sie es wollten. Sie taten es, weil sie hierher versetzt wurden. Meistens zur Strafe für ein Fehlverhalten oder weil sie schlicht das kürzere Los gezogen hatten. Der junge Mann vor ihr gehörte sicher nicht zu denen, die freiwillig hier waren, denn er schaute Niobe auf eine so mürrische Art an, dass ihn der Gesichtsausdruck um Jahre älter erscheinen ließ. »Niobe Anvar für Julie Medina.«

»Wie war das?«, fragte er mindestens so säuerlich, wie er dreinblickte.

»Ich möchte zu Julie Medina, bitte. Block 1, Zimmer 46. Sie ist meine Cousine.«

»Wie lautet die Registriernummer des Subjekts?«

Des Subjekts.

Verachtung flammte in Niobe auf. »Wie bitte?«, erwiderte sie mit einem gefährlichen Unterton.

»Re-gis-trier-num-mer«, betonte der Kerl jede Silbe, als wäre Niobe irgendwie schwer von Begriff.

Eintausend Beleidigungen, Drohungen und Entwürfe für Beschwerdetexte kamen Niobe in den Sinn. Sie wollte diesen Mistkerl hinter dem Schalter hervorzerren und ihn solange ohrfeigen, bis ihre Handabdrücke eine permanente Residenz auf seinen Wangen eingerichtet hatten und er wimmernd nach dem Elternteil seiner Wahl rief. Doch sie wusste, dass jede Reaktion von ihr die Situation nur verschlimmern und Julie auf seine persönliche Abschussliste setzen würde. Und zwar für die gesamte Dauer, die er auf diesem Posten festsaß.

Sie atmete durch und schluckte den Ärger hinunter. Sechs Wochen, Niobe. Nur noch sechs kurze Wochen, ermahnte sie sich im Geiste. Sollte der Kerl das armselige bisschen Macht genießen, das ihm der Job verlieh, denn über mehr konnte sich diese respirierende Nullnummer offenbar nicht freuen.

»C-F493-1«, sagte Niobe, nachdem sie sich gesammelt hatte.

»Na also. Geht doch.« Der Mann grinste gönnerhaft und zeigte auf das Eingabefeld, das auf seinen Befehl hin auf der Glasscheibe aufleuchtete.

Niobe knallte die Handfläche härter als beabsichtigt auf das Hologlas, so dass ihre Hand kribbelte und es laut widerhallte. Der Beamte zuckte zusammen und das Grinsen fiel ihm aus dem Gesicht. Niobe dagegen starrte ihm unbeeindruckt in die Augen, hielt seinen Blick fest. »Beten Sie dafür, dass Sie nicht irgendwann auf der anderen Seite der Schleuse landen, Ke. Es geschieht manchmal schneller, als Sie sich vorstellen können.«

Seiner Reaktion nach zu urteilen interpretierte er Niobes Worte offenbar als Drohung, denn seine Augen weiteten sich und sein Gesicht wurde bleich. Er trat sogar einen halben Schritt zurück. Es dämmerte ihm vielleicht, dass es zwar dem Gesetz egal sein mochte, was er hier drin anstellte, einer rachsüchtigen Verwandten aber womöglich nicht. Nun, sei’s drum. Besser er hatte Angst vor ihr, als zu glauben, dass er alles mit den Cybes machen konnte, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.

Das Sicherheitssystem bestätigte Niobes Identität und ein weiterer Türsummer ertönte. Der Sicherheitsbeamte entspannte sich, als sie ihm den Rücken zukehrte und durch die nächste Tür trat. Von der freien Welt in den geschlossenen Komplex des Deltas.

Schon auf den ersten Metern schlug Niobe die übliche Trostlosigkeit entgegen. Graue, monotone Mauern, ein Gang voller Türen, die sich nur durch die Zahlenreihe auf den Plaketten unterschieden. Keine Grünpflanzen zur Auflockerung, keine Bilder an den Wänden. Mit seiner Monotonie und Tristesse galt der C1-Block dabei als das gastfreundlichste der drei Anlagesegmente. In den C2-Block kam man nur mit Sondergenehmigung hinein, und was im C3-Block vor sich ging, daran wollte Niobe nach Möglichkeit lieber nicht denken. Zu grausam und unmenschlich waren die Informationshappen, die sie durch die Arbeit ihrer Mutter kannte. Im C3-Block befanden sich, neben ausgemusterten Cybes aus dem Militär- und Sondereinsatzbereich, all jene, die straffällig wurden. Solche wie die drei Cybes, die vor fünfzig Jahren Amok gelaufen waren und mehr als drei Dutzend Menschen ermordet hatten, bei dem Versuch, die Kontrolle über das Meta-Cluster zu bekommen. Wer das Meta-Cluster kontrollierte, kontrollierte die Welt.

Dieser Vorfall hatte dem GUmS den roten Teppich ausgerollt. Niobe wünschte sich oft, dass dieses Ereignis damals nicht stattgefunden hätte. Es war ein derart sinnfreier und aussichtsloser Angriff gewesen, der bis heute weitreichende Folgen für alle Cybes nach sich zog.

Niobe atmete schwer aus. Die Hoffnungslosigkeit der Cybes, die ihr im C1-Block entgegenschlug, reichte völlig aus, um sie an der Daseinsberechtigung der Menschheit zweifeln zu lassen. Die Cybes im C1-Block hatten nie Rechtswidrigkeiten begangen, trotzdem waren sie gezwungen, ihr Leben im Delta zu verbringen. Wie Gefangene. Selbst die Kinder. Von denen gab es nicht viele, aber eben doch ein paar, deren Überleben von der Kybernetik abhing. Das Geschäft für freiwillig implantierte Modifikationen, die oft modische oder praktische Gründe hatten, war mit der Verabschiedung des GUmS längst vollständig zum Erliegen gekommen. Wer damals bereits Erweiterungen trug, die nicht mehr umkehrbar waren, saß seither in einem Komplex wie dem Delta fest. Ein in sich geschlossenes System aus Leben und Arbeit, aus dem es kaum einen Weg nach draußen gab.

Niobe erreichte Julies Zimmer. Bevor sie eintrat, atmete sie tief durch und schickte mit dem Ausatmen all die Gedanken hinaus, all den Ärger über das, was in der Welt geschah. Julie durfte nichts von Niobes innerer Zerrissenheit sehen. Also setzte sie ihr heiteres Lächeln auf, klopfte an und trat in das Zimmer ein.

»Niobe!«, rief Julie sofort. »Ich habe schon befürchtet, du schaffst es nicht durch die demonstrierende Meute da draußen!«

Niobe seufzte. »Woher weißt du, dass vor den Toren des Deltas demonstriert wird?«

Julies Blick sprang nur kurz zu der Pflegerin, die sich ebenfalls im Raum befand. Lang genug, um Niobe die Antwort zu liefern.

»Warum erzählen Sie ihr davon, Ke Lambert?«

»Tut mir leid. Ich war heute früh ein wenig aufgeregt, weil ein GUmS-Gegner mit einem Delta Guard aneinandergeraten ist, gerade als ich zum Dienst kam. Da ist es mir wohl herausgerutscht.«

Herausgerutscht. Niobe schloss einen Moment die Augen und zählte bis zehn. Ane Lambert gehörte zu Julies liebsten Betreuerinnen. Sie war eine der wenigen Hilfskräfte, die sich freiwillig für die Arbeit im Delta entschieden hatten. Schon diese Tatsache brachte etwas mehr Freude in das Leben der Cybes, vor allem in das von Julie.

»Sei nicht so hart zu Ane, Niobe. Sie muss schließlich jeden Tag an diesen Leuten vorbeigehen und sich nicht selten Beleidigungen aus einem der Lager anhören.«

Leider wahr, dachte Niobe und atmete noch einmal durch. »Nun, im Moment stehen da draußen nur friedliche Demonstranten, die brav hinter den Markierungen bleiben und Freiheit für Cybes fordern.«

»Wirklich?«, warf Ane überrascht ein. »Und was ist mit den Befürwortern des GUmS?«

»Allenfalls eine Handvoll, auf der anderen Seite der Absperrung. Während der Regenzeit demonstrieren diese Höhlenmenschen mit ihren Holoscreens offenbar nicht so gerne«, antwortete Niobe.

Ane Lambert nickte. »Ist mit Ihnen alles in Ordnung, Ke Anvar? Sie sehen mitgenommen aus«, bemerkte die Pflegerin aufmerksam.

»Es war ein holpriger Morgen, aber nun bin ich hier. Habe ich etwas Wichtiges verpasst?«, fragte Niobe, die lieber nicht näher auf das Thema eingehen wollte. Glücklicherweise schien Ke Lambert den Wink zu verstehen und zeigte auf das Holofeld, das zwischen ihr und Julie schwebte. Der schwarze König stand im Matt.

»Julie hat mich erneut im Schach geschlagen. Sie ist einfach zu schlau für mich.«

»Ich kenne das Gefühl«, gab Niobe lachend zurück. »Was machen die neuen Implantate?«

»Die Wundränder verheilen nicht gut und entzünden sich immer wieder, aber wir werden es in den Griff bekommen. So wie immer. Nicht wahr, Julie?« Die Angesprochene nickte mit einem etwas gequälten Lächeln. »Ich lasse euch beide dann alleine. Gleich ist Schichtwechsel. Ke Emir übernimmt bis morgen früh«, sagte Ane Lambert und erhob sich von ihrem Platz.

»Hab einen schönen Feierabend, Ane«, gab Julie zurück. Die Pflegerin nickte ihr freundlich zu, ehe sie in den Gang entschwand und die Tür hinter sich schloss.

»Ke Emir«, begann Niobe. »Ist das ein männlicher Organischer mit dunklen Haaren und einer nicht übersehbaren Abneigung für Cybes?« Der unfreundliche Neue am Anmeldeschalter kam ihr in den Sinn.

»Nein, das ist Steibel. Der hat eine große Klappe, setzt seinen Fuß aber nur selten hinter die Schleuse«, antwortete Julie.

»Gut. Würde mich nicht wundern, wenn der in seinem Spind einen eigenen Holoscreen mit Neonanzeige darauf versteckt, mit dem er sich nach Feierabend zu seinen GUmS-Freunden stellt.«

Julie lachte. »Dafür ist Steibel sicher zu feige. Ke Emir ist ein deutlich sympathischerer Mensch. Einer von uns. Ein Cybe, der seit ein paar Monaten erst im Delta lebt. Er hat sich kybernetische Augen einpflanzen lassen.«

»Nur die Augen? Wieso hat er keinen Organersatz dafür beantragt?«, fragte Niobe.

»Er hat die Vorstellung nicht ertragen, dass seinetwegen ein Tweak das Augenlicht verliert.«

»Ein ziemlich großes Opfer, das er da gebracht hat.«

Julie nickte. »Ich weiß nicht, ob ich an seiner Stelle genauso selbstlos gehandelt hätte. Anders als Ke Emir hatte ich keine Wahl. Ich war ja noch ein Kind, als der Unfall geschah, und die Verletzungen waren ohnehin zu groß und umfangreich, als dass es mit der Transplantation von ein paar Organen getan gewesen wäre. Aber wenn ich die Wahl gehabt hätte, wenn es gereicht hätte, die Organe eines Tweaks zu nehmen, um kein Cybe sein zu müssen … Ich bin froh, dass das Schicksal diese Wahl für mich getroffen hat.« Julie senkte beschämt den Blick. »Mona wäre sicher sehr enttäuscht von mir gewesen, hätte sie gewusst, wie ich denke. Sie hat so lange dafür gekämpft, das GUmS abzuschaffen. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass sie den Tweaks noch mehr helfen wollte als den Cybes. Immerhin gesteht man uns noch zu, eine Seele zu haben. Wenn auch eine beschädigte. Ich fühle mich Mona gegenüber wie eine Verräterin.«

»Sei nicht so hart zu dir, Julie. Mona hätte das sicher verstanden. Das GUmS ist schuld daran, dass wir lieber Tweaks für unser eigenes Wohlergehen opfern, als kybernetische Alternativen zu wählen. Es ist schuld daran, dass du im Delta eingesperrt bist und über solche Dinge nachdenken musst.«

»Du verurteilst mich nicht für meine Gedanken?«

»Natürlich nicht, Julie. Und jetzt sag mir erstmal, was es mit deinen Entzündungen auf sich hat. Solltest du damit nicht im Krankenflügel sein?«

»Ach, du weißt doch, wie charmant das medizinische Personal bei uns ist. Manchmal wünschte ich, sie würden uns hier drin Servicebots erlauben. Die wären garantiert herzlicher als das menschliche Personal. Mit Ausnahme von Ane, versteht sich. Ich bin jedenfalls lieber hier als auf der medizinischen Station, und dass es nach Operationen ein bisschen ziept, ist nicht neu.«

»Das klingt für mich nicht wie das übliche Ziepen.«

»Es ist nichts, Nio. Mach dir keine Sorgen. Erzähl mir lieber, was mit dir los ist. Du wirkst irgendwie … angespannt.«

Niobe wich dem forschenden Blick ihrer Cousine aus und schaute stattdessen zu den Anzeigen, die über Julies Holodesk schwebten. Bilder von Niobes und Julies Müttern. Die beiden Schwestern sahen einander nicht besonders ähnlich, doch Niobe wusste, dass es ein unsichtbares Band zwischen ihnen gegeben hatte. Eines, das genauso stark gewesen war wie das zwischen Niobe und Julie. Mona hatte so oft und liebevoll über die verstorbene Schwester gesprochen. Ob die beiden es auch gespürt hatten, wenn die eine der anderen etwas verschwieg? Es gab so vieles, was Niobe Julie nicht erzählen konnte.

»Nio? Was ist mit dir?«

»Nichts von Bedeutung«, wiegelte Niobe schnell mit einem Lächeln ab. »Ein Streamjumper hat mich heute Morgen bei meiner Laufrunde gestört. Das hat mir die Stimmung etwas verdorben.«

»Parasiten«, antwortete Julie verständnisvoll. »Das ist der einzige Vorteil daran, im Delta zu leben. Keine Streamjumper im clusterlosen Land der Cyborgs.«

»Versteh mich nicht falsch, aber es wäre mir sehr viel lieber, du müsstest dich mit Streamjumpern plagen, als im Delta zu leben«, sagte Niobe bloß.

»Ich sehe schon, du brauchst etwas Aufheiterung. Hier, ich habe gerade ein Buch rekonstruiert, das dir gefallen wird. Es hat Magie und Witz, Romantik … Genau das Richtige für dich.« Julie nahm die Halskette mit dem Datenträger daran ab und legte sie Niobe um. Dann fuhr sie im Flüsterton fort. »Es sind auch neue Szenen zu Talulah Yorks nächstem SimBook darauf. Gibt es Neuigkeiten von ihr? Arbeitet sie an etwas?«

Schmunzelnd fuhr Niobe mit dem Daumen über die Initialen auf dem Medaillon. Seit fünf Jahren tauschten die beiden den Datenträger hin und her. Seit Julie die Genehmigung erhalten hatte, für das Institut für Historische Rückgewinnung zu arbeiten. Eine gemeinnützige Einrichtung, die zum Ziel hatte, Spuren der menschlichen Vergangenheit zu bergen. So viele Informationen, so viel Kunst und Kultur, waren während der Ressourcenknappheit verloren gegangen und vieles unwiederbringlich zerstört worden. Doch manchmal tauchten zwischen den Trümmern restaurationsbedürftiger Hexagone alte Datenträger und durch viel Glück konservierte Papiererzeugnisse wieder auf.

Niobe hegte ein zwiespältiges Gefühl für die Arbeit des Instituts. Einerseits schätze sie es sehr, die Geschichten und Ereignisse der Vergangenheit kennenzulernen, andererseits nutzte das Institut die Lage der Cybes aus. Die Inhalte von völlig veralteten Festplatten oder echten Papierbüchern wiederherstellen und archivieren zu lassen, war zeitintensiv und Zeit war Geld. Da kam es sehr gelegen, dass man auf Cybes zurückgreifen konnte, die die Arbeit kostenfrei erledigten und im Gegenzug ein paar Privilegien im Delta erhielten. Nicht unbedingt optimal.

Doch Niobe wusste, wie gerne Julie für das Institut Daten rekonstruierte. Von den Tätigkeiten, denen man als Cybe im Delta nachgehen konnte, war dies eine, die Julie forderte und ihr gleichzeitig Freude bereitete. Außerdem bekamen Niobe und Julie dadurch auch die Möglichkeit, eigene Ziele zu verfolgen. Denn die Daten für das Institut gehörten zu den wenigen, die das Delta verlassen durften. Dass dabei nur physische Datenträger und keine Online-Verbindungen mit dem Cluster erlaubt waren, erwies sich in diesem Fall als nützlich. Nach Julies Zulassung zum Instituts-Programm hatte sich auch Niobe als Botin und Qualitätsprüferin registrieren lassen, so dass sie Julies Daten abholen und an das Institut weiterreichen konnte. Selbstverständlich wurden die Datenträger bei Betreten oder Verlassen des Deltas stets einer gründlichen Sicherheitskontrolle unterzogen. Aber wer sollte schon unterscheiden können, ob man darauf nun einen rekonstruierten Roman oder ein noch unveröffentlichtes Manuskript gespeichert hatte?

»Talulah hat mir noch keine neuen Texte geschickt. Gerade kämpft sie mit einem kleinen Durchhänger. Kürzlich ist durchgesickert, dass sie auf die Asteria geht. Seitdem wird sie von Nachrichten und Anfragen überschwemmt und findet nicht viel Ruhe zum Schreiben«, berichtete Niobe.

»Oh. Aber ich wette, das treibt die Verkaufszahlen in die Höhe.«

»Sowohl die ihrer SimBooks als auch die der Silverline Company.« Niobe nickte. »Ist es nicht verrückt, dass manche Menschen ihr bis nach Gaia folgen wollen?«

»Huh. Ich hoffe, die haben sich gut überlegt, was sie da tun, und noch bessere Gründe dafür, nach Gaia zu gehen. Es gibt kein Zurück mehr, wenn die Asteria erst einmal unterwegs ist«, gab Julie zu bedenken. »Andererseits ist es für Talulahs Karriere nicht schlecht, wenn ihr ein paar Fans folgen. Dann muss sie nicht wieder bei Null anfangen. Neunzig Jahre Kälteschlaf sind nicht gerade gut fürs Marketing.« Julie lachte leise und auch Niobe musste ein wenig schmunzeln.

Zwangsurlaub

ID: L

»Guten Morgen, Hinata.«

»L! Da bist du ja endlich! Ich habe schon befürchtet, du ignorierst den Termin«, rief die Kollegin mit einem gehetzten Blick.

»Keine schlechte Idee«, entgegnete L, in deren Magen sich, auf dem Weg zu Falcon Security, ein unangenehmer Knoten gebildet hatte. »Weber?«, fragte L knapp.

Hinata nickte. »Sie hat Beschwerde gegen dich eingereicht.«

»Keine allzu große Überraschung.«

Wieder nickte Hinata. »Hagen, Ke Weber und eine Vertretung aus der Personalabteilung warten schon im Besprechungszimmer auf dich.«

»Fantastisch.« L seufzte leise und straffte das asymmetrisch geschnittene Jackett ihres Hosenanzugs. »Wie sehe ich aus?«

»Jane Bond würde vor Neid erblassen«, antwortete Hinata betont überzogen, als würde sie dahinschmelzen.

Der durchgehend schwarze Sindex an Hinatas Ohr verriet, dass sie zwar nicht in einer Beziehung lebte, aber auch, dass sie kein Interesse an einer gleichgeschlechtlichen Liaison hegte. In der Hinsicht erwies sich diese Zeit, die L vor nicht wenige Herausforderungen stellte, als leichter. Damals war das Ausloten von sexuellen oder asexuellen Präferenzen ein großes Rätselraten mit einer umfangreichen Auswahl an Fettnäpfchen gewesen. Heute konnte man an Farbe und Beschaffenheit des Sindex ablesen, ob man grundsätzlich zusammenpasste. Oder ob überhaupt Interesse an einer Verpartnerung, welcher Art auch immer, bestand. Das ersparte einem doch ein paar unangenehme Momente im Alltag. Die Informationen, die ein Sindex transportierte, waren dabei so vielfältig wie die Menschen, die ihn trugen.

Ls Sindex war durchgehend weiß. Geradezu ein Klassiker. Trotz Hinatas und Ls eindeutig gegensätzlicher Orientierungen flirteten sie dennoch gerne zum Spaß miteinander. Es war diese Art von freundschaftlicher Beziehung, bei der das funktionierte, ohne dass es seltsam wurde.

»Tust du mir einen Gefallen, wenn du da drin bist, L?« Hinata zeigte in Richtung des Gangs, der zum Besprechungsraum führte.

»Welchen?«

»Liefere Hagen keinen Grund, dich zu feuern, okay?«

»Nicht noch einen, wolltest du wohl sagen.«

»Ich meine es ernst. Ke Weber ist auf Blut aus. Du willst mich doch nicht unglücklich machen?«

»Das würde mir nie einfallen«, versicherte L. Die Chancen standen allerdings fifty-fifty, dass ihrer ID nach dem Gespräch die Zugangsberechtigung zum Gebäude entzogen wurde.

»Am besten sagst du gar nichts, solange dir keine direkte Frage gestellt wird. Überlasse Hagen und der Personalvertretung das Reden.«

»Wünsch mir Glück?«

»Viel Glück, L.«

L atmete ein letztes Mal durch, dann lief sie den Gang hinunter. Sie hörte den spannungsgeladenen Wortwechsel, der durch die Tür des Besprechungsraums drang, und zögerte. Ihre Hoffnung auf einen glimpflichen Verlauf schwand dahin, doch das durfte sich L nicht anmerken lassen. Sie schüttelte die Arme, lockerte das Gemüt und setzte eine stoische Miene auf. Als sie sich sicher war, dass die Fassade standhielt, klopfte L an die Tür.

»Herein«, tönte es wenig einladend aus dem Zimmer zurück.

L berührte den Sensor, die Tür schwang auf und sie trat in den Raum. Am Konferenztisch saßen Ls letzte Schutzperson, Felica Weber, ihr Vorgesetzter Hagen Kranz alias CPO 1, und ein deutlich jüngerer Mann, von dem L annahm, dass er von der Personalabteilung kam. Sein Haar war orangerot gefärbt und fiel ihm wie Feuerzungen über die Schultern.

Felica Weber saß links außen und wirkte aufgebracht. Der Kopf von Ls Ex-Klientin war fast genauso rot wie die Haare des Personalers, was das Regenerationstape auf ihrem Nasenrücken deutlich hervorstechen ließ. Ihre königsblau lackierten Fingernägel glänzten in Metalloptik und tippten unruhig auf die Oberfläche des Glastisches. Ihr Blick bohrte sich mit glühender Verachtung in den von L.

»Guten Morgen«, sprach L in den Raum.

»CPO 42, bitte setzen Sie sich«, begann die Nummer 1.

L tat, worum sie gebeten wurde, und setzte sich auf den Stuhl ihm gegenüber. Dass er L so förmlich ansprach, war das erste Zeichen dafür, dass dieses Gespräch nicht angenehm werden würde.

»Ke Weber hat uns darüber informiert, dass der von Ihnen eingereichte Bericht die Ereignisse vom letzten Samstag nicht korrekt wiedergibt. Sie hat uns ihre Sicht des Vorfalls noch einmal eindringlich dargestellt.«

»Da bin ich mir sicher«, erwiderte L kalt und sah die Genannte ausdruckslos an. Sofort hörte L Hinatas warnende Worte in ihrem Geist. Sag am besten gar nichts. Ein Rat, den sich L vermutlich zu Herzen nehmen sollte, wenn sie ihren Job behalten wollte. »Darf ich fragen, was genau sie mir vorwirft?«

»Sie sitzt hier mit Ihnen am Tisch!«, beschwerte sich die betroffene Person aufgebracht.

Hagen Kranz räusperte sich. »Laut Aussage von Ke Weber haben Sie sie körperlich bedrängt, nachdem sie Ihre Avancen abgelehnt hat. In diesem Zuge kam es zu der unerfreulichen Verletzung von Ke Webers Nasenbein.«

Vor allem aber der Verletzung ihres Egos, dachte L.

»Nennen Sie das Kind beim Namen!«, verlangte die Ex-Klientin. »Sie hat mich sexuell belästigt und mir die Nase gebrochen!«

»Wie bitte?« L drängte das heranrollende Wutgefühl hinter eine Mauer der Gleichgültigkeit zurück. »Das ist eine Lüge.«

»Sie bleiben also bei der Aussage in Ihrem Bericht?«, fragte Hagen Kranz an L gerichtet.

»Selbstverständlich«, bestätigte L. Es kostete sie alle Mühe, nicht die Beherrschung zu verlieren. Diese Anschuldigung war auf so viele Arten falsch.

»Sie hat mich ganz ungeniert mit Blicken ausgezogen«, protestierte Felica Weber.

»Vielleicht verwechseln Sie mich mit einem Ihrer Anhänger, Ke Weber. Meine Blicke galten allein Ihrer Umgebung und potentiellen Angreifern. Ich habe es Ihnen mehrfach gesagt: Selbst wenn es nicht gegen die Firmenpolitik wäre, mit der Klientel intim zu werden, hätte ich kein Interesse an Ihnen. Sie sind es gewohnt, zu bekommen, was sie wollen, und nun versuchen Sie, mich dafür zu bestrafen, dass ich Sie abgewiesen habe. Sie werden feststellen, dass ich nicht der Typ Mensch bin, der sich davon einschüchtern lässt.«

L wusste nicht, wie es möglich war, doch das Rot in Felica Webers Gesicht färbte sich noch dunkler. Die langen und spitzen Fingernägel bohrten sich tief in Webers Fleisch, als sich deren Hände zu Fäusten ballten. Das musste wehtun.

»Wir sind uns alle einig, dass dies eine inakzeptable Situation ist«, mischte sich Hagen Kranz in das unheilvolle Schweigen ein, das Ls Worten gefolgt war. »Sie steht in keiner Weise für den hohen Standard, den wir hier bei Falcon Security anbieten.

---ENDE DER LESEPROBE---