Für die Behindertenintegration - Wilfried Kriese - E-Book

Für die Behindertenintegration E-Book

Wilfried Kriese

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Beschreibung

In diesem Buch beschreibt der Autor, der sprach-und lernbehindert war, und Legastheniger ist und die Wege eines sogenannten Lernbehinderten bewältigen mußte, Auszüge aus seinem Leben. Darauf aufbauend geht er auf die Behindertenintegration im Allgemeinen ein. Dieses Buch ist das erst Buch eines ehemaligen Lernbehinderten auf dem deutschen Buchmarkt (1991).

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Für die Behindertenintegration

TitelseiteVORBEMERKUNG1. TEIL: DIE BESONDERHEITEN EINES SOGENANNTEN EHEMALIGEN LERNBEHINDERTENDAS ERSTE BUCH EINES EHEMALIGEN LERNBEHINDERTENÜBERRASCHUNGSKANDIDAT2. TEIL: AUSZÜGE AUS MEINEM LEBENDER ANFANGDER RÜCKSCHLAGKLINISCHES JUGENDHEIMTHERAPEUTISCHE BEHANDLUNGKINDERGARTENZEITSPRACHHEILSCHULESONDERSCHULZEITBERUFSFINDUNGSJAHRAUSBILDUNG ALS HOLZFACHWERKERDER ERNST DES LEBENS3. TEIL: DIE INTEGRATION EIN LANGER SCHWERER WEGDIE BEHINDERTENINTEGRATIONLEICHT UND SCHWERBEHINDERTKINDERGARTENEINSCHULUNG UND SCHULZEITBERUFSAUSBILDUNGBERUFSLEBENLEBEN MIT BEHINDERTENFAMILIE4. TEIL: WAS HEISST HIER LEBENSWERT?KAUM LEBENSWERTWIE GESUND SIND GESUNDE?ANDERE SOZIALE RANDGRUPPENPARTNERSCHAFTEN5. TEIL:ENGAGEMENT GEGEN DIE SOGENANNTE NORMALITÄTENGAGEMENT FÜR BEHINDERTELEBEN IN DER GESELLSCHAFTKONSUM ÜBER ALLESBEHINDERTE IM STRASSENVERKEHRDER WOHLVERDIENTE URLAUB6. TEIL: IM ABSEITS DES GESELLSCHAFTLICHEN LEBENSWEGE IN DIE ABHÄNGIGKEITENTWICKLUNG UND SITUATIONBEHINDERTENKINDHEITSCHULEN UND WERKSTÄTTENHEIME UND WOHNGEBIETEDUMM SEIN IST ERLERNBARNACHWORT WIEDERVEREINIGUNGImpressum

Wilfried Kriese

FÜR DIE BEHINDERTENINTEGRATION

Ein direkt Betroffener informiert

ZUM TITELBILD

Jeder möchte doch in seinem Leben

eine Mauer niederreißen

Ich bedanke mich für die

liebe Hilfe meiner Frau.

Impressum

Wilfried Kriese

Mauer Verlag

Wilfried Kriese

Buchgestaltung Mauer Verlag

Titelbild: Wilfried Kriese

Edition Wilfried Kriese 2018

Erstveröffentlichung 1991

Alle Rechte vorbehalten

www.mauerverlag.de

www.wilfried-Kriese.de

VORBEMERKUNG

Seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland werden die Behinderten mit zunehmendem Ausmaß vom gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt.

Da ich selber davon betroffen war als auch noch bin, bekam und bekomme ich auf eine unangenehme Weise mit, was es bedeutet, am Rande der Gesellschaft zu stehen.

Da ich auf Grund eines Schockes einen schweren Sprachfehler erlitt, wurde ich in eine Sonderschule für Lernbehinderte eingeschult.

Neben dem Sprachfehler hatte ich noch Legasthenie, was bedeutet, daß mir das Lesen und Schreiben wesentlich schwerer fiel als anderen Menschen.

Darum lernte ich erst im Alter von elf Jahren einigermaßen Lesen. Um meine Schreibschwierigkeiten so weit es mit meiner Legasthenie geht, zu beseitigen, nahm ich von meinem dreiundzwanzigsten Lebensjahr an Kursen der Volkshochschule teil.

Da ich schon seit Jahren sehr gern meine Gedanken - trotz meiner Rechtschreibfehler - zu Papier bringe, kam ich auf die Idee, ein Buch zu schreiben, in dem ich mein Wissen über die Ursachen und Gründe der Ausgrenzung von geistig- und körperbehinderten Kindern/Jugendlichen als auch Erwachsenen aufzeigen möchte. Auch will ich über die Widersprüche in unserer gesellschaftlichen Ordnung informieren, der es bis zum heutigen Tag am Willen fehlt, die Behindertenintegration zu verwirklichen.

Im Vorfeld der Vorbereitungen zu diesem Buch ging mir oft der Gedanke durch den Kopf, warum gerade ich ein Buch über die Behindertenintegration schreiben soll.

Gerade ich, ein ehemaliger lernbehinderter Schüler, der unter anderem auf Grund seiner Schwächen in Deutsch in eine Sonderschule gesteckt wurde. Dabei stieß ich auf die Frage, warum ich eigentlich Sprechen, Lesen als auch Schreiben gelernt habe, obwohl dies nur mit äußerst großer Mühe und Schwierigkeiten ging. Damit ich besser durchs Leben komm? Sicherlich war das anfangs der Hauptgrund. Allerdings war ich mit dieser Antwort allein nicht zufrieden.

Denn ich will auch mit meinem selbst verfaßten/selbstgeschriebenen Buch beweisen, daß ein Mensch, der aus psychologischer wie medizinischer Sicht aufgegeben wurde und somit für alle Zeiten in eine Behinderten-Einrichtung abgeschoben gehört, imstande ist, die Fähigkeiten zu entwickeln, um ein eigenständiges Leben zu führen.

Um die Situation von Leicht- sowie auch Schwerbehinderten genauer zu erläutern, kommen im Buch Fallbeispiele vor, die zwar von mir ausgedacht sind, aber sich an der Realität orientieren. Denn ich schrieb bei jedem erfundenen Fallbeispiel die Erfahrungen, die ich über das Behinderten-Leben sammelte, nieder.

Damit man sich ein Bild über meine Lebenserfahrungen machen kann, beginne ich mit Auszügen aus meinem Leben. Auf diese Lebenserfahrungen ist auch der Inhalt meines Buches aufgebaut.

1. TEIL: DIE BESONDERHEITEN EINES SOGENANNTEN EHEMALIGEN LERNBEHINDERTEN

DAS ERSTE BUCH EINES EHEMALIGEN LERNBEHINDERTEN

Bücher erscheinen jährlich Tausende zu den unterschiedlichsten Themen.

So spielt natürlich der soziale Bereich auf dem Büchermarkt eine wesentliche Rolle. Von Altersarmut bis hin zum Pflegenotstand und der sozialen Benachteiligung von Ausländern erscheinen fast zu viel Bücher.

Und wie sieht es mit der Benachteiligung von den Behinderten aus? Nun, in diesem Bereich gibt es die wenigsten neuen Bücher. Dies mußte ich bei meinen Nachforschungen zu diesem Buch feststellen, trotz daß in der Bundesrepublik Deutschland an die 6 Millionen Behinderter leben. So drücken sich die meisten Verleger, solche Bücher zu drucken, da sich Bücher zu dem Behindertenthema aus wirtschaftlichen Gründen nicht rentieren, oder anders ausgedrückt: Mit diesem Thema ist zu wenig Geld zu verdienen.

Selbstverständlich gibt es auch wenige Neuerscheinungen über die Situation von Behinderten, deren Autoren, Ärzte, Pädagogen und Erzieher sind. Daher gibt es Bücher von direkt Betroffenen nur sehr selten und wenn, dann meistens rührselige Lebensgeschichten und Tagebücher. Diese Feststellung mußte ich in Erfahrung bringen bei der intensiven Suche nach einem Verleger für das nun vorliegende Buch.

Daher ergibt es sich, daß ich der erste ehemalige Lernbehinderte unter den Autoren auf dem deutschen Büchermarkt bin, worüber ich bestimmt nicht erfreut bin, da diese Tatsache beweist wie schwierig es ist, zu seiner Behinderung (Schwächen) offen zu stehen.

ÜBERRASCHUNGSKANDIDAT

Alle Parteien sind in Versprechungen machen groß und an deren Wahlprogramme glauben die Menschen so wenig, wie an den Weihnachtsmann. Ebenfalls wird den einzelnen Volksvertretern immer weniger Vertrauen geschenkt. Da braucht es einen auch kaum wundern, wenn es immer mehr Nichtwähler gibt und wir so auf Bundesebene eine immer niedrigere Wahlbeteiligung haben.

So kann nur noch gehofft werden, daß es nicht noch soweit kommt wie in Amerika; dort wählen lediglich nur noch 50 Prozent der Bürger.

Als ich einige Kilometer nach den ersten gesamtdeutschen Bundestagswahlen im Dezember 1990 in meinem Wohnzimmer auf- und abgelaufen bin, beschloß ich, mich zur Landeskandidatur im April 1992 in Baden-Württemberg zu bewerben.

So gab ich dann auf der Jahreshauptversammlung des Ortsverbandes Mössingen im Landkreis Tübingen meine Bewerbung zur Landeskandidatur bekannt.

Die lokale Presse stufte mich als Überraschungskandidat ein, weil niemand mit meiner Bewerbung gerechnet hatte und zudem war - bin ich noch in anderer Hinsicht eine Besonderheit: „Denn ich bin in der BRD der erste ehemalige Lernbehinderte in der gesamten politischen Landschaft, der sich je für solch ein Mandat beworben hat.

Meine Bewerbung kam bei den Leuten, mit denen ich viel oder überhaupt nichts zu tun hatte, mit einem großen Zuspruch an.

Ja und selbst innerhalb der Grünen, deren Schwerpunkt in den Umweltthemen liegt und zudem aus überwiegend studierten Kreisen besteht, war ich auch mit meinem Thema der Behinderten-Politik-Integration voll anerkannt. Bei der Nominierungsversammlung, auf der die Mitglieder den zukünftigen Landtagskandidaten wählen, bekam ich zwar von 72 Stimmen nur 8 Stimmen, jedoch muß an dieser Stelle erwähnt werden, daß noch vier weitere Bewerber zur Wahl standen.

So kam es dann, daß ich leider nicht der erste ehemalige Lernbehinderte wurde, der es in einen Deutschen Landtag schaffte, aber dennoch gelang es mir, was auch der Sinn meiner Bewerbung war, ein Zeichen zu setzen.

So sprach ich die Menschen nicht nur gut, sondern auch glaubwürdig an.

BEWERBUNGSSCHREIBEN

Zu jeder Bewerbung gehört ein Bewerbungsschreiben, damit sich ein eventueller zukünftiger Arbeitgeber über die Fähigkeiten des Bewerbers informieren kann. In meinem Fall durfte ich mein Bewerbungsschreiben den 220 Mitgliedern des Kreisverbandes Tübingen über den Mitgliederrundbrief zukommen lassen.

Ich will über dieses Schreiben gar nicht viele Worte verlieren, da Sie nun, liebe Leser, die Möglichkeit haben werden, in den Genuß dieser Lektüre zu gelangen. Nur noch dies soll erwähnt werden, daß Sie manche Stellen im Bewerbungsschreiben auch in dem nun vorliegenden Buch wiederfinden. Das liegt daran, daß mein Manuskript zum Buch schon Anfang 1990 unterschiedlichen Verlegern angeboten wurde, aber wie schon erwähnt, Neuerscheinungen in diesem Bereich sind selten und erst recht, wenn eine dieser Neuheiten von einem direkt Betroffenen verfaßt wurde, einem sogenannten Lernbehinderten.

BEWERBUNG

Betrifft:

Bewerbung zur Landtagskandidatur

der Grünen für den Kreis Tübingen

Ich möchte gleich vorweg erwähnen, daß ich keiner dieser Menschen bin, die zu allem was zu sagen haben und deren Aussagen gleich null sind. Wenn dies von einem Grünen-Kandidaten erwartet wird (was auch schon oft zutraf), wird es am besten sein, man wandert zur SPD oder gar zur CDU ab. Dort sind Schwätzer mit rosigen Zukunftsaussichten gefragt.

Ich möchte mich nun gern all denen vorstellen, die mich noch nicht kennen.

Mein Name ist Wilfried Kriese. Ich bin am 03.05.63 geboren und bin verheiratet. Wir haben einen neunmonatigen Jungen und sind vor über einem Jahr von Mössingen nach Rottenburg gezogen.

Mein erlernter Beruf ist Holzfachwerker und ich arbeite als Hausmeister bei der Uni Tübingen.

Da ich in den letzten Jahren immer verstärkt feststellen mußte, daß bei den Grünen überwiegend Personen aus studierten Kreisen verstärkt sich durchsetzen, bewegte mich dies fast zum Parteiaustritt. Und dies nach ca. 8 Jahren Mitgliedschaft.

Denn für Leute außerhalb dieser Kreise bietet die Politik immer weniger Alternativen (siehe dazu Leserbrief S. 5).

Mein politischer Schwerpunkt liegt neben Verkehr und Soziales überwiegend in der Darlegung der Notwendigkeit und im Sinn der Behindertenintegration. In diesem Bereich trete ich seit Jahren bei den Grünen und auch außerhalb der Politik ein.

So bin ich seit 1990 Stellvertretender Schwerbehindertenvertreter in der Naturwissenschaftlichen Fakultät (Uni). Mit meiner Kandidatur erhoffe ich, daß es mir in Zukunft möglich sein wird, menschenwürdigere Behinderten-Politik auf Landesebene zu realisieren. Da für die meisten grünen Mitglieder das Thema der Behindertenintegration noch ein Buch mit sieben Siegeln ist, gehe ich noch genauer ein über meine Vorstellungen zur Behinderten-Politik.

Wird auf das Behinderten-Engagement/Politik innerhalb der Grünen geschaut, kann ohne Anstrengung festgestellt werden, daß die Grünen darin leider versagt haben. Um die Lage der Behinderten gesellschaftlich gerecht zu gestalten, müssen sich soviele Mitglieder wie nur möglich für die Behinderten sowie auch andere soziale Randgruppen wesentlich besser engagieren. Das Engagement ist (war) zwar bedingt vorhanden, aber entweder geht dies in die falsche Richtung, oder es ist ziemlich gering, was für die Behinderten und kranken Menschen nicht gerade vorteilhaft ist.

Ein großer Teil der Vereine, Arbeitskreise, Bürgerinitiativen usw., die ihren Schwerpunkt in die Behinderten-Problematik setzen und sich der Behinderten annehmen, streben oft die falsche Richtung an. Da ihre Arbeit darauf hinausgeht, daß verstärkt Sonderkindergärten, Sonderschulen, Werkstätten als auch sonstige Einrichtungen gebaut werden. Solche Veränderungen sind absolut falsch, da die Eingliederung der Leicht- und Schwerbehinderten in die Gesellschaft dadurch nur verhindert wird. Es gibt auch eine Anzahl von Bürgerbewegungen, die sich wirklich so für die Behinderten einsetzen und somit die absolut richtige Richtung einschlagen. Aber sie haben zu wenig Power und üben zu wenig Einfluß auf die Politiker sowie auf die restliche Bevölkerung aus. Jedoch sind solche Vereinigungen ums Vielfache sinnvoller, als die anderen Vereinigungen, deren Arbeit den Behinderten mehr schadet als nützt.

Ebenfalls üben die heutigen Organisationen zu wenig Druck auf die Wirtschaft aus, um eine rasche Veränderung zu bewirken. Folglich sind die jetzigen Vereine, Arbeitskreise, Bürgerinitiativen und sonstige Vereinigungen zu wenig radikal. Darum müssen sie sich entweder verändern oder es ist höchste Zeit, daß sich wenigstens innerhalb der Grünen ein neues Engagement bildet, aus der sich neue Organisationen entwickeln, die konsequent das Konzept der Behindertenintegration verfolgen und nicht jubeln, wenn eine neue Behinderten-Einrichtung eröffnet wird.

Ein vernünftiges Engagement, das den Betroffenen wirklich nützt, kann unter anderem folgendermaßen aussehen.

-Der sofortige Stopp von neuen Behinderten-Einrichtungen muß gefordert werden.

-Auf die Politik muß massiv Druck ausgeübt werden.

-Es muß von den Grünen verlangt werden, daß Kommissionen gebildet werden zur Überprüfung der Lage von den Behinderten.

Um eine gute und glaubwürdige Grüne Sozialpolitik zu betreiben, ist es unbedingt nötig, daß Betroffene mitwirken.

Wie sieht es nun in Baden-Württemberg mit der Behinderten-Politik aus?

Die Behindertenintegration funktioniert in Baden-Württemberg bis zum Kindergarten, wenn überhaupt. Das liegt wohl daran, daß im Landtag wie auch im Kultusministerium von Baden-Württemberg die größten Querkopfdenker sitzen.

Dabei ist die Forderung, behinderte Schüler in Regelschulen einzugliedern, keineswegs neu. So hat zum Beispiel der Verein für Lernbehinderte aus Mössingen schon vor über fünfzehn Jahren diese Forderung gestellt.