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Antonia Sommer

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Beschreibung

Die erste Liebe vergisst du nie ...

Beeke fällt aus allen Wolken, als Joon, der beste Freund ihres Bruders Raik und ihre erste große Liebe, auf die Insel zurückkehrt. Joon kommt allerdings nicht ganz freiwillig nach Norderney: Sein Vater ist krank und er soll die Leitung der familieneigenen Hotelkette übernehmen. Beeke, die als Social Media Managerin für die Hotels arbeitet, unterstützt ihn bei den neuen Aufgaben. Sie macht Joon jedoch sofort klar, dass sie sich nicht mehr als Freundschaft vorstellen kann. Joon hat sie einfach zu oft verletzt und sie spürt, dass er noch immer Geheimnisse mit sich herumträgt. Aber sie kann das Kribbeln nicht leugnen, das sie in seiner Nähe empfindet. Doch als es zum Bruch zwischen Vater und Sohn kommt, lässt Joon Beeke wieder allein auf Norderney zurück. Werden sie ihre Liebe retten können?

Der zweite Band der Wohlfühl-Liebesroman-Reihe auf der wunderbaren Nordseeinsel Norderney.

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Seitenzahl: 349

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Personenregister

Playlist

Beeke

Joon

Beeke

Joon

Beeke

Joon

Beeke

Joon

Beeke

Joon

Beeke

Joon

Joon

Beeke

Joon

Beeke

Joon

Beeke

Joon

Beeke

Joon

Beeke

Joon

Beeke

Joon

Beeke

Joon

Beeke

Joon

Beeke

Joon

Joon

Beeke

Nachwort

Über die Autorin

Impressum

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Über dieses Buch

Beeke fällt aus allen Wolken, als Joon, der beste Freund ihres Bruders Raik und ihre erste große Liebe, nach vielen Jahren der Abwesenheit auf die Insel zurückkehrt. Joon kommt allerdings nicht ganz freiwillig nach Norderney: Sein Vater ist krank, und er soll die Leitung der familieneigenen Hotelkette übernehmen. Beeke, die als Social Media Managerin für die Hotels arbeitet, unterstützt ihn bei den neuen Aufgaben. Sie stellt jedoch sofort klar, dass ihre Beziehung rein freundschaftlich ist. Joon hat sie einfach zu oft verletzt, und sie spürt, dass er noch immer Geheimnisse mit sich herumträgt. Aber sie kann das Kribbeln nicht leugnen, das sie in seiner Nähe empfindet. Dann kommt es zum Bruch zwischen Vater und Sohn. Joon taucht unter und Beeke bleibt allein auf Norderney zurück. Werden sie ihre Liebe retten können?

Der zweite Band der Wohlfühl-Liebesroman-Reihe auf der wunderbaren Nordseeinsel Norderney.

Für meine Freundin Kerstin

Denn die erste Liebe vergisst man nie.

Personenregister

Beekes Familie

Raik: Zwillingsbruder

Klaas: jüngerer Bruder

*Nele: jüngere Schwester

Tessa: jüngste Schwester

Yara: Raiks Tochter

Svea: Raiks Freundin

Daniel: Klaas’ Ehemann

*Tante Anouk: Tantouk, Tante der Geschwister

†Hauke und Ingrid: Eltern

Joons Familie

Jann und Charlotte Petersen: Eltern

Wiebke: jüngere Schwester

Micha: Wiebkes Mann

Magda: Wiebkes Tochter

Freunde

Helge und Katrin mit Thorben

Mina und Tobi

Annika, Sveas Cousine, und ihr Mann Timo

Mattes: Timos Bruder

*Eric: Joons Freund

Mum: Anna, Erics Mutter

*lebt nicht auf der Insel

Playlist

For now – P!nk

Don’t Speak – No Doubt

Last Call – P!nk

Don’t shut me Down – ABBA

Candy – Paolo Nutini

More than Words – Extreme

Breathe 2AM – Anna Nalick

Fade into you – Sam Palladio, Claire Bowen

If I didn’t know Better – Sam Palladio, Claire Bowen

Need you Now – Lady A

Tonight is what it Means to be Young – Fire Inc.

Happiness – Blank & Jones

Hall & Oats – Lions Head

Kids in Love – P!nk

Days Go by – Blank & Jones

Beeke

August, ein heißer noch dazu. Sommerferien in jedem verdammten Bundesland.

Beeke hatte das Gefühl, noch nie so viele Touristen auf einem Haufen gesehen zu haben. Je weiter sie Richtung Stadt fuhr, desto mehr Menschen begegneten ihr. Familien mit Kindern, Ehepaare mit Hunden, ältere Menschen, junge Leute. Norderney platzte aus allen Nähten. Etwas, das Beeke mit gemischten Gefühlen betrachtete.

Wie so viele Insulaner lebte sie vom Tourismus, und doch ging es nicht spurlos an Norderney und ihren Menschen vorbei, dass jedes Jahr die Besucherzahlen stiegen.

In der Innenstadt versuchte Beeke die hochfrequentierten Straßen zu meiden. Trotzdem musste sie Spaziergängern ausweichen, die auf den Straßen liefen und nicht nach rechts oder links sahen. Andere Radfahrer sausten an ihr vorbei, und erst als sie in die kopfsteingepflasterte Straße des Hotels einbog, in dem sie arbeitete, wurde es ruhiger.

Sie stellte ihr Fahrrad ab, verschloss es und betrat das hochgeschossige, weiß getünchte Gebäude. Die Schwingtür stockte ein wenig, so wie immer, doch es minderte nicht das Gefühl, das sie jedes Mal verspürte, wenn sie die Lobby des Utkiek betrat. Erwarteten die Gäste eine maritime Atmosphäre, wurden sie überrascht, denn das Hotel bestach mit einer eleganten Ausstattung in Holz, Blau und Gold. Und abgesehen davon machte es dem urigen Namen alle Ehre: In erster Reihe zur Promenade und zum Strand präsentierte sich ein grandioser Ausblick.

Beeke grüßte die Rezeptionistin, winkte einem Mitarbeiter aus der IT und ließ dem Putzmann den Vortritt in den Büroflügel. Prüfend warf sie einen Blick in den Spiegel, der an der Kopfseite des lang gezogenen Flurs angebracht war.

Für den heutigen Tag und insbesondere diesen Termin hatte sie sich für eine helle Culotte mit passender Wickelbluse und Sneaker entschieden. Elegant, ohne aufdringlich zu wirken. Sommerlich, ohne zu viel Haut zu zeigen.

Das Outfit stand ihr, wichtiger aber war, dass sie sich in dieser Kleidung wohlfühlte. Nur dann konnte sie selbstsicher auftreten. Und Selbstsicherheit würde sie nun brauchen.

Sarah Kluut hatte zum Gespräch gebeten.

Seit sechs Wochen war sie die wichtigste Person in der Firma. Leider hielt die stellvertretende Direktorin von Petersen Hotels nicht viel von den sozialen Medien, doch da genau diese Beekes Arbeitsbereich waren, befürchtete sie, dass sie deswegen einbestellt war.

Es dauerte exakt sieben Sekunden, bis Sarahs »Herein« erklang. Beeke atmete tief durch und betrat das großräumige Büro.

»Hallo, Beeke, setzen Sie sich doch.«

Sarah war eine große schlanke Frau mit weißblonden kurzen Haaren und einem fast schon unnatürlich schönen Gesicht. Schmale Augen, hohe Wangenknochen. Sinnliche Lippen. Doch was an Schönheit schmerzhaft zu viel schien, glich die fehlende Wärme aus. Denn Sarah lächelte fast nie.

»Guten Tag, Sarah.«

Beeke setzte sich in den bequemen Sessel, der vor dem riesigen Schreibtisch stand. Ihre Handtasche legte sie in den Schoß, in der vagen Hoffnung, dass dieses Gespräch nicht allzu lange dauern würde.

Dieser Arbeitsplatz bot eine atemberaubende Aussicht. Obwohl sich das Büro im Erdgeschoss befand, hatte mensch hier einen freien Blick auf die Nordsee. Beeke hatte oft bedauert, dass ihr kein eigenes Büro in dieser Etage des Hotelkomplexes angeboten worden war. Remote zu arbeiten war für ihren Job zwar perfekt, trotzdem würde sie gern öfter aus dem Fenster sehen können, um Energie beim Anblick des Meeres zu tanken als nur ein-‍, zweimal die Woche, wenn sie sich zu einem Kollegen ins Büro setzte.

»Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?« Höflich deutete Sarah auf ein Tablett mit einer Wasserkaraffe und Gläsern.

»Nein, danke. Es wäre mir lieb, wenn wir direkt beginnen könnten. Ich fliege gleich noch nach Juist rüber, weil ich einen Termin mit Herrn Hansen habe.«

Sarah hob eine Augenbraue und tippte auf ihrer Tastatur herum. »Ich hatte es ja bereits angekündigt, aber nun habe ich die nötigen Unterschriften und Genehmigungen. Sie wissen, dass die Abwesenheit von Herrn Petersen bedeutet, dass einige Entscheidungen anders gehandhabt werden. Wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass das bisher aufgebrachte Budget für die sozialen Medien so nicht gerechtfertigt ist. Ich habe Ihnen eine Datei geschickt, in der Sie sehen, was das für Sie und Ihre Stelle bedeutet. Aber so viel kann ich sagen: Flüge nach Juist sind im Budget nicht mehr vorgesehen.« Eindringlich sah sie Beeke an.

»Wie meinen Sie das?« Beeke umfasste den Griff ihrer Handtasche etwas fester.

»Das bedeutet, dass Ihr Termin nicht stattfindet. Es sei denn, Sie wollen den Flug aus eigener Tasche finanzieren. Die notwendigen Arbeiten für unser Haus auf Juist werden vor Ort miterledigt. Das habe ich bereits telefonisch mit Herrn Hansen besprochen. Dafür wird ein Teil Ihres Budgets abgezweigt, was uns insgesamt eine Ersparnis von fünfundzwanzig Prozent einbringt.«

Beeke biss sich auf die Unterlippe, bevor sie mit möglichst ruhiger Stimme nachfragte: »Weiß Herr Petersen von diesen Änderungen?«

Sarah lächelte. »Herr Petersen ist krankgeschrieben und hat die Belange der Hotels in meine Hände gelegt. Es gibt keinen Grund, ihn einzubinden.«

»Verstehe. Was betrifft die Kürzung noch?« Sie hatte bereits eine ungute Vorahnung, was Sarah noch gestrichen hatte, aber sie wollte es von ihr hören.

Doch Sarah tat ihr den Gefallen nicht.

»Das können Sie alles in der Datei nachlesen, Beeke. Seien Sie unbesorgt: Ihr Ausbildungsprogramm ist davon unberührt. Es wird nur ein wenig ... angepasst. Sollten Sie Fragen dazu haben, können Sie sich für nächste Woche gern einen Termin geben lassen. Bis dahin wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende.«

Damit war Beeke entlassen. Innerlich zählte sie bis drei, bevor sie sich erhob und ein freundliches Lächeln auf ihre Lippen zwang. Sie durfte und wollte sich keinen Ausraster erlauben, denn wenn es stimmte und Petersen ganz raus war, lag ihre berufliche Situation ab sofort in Sarahs Händen.

Und Beeke hatte viel zu sehr um diesen Job gekämpft, als dass sie ihn riskieren würde. »Vielen Dank, Sarah, das wünsche ich Ihnen auch.«

Auf dem Flur war ihr erster Impuls, ihre Mails abzurufen. Aber sie würde sich nicht die Blöße geben, jetzt und hier auf dem Flur diese verdammte Datei zu checken. Sie würde gelassen das Hotel verlassen und in Ruhe zu Hause nachsehen, was Sarah angerichtet hatte.

Das Grummeln in ihrem Bauch ließ sie Böses erahnen.

Beeke sollte recht behalten.

»Ich verstehe das nicht«, murmelte sie und seufzte auf.

»Wie schlimm ist es?«, fragte Nele, die auf dem Bett lag und in die Kamera schaute, das Kinn auf die Hände abgestützt.

Seit Kurzem lebte Beekes jüngere Schwester nicht mehr in dem süßen Tiny House, was im Garten stand, und noch längst hatte Beeke sich nicht dran gewöhnt, nur übers Internet mit ihr zu reden.

»Sie hat die neue Mitarbeiterin gestrichen.«

»Oh nein. Du warst so glücklich, dass Petersen zugestimmt hatte«, sagte Nele und richtete sich auf. Sie zog ihr Tablet auf ihren Schoß und machte ein betrübtes Gesicht.

»Nur leider ist er nicht mehr da.« Beeke schaffte all die anfallenden Aufgaben nicht mehr. Nicht nur die sozialen Medien mussten gefüttert werden, auch die Webseiten und Newsletter der Hotels benötigten Updates und Inhalte. Dazu waren Fotos nötig, die bearbeitet werden mussten. Texte, die geschrieben und korrigiert gehörten. Themen, die sie aufgreifen musste, sowohl regional als auch landesweit. Und jede Veröffentlichung brachte Reaktionen mit sich, auf die auch eingegangen werden sollte. Beeke arbeitete weit mehr als die vertraglich vereinbarten acht Stunden am Tag, und ihr Chef hatte eingesehen, dass sie Unterstützung brauchte.

Diese zweite Stelle hatte Sarah Kluut nun gestrichen.

Das bedeutete, dass Beeke weiterhin über ihr Limit arbeiten würde, wenn sie ihr Arbeitsniveau halten wollte. Das Ausbildungsprogramm war zwar weiterhin im Budget, aber die Azubis würden die angedachte Betreuung nicht in dem Rahmen erfahren, wie Beeke es angedacht hatte. Denn Sarah und die Verantwortlichen waren der Meinung, dass jeder jugendliche Mensch sich bereits mit den sozialen Netzwerken auskannte. Vielmehr würden sie Zeit des Programms in klassisches Marketing stecken. Dafür sollten sie beim Marketing Manager Peter Richter lernen.

»Sie hat alles rückgängig gemacht, was Petersen mir zugesagt hatte. Ich frage mich ernsthaft, warum sie das tut.«

»Ist der Grund denn wichtig für deine Arbeit?«

Beeke schüttelte den Kopf. »Nicht für meine Arbeit, aber für mein Wohlbefinden. Ich bin davon überzeugt, dass ausreichend Budget da ist. Zumindest hat Petersen mir das damals versichert. Und ehrlich, ich brauche nicht einmal viel Geld. Im Grunde sind alle Kosten nur Personalkosten. Die Frage ist also: Was hat sie dagegen? Es kann ihr doch egal sein.«

»Du denkst, wenn du weißt, was ihr Problem ist, dass du dann besser damit umgehen könntest?« Nele sah skeptisch aus.

»Ja, das denke ich. Ich will Petersen nicht enttäuschen und werde auch mit dieser Hürde zurechtkommen. Er ist mein Chef, nicht sie. Irgendwann kommt er hoffentlich zurück, und dann regelt sich das wieder.« Beeke hatte ihre Ausbildung bei Petersen Hotels gemacht. Genau wie der Sohn des Hauses, Joon, ihr damaliger Freund. Doch während der danach die Welt sehen wollte, hatte Beeke sich für eine Karriere auf Norderney entschieden. Schon sehr früh hatte sie Social Media für sich entdeckt und nach vielen Diskussionen Jann Petersen überzeugt, in diesem Werbebereich früh mitzumischen. Er hatte immer Wert auf ihre Meinung gelegt, was vielleicht auch daran lag, dass er sie kannte, seit sie ein Kind war.

»Für solche Entscheidungen gibt es wirtschaftliche oder persönliche Gründe. Das fehlende Budget schließt du aus. Aber so kann sie Geld sparen und hat am Ende bessere Zahlen unter ihrem Namen stehen. Das ist schon ein guter Grund. Wenn es das nicht ist, ist es was Persönliches. Denkst du, sie will dich rausdrängen?«

»Nein, ich stehe ihr ja nicht im Weg. Für ihren Job bin ich weder qualifiziert noch will ich ihn. Wir konkurrieren um nichts.«

»Vielleicht ja doch.«

»Was meinst du damit?« Beeke musterte ihre Schwester.

Diese strich sich einige Haarsträhnen zurück. Sie sah müde aus, aber das war auch der Grund, warum sie in den Schwarzwald gegangen war. Als sie der Familie mitgeteilt hatte, dass es ihr nicht gut ging und sie eine Auszeit brauchte, waren alle sehr geschockt gewesen. Vor allem davon, es nicht bemerkt zu haben, und Beeke hatte sich fest vorgenommen, sich mehr um ihre Geschwister zu kümmern. Deshalb bestand sie auf regelmäßigen Video-Kontakt. Sie wollte ihre kleine Schwester nicht noch einmal aus den Augen verlieren. »Ach. Ich habe mich nur eben gefragt, ob es damit zusammenhängt, dass Joon zurückkommt. Welche Aufgabe soll er übernehmen, wenn die Geschäftsleitung ihr unterliegt?«

Beeke riss die Augen auf. »Es ist noch gar nicht bekannt gemacht worden, dass er kommt. Ein paar Leute haben Informationen bekommen, aber nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Sie hat auch nichts gesagt. An so einen Zusammenhang habe ich noch gar nicht gedacht.«

»Siehst du einen?«

Sie rieb sich die Nase. »Ich habe keine Ahnung. Ist sie von hier? Sarah ist in meinem Alter, aber ich kenne sie nicht von früher.«

»Ich auch nicht, aber ich bin auch jünger als ihr. Frag doch mal Raik«, erwiderte sie und grinste anzüglich.

»Oh. Wow.« Beeke hob die Augenbrauen. »Äh. Denkst du, er ... oder Joon ...«

Nele lachte auf. »Keine Ahnung. Aber wenn Joon mal was mit ihr hatte, wäre das vielleicht eine Erklärung dafür, warum sie dir so ans Bein pinkelt und ihr Revier markiert. Und wenn davon jemand weiß, dann unser Bruder.«

Beeke schnaubte. »Joon ist noch nicht einmal da und macht schon Ärger. Das geht echt zu weit.« Sie nahm ihr Handy zur Hand. »Danke für deinen Beistand. Ich schreib dir später noch mal.«

»Was machst du?«

»Meinen Chef anrufen.«

Schlecht gelaunt räumte Beeke das Essensgeschirr ab. Ihre jüngste Schwester Tessa war nicht zum Reden aufgelegt gewesen und hatte sich direkt nach dem Abendessen in ihr Zimmer verabschiedet. Raik war mit seiner Tochter Yara unterwegs, die seit Kurzem bei ihnen lebte. Tantouk hatte Spätschicht, und ihr Bruder Klaas und sein Mann Daniel lebten nun in einem eigenen Haus.

Dass ihre Familie sich in alle Norderneyer Winde verstreut hatte, trug nicht zu Beekes Wohlbefinden bei.

Einsamkeit war kein vertrautes Gefühl.

Sie könnte noch den Newsletter fürs Wochenende fertigmachen. Oder endlich die Mail einer alten Freundin beantworten, die schon seit Langem in ihrem Posteingang lag.

Kurzentschlossen packte sie jedoch ihren Rucksack mit Geldbeutel, Handy und einer Wasserflasche und schrieb eine Notiz an die Tafel, die am Kühlschrank hing.

Vermutlich würde sie eh kein Mensch vermissen.

Nach wenigen Minuten war sie am Wasser. Sie lief Richtung Osten, weg von den Menschen, hin zum einsamen Teil der Insel.

Beeke liebte es, wenn der Strand und das Meer nur ihr gehörten, wenn sie sich nicht konzentrieren musste, um die Natur wahrzunehmen. Und für den Fall, dass ihr ein Fotomotiv ins Auge fallen sollte, hielt sie ihr Handy griffbereit.

So war sie eben. Die Arbeit konnte sie nie ganz ausblenden. Aber dieser Job lebte davon, dass sie ihre Kreativität und Ideen jederzeit abrufen konnte. Nirgendwo klappte das so gut wie direkt am Wasser.

Sie wollte gar nicht so weit laufen, nur ein paar Muscheln sammeln, ein bisschen nachdenken. Aber bis sie den Moment erreicht hatte, dass sie sich gelöst fühlte, brauchte es an diesem Tag eine ganze Weile.

Beeke ließ sich in den Sand fallen und vergrub die nackten Zehen darin. Am Strand lief sie immer barfuß. Das war einfach das schönste Gefühl der Welt. Wenn das kühle Wasser ihre Beine umspielte, wenn der Sand kaum hörbar knirschte, wenn es kribbelte unter ihren Fußsohlen.

Sie tat das viel zu selten.

Es war bedauerlich, dass sie sich immer erst gestresst fühlen musste, um mehr auf sich aufzupassen. Sie sollte es doch besser wissen. Aber es war so viel los, und der Sommer strengte alle an. Denn so schön die ganzen Veränderungen zum Teil waren: Es waren eben doch Veränderungen.

Zum gleichen Zeitpunkt, als ihr Bruder Klaas mit seinem Mann Daniel nach Norderney zurückgekommen war, um nach vielen Jahren Abwesenheit wieder auf der Insel zu leben, war auch Raiks vierjährige Tochter Yara zu ihnen gezogen. Na ja, eigentlich zu Raik, aber da Beeke selbst immer noch meistens in ihrem Elternhaus lebte und nicht in ihrer eigenen Wohnung, konnte sie das wohl zurecht so ausdrücken. Raiks neue Freundin Svea war ebenfalls ein fester Bestandteil ihrer Familie und ihres Alltags geworden. Jedoch hatte sie die Einliegerwohnung im neuen Haus von Klaas und Daniel gemietet. Nele war für eine Weile in den Schwarzwald gezogen, um Abstand von der Insel und ihren Erinnerungen zu bekommen. Dort hatte sie spontan die Pflege der Mutter einer Freundin übernommen. Und Tessa, die Jüngste im Bunde, hatte die Schule beendet. Wie es für sie weitergehen würde, stand noch in den Sternen.

Aber das alles hatte einiges an Neuorganisation erfordert. Im Grunde bekamen sie das gut hin. Klaas übernahm viele Schichten im Radlager, dem Fahrradverleih mit angeschlossener Werkstatt, den Raik nach dem Tod ihrer Eltern weitergeführt hatte. So konnte er sich um seine Tochter kümmern und ihr bei der Eingewöhnung in ihr neues Leben helfen. Denn Yaras Mutter, mit der er schon lange nicht mehr zusammen war, hatte einen Job im Ausland angenommen und Raik zum Vollzeitpapa gemacht.

Über den Sommer hatte sich viel zu viel in ihrem Leben verändert, und manchmal hatte Beeke den Eindruck, dass ihre starke Basis, die sie über die Jahre aufgebaut hatten, wackelte. Sie vermisste die Freude an den Dingen, die ihr sonst viel bedeutet hatten. Wenn sie morgens darüber nachdachte, schwimmen zu gehen, kamen ihr die ganzen To-dos in den Sinn, und bevor Beeke wirklich bewusst eine Entscheidung treffen konnte, stand sie schon in der Küche und half Raik mit dem Kind, jagte Tessa aus dem Haus oder saß an ihren Mails.

Sie selbst blieb immer mehr auf der Strecke, doch wann immer ihr das bewusst wurde – wie jetzt –, hatte sie keine Lösung dafür.

Es kommen auch wieder andere Zeiten, sagte sie sich.

Nun stand erst mal das Wochenende vor der Tür. Für den morgigen Vormittag war sie mit ihrem Chef verabredet. Nach dem Telefonat, in dem sie Petersen über ihr Gespräch mit Sarah Kluut informiert hatte, hatte er Beeke eingeladen. Das war ihr unangenehm, immerhin war er krankgeschrieben. Aber er hatte ihre Bedenken weggelächelt und ihr mit einem Zwinkern in der Stimme gesagt, dass sie über derlei Formalitäten doch wohl hinaus seien. Diesen Termin würde sie also noch erledigen, bevor dann am Abend die nächste große Veränderung auf sie wartete.

Doch auf die war sie vorbereitet.

Joon

»Bereit?«

Sie standen ganz vorne auf dem Oberdeck und beobachteten, wie die weißen Häuser und der belebte Strand von Norderney immer näher kamen. Möwen umflogen die Fähre, in der Hoffnung, etwas Essbares zu finden, und kreischten ein lautes Willkommenslied.

Joon drückte die Hände tief in die Hosentaschen. »Nein«, antwortete er.

Eric schnaubte. »Dachte ich mir. Du weißt, dass du auf mich zählen kannst, ja?«

»Ich weiß.« Er wusste das wirklich. Es änderte nur leider nichts. »Lass uns runtergehen. Mum hat lange genug allein im Auto gesessen.«

Sein Freund winkte ab, folgte ihm dennoch direkt, während Joon die Stufen zum Autodeck hinabstieg. »Mum wollte im Auto bleiben«, sagte er in seinem Rücken. »›Nur noch fünfzehn Prozent, ich höre doch nicht kurz vor dem Happy End zu lesen auf!‹«, machte er seine Mutter nach. »Ich bin sicher, sie ist froh, dass sie nach der langen Autofahrt ihre Ruhe hatte.«

»Vermutlich. Du fährst ja auch, als hättest du eben erst deinen Führerschein gemacht«, spottete Joon und beugte sich, am Auto angekommen, zum Fenster der Beifahrerseite herunter. »Alles in Ordnung?«, fragte er Anna, die er zusammen mit ihrem Sohn nach Norderney eingeladen hatte.

»Aber sicher.« Sie wedelte mit ihrem E-Book-Reader. »Ich habe mein Buch zu Ende gelesen, aber ich konnte mir kein neues herunterladen, weil das W-LAN zu schlecht ist.«

Joon grinste. »Wir sind eh gleich da«, antwortete er und deutete nach vorne, während er sich auf den Fahrersitz zwängte. Die Abstände zwischen den Autos auf der Fähre waren zuweilen grenzwertig klein, aber diesmal hatten sie Glück gehabt. Als Joon das letzte Mal übergesetzt hatte, hätte er die Tür nicht öffnen können, ohne Gefahr zu laufen, einen dicken Kratzer ins Nebenauto zu fabrizieren.

»Machst du eine Sightseeing-Tour mit uns?«, fragte Eric vom Rücksitz, während er und Mum fasziniert beobachteten, wie sich die Fähre in den engen Hafenkanal einfädelte. Joon hatte das schon so oft gesehen, dass es ihm nicht mehr als etwas Besonderes vorkam. Dennoch wusste er, dass es millimetergenaue Arbeit war, die Fähre an keiner Seite anboxen zu lassen.

»Dann sind wir schnell durch«, beantwortete er Erics Frage. »Aber wenn ihr wollt, fahren wir eine Runde.«

Tatsächlich war es Erics Auto, in dem sie die lange Reise von Berlin nach Norddeich unternommen hatten. Knapp acht Stunden hatten sie gebraucht. Das wäre deutlich schneller gegangen, hätten sie Mum nicht dabei gehabt. Die alte Dame bestand auf mehr Pausen, als Joon und Eric für sich allein eingeplant hätten.

»Oh ja, Sightseeing!«, rief sie in diesem Moment aus. »Ich war noch nie auf einer Insel, und ich bin so gespannt, wie Norderney aussieht.«

Das war Joon durchaus auch.

Mit dem Verlassen der Fähre hatten sie die Fenster heruntergelassen, und warmer Wind blies durch das Auto.

»Mum?« Eric hatte sich auf dem Rücksitz vorgebeugt und hockte mittig zwischen ihnen, beide Arme auf die Rücklehnen aufgestützt.

»Ja, mein Junge?« Anna saß aufrecht in ihrem Sitz, den Blick begeistert nach draußen gewandt.

»Großbritannien ist auch eine Insel«, nahm er das Gespräch wieder auf.

»Das ist doch was ganz anderes.«

»Absolut!«, bestätigte Joon.

»Um dort von einer Seite auf die andere zu kommen, braucht es deutlich mehr Zeit. Und dann sind da Berge im Weg und die Highlands und Großstädte. Das hier ist so klein und niedlich.«

Joon lachte auf. »Ich glaube, niemand hat Norderney je als klein und niedlich bezeichnet.«

Mum wedelte vor seinem Gesicht hin und her. »Da, schau, der Leuchtturm. Der ist doch wirklich niedlich, nur so ... farblos!«

»Leuchttürme müssen nicht immer rotweiß gestreift sein, das weißt du schon?« Eric zog Mum am Zopf.

»Der Leuchtturm steht unter Denkmalschutz«, erklärte Joon, während er langsam die kurvige Straße entlang lenkte, darauf bedacht, keine Radfahrer über den Haufen zu fahren. »Während der Bauphase war der Turm nicht auf den Karten verzeichnet und hat die Seeleute durcheinandergebracht, weil sie ihn zwar gesehen haben, aber keinerlei Feuer gesichtet wurde.«

»Kann man hochlaufen?«, fragte Mum und schaute über die Schulter zurück, weil sie das Wahrzeichen bereits hinter sich gelassen hatten.

»Aber klar!« Joon nickte. »Zweihundertfünfzig Stufen ungefähr bis zur Plattform. Möchtest du?« Er warf ihr einen Seitenblick zu.

Anna, die von allen nur Mum genannt wurde, kannte er seit seinem ersten Tag in Berlin. Früher hatte sie mit Erics Vater in Schottland gelebt, doch nach dessen Tod war sie zu ihrem Sohn nach Berlin gezogen. Joon liebte diese kleine, quirlige Frau, als wäre sie wirklich seine Mutter oder Großmutter, denn so hatte sie sich in den letzten anderthalb Jahren stets verhalten. Sie hatte ihn mit Essen versorgt, seine Wäsche gewaschen und ihm mehr als einmal mit einer Kopfmassage und Schmerzmitteln über einen Kater hinweggeholfen. Nur Vorwürfe hatten nie zu ihrem Repertoire gehört.

Genau das Gegenteil seiner eigenen Großmutter also.

»›Den Leuchtturm besteigen‹ steht auf meiner Bucket List. Ebenso wie der Wasserturm, Sonnenuntergang am Strand und ein Besuch im ... wie heißt das ... Con...« Sie sah zu ihm.

»Conversationshaus?«

»Genau. Es soll eine sehenswerte Bibliothek und einen wunderschönen Lesesaal enthalten.«

Eric schnaubte. »Von Büchern kannst du nicht genug bekommen, oder?«

»Niemals!«, bestätigte Mum und sah sich neugierig um. »Oh. Oh! Da steht FKK?« Beim Versuch, das Schild erneut zu lesen, verrenkte sie sich fast den Hals.

Joon grinste. »Das ist die Oase. Siehst du den Weg da hinten? Da geht es zum Strand. Er ist zweigeteilt. Auf der einen Seite befindet sich der Hundestrand, auf der anderen Seite der FKK-Bereich. Möchtest du ...« Er bremste leicht ab, doch als sie den Kopf schüttelte, lenkte er den Wagen weiter von dem großen Parkplatz herunter.

Mum lächelte ebenfalls. »Beizeiten, mein Junge, beizeiten. Aber ohne euch, nur damit ihr das vorher wisst.«

»Danke, Mum«, kam es herzerweichend von der Rückbank, und Joon lachte leise.

Er war heilfroh, dass er die beiden an seiner Seite hatte. Sie waren ihm in der schweren Zeit, als er seine Familie verloren hatte, eine große Hilfe gewesen, und würden ihm auch bei seinem Neuanfang auf Norderney zur Seite stehen.

Und vielleicht, nur ganz vielleicht, würde dann alles gar nicht so schlimm sein.

Doch als er zwei Stunden später allein am Fenster stand, fühlte sich das ganz anders an. Diesen Ausblick hatte er früher geliebt. Das weite Meer hatte einen dunkelblaugrauen Farbton angenommen, weil sich der Himmel zugezogen hatte.

Joon hatte Eric und Mum im gleichen Hotel untergebracht, in dem auch er lebte: Mum bezog eine kleine Ferienwohnung in einer der unteren Etagen, Eric ein höher gelegenes größeres Hotelzimmer, beide mit Blick aufs Meer. Sie sollten sich wohlfühlen und den Urlaub in vollen Zügen genießen können. Erst nachdem er ihnen ihre Unterkünfte gezeigt hatte, war er in sein eigenes Apartment gegangen. Großzügig geschnitten in der neunten Etage des Familienhotels hatte er schon sehr lange sein eigenes Zuhause.

Eric und Mum hatten vorher mit ihm gesprochen, okay, vielmehr heftig diskutiert, weil die beiden ihm Grenzen auferlegen wollten, zu was für einem Aufenthalt auf Norderney er sie einlud. Allerdings war Joon unnachgiebig gewesen. Viel zu viel hatte er ihnen zu verdanken.

Das hier war nur ein Bruchteil dessen, was er ihnen schuldete.

Seine Schwester Wiebke hatte ihm erzählt, dass ihre Eltern das Haus renoviert hatten. Nicht nur deshalb war Joon gespannt auf das Essen dort.

Sie lebten in einem roten Klinkerbau in einer Siedlung nahe der Surferbucht. Nach dem Auszug beider Kinder waren sie von einer recht großen Villa in das verhältnismäßig kleine Gebäude gezogen, und Joon hatte sich dort entsprechend nie zu Hause gefühlt.

Es war nie sein Zuhause gewesen.

Als er Wiebke gestern informiert hatte, dass er auf der Insel war, hatte sie ihm angeboten, gemeinsam zu ihrem Elternhaus zu laufen.

Joon war dankbar dafür – und verwundert gewesen, dass seine Schwester seinen Gefühlszustand so gut einzuschätzen wusste. Denn nicht nur das Verhältnis zu seinen Eltern war angespannt, auch bei seiner Schwester hatte er nicht viel Nähe zugelassen.

Der Besuch bei seinen Eltern beunruhigte ihn. Einerseits war er dieses Mal zwar gelassener, weil er die heiklen Fragen schon hinter sich hatte, gleichzeitig aber auch nervöser, weil er länger auf Norderney bleiben würde. Das schuf vielleicht eine andere Basis, für was auch immer.

»Joon, Joon, Joon!«, quietschte seine Schwester und fiel ihm um den Hals, als er am Hafen-Treffpunkt auf sie zuging. »Ich bin so froh, dass du endlich da bist.« Wiebke umarmte ihn mit einer Innigkeit, die ihn überrascht aufkeuchen ließ. Er hatte nicht geahnt, dass sie sich so freuen würde, ihn wiederzusehen. Vor zwei Monaten war sie nicht so enthusiastisch gewesen.

Joon drückte sie an sich. »Ach, Frecks.«

Sie löste sich von ihm und rieb sich über die Augen, woraufhin er die Augenbrauen zusammenzog. Hatte sie geweint?

»Alles in Ordnung?«

»Die Hormone«, antwortete sie und winkte ab. »Ich heule wegen jedem Scheiß. Auch wenn es kein Scheiß ist, dass mein einziger Bruder endlich wieder zu Hause ist. Einfach nicht ernst nehmen.« Frecks, wie sie wegen ihrer Sommersprossen seit ihrer Kindheit genannt wurde, erwartete ihr zweites Kind. Das war bei seinem letzten Besuch die große Neuigkeit gewesen. »Wollen wir?«

»Klar. Wo ist Magda?«, fragte er sie nach ihrer Tochter, die er in ihrem kurzen Leben noch nicht oft gesehen hatte.

»Micha hat sie mit zu Raik genommen. Da kann sie mit Yara spielen, während die anderen den Abend vorbereiten«, erzählte Wiebke, während sie durch den Hafen gingen.

»Die Willkommensparty der Zwillinge.« Joon lächelte. Er freute sich, dass seine Freunde sich so viel Mühle gaben und für ihn eine Feier organisierten. »Wie kommt Raik klar damit, dass sein Kind bei ihm lebt?« Noch auf der Insel hatte sein Freund ihn in die WhatsApp-Gruppe der Clique eingeladen, und weil dort viel geschrieben wurde, hatte Joon einiges von dem mitbekommen, was zu Hause passierte. Zugegeben: Mit Raik private Nachrichten zu tauschen hatte sich merkwürdig angefühlt, auch wenn sie im Juni einander versichert hatten, Kontakt halten zu wollen. So war die neu angestoßene Freundschaft in eine Art Überbrückungsschlaf gefallen. Joon hoffte, dass sein früherer bester Freund sich, genau wie er, daran erinnerte, worüber sie in dieser einen Nacht vor zwei Monaten geredet hatten.

Und was sie einander versprochen hatten.

»Ganz gut, schätze ich. Yara hat sich super eingelebt, aber es sind ja auch erst wenige Wochen. Ab und zu ist es wohl schwer für sie. Dann vermisst sie ihre Mama.«

»Verständlich«, murmelte Joon und ließ seinen Blick über die kleine Bucht am Rand des Hafens schweifen. Auf dem Wasser tummelten sich einige Kinder mit Surfboards, und kurz verspürte er Wehmut. Er war lange nicht surfen gewesen.

»Oder? Ich verstehe ja immer noch nicht, wie man das eigene Kind seiner Karriere opfern kann, aber was weiß ich schon. Zumindest ist Lena wohl sofort per Video-Call zur Stelle, wenn Yara zu viel Sehnsucht nach Mama hat«, erzählte Wiebke.

»Immerhin«, meinte er und dachte an Lena, in die er damals verknallt gewesen war. Das hätte was werden können, wenn Raik nicht dazwischengefunkt hätte. Kurz danach war Joon nach Ibiza geflogen – und Lena und Raik hatten eine Tochter bekommen. Eine, die so alt war wie sein Sohn.

Er schüttelte den Gedanken ab und konzentrierte sich auf seine Schwester.

»Wir haben uns eine Ferienbetreuung aufgebaut. Die Kinder sind meistens bei Raik, damit Yara es leichter hat und immer eine ihrer Bezugspersonen da ist. Aber die Kinder waren auch schon bei mir oder Katrin. Magda nur alle paar Tage zu Hause zu haben, ist so was von entspannend. Mit Yara und Thorben habe ich zwar dann drei Kinder im Haus, aber die beschäftigen sich wenigstens miteinander und nicht mit mir. Ich weiß manchmal einfach nicht mehr, was ich noch mit diesem Kind machen soll. Sie findet kein Ende, wird nicht müde und hat so viel Elan. Keine Ahnung, von wem sie das hat. Weder Micha noch ich waren so. Mama sagt, Magda erinnert sie an dich als Kind. Bin gespannt, was das Baby für ein Mensch wird.« Liebevoll streichelte sie über ihren leicht gewölbten Bauch.

Joon drängte die Gedanken an seinen eigenen Sohn strenger zurück. »Vielleicht darf ich ja Patenonkel sein.« Er lächelte sie an.

Sie erwiderte es. »Klar, wenn du dich nicht wieder sonst wohin absetzt. Und«, sie hob einen Zeigefinger, »lernst, dass man Handys auch zum Anrufen und Schreiben benutzen kann und nicht nur für Fotos.«

Den Seitenhieb hatte er verdient, denn wirklich viel Kontakt hatte er in den letzten Jahren nicht gehalten. Er war froh, dass Wiebke es so locker nahm und ihm beim Treffen mit seinen Eltern zur Seite stand. Im Juni hatten sie viel Geschäftliches zu besprechen gehabt. Jetzt begann ein neuer Lebensabschnitt, gerade in der Beziehung zu seiner Familie, und Joon hatte die Hosen gestrichen voll.

Damit sie ungestört reden konnten, trafen sie sich im Haus zum Essen, und nicht, wie erwartet, im hoteleigenen Restaurant. Dort gab es einen kleinen Saal für ihre Familie, doch heute hatte Mutter wohl beschlossen, selbst zu kochen.

»Wie schlimm steht es um Vater?«

Wiebke zuckte mit den Schultern. »Du weißt doch, wie er ist. Ihm scheint die Sonne aus dem Hintern, selbst wenn ihm beide Arme abfallen.«

»Deshalb frage ich. Es muss schlimm sein, wenn er seine Stellung aufgibt.«

»Wie schwer ist es dir gefallen, Berlin aufzugeben?«

»War okay.« Die beste Entscheidung, die er bezüglich dieser Stadt getroffen hatte, war wahrscheinlich, sie wieder zu verlassen. »Es war eine Zwischenstation. Ich will nicht sagen, dass mir das hier recht kommt, aber es stört mich auch nicht sonderlich. Vielleicht soll es so sein.«

Seine Schwester warf ihm einen kritischen Blick zu. »Ich hab nie verstanden, wie du mit den vielen Lebensorten glücklich werden konntest. Mich kriegen keine zehn Pferde von dieser Insel.«

»Zehn Pferde hätten es bei mir auch nicht geschafft. Dazu brauchte es schon unseren Vater.« Joon deutete auf die Haustür seines Elternhauses, in dem Jann Petersen bereits stand und seine Kinder erwartete.

Er war ein großer attraktiver Mann von knapp sechzig, der mit den Jahren immer charismatischer geworden war. Wenn er seinen Vater sah, hatte Joon das Gefühl, seine eigene Zukunft vor Augen zu haben. So würde er in dreißig Jahren auch aussehen. Und es gab wahrlich Schlimmeres.

Die Art, wie sein Vater eben auf die Uhr sah, ließ Joon sich allerdings wie einen kleinen Jungen fühlen, der mit seiner Schwester viel zu spät von der Schule kam und sich für das Donnerwetter wappnete, das ihn regelmäßig erwartet hatte. Aber Jann Petersen belehrte ihn eines Besseren. Mit einem breiten Lächeln strahlte er ihnen entgegen.

»Ich dachte schon, ihr kommt nicht!«

Wiebke seufzte leise und murmelte »Schön wär’s«, während Joon sich ein Grinsen verkniff. Ja, ihre Familie war so eine Sache.

»He«, begrüßte er seinen Vater und ließ sich in den Arm nehmen. Sein Vater klopfte ihm auf die Schulter, Wiebke drückte er einen Kuss auf die Wange. Dann bat er beide hinein.

Im Flur kam ihnen ihre Mutter entgegen. Charlotte Petersen war eine ebenso auffällige Erscheinung wie ihr Mann. Seine Eltern gaben das perfekte Hotelier-Ehepaar ab: Elegant, offen, gut gestylt mit einem gewissen Anspruch an Stil und Luxus. Allerdings fiel ihm an seiner Mutter mehr als an seinem Vater auf, dass sie älter wurden. Kleine Fältchen hatten sich um ihre Augen gezogen, und ihr Haar war mittlerweile mehr grau als blond. Er bemerkte sofort, dass sie es nicht mehr färbte, und er fand, sie hatte nie schöner ausgesehen.

»Hallo, mein Sohn!«, begrüßte sie ihn warmherzig und umarmte ihn ebenfalls. Er drückte sie leicht an sich und war überrascht, wie vertraut sie roch.

»He, Mama. Danke für die Einladung.«

»Ach, hör doch auf.« Sie lächelte und begrüßte Wiebke ebenfalls mit einem Kuss auf die Wange. »Wir können gleich essen. Ich hab Snirtjebraten gemacht, extra mit Bohnen. Willst du ein Bier dazu, Joon? Papa trinkt derzeit keins, es sind noch ein paar Flaschen da.«

Joon freute sich – er liebte Snirtjebraten! »Dann bleibe ich auch bei Wasser, kein Problem.«

Während Wiebke für die Getränke sorgte, bekam Joon eine kurze, schnelle Führung durch das renovierte Haus. Im Gegensatz zu dessen Äußeren sah man hier deutlich, dass seine Eltern Wert auf einen gewissen Luxus legten. Geschmackvoll hatte seine Mutter Deko und Gemälde zur Schau gestellt, die Böden waren so glatt, dass sie unter seinen Sneakern quietschten, und helle Teppiche milderten den kühlen Eindruck immer wieder ab. Vorher war es eher dunkler eingerichtet gewesen, aber so gefiel es Joon viel besser.

Nachdem sie am großen Esstisch Platz genommen hatten und die Getränke und das Essen verteilt waren, sprachen sie locker über alle möglichen Themen. Wiebke übernahm den Großteil der Unterhaltung und verhinderte zu neugierige Fragen, die Joon nicht hätte beantworten wollen. Zunehmend entspannte er sich, und als sein Vater direkt nach der Mahlzeit zum Punkt kam, sah er ihm offen entgegen.

»Ich bin nicht ernsthaft krank«, sagte er und wiederholte damit die Worte, die er auch im Juni zu ihm gesagt hatte. »Aber mein Arzt ist der Meinung, dass ich es werde, wenn ich nicht etwas kürzer trete. Ihr könnt euch vorstellen, dass mir das gar nicht schmeckt. Danke, dass du gekommen bist, Joon. Mir ist bewusst, dass das viel verlangt ist, deshalb habe ich vorher mit deiner Schwester gesprochen«, er deutete auf Wiebke, »die durchaus die Fähigkeiten hätte, unsere Firma zu leiten, aber sie hat dankend abgelehnt.«

»Du hast seltsame Vorstellungen von meinen Fähigkeiten, Papa. Ich bin Executive Housekeeper und besitze nicht mal ansatzweise Führungsqualitäten, die über meinen Bereich hinausgehen. Abgesehen davon bin ich schwanger.«

»Mit einem Baby ist das nicht zu machen, das sehe ich ein. Über dein anderes Argument würde ich diskutieren.« Liebevoll lächelte er Wiebke an, doch dann wendete er sich wieder Joon zu. »Derzeit ist Sarah Kluut als Interimsdirektorin eingesetzt.«

Joon hob eine Augenbraue. »Warum soll ich es dann machen? Ich kenne sie nicht, aber sie sitzt ja nicht grundlos auf dem Stuhl. Sie ist doch sicher gut in ihrem Job.«

Seine Mutter machte ein abfälliges Geräusch, erhob sich und begann, den Tisch abzuräumen. Joon tauschte einen irritierten Blick mit Wiebke, doch diese zuckte mit den Schultern.

»Ich helfe dir, Mama«, sagte sie und stand ebenfalls auf.

»Sarah ist in vielen Dingen anderer Meinung als ich«, erklärte sein Vater vorsichtig, als sie allein waren. »Eben erst war Beeke hier. Sie ist für unseren Internetauftritt verantwortlich und erzählte mir von Kürzungen, die Sarah vorgenommen hat. Das ist unangenehm, weil ich meinen Mitarbeitern gegenüber halten möchte, was ich ihnen zusage. Das wäre auch mein Wunsch an dich. Ich verfolge seit vielen Jahren ein Konzept, und ich möchte dich bitten, daran auch nichts zu ändern. Mein Plan ist, gesund zu werden und weiterzuarbeiten. Ich würde ungern eine Firma vorfinden, die ich nicht wiedererkenne.«

»Verstehe«, meinte Joon. »Ich nehme an, dieses Konzept erwartet mich in aller Ausführlichkeit in meinem neuen Büro?«

Sein Vater nickte. »Selbstredend. Allerdings steht dir mein eigenes Büro zur Verfügung. In der Branche geht es leider auch viel um Prestige, und mein Büro macht am meisten her. Die Leute sollen sehen, dass du der Chef bist und nicht in einem Kellerbüro sitzt. Zudem wollte ich niemand anderen aus seinem Büro werfen. Ich werde Montagmorgen anwesend sein und die Riege darüber informieren, wie es nun zu laufen hat. Wir haben um neun Uhr eine Konferenz. Und dann verstehst du vielleicht, wie froh ich bin, dass du hier bist, Sohn.«

»Das verstehe ich auch jetzt schon.«

»Es tut mir leid, dass ich dich brauche. Ich wünschte mir auch, dass es nicht nötig wäre.«

»Das ist in Ordnung. Wir hatten eine Vereinbarung, und die halte ich.«

»Darauf habe ich mich immer verlassen«, stimmte sein Vater zu und sah ihn offen an.

Joon musterte ihn und wartete auf das bekannte negative Gefühl in sich. Auf die Angst. Auf die Unsicherheit. Auf das Misstrauen.

Doch nichts davon regte sich.

Beeke

Den halben Samstag schlich Beeke um ihren Bruder herum. Ihr gemeinsamer Freund Micha war mit seiner Tochter Magda bei ihnen und passte auf die Kinder auf, während sie mit Raik und Svea die Willkommensparty für Joon und Mattes vorbereitete.

Beeke war sich noch nicht sicher, ob Joons Rückkehr für sie ein Anlass zum Feiern sein würde. Sie war gleichermaßen nervös wie auch positiv aufgeregt. Zu viel verband sie miteinander, und seit sie wusste, dass er zurückkommen würde, hatte sie sich viele Gedanken gemacht.

Sehr, sehr viele Gedanken.

Und einen Plan.

Mattes hingegen stand sie neutral gegenüber. Er kam aus Sveas Familienecke und zufällig zeitgleich mit Joon zurück auf die Insel. Also hatten sie beschlossen, auch ihm das Fest zu widmen, um ihn in der Heimat zu begrüßen.

»Machen wir eine Pause? Klaas und Daniel kommen gleich mit den letzten Einkäufen, und Svea und Micha sind mit den Kindern zum Spielplatz gegangen.«

»Oh!« Beeke hatte gar nichts davon mitbekommen, weil sie im oberen Stockwerk noch die Betten bezogen und gesaugt hatte. »Klar, Pause wäre gut. Ist schon Eistee da?«

»Kannenweise«, meinte Raik und grinste. »Zitrone?«

»Unbedingt.« Auf einmal fühlte sie sich müde. Kein Wunder! Seit früh morgens war sie auf den Beinen. Erschöpft folgte sie Raik auf die Terrasse und ließ sich in einen der gemütlichen Loungesessel fallen.

»Daniel hat Wassermelone ausprobiert. Aber der soll noch stehen bleiben. Den will er erst selbst probieren.«

»Besser ist das.« Beeke grinste. Ihr Schwager Daniel war berühmt-berüchtigt für seine Eistee-Kreationen. Die meisten waren wirklich extrem lecker, aber manchmal ging das auch schief.

»Wie gehts dir? Wir haben lange nicht geredet.« Raik saß entspannt auf dem Sofa auf der Terrasse. Jetzt, wo die Familie anwuchs, hatten sie sich neue Möbel geleistet. Das war mit einem Kleinkind durchaus mutig, doch sie waren positiv eingestellt – und die Bezüge waschbar.

Beeke legte den Kopf schief. »Ach. Ich bin okay. Es wird trubelig werden die nächsten zwei Tage. Schätze, die Rückkehr des verlorenen Sohnes lässt sich keiner unserer Freunde entgehen.« Ihr Blick wanderte durch den Garten. Neles Tiny House war ebenso wie die Hecke, die den Garten umschloss, mit Lichterketten geschmückt. Sie hatten mehrere Stehtische aufgestellt, der Grill wartete auf seinen Einsatz, und einige Sitzgelegenheiten standen im Garten verteilt.

»Er war im Juni so nervös, als er an dem Tag von Sveas Party zu uns kam. Ich hatte Sorge, dass du dich umdrehst und ihn einfach stehen lässt, aber ich habe gesehen, dass ihr miteinander geredet habt. Du hast mir nie erzählt, worüber«, erklärte ihr Bruder.

Das war ein aufreibender Abend gewesen. Eigentlich wollten sie Svea verabschieden, deren Inselaufenthalt sich dem Ende genähert hatte. Und kurz bevor die Party begonnen hatte, war Joon durch das Gartentor spaziert.

Raik hatte ihn eingeladen und auch angekündigt, trotzdem war es für Beeke ein emotionaler Moment gewesen. So lange hatte sie Joon nicht gesehen. Und dann stand er da. Hatte sie bei ihrem alten Kosenamen genannt, und sie? Sie war dahingeschmolzen wie Butter in der Sonne. Er hatte sie später am Abend zur Seite genommen, und es stimmte, was Raik sagte.

Sie hatte ihm nichts davon erzählt.