Fußball und Gesellschaft. - H.-Georg Lützenkirchen - E-Book

Fußball und Gesellschaft. E-Book

H.-Georg Lützenkirchen

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Beschreibung

Die Vorträge diskutieren die Rolle und Bedeutung des Fußballs für zivilgesellschaftliche Prozesse. Themen: Gewalt, Rechtsextremismus, Fair Play, Gesellschaftspolitische Herausforderungen.

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Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Vorwort

Einleitung - Zehn Thesen zur Orientierung

These 1: Grundlagen – Stärkung der zivilgesellschaftlichen Kompetenz

Anmerkungen (These 1)

These 2: Über die Geschichte zur Gesellschaft. Analysefähigkeit

Anmerkungen (These 2)

These 3: Verantwortliches Handeln braucht Kompetenz

Einschub: zum Verständnis der Professionalisierung im Sport

These 4: Kompetenz braucht politische Bildung

These 5: Zum Beispiel die Gewaltproblematik - Politische Bildung als Präventionsarbeit

Anmerkungen (These 5)

These 6: Zum Beispiel Ethnisierung im Fußball - Politische Bildung als Kommunikationsplattform

These 7: Zum Beispiel „Reclaim the Game “ – Politische Bildung als (internationale) zivilgesellschaftliche Herausforderung

These 8: Projektpraxis – Mit den Menschen statt für die Menschen!

These 9: Nachhaltigkeit – Qualität statt Quantität!

These 10: Aus der Praxis für die Praxis: Fair Play als Herausforderung

Aggression und Gewalt im Amateurfußball. Ergebnisse einer Befragung unter Funktionären und Amtsträgern im Fußballverband Mittelrhein. Ein Vortrag

Fußball und Gewalt - Ein Vortrag

Fußball und Rechtsextremismus - Ein Vortrag

Anmerkungen (Fußball und Rechtsextremismus)

Gesellschaftspolitische Herausforderungen für den Fußball - Ein Vortrag

Respekt und Fair-Play im Fußball

Literaturverzeichnis

Nachweise

Impressum

Inhalt

Vorwort

Einleitung - Zehn Thesen zur Orientierung

These 1: Grundlagen – Stärkung der zivilgesellschaftlichen Kompetenz

These 2: Über die Geschichte zur Gesellschaft. Analysefähigkeit

These 3: Verantwortliches Handeln braucht Kompetenz 

Einschub: zum Verständnis der Professionalisierung im Sport

These 4: Kompetenz braucht politische Bildung

These 5: Zum Beispiel die Gewaltproblematik - Politische Bildung als Präventionsarbeit

These 6: Zum Beispiel Ethnisierung im Fußball - Politische Bildung als Kommunikationsplattform

These 7: Zum Beispiel „Reclaim the Game “ – Politische Bildung als (internationale) zivilgesellschaftliche Herausforderung

These 8: Projektpraxis – Mit den Menschen statt für die Menschen!

These 9: Nachhaltigkeit – Qualität statt Quantität!

These10: Aus der Praxis für die Praxis: Fair Play als Herausforderung

Aggression und Gewalt im Amateurfußball. Ergebnisse einer Befragung unter Funktionären und Amtsträgern im Fußballverband Mittelrhein. Ein Vortrag

Fußball und Gewalt - Ein Vortrag

Fußball und Rechtsextremismus - Ein Vortrag

Gesellschaftspolitische Herausforderungen für den Fußball - Ein Vortrag

Respekt und Fair-Play im Fußball - Ein Vortrag

Literaturverzeichnis

Nachweise

Impressum

Vorwort

Die hier versammelten Vorträge fassen Ergebnisse verschiedener Projekte, die ich in der Vergangenheit zum Themenbereich „Fußball und Gesellschaft“ konzipiert, durchgeführt und/oder ausgewertet habe, zusammen. Projekte, die mit dem Fußball-Verband Mittelrhein, dem Deutschen Fußball-Bund, der Friedrich-Ebert-Stiftung, oder der Bundeszentrale für politische Bildung durchgeführt werden konnten. Für den Beitrag zur Ermöglichung der Projekte sei ihnen an dieser Stelle gedankt.

Inzwischen wurde das Institut für Fußball und Gesellschaft (IFG) als ein eigener Projektträger gegründet. Das IFG entstand aus dem Verein „Ein Dach für Fans“, der aus Anlass der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland das gleichnamige, mit Mitteln der Bundesregierung finanzierte Projekt durchführte. Das IFG ist dezentral organisiert und hat Stützpunkten in Dortmund, Köln, Parchim, Warschau und Salzburg. Das Institut ist Mitbegründer der deutsch-polnischen Stiftung "about 9 foundation" in Gdansk. Die Stiftung fördert die politischen, sozialen und kulturellen Dimensionen des Sports, insbesondere des Fußballs, für die Entwicklung von Zivilgesellschaft in den Ländern des Ostseeraums.

Das Tätigkeitsfeld des IFG erstreckt sich auf alle gesellschaftspolitisch relevanten Faktoren des Fußballs, insbesondere auf die folgenden Gebiete:

Erforschung der Entwicklung des Fußballs und seiner Vereine unter wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten;

Erforschung der Entwicklung der Vereinsmitglieder, Zuschauer und Fußballfans;

Entwicklung von Konzepten zur Stärkung der Vereine als regional relevante Faktoren der Gesellschaft;

Mittler zwischen Fans und Vereinen, Verbänden, Institutionen und Behörden;

Handlungsstrategien zur Eindämmung und Vermeidung gewaltbereiter, rechtsradikaler, fremdenfeindlicher und sexistischer Aktivitäten im Umfeld des Fußballs.

Diese Themenfeldern diskutieren auch die Vorträge im vorliegenden Band.

Der erste Vortrag „Aggression und Gewalt im Amateurfußball“ stellt die Ergebnisse einer Befragung vor, die im Auftrag des Fußball-Verbandes Mittelrhein unter Funktionsträgern der Fußballkreise im Verbandsgebiet zur Einschätzung der Gewaltproblematik im Amateurfußball durchgeführt wurde. Auch wenn die Befragung bereits etwas länger zurück liegt, sind doch die in ihr deutlich gewordenen Themenschwerpunkte nach wie vor aktuell.

Das gilt erst recht für die Thematik "Fußball und Gewalt". Der Vortrag diskutiert die gesellschaftspolitische Rolle des Fußballs und die daraus sich ergebenden Handlungsoptionen zur Gewaltprävention. Sie sind zunehmend auch bestimmt durch eine Tendenz, Fußball für verschiedene gesellschaftspolitische Themen zu funktionalisieren. Fußball ist, wie Klaus Theweleit einmal formulierte, nach dem Verlust der großen Ideologien durch den Untergang der 'sozialistischen Alternative'  das Ersatzthema für gesellschaftliche Diskurse. Zuweilen geht dabei die Verhältnismäßigkeit verloren. Denn natürlich kann der Fußball nicht die Probleme dieser Welt lösen, aber er kann in Anerkennung seiner zivilgesellschaftlichen Verantwortung einen Beitrag zur Gestaltung von Gesellschaft leisten. 

Eine aktuelle Herausforderung für die Gesellschaft stellt der 'neue' Rechtsextremismus dar. Der Vortrag „Fußball und Rechtsextremismus“ diskutiert die Gefahren, die rechtsextreme Einstellungen und Strategien 'aus der Mitte der Gesellschaft' bedeuten. Eben dort ist der Fußball angesiedelt, weshalb er zum bevorzugten Objekt rechter Aktivitäten wird. 

Die Einsicht in die gesellschaftspolitische Verantwortung des Fußballs bedeutet auch eine Herausforderung. Der Vortrag „Gesellschaftspolitische Herausforderungen für den Fußball“ hinterfragt die Möglichkeiten, die der Fußball hat und diskutiert die Notwendigkeit eines insbesondere von der politischen Bildung zu leistenden integrativen Konzeptes zur Unterstützung des Fußballs.

Die beiden Stichworte „Respekt und Fair Play“ stehen im Mittelpunkt eines weiteren Vortrages. Er diskutiert die Grenzen und Möglichkeiten von Respekt und Fair Play als „Verhaltenstugenden“.

Der vorliegende Band dient der Dokumentation, die von verschiedenen Interessenten angefragt wurde. Die Vorträge wurden zu diesem Zweck nur unwesentlich verändert. Der Vortragscharakter sowie der jeweilige Zeit- und Themenbezug, der Anlass für die Vorträge war, sollte beibehalten werden. Nur dort, wo sich offensichtliche 'Konflikte' zu aktuellen Erscheinungen andeuten, wurden Passagen aktualisiert. Die Leserinnen und Leser mögen im Übrigen selbst beurteilen, wie 'aktuell' die hier angesprochenen Themen sind. Fußnoten und sonstige Ergänzungen finden sich nur in Einzelfällen. Kürzungen wurden vorgenommen, um Wiederholungen zu vermeiden - konnten sie indes nicht immer vermeiden.  

H.-Georg Lützenkirchen

Köln, 2015

Einleitung - Zehn Thesen zur Orientierung

Wer eine gesellschaftspolitische Verantwortung des Fußballs anerkennt, muss sich auch Gedanken darüber machen, wie diese Verantwortung praktisch werden kann. Es gilt, Voraussetzungen für verantwortliches Handeln zu kennen. Die nachfolgenden Thesen formulieren einige dieser Voraussetzungen, die geeignet sind, eine gesellschaftspolitische Handlungskompetenz des Fußballs zu begründen und wirkungsmächtig zu machen. Dabei geht es in der Zielsetzung aller praktischen Maßnahmen immer um die Aspekte Prävention und Partizipation.

These 1: Grundlagen – Stärkung der zivilgesellschaftlichen Kompetenz

Nachhaltige Präventionsarbeit muss eingebettet sein in eine Strategie zur Aktivierung zivilgesellschaftlicher Verantwortung und Kompetenz bei den Menschen. Das bedeutet eine Erweiterung des interventionistischen (sozialarbeiterischen) Ansatzes: Die Menschen, mit denen gemeinsam die Strategie umgesetzt werden soll, sind nicht mehr nur „bedürftige Mängelwesen“ (M. Gronemeyer), sondern potentiell kompetent und eigenständig Handelnde.

Dieses Ausgangsverständnis verbindet die unmittelbare präventive Intervention mit einer 'gesellschaftspolitischen' Strategie, in der die präventiven Effekte indirekt über die zivilgesellschaftliche Verantwortung der beteiligen Menschen erzielt werden. Es entsteht Nachhaltigkeit.

Was gemeint ist, soll am Beispiel des Projekts „Ein Dach für Fans“ (EDFF) gezeigt werden.

Mit der Gründung des Projekts EDFF im Jahre 2004 durch Dortmunder Fußballfans, die sich zuvor in verschiedenen Internetkommunikationsforen kennen gelernt hatten, bestand die Möglichkeit, ausgehend von der konkreten praktischen Idee der Vermittlung von Übernachtungsmöglichkeiten für potentielle BesucherInnen der WM 2006, eine neuartige Sichtweise auf die Belange der Fußballfans einzuüben: von Fans für Fans! Neuartig deshalb, weil dies nicht nur im Bereich praktischer Serviceleistungen verstanden werden sollte, sondern ebenso bewusst wie gezielt auch als nachhaltiger Beitrag zur politischen Kultur des Gastgeberlandes für WM 2006 wirken sollte. In der Einladung zur Informationsveranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung über das Projekt am 19. August 2004 in Dortmund lautete deshalb die Zielbeschreibung:

„Mit dem Projekt »Ein Dach für Fans« (EDFF) wollen wir erreichen, dass einheimische Fans auswärtigen Fans bei der Unterbringung helfen. Wir sehen darin einen wichtigen Schritt praktischer Völkerverständigung. Wer sich kennt und Kontakt miteinander hat, entwickelt keinen Rassismus, keine Ausländerfeindlichkeit und keine Aggressivität auf seinen Kumpel.“ 1 

Die benannten Präventionsanliegen verstanden sich von Beginn an als Bürgerengagement. Der Grundgedanke: In dem Maße, wie 'der Fan' sich auch als engagierter 'Bürger' versteht (und sich auch verhält), leistet er einen eigenen Beitrag zur Zivilgesellschaft.

Dabei geht es in einem ersten Schritt zunächst um die Bewusstmachung der eigenen Handlungsmächtigkeit als Fan. Genauer: als Bürger und Fan. Mit dieser Zuspitzung erfährt das Präventionsanliegen eine Erweiterung: Es geht nun auch um die Partizipationspotentiale und die Partizipationskompetenzen einer Zielgruppe, die als Fans in der öffentlichen Wahrnehmung aktiv eher ausschließlich als 'kuriose' oder folkloristische Besonderheit, als Störer oder gar Randalierer im Rahmen von Fußballereignissen wahrgenommen wird.

Eine Aktivität im Sinne eigenständiger Interessenvertretung, die die selbstbewusste Mitgestaltung gesellschaftspolitischer Rahmenbedingungen beinhaltet, wird von Fußballfans gemeinhin nicht erwartet. Das Projekt EDFF überwindet diese allgemeinen Erwartungen an ein 'Fanprojekt', wenn es betont:

„EDFF sieht sich (...) in der Tradition des engagierten Bürgers. In dieser Tradition ist das von EDFF gestaltete und mit anderen initiierte bürgerschaftliche Engagement Ausdruck eines wachsendes politisch-partizipativen Selbstbewusstseins der „Fußballfans“, die ihre Interessen aktiv und offensiv vertreten wollen. In diesem Bewusstsein bringt EDFF auf nationaler und internationaler Ebene Ideen, Erfahrungen und Kompetenzen zur effektiven Mitgestaltung gesellschaftspolitischer Herausforderungen rund um den Fußball ein.“

Nimmt man aber diese Potentiale einer partizipatorischen Handlungskompetenz (und der damit einhergehenden Präventionspotentiale) ernst, wird ein solcher Handlungsansatz auch im Kontext eines politische Bildungsverständnisses interessant. Denn Handeln braucht Kompetenz! Es gilt dann, Voraussetzungen zu schaffen, damit dieses Potential wirksam werden kann als eigenständiger Beitrag zur Zivilgesellschaft.2 Es geht um die Bereitstellung von 'Handwerkszeug' des kommunikativen Miteinanders, Methoden des Diskurses ebenso wie um die Bereitstellung und Organisation entsprechender Foren, öffentlicher Räume für Diskurse.

Anmerkungen (These 1)

1 EDFF – oder wie wir die Welt sehen, vergl.  http://www.edff.net/de/index.php?p=wasistedff1#7  .

2 Vergl.: Lützenkirchen, H.-Georg, Fußball – Politik – Politische Bildung, in: Praxis Politische Bildung. Materialien – Analysen – Diskussionen, 11.Jg., 1. Vj. 2007 (H. 1/2007), S. 11-16. Der Begriff Zivilgesellschaft meint natürlich zunächst den demokratischen Rechtsstaat. In einem internationalen Kontext empfiehlt es sich aber, von zivilgesellschaftlichem Engagement zu sprechen. Der Begriff kennzeichnet dann gewissermaßen die Grundlage jeder demokratischen Verfassung: gelebte Demokratie – auch dort, wo die demokratischen Strukturen noch nicht so stabil ausgeprägt sind, etwa in einigen osteuropäischen Ländern.

2

These 2: Über die Geschichte zur Gesellschaft. Analysefähigkeit

Es besteht eine ständige Wechselbeziehung zwischen Sport und Gesellschaft.

Als ein eigenständiges 'System' ist in dieser Beziehung auch der Fußball ein „Subsystem“ der Gesellschaft. Das bedeutet: die Anforderungen einer demokratisch-zivilen Gesellschaft wie demokratische Verfassung, Transparenz, Mitbestimmung gelten auch für das Subsystem Fußball.

Darüber hinaus bedingt das Wechselverhältnis, dass sich gesellschaftliche und soziale Erscheinungen und Verwerfungen im Subsystem abbilden und hier ihre spezifische Ausprägung erfahren. Zugleich aber vermag das Subsystem diesen Erscheinungen und Verwerfungen mit mit seinen eigenen Mitteln zu begegnen. Darin liegt Beitrag, mit dem der Sport, hier speziell der Fußball Gesellschaft mitgestalten kann (und soll). Das ist eine Herausforderung: für jeden Aktiven, sei es als Funktionsträger oder Spieler oder Zuschauer oder Fan - als mündige Bürger mitgestalten zu können - und zu wollen!

"Die Geschichte des deutschen Fußballbundes zeigt, dass "der" Sport so gut eine Fiktion ist wie "der" Mensch. Sie zeigt auch, dass der Fußball, konkret wie er ist, seine Geschichte und seinen Gesellschaftsbezug hat: Daß er ein Politikum bildet, dass er als Politikum erkannt werden will... Er gehört zu unserer Gesellschaft."1

Als zum 75jährigen Jubiläum des DFB 1975 der damalige Festredner Walter Jens diese Wechselbeziehung zwischen Sport und Gesellschaft hervorhob, ging es ihm um die zu diesem Zeitpunkt noch weitgehend unaufgearbeitete nationalsozialistische Vergangenheit des Verbandes. Eine verdrängte Geschichte, deren Aufarbeitung der DFB lange Zeit anderen überließ. Doch blieben viele der im Umfeld der Regionalgeschichtsforschung und Oral-History-Bewegung entstandenen Versuche, kritische Fragen an die deutsche Fußballgeschichte zu stellen, oft aufgrund mangelnder Quellengrundlagen unvollkommen – auch weil der DFB selber Einsicht in seine Archive verweigerte – oder waren in ihrer bewusst journalistischen Herangehensweise methodisch angreifbar.2 Indes häuften sich die kritischen Fragen. Beispielhaft sei hier auf die Geschichte des Vereins Schalke 04 hingewiesen. Während noch der Mythos des ruhrgebietstypischen Arbeitervereins gepflegt wurde, zu dem eine Art 'natürlicher Widerstand' gegen das Nazi-Regime gehörte, wurden erst langsam die tatsächlichen Verstrickungen des Vereins und solch prominenter Spieler wie Fritz Szepan und Ernst Kuzzorra mit dem Naziregime bekannt und auch im Kontext politischer Bildungsveranstaltungen thematisiert.3 Es ist auch diesem 'Druck von unten' zu verdanken, dass auch der DFB sich schließlich veranlasst sah, eine unabhängige Darstellung seiner Geschichte zu beauftragen.4 .

Das Beispiel der durch Walter Jens' Einlassung in Gang gesetzten Aufarbeitung der eigenen Geschichte eines großen Sportverbandes soll an dieser Stelle auf die ständigen Interdependenzen zwischen Sport und Gesellschaft hinweisen. Der Sport ist Teil dieser Gesellschaft. Als Teil der Gesellschaft kann er – das zeigt der Rückgriff auf die Geschichte – ebenso wenig nicht 'außerhalb' der Geschichte stehen wie er sich von gesellschaftlichen Realitäten abkoppeln kann. Es hat sich ihnen zu stellen und mit den ihm möglichen Mitteln zu begegnen. Die Herausforderung besteht darin, mit diesen Mitteln auch einen Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Entwicklung leisten zu können – und zu wollen.

Anmerkungen (These 2)

1 Jens, Walter, Fußball: Versöhnung mitten im Streit?, in: Ders., Republikanische Reden, München 1976, S. 177-187.

2 Beispielhaft seien einige Arbeiten genannt: Schulze-Marmeling, Dietrich, Der gezähmte Fußball. Geschichte eines subversiven Sports, Göttingen 1992. Ders. (Hrsg.), Davidstern und Lederball. Die Geschichte der Juden im deutschen und internationalen Fußball, Göttingen 2003. Leinemann, Jürgen, Sepp Herberger. Ein Leben, eine Legende, Berlin 1997. Fischer, Gerhard/ U. Lindner, Stürmen für Hitler. Vom Zusammenspiel zwischen Fußball und Nationalsozialismus, Göttingen 1999. Heinrich, Artur, Der Deutsche Fußballbund. Eine politische Geschichte, Köln 2000.

3 „Auf einmal ist das Seminar mitten drin in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Wie war das damals mit dem DFB und den großdeutschen und Kriegsmeisterschaften? Was konnte der Einzelne tun? Wer wurde Täter? Wer war Mitläufer? War Widerstand möglich? Um welchen Preis auch im Fußball, den die Nazis wie alle Bereiche vereinnahmten? Schalke 04 wurde für die Nazis der Vorzeigeverein (er verkörperte angeblich die von den Nationalsozialisten propagierte „Volksgemeinschaft“).“ Grieger, Karlheinz, Fußball ist unser Leben... Spielberichte aus einem Seminar der politischen Bildung, in: Außerschulische Bildung Nr. 1-06 (AdB-Forum, ), Berlin 2006.

These 3: Verantwortliches Handeln braucht Kompetenz

Es ist zugleich auch Verantwortung! Eine Verantwortung, die sich zunächst aus der einzigartigen Infrastruktur des Fußballs ergibt: die Vielzahl von Vereinen und ihre ehrenamtlichen Mitarbeiter erreichen viele Menschen, vor allem auch und besonders Jugendliche.

Um aber dieses positive Einwirkungspotential nutzen zu können braucht es Kompetenz. Eine erste Voraussetzung hierfür sind Kenntnisse und Wissen über die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, in denen das eigene ehrenamtliche Engagement stattfindet. Es gilt, das Engagement beispielsweise im Rahmen der Gewaltprävention in Kooperation mit anderen gesellschaftlichen Einrichtungen, wie z.B. Polizei, Schulen, kommunale Einrichtungen, und Bildungseinrichtungen zu verstehen. Ein solches Bewusstsein beugt auch der Angst vor einer falschen Professionalisierung der Ehrenamtler vor, die diese zu neuen Sozialexperten oder Sozialarbeitern machen will. Kompetenz entwickelt sich im Rahmen eines Netzwerkbewusstseins.

Die Bereitschaft, den gesellschaftspolitischen Herausforderungen im Sport mit jeweils spezifischen Kompetenzen und Optionen begegnen zu wollen, ist auch Folge einer gesellschaftlichen Verantwortung des Sports. Sie ergibt sich zunächst aus dem Stellenwert, den der Sport in der Gesellschaft hat. Das gilt vor allem für den Fußball. Seine Verantwortung ergibt sich zunächst aus der einzigartigen Infrastruktur: die Vielzahl von Vereinen und die vielen dort aktiven ehrenamtlichen Mitarbeiter erreichen die Menschen, vor allem Jugendliche. „Die Amateurvereine,“ meint der Sportwissenschaftler Dieter H. Jütting, „sind der 'big player' unter den zivilgesellschaftlichen Organisationen in Deutschland..." In diesem Umfeld werden (Verhaltens)normen besonders wirkungsvoll vermittelt.

Kein Wunder, dass angesichts einer derartigen 'Ausgangslage' schnell auch gesellschaftspolitische Erwartungen an den Sport formuliert werden. Es wird dann sehr gerne davon ausgegangen, dass der Sport, will sagen: die Vereine wie selbstverständlich präventive Effekte in Bereichen erzielt, für die eigentlich die Gesellschaft als Ganzes Verantwortung hat. Zum Ausdruck kommt hier eine zuweilen bequeme Delegation von Verantwortung auf die Vereine und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ohne zu bedenken, ob diese überhaupt in der Lage sind, den Erwartungen zu entsprechen. Es besteht eine unrealistische Erwartungshaltung.

Die Entwicklung eines eigenen zivilgesellschaftlichen Handlungspotentials verschafft vor diesem Hintergrund den im Sport aktiven Menschen auch jenes Selbstbewusstsein, das ihnen ermöglicht, derartige falsche Erwartungen zurückzuweisen und die eigene Rolle und Funktion offensiv zu beschreiben.

Einschub: zum Verständnis der Professionalisierung im Sport