Future Fiction Magazine Nr. 05/Sep23 - Uwe Post - E-Book

Future Fiction Magazine Nr. 05/Sep23 E-Book

Uwe Post

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Beschreibung

In der 5. Ausgabe bringt das Future Fiction Magazine mit einem Medizin-Schwerpunkt Erzählungen aus Deutschland, USA, Tschechien und Pakistan. Wie steht es um die Rechte von tierischen Mitarbeitern in der Gastronomie? Welchen Preis hat eine siebenstellige Anzahl Follower? Wem gehört der Plastikmüll im Meer? Welche Vorteile hat eine Geburt im Orbit? Wie können wir den Abschied von Menschen am Ende des Lebens erleichtern? Diesen und anderen Fragen gehen die Geschichten in dieser Ausgabe unseres Magazins nach, die übrigens diesmal alle von Frauen verfasst wurden. Im Magazinteil gibt es ein Interview zum Thema Medizin der Zukunft und Neues von deutschen und europäischen SF-Preisen. Unser Magazin wurde mit dem europäischen SF-Preis ESFS ausgezeichnet!

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Inhaltsverzeichnis

Intro

Theresa Hannig – Wo acht Arme grillen

Kehkashan Khalid (Pakistan) – Splitter im Hirn

Jo Koren – Abschiede

Future Fiction Talk – Jo Koren im Gespräch

Tessa Maelle – Auguria Orbis

Lucie Lukačovičová (Tschechien) – Goldfarn

Lauren C. Teffeau (USA) – Plastikjäger

ESFS-Award für unser Magazin

Kurd-Laßwitz-Preis

Deutscher Science Fiction Preis

Unser Cover: »Tidepipe Station« von Kirsten Zirngibl

Impressum

Intro

Als am 11. Juni um die Mittagszeit ein Foto mit einem kleinen, braunen Pferd darauf die Runde machte, klangen unsere ersten Kommentare in etwa so:

»???«

»Ähm«

»Nein!«

Doch. Denn das Foto kam direkt aus Uppsala, vom EuroCon, und zeigte nicht nur die kunstvolle Trophäe, sondern auch die Urkunde auf blauem Papier, die es bewies: Unser Magazin war soeben von der europäischen SF-Gesellschaft (ESFS) mit dem Hall-of-Fame-Award ausgezeichnet worden. Entgegengenommen wurde der Preis von unserem »Mastermind« Francesco Verso, der zufälligerweise als Ehrengast auf der Convention weilte. Wir selbst hätten die weite Anreise sicher auch auf uns genommen, wenn wir das gewusst hätten …

Somit wurde unser Versuch, einer modernen, zeitgenössischen, diversen und globalen Variante der Science Fiction in Deutschland mehr Gehör zu verschaffen, nicht nur mit tollen Kritiken und sehr ordentlichen Verkaufszahlen, sondern auch mit einem europäischen Preis belohnt. Wow!

Natürlich motiviert uns das, mit unserem Projekt weiterzumachen. Auch wenn es diesmal etwas länger gedauert hat und unsere Textauswahl ungewohnt erscheinen mag (ausschließlich Autorinnen!): Ausgabe 5 unseres Magazins vereint einmal mehr ungewöhnliche, spannende und hochinteressante Stimmen aus Deutschland, Europa und der ganzen Welt. Übrigens: Trotz gestiegener Druckkosten können wir wegen der weiterhin erfreulichen Verkaufszahlen bei unserem günstigen Preis von nur 7 Euro bleiben!

Es soll nicht verschwiegen werden, dass wir weiterhin die meisten Einsendungen (aus Deutschland) ablehnen müssen. Zumeist ist eine unpassende Themenwahl der Grund (passende Themen stehen übrigens in den Infos auf futurefiction.de) – oft aber auch eine fehlende optimistische Ausrichtung. Denn obwohl Dystopien immer noch äußerst beliebt sind: Wir wollen den düsteren Schauergeschichten tendenziell positive, plausible Visionen gegenüberstellen. Dass es darin nicht nur um Sonnenschein in Bullerbü gehen muss, sondern um ernste menschliche Probleme, wollen wir in dieser Ausgabe einmal mehr zeigen.

Terra, im Sommer 2023:

Sylvana Freyberg Uwe Post

Theresa Hannig – Wo acht Arme grillen

#story #socialfiction #biopunk #ernährung

Als Remi Kraus sich an seinen Frühstückstisch setzte, roch der Kaffee nach Lakritz.

Von der anderen Seite des Tisches aus starrte ihn seine Putzkatze an. Reglos, geduldig, aber irgendwie schuldbewusst.

Normalerweise saß dort nicht Putzi, sondern Remis Dienstaffe Chimpo 3000, sein Biotool, das den Haushalt schmiss: Müsli mischte, Orangensaft servierte, Kaffee kochte – aber niemals aus Lakritz.

»Wo ist Chimpo?«, erkundigte sich Remi.

Die Putzkatze schaute nach links und rechts, dann miaute sie fragend.

Remi warf ihr einen strengen Blick zu. »Putzi!« Doch das Biotool starrte ihn nur unverwandt an. Auf diese Weise konnte Remi nicht gewinnen. Die Putzkatze konnte den Fliegendreck von den Fensterscheiben herunterstarren.

»Ich verlange eine Erklärung hierfür!« Remi griff nach dem Kaffeebecher, der appetitlich dampfte, doch der Geruch war so abstoßend, dass Remi ihn reflexartig am gestreckten Arm von sich stieß. Dabei warf er die volle Müslischüssel um. Der Inhalt ergoss sich platschend auf den Fußboden.

Sofort sprang die Putzkatze hinterher und machte sich daran, den Schlamassel zu beseitigen.

»Danke«, sagte Remi seufzend und ließ seinen Blick auf der Suche nach einem alternativen Frühstück über den Tisch schweifen. Er hatte sich gerade den ersten Bissen seines Soja-Leinsamen Brötchens in den Mund geschoben, da klingelte es an der Wohnungstür.

Im Gang stand eine ungewöhnlich kleine Person in einem über und über mit bunten Werbelogos bedruckten Poncho. »Grüß Sie«, erklang eine fröhliche, weibliche Stimme, »ich möchte Ihnen eine Vollkasko-Versicherung für Ihren Chimpo 3000 anbieten. Sie wissen ja, dass es demnächst gesetzliche Pflicht ist, Ihr Assistenz-Äffchen zu versichern ... Wir versichern gegen Schäden in Ihrem eigenen Haus, gegen Leib und Leben ... aber nicht gegen fahrlässige Unfälle wie zum Beispiel Vergiftungen. Wenn Sie Ihren Affen kochen lassen, ist das Ihr Problem.«

»Bisher habe ich es überlebt ...«, sagte Remi und dachte an sein Frühstück. Die Vertreterin zückte ein Klapp-Tablet und hakte mit dem Finger etwas ab.

»Nutzen Sie Ihren Chimpo auch als Zug- und Lasttier? Brauchen Sie die Zusatzversicherung für den Betrieb im Straßenverkehr?«

»Nein, ich glaube nicht ... der Chimpo ist doch viel zu klein, um mich zu tragen ...«

»Ja, das ist richtig. Hält viele Kunden aber nicht davon ab, es zu versuchen. Die Lebenserwartung leidet deutlich, kann ich Ihnen sagen.«

»Nein, nein, ich benutze meinen Chimpo nur für die Aufgaben, für die er ... vorgesehen ist.«

»Verstehe ...«, sagte die Vertreterin gedehnt.

»So eine Versicherung ist bestimmt zu teuer für jemanden wie mich. Ich arbeite als Standard-Konsument.«

»Ach so ...«, sagte die Vertreterin und spähte an Remi vorbei in die Wohnung. »Kann ich Ihren Chimpo mal kurz sehen?«

»Ist nicht da«, sagte Remi schnell. »Er … bringt meine Tochter zur Schule.«

»Ich verstehe, dann brauchen Sie auch einen Jugendschutz-Content Filter. Wir hatten letzte Woche ein Äffchen, das einem Kind die Geschichte von Free Willi erzählt hat ... und daraufhin hat das Kind dann das Äffchen freigelassen ... äh, ich meine: weggeschickt und die Loyalitätssperre aufgehoben, damit das Ding Gleichberechtigung lernt.«

Remi rieb sich die Stirn. »Wie bitte? Gleichberechtigung für Biotools? Man stelle sich vor: Versicherungsvertreter-Äffchen, die Menschen zu Gedanken über gleiche Rechte verführen. Lächerlich. Biotools sind keine Menschen, bloß weil sie schlau daherreden.«

»Ja ... apropos Gleichberechtigung: Sie haben ja sicher die Nachrichten verfolgt ... Die Spartakus-Fraktion, diese Freiheitsaktivisten, Sie wissen schon. Ich empfehle Ihnen dringend die Zusatzpolice über einen Ersatzaffen, falls dieser hier gestohlen oder beschädigt wird.«

»Gestohlen?«, entfuhr es Remi.

»Passiert öfter als Sie denken.«

Remi dachte an seinen Lakritz-Kaffee. »Das wäre ja unerhört. Wo muss ich unterschreiben?«

Die Vertreterin zeigte es ihm und Remi setzte seinen Daumenabdruck auf das Kästchen in der digitalen Anzeige.

»Vielen Dank«, sagte sie, klappte ihr digitales Klemmbrett zu und eilte die Treppe hinunter.

Irritiert schloss Remi die Tür. Er schüttelte den Kopf. Sein Blick fiel auf die Putzkatze, die offenbar die ganze Zeit hinter ihm gesessen hatte. »Und nun zu dir. Wo steckt Chimpo?«

Die Katze miaute kläglich. Dann trippelte sie zurück in die Küche, sprang auf den Tisch, auf dem sich neben den Frühstücksutensilien auch eine Menge Flyer und Prospekte stapelten und zog geschickt die Menükarte eines Restaurants hervor.

Remi las den Titel: Wo acht Arme grillen.

»Da ist Chimpo hingegangen? Warum?«

Doch die Katze leckte bereits wieder eifrig den Fußboden sauber.

Remi wusste, dass Chimpo und Putzi sich gut verstanden. Manchmal, wenn alle Hausarbeiten erledigt waren, erlaubte er den beiden, auf dem Sofa zu kuscheln. Sie waren zwar offiziell keine Haustiere, aber Remi war das egal. Viele Menschen behandelten ihre Biotools nicht wie irgendwelche Haushaltsgeräte. Seine Nachbarin Kathleen aus dem Erdgeschoss hatte von der Krankenversicherung ein Minifant- Bio­tool gestellt bekommen. Deren soziale Veranlagung und die Fähigkeit, intuitiv Stimmungsschwankungen zu erkennen, machte die Minifant zu einem probaten Mittel gegen Vereinsamung und Depression. Remi fand das lilahäutige Wesen niedlich und hätte gerne eines gekauft, doch mit seinen vier Knien war es denkbar ungeeignet, die hundert Treppenstufen bis in den vierten Stock zu überwinden – Minifanten waren nur für barrierefreie Wohnungen geeignet. Ab und zu lieh sich Kathleen Chimpo aus. Einen eigenen Assistenzaffen konnte sie sich als Schriftstellerin nicht leisten.

Remi beendete sein Frühstück und zog sich an. Im Bad wusch er sich Hände und Gesicht und wählte dann einen der Kanariodonten aus, um sich von ihm die Reste des Frühstücks aus den Zähnen picken zu lassen. Mit Unbehagen dachte er zurück an seine Kindheit: Elektrische Zahnbürsten, unhygienisch, Stromverbraucher, und nach ein paar Jahren reif für den Sondermüll. Dann doch lieber einen fröhlichen Kanariodonten!

Remi würde heute etwas später zur Arbeit gehen. Er mochte seinen Job als Standard-Konsument. Er bedeutete für ihn Abwechslung, tägliche Bewegung und das gute Gefühl, einen produktiven Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Das war heutzutage gar nicht so leicht, denn viele Menschen waren durch den massenhaften Einsatz der Biotools arbeitslos geworden. Die Leute hatten sich so an die Biotools und ihre servile Art gewöhnt, dass sie menschlichen Arbeitskräften misstrauten und ihnen lieber aus dem Weg gingen. Auf gewisse Weise konnte Remi das verstehen. Er unterhielt sich abends auch lieber mit seinen Kanariodonten, die außer Zahnreinigen noch 100 frei wählbare Konversationsthemen im Angebot hatten, als mit seiner Nachbarin Kathleen. Die Gespräche mit ihr waren ihm einfach zu anstrengend.

Bevor Remi das Haus verließ, klingelte er versuchsweise bei Kathleens Wohnung. Vielleicht hatte sie sich ja spontan Chimpo ausgeliehen. Doch niemand öffnete die Tür.

Für den Weg in die Stadt lieh Remi sich eine der überall herumstehenden Esel-Rikschas, die abends von ihren Vermietergesellschaften eingesammelt und morgens frisch gereinigt und gefüttert an strategischen Punkten im Stadtgebiet verteilt wurden.

Während der Fahrt suchte er mit dem Smartphone nach Informationen über das Wo acht Arme grillen. Es entpuppte sich als Start-up, das verrenteten Biotools eine neue Heimat geben wollte. Die Idee befremdete Remi. Wieso benutzten die Leute ihre Biotools nicht bis zum Schluss? Auch eine alte Putzkatze war immer noch eine Putzkatze. Bis sie starb und dem Biotool-Recycling übergeben wurde.

Doch als Remi vor dem Restaurant ausstieg, dem Esel ein paar Münzen ins Maul warf und sich umsah, wurde ihm klar, warum viele Leute ihre Biotools frühzeitig ausrangierten.

Neben dem Eingang des Restaurants stand wie üblich ein Kompostbär, der mit glasigem Blick Löcher in die Luft starrte und darauf wartete, Essensreste, Servietten und den einen oder anderen Becher mit einem letzten Schluck Bier vertilgen zu können. Das Mietshaus, in dem Remi wohnte, besaß ebenfalls zwei solche Kompostbären, doch dieses Exemplar hier war eindeutig über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus. Das Fell wirkte stumpf und fleckig, die Fußkrallen standen in absurden Winkeln ab und erst der Gestank! Instinktiv atmete Remi durch den Mund, als er an dem alten Kompostbären vorbei in das Lokal trat.

Alles wirkte alt und abgenutzt: die Möbel vom Sperrmüll, die Auslegware fleckig, die Tischdecken nicht vorhanden. Die Besitzer konnten von Glück sagen, dass Remi privat hier war. In seiner Funktion als Standard-Konsument hätte er mit Sicherheit keinen Fuß in diesen Laden gesetzt. Aber er war ja nicht zum Arbeiten hier. Also setzte er sich an den nächsten freien Tisch und wartete verdrossen auf die Bedienung.

Die kam kurz darauf angehüpft – ein Känguru-Biotool mit Kellnerin-Schürze, weiß und schwarz mit altmodischen Spitzen. »Herzlich willkommen im Wo acht Arme grillen, ich bin Sofie. Was darf ich Ihnen bringen?«

Remi zögerte. »Ich, äh ...«

Doch bevor er weitersprechen konnte, sprang ein schwarzes, flauschiges Etwas an Sofie vorbei auf den Tisch. Es hatte einen langen hellbraunen Schnabel und stocherte damit vor Remi in der Luft herum. Der brauchte eine Sekunde, um zu begreifen, dass es sich um ein Kiwi-Biotool handelte. Ein Wesen, das besonders gut geeignet war, um Gerüche zu identifizieren. Sie wurden normalerweise eingesetzt, um neue Parfums zu kreieren, giftige Dämpfe in Fabriken zu erkennen oder in speziellen Kliniken Krebs zu erschnüffeln. Dieses hier schien etwas anderes im Schilde zu führen. Nach wenigen Sekunden schüttelte sich der Federbausch und krächzte: »Sie sind Vegetarier, vertragen keine Tomaten und leiden an einem leichten Vitamin-C-Mangel. Darf ich Ihnen unsere Nudeln mit Avocado und gebratener Mango empfehlen?«

»Vitamin-C-Mangel?« Remi sah überrascht zu Sofie hoch. »Hat das Ding das erschnüffelt?«

»Das ist kein Ding«, stellte die Bedienung in einem Tonfall fest, der keinen Widerspruch duldete. »Karla ist eine unserer besten Mitarbeiterinnen. Sie ist intelligent, flexibel und mit Sicherheit kein seelenloses Werkzeug, kapiert? Genauso wenig wie ich!«

»Hallo? Wie redest du denn mit mir? Wollt ihr mir nichts verkaufen, oder was?«

»Doch, ich würde Ihnen gerne eine Portion Nudeln mit Avocado und Mango anbieten, weil es genau das ist, was Ihren Geschmack trifft und für Ihre Gesundheit zuträglich ist. Und das wüssten Sie nicht, wenn Karla es nicht herausgefunden hätte. Meinen Sie, ein Werkzeug kann so etwas?« Ihre Stimme war durchdringend.

»Also«, sagte Remi langsam, »ehrlich gesagt, ja ... Werkzeug ist doch die Übersetzung von Biotool, oder nicht?«

Das Känguru kniff die Augen zusammen und funkelte ihn wütend an. »Haben Sie nicht gelesen, was am Eingang geschrieben steht?«

»Ich habe gar nicht darauf geachtet, ich war zu beschäftigt damit, den Gestank Ihres Kompostbären zu ignorieren.«

»Das ist kein Kompostbär, sondern Heinrich, unser Abfallentsorgungsspezialist«, rief Sofie aufgebracht.

»So ein Unsinn! Ich will sofort die Restaurantleitung sprechen!«

»Sehr gerne«, fauchte Sofie und hüpfte Richtung Küche. Sekunden später kam von dort eine Frau entschlossenen Schrittes auf Remi zu. Er riss die Augen auf.

»Kathleen!«

Sie erkannte ihn im gleichen Moment und setzte ein spöttisches Grinsen auf. »Wenn das nicht der Sklavenhalter aus dem vierten Stock ist«, sagte sie.

»Sklavenhalter? Bist du auch eine von dieser Spartakus-Fraktion? Du … du hast wohl zu viel Streaming-Serien geguckt!«

»Dafür habe ich keine Zeit, ich habe ein Restaurant zu führen!«

»Ich dachte, du bist Schriftstellerin!«

Kathleen wischte die Frage mit der Hand beiseite. »Wieso diskutierst du mit meinem Personal, statt etwas zu Essen zu bestellen wie alle anderen auch?«

»Weil ich den Verdacht habe, dass es hier …«, Remi rang nach Worten, dann griff er das erstbeste, das ihm in den Sinn kam. »… unsittlich zugeht! Jawohl, unsittlich!«

Kathleen beugte sich vor und zischte: »Du brauchst nicht von dir auf andere schließen!«

Im gleichen Moment legte sich ein lila Schlauch von unten über Kathleens Schulter. Irritiert blickte Remi zur Seite und erkannte hinter Kathleen den Minifanten, der ihn aus ernsten, vorwurfsvollen Augen ansah. Remi zuckte zurück und versuchte dem Blick auszuweichen.

Indes schien der Rüssel den beabsichtigten Effekt zu haben, denn Kathleen beruhigte sich. Sie versuchte ein Lächeln und strich sich verlegen mit der Hand über den Nacken. Dann holte sie einmal tief Luft und sagte bemüht: »Tut mir leid, es ist echt stressig, ein neues Restaurant zu gründen. Alles ist noch etwas ... durcheinander. Wir bei Wo acht Arme grillen arbeiten nicht mit sogenannten Biotools. Unser Team besteht aus Wesen, die aus der Gefangenschaft befreit werden konnten und sich uns aus freien Stücken angeschlossen haben. Wir sorgen für ihre Unterkunft, medizinische Versorgung und entlohnen sie fair.«

»Entlohnen? Du meinst, du zahlst denen Geld?« Remi machte große Augen.

»Ja.«

»Wie?«

Kathleen schien sichtlich irritiert. »Was heißt: wie?«

»Na, ich habe noch nie gehört, dass ein Kochtopus« – bei dem Wort nickte Remi Richtung Küche, wo gerade ein Oktopus auf zwei Tentakeln stehend mit einer Pfanne, einem Topf, drei Tellern und einem Kochlöffel hantierte – »oder eine Kängurukellnerin ein Konto eröffnen können.« Er zeigte auf Sofie, die gerade einen anderen Tisch abräumte, indem sie die Schürze hochhob und die schmutzigen Teller und Gläser in ihrem Beutel verstaute.

Kathleen schüttelte ungläubig den Kopf. »Wer eröffnet denn heute noch ein Konto auf einer Bank? Wir nehmen selbstverständlich nur Kryptowährung wie Biocoin oder Fairtoken. Also, willst du jetzt was oder nicht?«

»Von mir aus ... dein Kiwi weiß ja, was ich will.«

»Gut. Dann werde ich Karla fragen«, sagte Kathleen gepresst und ging gefolgt von den dumpfen Schritten des Minifanten in die Küche.

Zehn Minuten später kam sie zurück mit einem Teller dampfender Nudeln und einem versöhnlichen Lächeln auf den Lippen.

»Hier, Remi. Das Mittagessen geht aufs Haus. Und wenn du nichts dagegen hast, besuche ich dich heute Abend und erzähle dir alles über das Restaurant, in Ordnung?

---ENDE DER LESEPROBE---