Future Fiction Magazine - Uwe Post - E-Book

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Uwe Post

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Beschreibung

Diesmal mit Schwerpunkt "Realistische KI" Neue Stories und Artikel deutscher und internationaler Autorinnen und Autoren - Glaubwürdige, spannende und witzige Blicke in unsere nahe Zukunft. Inklusive einer Flash-Fiction-Story von ChatGPT. Nominiert für den Kurd-Laßwitz-Preis und für den Award der Europäischen Science Fiction-Gesellschaft (ESFS)!

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Intro

Der erste Jahrgang Future Fiction Magazine liegt hinter uns, und der große Erfolg, den uns unser Konzept auf Anhieb beschert hat, spült uns mit erheblicher Motivation ins neue Jahr 2023 und Jahrgang Nummer Zwo.

Zu unseren Erfolgen zählen nicht nur die immer noch stabilen Verkaufszahlen, sondern auch die Nominierungen für den europäischen SF-Award (ESFS) und den Kurd-Laßwitz-Preis. Die deutsche Nominierung für den ESFS-Award, der im Juni beim EuroCon in Uppsala vergeben wird, wurde in der Kategorie »Bestes Magazin« im SF-Netzwerk-Forum in einer Abstimmung entschieden. Für den Kurd-Laßwitz-Preis wurden wir als Herausgeber in der Kategorie »Einmalige besondere Leistungen« nominiert. Hinzu kommen die Nominierungen von Aiki Miras Story »Digital Detox« aus Ausgabe 2 und das Cover-Artwork »Extants« von Alexander Rommel (Ausgabe 3) in der Kategorie »Beste Grafik«.

Auch in der neuen Ausgabe geht es hochklassig weiter: Mit Kris Brynn konnten wir eine Autorin gewinnen, die ebenfalls gerade für einen Roman für den KLP nominiert ist. Zu ihrer ungewöhnlichen Geschichte »Nur du und ich« haben wir ihr außerdem eine Reihe spannender Interview-Fragen gestellt.

 

Künstliche Intelligenz ist in aller Munde. Allerdings gibt es diesbezüglich nicht nur berechtigte Ängste, sondern auch einige verbreitete Irrtümer. So extrapolieren viele SF-Romane heutige Mustererkennungs-Algorithmen ohne viel Federlesens in eine Monster-KI, die der Menschheit gehörig die Leviten liest. Das ist in etwa so realistisch wie Weltraumschlachten und Zeitreisen. Was für Probleme uns KIs wirklich schon heute und in den nächsten Jahren ganz konkret bereiten, ist seltener ein Thema in der SF – aber bei uns weit oben auf der Tageordnung. Schließlich arbeiten wir schon von Anfang an mit KIs für Übersetzungen und Illustrationen. Umso dringender ist unser Anliegen, hier realistische Schwerpunkte zu setzen und Missverständnisse zu beseitigen. Sogar den berüchtigten ChatGPT haben wir für unseren Themenschwerpunkt in dieser Ausgabe um eine SF-Geschichte »gebeten«, allerdings nur um Flash Fiction, also eine Ultrakurzgeschichte, mehr Machwerk von dieser Sorte möchten wir nämlich niemandem zumuten. Hier geht es wohlgemerkt nicht darum, menschliche AutorX überflüssig zu machen oder (wie bei Übersetzungen und Illustrationen) Kosten einzusparen, sondern darum, anhand eines konkreten Beispiels zu zeigen, dass eine KI als SF-Autor weder jetzt noch in naher Zukunft ernstzunehmende Konkurrenz ist. Schließlich ist SF in erster Linie Ideen-Literatur – und neue Ideen kann von einer KI nur erwarten, wer keine Ahnung hat, wie sie funktioniert. KI kann zwar bisweilen überraschende Bilder und Texte generieren – aber ordentliche Qualität geht nur mit massiver menschlicher Nachhilfe.

 

Ganz besonders freuen wir uns darüber, dass unser Konzept jetzt seine Weltreise fortsetzt: denn die spanischsprachige Ausgabe wurde von unseren geschätzten Kollegen Tania Huerta und César Santivañez aus der Taufe gehoben – in Peru. Zur Feier des Tages bringen wir deshalb eine Story der Mitherausgeberin in dieser Ausgabe. Umgekehrt kann man in Kürze Storys deutscher AutorX in der Edición española erwarten. So wird der sense of wander der Future Fiction den Erfolg unserer Magazine weiter um die Welt begleiten. Jetzt und in der nahen Zukunft.

 

 

 

 

Terra, im Frühjahr 2023:

                        

                        Sylvana Freyberg       Uwe Post

 

Jean-Louis Trudel (Kanada): Mit dem Fahrrad zum Zombie-Strand

#story #socialfiction #solarpunk

 

 

Sie las ihre Todesanzeige ein letztes Mal. Um ganz sicher zu sein, dass sie sterben wollte.

Die Montréal Multination ist zutiefst betrübt über den heutigen Tod von Naïla Ouédraogo. Trauern werden ihre Kinder Roukiata Benita und Omar, ihre Väter Andrea Branchini und Joseph Jean-Pierre sowie all ihre Freunde und Kollegen in der Rückbauabteilung von Turtle Island, Sektion Québec. Eine kurze Zeremonie zu Ehren ihres bürgerlichen Lebens wird online sowie an einem Ort stattfinden, der gesondert bekanntgegeben wird. Alle Bürger sind herzlich willkommen, wobei die ersten zwanzig Minuten nichtvom Nichtverbrauchszeitguthabenabgezogen werden. Wir hoffen auf ein Wiedersehen an einem besseren Ort. Ihre Freunde und Verwandten können sich freuen, sie gekannt zu haben.

Naïlas Finger schwebten über den Tasten. Sprangen zurück. Teilen? Löschen? Es lag an ihr. Sie bekam jedes Jahr die gleiche Chance, wenn auch selten zum gleichen Zeitpunkt.

Ihre Todesnachricht tauchte normalerweise auf, wenn sie viel zu beschäftigt war. Weil ihre Älteste mit dem College anfing. Oder weil ihr Jüngster einen gebrochenen Arm hatte, den er sich beim Schneiden des Dickichts auf überwucherten Dächern der Stadt zugezogen hatte. Oder weil ein Ex mit Blumen, Nusskuchen und einer Einladung auftauchte, um zu versuchen, sie wieder in seinen Bann zu ziehen.

Ganz zu schweigen von den Notfällen bei der Arbeit.

Aber sie war über all das hinweg. Ihre Kinder waren erwachsen, wenn auch nur knapp. Ihre Ex-Freunde machten lieber Mittdreißigern den Hof. Und sie war nicht mehr die junge Wundertäterin, die für die aufregendsten Jobs ausgewählt wurde und dabei ihre Chefs gut aussehen ließ. Die einzigen Aufträge am Horizont waren die unmöglichen, die man Frauen in ihrem Alter zuteilte, damit sie zu beschäftigt waren, um auf die Torheiten inkompetenter Manager hinzuweisen.

Nein, danke!

So, das war's. Sie war jetzt ein Zombie.

Der Bildschirm ihres Telefons stöhnte jämmerlich auf und wurde dunkel, ebenso wie der Wandbildschirm, der mit ihm verbunden war. Zu spät, um es sich anders zu überlegen oder sich lange zu verabschieden. Vorbei, das Leben ihrer Kinder zu managen.

Zu spät auch, um einen Fahrer zu rufen. Aber Zombies gehen eh lieber zu Fuß.

Während Naïla ihre Sachen zusammensuchte, fragte sie sich, warum sie die Ankündigung nicht aufgeschoben hatte. Wäre eine Option gewesen. Das Äquivalent von ein paar Tagen oder Wochen in einer Palliativstation. Genug Zeit für die ganzen Abschiede.

Aber nein. Sie war zu leicht umzustimmen. Ihre Kinder, Ex-Kollegen, Freunde und sogar die jetzigen Kollegen hätten es jedenfalls versucht. Sie wären erfolgreich gewesen, das hatte die Vergangenheit gezeigt. Ihre Chefs liebten sie, weil sie sie nie im Stich ließ. Sie war verlässlich. Effizient. Wahrscheinlich eifriger als es gut für sie war.

Sie würde ja die Chance bekommen, wieder zu leben. Nächstes Jahr. Aber jetzt … jetzt musste sie erst einmal fort. Der alte Kühlschrank spielte schon Ausschnitte aus Appalachian Spring, denn ihr Telefon war tot und die Leute merkten langsam, dass sie es auch war.

Die Drohnen würden die nächsten sein. Und dann Omar. Auf einem Fahrrad würde er auftauchen, schnaufend. Es sei denn, Andrea käme allen zuvor, per Auto, ohne Rücksicht auf ihr Kohlenstoffbudget.

Sie beeilte sich. Schnappte sich einen Mantel. Eine kleine Tasche für Toilettenartikel und persönliche Dinge. Und ihre besten Wanderschuhe. Das Leben nach dem Tod war in jeder Hinsicht kohlenstoffarm.

Ihr Telefon blieb zurück.

Naïla stand eine geschlagene Minute lang auf der Türschwelle ihres Hauses. Ihre Kinder sagten gerne, das Haus sei ihre Zuflucht vor dem Sturm. Gebaut auf dem Felsen der Familie, Naïla selbst. Aber jetzt hatte sie es satt, sich Wellen und Wogen der Zeit entgegenzustellen.

Auf der anderen Straßenseite verließen gerade Patrizio und Catherine samt Nachwuchs ihren Flachbau und traten durch den Vorhang aus hängenden Weinreben. Ihr Sohn entdeckte Naïla und rief nach ihr, aber seine Mutter pfiff ihn zurück: »Man spricht doch nicht mit Zombies!«

Catherine hatte ihre Sonnenbrille eingeschaltet und konnte sehen, dass ihre Nachbarin von gegenüber aus der offiziellen Landschaft verschwunden war. Sie wusste, dass Naïla nicht mehr zu den Lebenden gehörte.

Ein Electricar rollte heran, entfaltete seine Chitinblüte und Catherines Familie stieg ein. Naïla winkte ihnen zum Abschied zu, obwohl sie wusste, dass nur der Junge sie wahrnehmen konnte. Aber der war brav, hörte auf seine Mutter und tat so, als sei sie durchsichtig. Nur einen kurzen Blick wagte er.

Es war ein sonniger Tag. Naïla holte ihre Brille aus der Tasche und richtete sie auf die Sonne, um die Trübung auszulösen. Das war‘s. Wie ihr Telefon auch war das Teil jetzt offline und nur noch eine dumme Brille.

 

 

 

Omar war fast bei ihr. Sie hatte gerade das Ende ihrer alten Straße erreicht, als sie ihn rufen hörte. Er schob sein Fahrrad und stapfte auf sie zu. Er wirkte erschöpft, aber er hatte es noch rechtzeitig geschafft, sie zu sehen.

»Angeber!«, murmelte sie liebevoll.

Sie brauchte ein schnelleres Fortbewegungsmittel, um zu entkommen.

Zum Glück war der nächste Leih-Fahrradständer nur ein paar Schritte entfernt. Leider war sie nicht mehr in der Lage, zu bezahlen. Die Verstorbenen besaßen nichts. Ihr bisheriges Vermögen ging auf die designierten Erben über oder wurde treuhänderisch verwaltet. Sie hatte auch keine Bürgerschaftspunkte mehr, die sie einlösen konnte.

Eine gute Sache. Sie würde nicht mehr von ihrem Telefon bedrängt werden, um mit irgendwelchen Games Bürgerschaftspunkte zu sammeln.

Sie ignorierte entschlossen Omars atemloses Rufen, als ein junger Mann in der Nähe des Standes abbremste und stehen blieb.

»Ist noch Zeit auf der Uhr?«, fragte sie, als er von seinem Mietfahrrad abstieg.

Er schaute sie etwas verzweifelt durch seine Smartglasses an. »Etwa dreißig Minuten. Bitte beschädigen Sie es nicht.«

»Werde ich nicht, wenn Sie einfach verschwinden.«

Das tat er auch, obwohl er mehrmals zurückblickte. Zombies waren unheimlich. Selbst frisch verstorbene Mütter mittleren Alters.

Naïla grinste und spürte die Kraft ihres neuen Zustands. Das konnte ja heiter werden! Die zivilen Toten waren bei den meisten Verbrechen und Vergehen außerhalb der Reichweite des Gesetzes, da sie nicht zur Verantwortung gezogen werden konnten.

Aber der nette junge Mann wäre es, wenn sie das Fahrrad kaputt machen würde.

»Ich fahre an den Strand«, rief sie.

»Das erste Mal?«

»Ja!«

Er klatschte Beifall und Naïla fragte sich, ob er schon einmal versucht hatte, ein Zombie zu sein. Der zivile Tod war gerade bei der jüngeren Generation in Mode gekommen, entweder aus tiefer ökologischer Überzeugung oder wegen des Nervenkitzels des Zombie-Lebens.

Sie zweifelte an den Vorzügen, in städtischen Schlafsälen zu schlafen, sich mit Klamotten zu kleiden, die von öffentlichen Druckereien ausgespuckt wurden, oder die nahrhaften Früchte von genetisch veränderten Backkartoffelbäumen zu essen. Aber sie konnte ja ihre Meinung ändern.

Mit einem kräftigen Ruck trieb sie das Fahrrad vorwärts. Ihr erstes »Opfer« sah fast traurig aus, als es sie gehen sah. Das nächste Mal würde sie länger in ihrer Rolle bleiben.

»Mutter!«

Omar versuchte immer noch, den Rückstand aufzuholen. Er war kein Leichtathlet. Andererseits kam er von ihrem ganzen kleinen Clan dem perfekten grünen Bürger am nächsten. Leider stellte er diese Tatsache gerne zur Schau.

Omars Rennen musste episch gewesen sein. Sie hatte ihn noch nie so ausgepowert gesehen. Ihr Herz hielt sie fast zurück, als sie davonradelte. Bis ihr Sohn sich erholt hatte, würde sie ihn verloren haben.

Es sei denn, er ahnte, dass sie mit dem Fahrrad zum Zombie-Strand fuhr. Aber darüber würde sie sich später Gedanken machen.

Auf halbem Weg fand Naïla an einer Zombiefütterungsstelle, den perfekte Platz, um ihr Fahrrad abzustellen, als die Mietzeit abgelaufen war.

Vor der Rebellion war es ein in Parzellen aufgeteiltes, riesiges Grundstück gewesen, aber nie ein nachhaltiges. Die Parzellenwaren zu groß, und die Nachbarschaftsverbände kämpften gegen Windkraftanlagen, Sonnenkollektoren und Gemeinschaftsgärten. Die Eigentümer fürchteten um ihre Grundstückswerte.

Letztendlich war die Übergabe an die Zombies die einzige Möglichkeit, die Parzellen ökologisch zu gestalten.

Zombies brauchten keine Datenströme. Da sie für die virtuelle Welt tot waren, konnten sie nicht für Strom bezahlen. Der Strom, der nachts Licht oder Heizung antrieb, wurde auf die harte Tour erzeugt: mit selbstgebauten Windturbinen oder indem die Zombies stundenlang in die Pedale traten, um alte Autobatterien aufzuladen, die nur noch ein Zehntel ihrer ursprünglichen Kapazität hatten.

Auch Zombies mussten essen. Einige plünderten. Andere sammelten, was die öffentlichen Nahrungsbäume hergaben.

Und die mit Köpfchen suchten die Futterplätze auf, wo die Bürger überschüssiges Essen deponierten.

»Ein schlechtes Gewissen ist eine mächtige Sache«, sagte jemand.

Naïla drehte sich um und musterte den älteren Zombie, der sie angesprochen hatte. Er war kahl und ungepflegt, mit dem hageren und entspannten Aussehen, das diejenigen kennzeichnet, die im Freien leben und sich dem langsameren Rhythmus der Natur anpassen. »Ich würde es eher Dankbarkeit nennen.«

Der Mann starrte einem Elektroauto hinterher, dessen Fahrer gerade Essen auf die öffentlichen Tische gelegt hatte. »Sie wissen, wie glücklich sie sind. Dank uns können sie ihr Kohlenstoffbudget einhalten – denn unseres ist gleich null – und sie können fast so leben wie vor der Rebellion. Ohne uns hätten sie so wenig Zeit online, dass sie verrückt werden würden. Ich nehme ihr Essen als Dankeschön.«

»Das ergibt Sinn. Wohnst du hier in der Nähe?«

Der Zombie nickte und zeigte auf einen grauen Bungalow, dessen Dach einem kleinen Dschungel glich. »Es ist eng, aber es ist ein Zuhause. Im Moment ist unser Haus voll, aber wir müssten bald ein Bett frei haben. Eine von uns will wieder ein Bürger sein. Nicht, dass ich sie kritisieren würde. Sie war gut fünfzehn Jahre Zombie.«

Naïla schluckte. Würde sie es schaffen, fünfzehn Jahre lang von der Hand in den Mund zu leben, offline?

»Nein, wirklich«, beharrte der Mann, der ihre Reaktion falsch interpretierte. »Ich urteile nicht über sie. Fünfzehn Jahre sind eine Menge.«

»Wie lange sind Sie selbst denn schon, ähm, unterwegs?«

»Vierundzwanzig Jahre.«

Bevor sie etwas erwidern konnte, sank eine Drohne aus dem Himmel und flog auf sie zu. Es war eine Mietdrohne, keine Stadtmaschine.

»Mutter«, sagte die Drohne. »Bitte komm zurück. Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun soll.«

Es war die Stimme von Roukiata.

Der Mann neben Naïla lachte.

»Oh, dein Körper ist noch warm ... Eins deiner Kinder?«

Naïla nickte.

»Wir nennen sie Zombie-Killer.«

»Wie bitte?«

»Wie denn sonst? Sie glauben, sie können die lebenden Toten töten. Und manchmal gelingt es ihnen. Mit Liebe. Und Schuldgefühlen.«

Naïla zuckte zusammen. Ihre verdammten Kinder kannten ihre Schwachstellen. Wenn sie sie weiter verfolgten ...

»Ich muss sie abschütteln.«

Wie hatte Roukiata sie gefunden? Das Fahrrad? Oder war es der Mantel? Ein verrückter und bunter Flickenteppich aus recycelten Fetzen. Ein einzigartiges Design, für das sie mit viel zu vielen Bürgerschaftspunkten bezahlt hatte.

Einige der Zombies begannen, überreife Tomaten nach der Drohne zu werfen. Das war zwar illegal, aber es machte Spaß. Und sie waren Zombies, die absolut nichts zu verlieren hatten.

Als die Maschine sich zurückzog, packte Naïla ihren neuen Bekannten und drängte ihn in das nächstgelegene Buswartehäuschen. »Lass uns die Mäntel tauschen.«

Der Mann betrachtete das Muster und tastete die Dicke des Mantels ab. »Warum nicht. Ich kann ihn verkaufen.«

Danach wandte sie sich ab und schloss sich den Zombies an, die von einem solarbetriebenen Kühlschrank zum nächsten wanderten oder die Produkte auf den Tischen am Straßenrand sortierten.

Sie lief gerade an ein paar Reklame-Bildschirmen vorbei, als diese anfingen, Nachrichten an sie einzublenden. »Mutter, du wirst nicht überleben können. Du kannst deine Meinung noch ändern. Wir können dich bei uns aufnehmen. Komm zurück zu uns.«

Es musste wieder Roukiata sein. Sie kannte sich mit Netzwerken aus. Wenn jemand einen Weg finden konnte, ein Fahrrad zu verfolgen, das aus dem Ständer in der Nähe des Hauses der Familie verschwunden war, dann war es ihre Tochter. Aber jetzt, wo sie zu Fuß unterwegs war und einen anderen Mantel trug ... Das Spiel ging weiter!

Es tat weh, daran zu denken, wie viel es Roukiata kosten musste, um ihre Zombie-Mutter kontaktieren zu können. Es war nicht illegal. Nur verdammt teuer. All die Energie, die vergeudet wurde ... Wo doch der Sinn des Zombiedaseins darin bestand, dass die Gesellschaft durch ihre Verwandlung Negawatt gewann.

»Die Welt braucht mehr Zombies«, rief sie und schritt davon.

 

 

 

Auf den Straßen wimmelte es von Lebenden und Toten. Naïla machte weiter und redete sich ein, dass sie es mindestens ein Jahr lang als Zombie aushalten würde. Das war sie dem Rest des Planeten schuldig.

Zwei Zombies glichen rechnerisch den Überkonsum eines Bürgers aus. Oder waren es drei? Naïla wusste es nicht mehr, aber die Zombies trugen dazu bei, den durchschnittlichen Ressourcen- und Energieverbrauch des Landes auf das Niveau des Heimatlandes ihrer Mutter in Westafrika zu senken. Subsistenzwirtschaft und Negativ-Watt haben es möglich gemacht.

Im Gegenzug existierten die Zombies außerhalb des Gesetzes und der Wirtschaft. Sie konnten gehen, wohin sie wollten. Die Lebenden gingen an den Toten vorbei, ohne sie zu sehen.

Die Augen der Lebenden waren dunkel und nicht sichtbar. Die der Stadt- Zombies waren hell und nackt. Durch die Brillengläser der Lebenden war die Stadt schöner. Die Sonne schien ewig an einem übernatürlich blauen Himmel. Pfeile zeigten den Trägern der Smartglasses, wohin sie gehen, wie schnell sie fahren und wann sie abbiegen sollten. Die Lebenden konnten ihre Freunde sehen, deren Gesichter einen Teil der Straßenansicht verdeckten, und sie konnten mit ihnen sprechen und sich darauf verlassen, dass die Verbindung zum Netz der Dinge sie davor bewahrte, mit anderen Menschen zusammenzustoßen oder gegen einen Laternenpfahl zu laufen.

Naïla erinnerte sich lebhaft daran. Noch gestern war das ihre eigene Realität gewesen. Jetzt war sie außen vor, und sie fragte sich, wer die wahren Zombies waren.

Die Bürger marschierten in geraden Linien in der Mitte der Bürgersteige, getrennt durch Abstände, die so berechnet waren, dass sie fast vollkommen sicher waren.

---ENDE DER LESEPROBE---