GALAXIS SCIENCE FICTION, Band 22: SCHICKSAL IM SAND - Christian Dörge - E-Book

GALAXIS SCIENCE FICTION, Band 22: SCHICKSAL IM SAND E-Book

Christian Dörge

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Beschreibung

Dieses Foto hat mich mein ganzes Leben lang wie ein Spuk verfolgt. Jetzt weiß ich, warum, aber es ist zu spät. Und wenn ich es gewusst hätte - was hätte es ausgemacht? Das ist eine dieser unbeantwortbaren und bedeutungslosen Fragen, die mein Kopf endlos herumwälzt, so wie etwa die Zunge ununterbrochen an einem schadhaften Zahn herumspielt. Ich habe es seit Jahren nicht mehr gesehen, aber ich brauche nur meine Augen zu schließen, dann befinde ich mich wieder in einer Landschaft, die fast ebenso feindselig - und so schön - ist wie diese hier. Achtzig Millionen Kilometer sonnenwärts und zweiundsiebzig Jahre in der Vergangenheit: fünf Männer stehen mitten im antarktischen Schnee vor der Kamera. Nicht einmal die unförmigen Pelze können die Erschöpfung verdecken, die die Haltung ihrer Körper kennzeichnet, und ihre Gesichter hat schon der Tod berührt. (aus: Schicksal im Sand von Arthur C. Clarke) Die von Christian Dörge zusammengestellte Anthologie Schicksal im Sand enthält fünf Erzählungen von Robert Bloch, Robert W. Chambers, Isaac Asimov, Clifford D. Simak und Arthur C. Clarke. Schicksal im Sand erscheint in der Reihe GALAXIS SCIENCE FICTION aus dem Apex-Verlag, in der SF-Pulp-Klassiker als durchgesehene Neuausgaben wiederveröffentlicht werden.

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CHRISTIAN DÖRGE (Hrsg.)

SCHICKSAL IM SAND

- Galaxis Science Fiction, Band 22 -

Erzählungen

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

Robert Bloch: DER BÜCHERWURM (Constant Reader) 

Robert W. Chambers: DER MANN AUS DER TIEFE (In Search Of The Unknown) 

Isaac Asimov: GLEICHBERECHTIGUNG NUR FÜR GLEICHE (Half-Breed) 

Clifford D. Simak: FLASCHENGEIST (The Call From Beyond) 

Arthur C. Clarke: SCHICKSAL IM SAND (Transit Of Earth) 

 

Das Buch

Dieses Foto hat mich mein ganzes Leben lang wie ein Spuk verfolgt. Jetzt weiß ich, warum, aber es ist zu spät. Und wenn ich es gewusst hätte - was hätte es ausgemacht? Das ist eine dieser unbeantwortbaren und bedeutungslosen Fragen, die mein Kopf endlos herumwälzt, so wie etwa die Zunge ununterbrochen an einem schadhaften Zahn herumspielt.

Ich habe es seit Jahren nicht mehr gesehen, aber ich brauche nur meine Augen zu schließen, dann befinde ich mich wieder in einer Landschaft, die fast ebenso feindselig - und so schön - ist wie diese hier. Achtzig Millionen Kilometer sonnenwärts und zweiundsiebzig Jahre in der Vergangenheit: fünf Männer stehen mitten im antarktischen Schnee vor der Kamera. Nicht einmal die unförmigen Pelze können die Erschöpfung verdecken, die die Haltung ihrer Körper kennzeichnet, und ihre Gesichter hat schon der Tod berührt.

(aus: Schicksal im Sand von Arthur C. Clarke)

Die von Christian Dörge zusammengestellte Anthologie Schicksal im Sand enthält fünf Erzählungen von Robert Bloch, Robert W. Chambers, Isaac Asimov, Clifford D. Simak und Arthur C. Clarke.

Schicksal im Sand erscheint in der Reihe GALAXIS SCIENCE FICTION aus dem Apex-Verlag, in der SF-Pulp-Klassiker als durchgesehene Neuausgaben wiederveröffentlicht werden.

  Robert Bloch: DER BÜCHERWURM (Constant Reader)

 

 

Früher einmal hatte man sie Zwangsjacken genannt. Ich weiß das, weil ich in den Büchern alles darüber gelesen habe. Ja, in richtigen Büchern, diesen altmodischen Schriften, die man auf Papier druckte und zwischen Leder oder Kartondeckeln band. In ein paar Bibliotheken auf der Erde gibt es sie noch, und ich habe eine Menge davon gelesen. Genauer gesagt: ich besitze selbst eine ganze Sammlung. Das ist ein eigentümliches Hobby, aber es macht mir viel mehr Spaß als das Telekolleg oder Besudle in den Sensies.

Demzufolge gebe ich auch zu, dass ich so etwas wie ein Sonderling bin, zumindest wenn man jenen psychiatrischen Fachbüchern glauben will, die ich erwähnte. Das ist die einzig denkbare Erklärung dafür, dass mir das Lesen Spaß macht und dass ich mir so viele nutzlose Dinge merke.

Zum Beispiel diese Geschichte mit den Zwangsjacken. Das einzige, was ich davon hatte, war ein seltsames Gefühl, jedes Mal, wenn wir bei Aufklärungsflügen wieder Planetenanziehung bekamen.

So ging es mir jetzt auch wieder, als Penner schrie: »Pass doch auf, Dale! Leg dein Spielzeug weg und schnall dich an!«

Ich legte mein Buch weg und ging an die Luke. Ich spürte bereits das erste Ziehen, obwohl die Neutralisatoren eingeschaltet waren. Ich schnallte mich an, und da hing ich jetzt in meinem Kokon, in meiner Zwangsjacke.

Da hing ich also in unserer eigenen kleinen privaten Irrenanstalt: Scout Nummer 3890-R, Heimathafen 19/1, seit zwei Monaten unterwegs, im Anflug auf Planet 68/5, um Aufklärung zu betreiben.

Ehe ich hinausblickte, sah ich mir noch einmal meine Anstaltskollegen an. Penner, kommissarischer Kommandant, war am Steuer angeschnallt; ich konnte nur seinen breiten Rücken und seinen kugelförmigen Kopf sehen, der in starrer Konzentration nach vorne blickte. Swanson, der Co-Astrogator, hing neben ihm, sein Adlerprofil über die Instrumente gebeugt. Little Morse, Techniker, hing zu meiner Linken, und der alte Levy, Schiffsingenieur, zu meiner Rechten. Alle anwesend: Penner, Swanson, Morse, Levy - und ich, George Dale, Dauerleser und Beobachtungsoffizier, nach zwei Monaten in einem fliegenden Irrenhaus in seine Zwangsjacke geschnallt.

Zwei Monate sind eine lange Zeit, wenn man immer dasselbe tut. Zwei Monate Aufklärungsflug sind wie eine Ewigkeit. Mit vier anderen Männern in einen einzigen Raum für zwei Monate eingesperrt zu sein, ist alles andere als ein Vergnügen, und unsere Zwangsjacken schienen daher äußerst passend.

Nicht dass irgendeiner von uns wirklich verrückt gewesen wäre; wir alle hatten schon eine ganze Anzahl ähnlicher Missionen geflogen und bis jetzt überlebt. Aber die schiere Monotonie hatte uns aufgerieben.

Ich nehme an, aus diesem Grund hat man uns auch die zusätzlichen sieben Pfund pro Mann gestattet - Luxuszulage hieß das. Aber die sogenannten Luxusgegenstände erweisen sich am Ende als bitter nötig. Swanson nahm sich gewöhnlich Genussmittel mit: Schokolade und dergleichen. Schokoladekapseln hielten ihn bei Verstand. Morse und Levy verlegten sich auf Spiele - Karten, Würfel, Superschach und die nötigen Bretter dazu. Penner bestand erstaunlicherweise darauf, auf altmodisches Papier Skizzen zu malen. Und ich hatte meine eigene Angewohnheit; ich schaffte es jedes Mal, drei oder vier Bücher mitzunehmen.

Ich glaube immer noch, dass meine Wahl die beste war. Schokolade, Freihandskizzen und die Freuden der Karten und Würfel verloren schnell die Anziehungskraft auf meine vier Begleiter. Aber die Bücher bewahrten mein Interesse. Vielleicht kam es daher, dass ich als Kind und nicht als Erwachsener Lesen gelernt hatte - vielleicht lag es auch daran, dass mir mein Hobby eine perverse Befriedigung bereitete.

Natürlich lachten mich die anderen aus. Natürlich gingen wir einander auf die Nerven, stritten, brausten auf. Aber jetzt, als wir ruhig in unseren Zwangsjacken hingen und spürten, wie der Einfluss der Schwerkraft zunahm, kehrte so etwas wie Vernunft zurück. Und damit auch die Vorfreude und die Erwartung.

Wir näherten uns dem Planeten 68/5.

Neue Welten besiegen? Nicht gerade. Es war zwar eine neue Welt, und darin lag die Erwartung. Aber unsere Aufgabe war es nicht, zu erobern; wir vom Aufklärungsdienst beobachteten nur und registrierten. Oder, besser gesagt, unsere Instrumente registrierten.

Im Augenblick flogen wir mit Autopilot, etwa achthundert Kilometer über der Oberfläche des Planeten. 68/5 war klein und von Wolken eingehüllt; der Planet besaß offenbar ebenso wie die anderen' Planeten dieses Sonnensystems eine Atmosphäre. Wir rückten näher und spähten durch unsere Bildschirme auf eine stumpfe, ebene Oberfläche, die mit immer größer werdender Geschwindigkeit auf uns zuzurasen schien.

»Ziemlich alt«, knurrte Morse. »Keine Berge und auch kein Wasser - ausgetrocknet, vermute ich.«

»Kein Leben.« Das kam vom alten Levy. »Beruhigt mich.« Levy war das, was die Bücher einen Misanthropen genannt hätten. Obwohl das Mis sich bei ihm nicht auf die Anthropen beschränkte. Er schien eine angeborene Aversion gegenüber allem, das nicht rein mechanischer Natur war, zu haben - ich weiß auch nicht, warum er sich nicht ganz auf die Robotik verlegte.

Unser Flug wurde schneller. Achtzig Kilometer, sechzig, vierzig. Ich sah Swanson Vorbereitungen treffen, den Robotscout abzuschießen. Penner gab das Signal, als er das Schiff zur Planetenoberfläche senkrecht stellte. Der Robotscout glitt davon, von Swanson über den Bildschirm gesteuert. Er trieb hinab, immer weiter in die Tiefe. Wir folgten ihm langsam, sanken durch die Wolkenschicht und blieben dicht hinter der Sonde.

»Treffer!«, rief Swanson. »Mitten ins Schwarze.« Wir warteten, während der Robotscout seine Arbeit tat. Er war unser Star-Reporter, unser Fotograf, unser offizieller Meteorologe, unser Geologe, unser Experte für Anthropologie und Mineralogie, unser Fremdenführer und, was häufig das Wichtigste war, unser Lockvogel.

Wenn es auf einem Planeten Leben gab, so lockte die Landung des Robotscouts es normalerweise hervor. Wenn es auf einem Planeten den Tod gab, fand ihn der Robotscout für uns. Und die ganze Zeit registrierte er. In gewisser Weise war er eine vollständige Expedition in einer Kapsel, ein nichtmenschlicher Abgesandter, ohne die menschliche Fähigkeit, sich zu irren oder Angst zu empfinden.

Jetzt trat er in Aktion, kreuzte über der Oberfläche des Planeten, von Swansons geschickter Hand gesteuert. Wir warteten geduldig, dann ungeduldig. Eine Stunde verstrich, zwei Stunden.

»Hol ihn zurück!«, befahl Penner. Swansons Finger bewegten sich, und der Robotscout tauchte wieder auf.

Penner schaltete die Aggregate auf Schwebeflug. »Alles losschnallen«, sagte er. »Sehen wir nach!«

Wir gingen über die Rampe ins untere Deck, und Swanson öffnete den Scout. Die Fotos waren fertig, die Magnetbänder aufgespult. Die nächste Stunde waren wir voll beschäftigt. Anschließend hatten wir alle vorläufigen Daten über Planet 68/5.

Sauerstoffgehalt hoch. Schwerkraft erdähnlich - wie es in diesem speziellen Sektor und diesem Sonnensystem die Regel zu sein schien. Keinerlei Lebewesen zu sehen. Aber einst hatte hier Leben existiert, und zwar Leben hohen Grades. Das bewiesen die Fotos. Eine ganze Menge Stadtruinen.

Und der Planet war alt. Daran bestand kein Zweifel. Morse hatte recht gehabt; die Berge waren zu Staub abgetragen, und der Staub ließ keinerlei pflanzliches Leben zu. Eigenartig, dass der Sauerstoffgehalt noch so hoch war. Ich hätte vermutet, dass mehr Kohlenstoff...

»So, zur Sache bitte«, sagte Penner. »Nach den Schwerkraftanzeigen brauchen wir weder Schwebeflug, noch brauchen wir uns anzuschnallen. Ebenso gut können wir sofort landen. Der Tag hat hier 20,1 Stunden - unser Computer sagt, dass wir mit noch fünf Stunden Tageslicht rechnen können. Also dürfen wir uns alle Umsehen.«

Wir gingen wieder hinauf auf unsere Plätze, und Swanson landete.

 

Es war nur ein toter Planet, eine Staubwüste ohne Bäume, ohne Gras, ohne Wasser; eine flache, schieferfarbene Fläche, auf der alles dasselbe, dasselbe, dasselbe war. Aber sie war massiv; man konnte die Füße darauf setzen, man konnte kilometerweit über den Sand gehen und spüren, wie einem die Luft ins Gesicht wehte.

Und es gab Ruinen zu erforschen. Das würde interessant sein. Wenigstens war es einmal etwas anderes.

Ich konnte spüren, wie die Spannung, wie die Erregung wuchs; das war etwas ebenso Greifbares wie der kurze Schock und das Vibrieren bei der Landung. Wir drängten uns zur Schleuse, zogen unsere Anzüge aus und die Plastikkombinationen an, schnallten unsere Geräte und unsere Waffen um, wie die Dienstanweisung es verlangte. Morse gab uns unsere Geräte, und wir betätigten Reißverschlüsse und Schnallen und überprüften alles voll ungeduldiger Hast. Selbst Penner war erregt, vergaß aber nicht, seinen Skizzenblock mitzunehmen, ehe sich die Schleuse öffnete.

Normalerweise hätte er vermutlich darauf bestanden, eine Wache an Bord zu lassen, aber da es hier kein Leben gab, war das wirklich nicht erforderlich. Und nach zwei Monaten im Weltraum wollten alle hinaus.

Die Schleuse öffnete sich. Die Leiter fuhr aus. Wir atmeten tief ein und wandten unsere Gesichter der Wärme der fernen orangeroten Sonne zu.

»In einer Reihe - und bleibt beieinander!«, warnte uns Penner.

Es ist wie am letzten Schultag, die Glocke klingelt zum letzten Mal, und die Jungen rennen hinaus auf den Spielplatz. Also warnt sie der Lehrer: »In einer Reihe - bleibt beieinander!« Und was passiert?

Genau das, was jetzt passierte. Im nächsten Augenblick rannten wir über den weichen Sand, grinsten, lachten, warfen das feine Zeug mit den Händen in die saubere, trockene Luft. Wir rannten auf unseren nagelneuen Beinen über die nagelneue Welt.

Wir rannten in die Richtung, die wir unwillkürlich als Westen bezeichneten - weil die orangerote Sonne dort hing und wir uns ebenso natürlich der Sonne zuwandten wie Blumen, die man aus einem Treibhaus ins Freie verpflanzt hat.

Vergnügt und voll Freude rannten wir, denn das waren Ferien, das war ein Picknick, das war die Entlassung aus der Irrenanstalt, alles auf einmal. Das Lächeln auf den Gesichtern meiner Begleiter sprach von Euphorie. Alles war gut: der Sand unter unseren Füßen, das Auf und Ab unserer Beine bei den langen Schritten, die mahlende Bewegung der Hüften, das Schwingen der Arme, das Sichheben und -senken der Brust, das gierige Atmen der Lungen, die Vergeudung beim Ausatmen, die Augen, die in die Ferne blickten, in die weite, weite Ferne. Ja, es war schön, hier zu sein, schön zu leben, schön, frei zu sein.

Einmal mehr maßen wir die Minuten nach unseren Bewegungen und nicht nach abstrakten Zeitbegriffen. Einmal mehr erlebten wir unsere Existenz bewusst, mühten uns darum, eben das zu tun, anstatt unsere Sinne abzustumpfen, um das Leben erträglicher zu machen.

Mir schien, als wäre ich mir noch nie so völlig lebendig vorgekommen, aber ich irrte. Ich irrte, weil ich die Verdunkelung nicht bemerkte:

Keiner von uns bemerkte sie: selbst jetzt kann ich noch nicht einmal anfangen, sie zu begreifen. Ich weiß nicht was geschah. Es passierte einfach - Verdunkelung. Blackout.

Ehe es geschah, eilten wir der Sonne entgegen - Penner, Swanson und Morse etwas voran, Levy und ich ein oder zwei Schritte dahinter, und alle rannten wir eine sanfte Sanddüne hinauf.

Und dann, ohne jeden Übergang, schritten wir im Dunkeln - Penner, Swanson, Morse, Levy und ich in einer dichtgedrängten Gruppe, trotteten in ein Tal hinunter.

»Was ist passiert?«

»Sonnenfinsternis?«

»Wo ist die Sonne?«

»Wo sind wir?«

»Wie lange gehen wir denn schon? Mir ist, als wäre ich weg gewesen!«

Wir blieben stehen, redeten miteinander.

»Hier stimmt etwas nicht. Wir kehren um. Holt die Strahler heraus«, befahl Penner schnell.

Wir nahmen die Strahler, schalteten sie auf schwache Leistung, legten Lichtkegel vor uns. Nichts war zu sehen außer schiefergrauem Sand. Nur Swansons Teleskop lenkte uns zurück. Wir gingen schnell durch die purpurne Nacht. Ein Nebel hüllte die Sterne ein; ein Nebel verhüllte unsere Erinnerung.

Und dann fingen wir an, das Erlebte zu vergleichen, bemerkten zum ersten Mal, dass das Phänomen uns alle gleichzeitig erfasst hatte. Gas, Schock, Zeitverschiebung - wir argumentierten stundenlang über die Ursache, und die ganze Zeit marschierten wir vorsichtig kleine Hügel oder Dünen hinauf und dann wieder in kleine Täler zwischen den Dünen hinunter.

Und müde waren wir. Die lange vernachlässigten Muskeln schmerzten, unser Herz pumpte, unsere Füße bekamen Blasen. Und immer noch marschierten wir. Ich hatte Hunger und Durst; und was noch wichtiger war, ich war verstört und hatte etwas Angst. Ich begriff nicht, was geschehen war - wie konnten wir alle einfach weitergehen, ohne etwas zu bemerken? Wie hatten wir beinahe vier Stunden verlieren können? Und was hatte das Ganze zu bedeuten?

Im Augenblick bestand keine Gefahr, dass wir uns verliefen, und es wurde immer offenkundiger, dass dieser Planet keinerlei Leben enthielt, weder feindseliges noch anderes. Aber warum dieser Blackout? Das verblüffte mich, verblüffte uns alle.

Swanson hatte die Spitze übernommen. Sein Adlerprofil ragte plötzlich im Lichtkegel meines Strahlers auf. Er drehte sich herum und schrie: »Ich sehe jetzt das Schiff!«

Wir mühten uns den Abhang hinauf und traten neben ihn. Ja, das war das Schiff, sicher, warm und gemütlich, und das Abenteuer war vorüber.

Aber - war es das?

»Da, seht hinunter!« Levy drehte seinen Strahler nach links. »Wir müssen das auf dem Herweg gar nicht gesehen haben.«

Fünf Lichtkegel suchten, tasteten, vereinigten sich, deuteten wie ein einziger. Fünf Lichtkegel überfluteten die Gegenstände, die aus dem Sand aufstiegen. Und dann rannten wir alle gemeinsam auf die Ruinen zu.

Unmittelbar bevor wir sie erreichten rief Penner: »Halt!«

»Was stimmt denn nicht?«, fragte ich.

»Gar nichts - vielleicht. Aber das kann man nie wissen. Dieser Blackout stört mich.« Penner legte mir die Hand auf die Schulter. »Hör zu, Dale, ich möchte, dass du und Morse zum Schiff zurückgeht und wartet. Wir drei gehen zu den Ruinen. Aber ich möchte, dass die ganze Zeit wenigstens zwei Männer im Schiff sind, falls es Schwierigkeiten gibt. Macht schon; wir gehen erst weiter, wenn wir sehen, dass ihr an Bord seid. Gebt uns ein Lichtsignal, damit wir wissen, dass alles in Ordnung ist, wenn ihr hinkommt.«

Morse und ich trotteten davon.

»Typisch«, murrte Little Morse halblaut und fuchtelte verärgert mit seinem Strahler herum. »Da rennen wir stundenlang im Sand herum, und wenn wir endlich etwas finden, müssen wir zum Schiff zurück. Puh!«

»Aber er hat recht«, antwortete ich. »Man muss vorsichtig sein. Und außerdem können wir etwas essen und uns die Schuhe ausziehen.«

»Aber ich möchte diese Ruinen sehen. Ich hab meiner Freundin ein paar Souvenirs versprochen...«

»Morgen kommen wahrscheinlich wir dran«, tröstete ich ihn. Er zuckte die Achseln und trottete weiter. Wir erreichten das Schiff, gingen an Bord und sahen uns schnell um. Alles in Ordnung.

Morse trat an das Instrumentenpult und drückte auf den Scheinwerferknopf. Dann setzten wir uns an den Bildschirm und starrten hinaus. Auf diese Entfernung konnten wir nur undeutliche purpurne Umrisse sehen, in denen sich drei Strahler bewegten.

Ich öffnete ein paar Konserven, und wir aßen, immer noch bemüht, draußen etwas zu sehen. Die Lichter bewegten sich zuerst einzeln und wuchsen dann zu einem einzigen Licht zusammen.

»Die müssen etwas gefunden haben«, meinte Morse. »Ich möchte nur wissen was?«

»Das werden wir bald genug erfahren«, prophezeite ich.

 

Aber sie kamen nicht zurück, und sie kamen nicht zurück - und wir saßen stundenlang da und warteten.

Schließlich bewegten sich die Lichtstrahlen auf uns zu. Wir warteten, während Penner, Swanson und Levy an Bord gingen. Ein erregtes Stimmengewirr löste sich in Worte auf, und dann wurden Sätze aus den Worten.

»So etwas wie die habe ich noch nie gesehen...«

»Kleiner als Zwerge; unmöglich, aber ich würde wetten, dass es Menschen waren.«

»Ich kapiere nur nicht, wie die verschwunden sein können, gerade als hätte sie jemand mit einem Netz weggefangen.«

»Ich bin ganz sicher, dass das nicht ihre Stadt war. Zuerst einmal ist sie uralt, und zum zweiten ist sie überhaupt nicht auf ihre Größenverhältnisse abgestimmt...«

»Meint ihr, wir haben uns das Ganze bloß eingebildet? Dieser Blackout war schon komisch genug. Und dann, sie so zu sehen...«

Ich hob meine Stimme. »Was soll das alles? Was habt ihr denn gefunden?«

Als Antwort hörte ich bloß ein undurchdringliches Stimmengewirr, bis Penner sich Ruhe verschaffte.

»Da, mach dir selber deinen Reim drauf, Dale«, sagte er. Er holte seinen Skizzenblock heraus und fing schnell zu zeichnen an. Dabei redete er unentwegt. Seine Skizzen und sein Bericht entwickelten sich beinahe gleichzeitig.

Er reichte mir das erste Blatt. »Ruinen«, sagte er. »Ruinen einer Stadt. Wir haben in Wirklichkeit nur die Dächer gesehen, aber die reichen schon, um einem einen Eindruck von der Größe des Ganzen zu vermitteln. Alles aus massivem Stein gebaut. Eine Menge breiter, ebener Oberflächen. Und da ist eine Skizze von mir, wie ich zwischen zwei Dächern stehe. Wahrscheinlich war einmal eine Straße dazwischen. Was hältst du davon?«

Ich studierte seine Skizze; sie war grob, aber man konnte sich etwas darunter vorstellen. »Sie müssen menschenähnlich gewesen sein«, sagte ich. »Wenn wir in der architektonischen Repräsentation Funktionalismus erkennen wollen...«

»Red nicht so geschwollen«, unterbrach mich Penner. »Schau doch, wie breit diese Straße ist. Würdest du sagen, dass die Bewohner groß oder klein waren?«

»Groß natürlich.« Ich sah mir die Skizze noch einmal an. »Die müssen viel größer gewesen sein als wir. Vielleicht zwei oder zweieinhalb Meter, wenn die Proportionen wie bei uns waren. Aber das ist natürlich nur eine Vermutung.«

»Gut. Dann haben wir die Steine mit den Geigerzählern abgesucht. Levy sagt, die seien vierzehntausend Jahre alt.«

»Mindestens«, unterbrach ihn Levy. »Wahrscheinlich noch älter.«

Wieder skizzierte Penner. Er reichte mir das zweite Blatt. »Das haben wir gefunden, als wir zwischen den Ruinen herumstreiften«, sagte er. »Ich habe zwei von ihnen gezeichnet, wie sie neben mir stehen, aber es müssen Hunderte gewesen sein.«

Ich sah hin. Da stand Penner und - zu seinen Füßen - zwei winzige menschenähnliche Wesen.

»Du hast diese Geschöpfe wirklich gesehen?«

»Natürlich. Wir alle haben sie gesehen. Daran ist kein Zweifel. Gerade noch kletterten wir zwischen den Steinen herum, da tauchten sie auf. Einfach so, aus dem Nichts könnte man sagen. Und nicht ein oder zwei, sondern Hunderte.« Er drehte sich herum. »Stimmt’s, Swanson?«

»Stimmt.«

Wieder sah ich die Skizze an. Penner hatte einen Blick für Einzelheiten. Besonders beeindruckte mich die Kleidung der Geschöpfe.

»Das sieht aus wie alte Kleidungsstücke von der Erde«, sagte ich. »Die tragen kleine gepanzerte Brustplatten und Helme. Und Speere haben sie auch.«

»Genauso sahen sie aus«, bestätigte Levy. »Einige von ihnen hatten diese - wie nannte man das - Pfeil und Bogen.«

Penner sah mich an. »Hast du eine Theorie, Dale?«

»Nein, aber langsam kommt mir eine. Diese kleinen Wesen haben niemals die Stadt gebaut. Sie leben auch jetzt nicht in den Ruinen. Sie können unmöglich irdische Kleidungsstücke wie diese hier tragen. Sie tauchten plötzlich auf, sagt ihr, und verschwanden ebenso plötzlich.«

»Wenn man dich so reden hört, klingt es albern«, räumte Penner ein.

»Ja. Es sei denn, man akzeptiert eine Theorie.«

»Und die wäre?«

»Dass es sie nicht gibt. Dass es sie nie gegeben hat, bloß in eurer Fantasie.«

»Aber wir haben sie alle gesehen. Sie gesehen und sie gehört!«

»Vor ein paar Stunden haben wir alle einen Blackout erlebt«, erinnerte ich. »Und ich fange an zu glauben, dass das alles zusammenpasst. Angenommen, 68/5 ist gar nicht unbewohnt, angenommen, es gibt hier Leben.«

»Unmöglich«, unterbrach mich Swanson. »Die Aufzeichnungen des Robotscouts sind zuverlässig. Jede Spur von Leben wäre entdeckt und aufgezeichnet worden. Das weißt du genau.«

»Und dennoch. Nimm einmal an, dass es keine Spuren gab«, antwortete ich. »Nimm einmal an, wir hätten es mit einer körperlosen Intelligenz zu tun...«

»Absurd!« Das kam von Penner.

»Nicht absurder als die Geschichte, die ihr mir erzählt habt. Nehmt einmal an, diese körperlose Intelligenz könnte uns geistig beeinflussen. Sie könnte uns bewusstlos gemacht und uns hypnotisch beeinflusst haben. Kurz darauf habt ihr kleine Männer gesehen...«