Gauner, Glühwein, Geigenklänge - Walter Bachmeier - E-Book
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Gauner, Glühwein, Geigenklänge E-Book

Walter Bachmeier

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  • Herausgeber: Midnight
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
Beschreibung

Ein Mord zur Weihnachtszeit Es ist Vorweihnachtszeit im Alpenland und Chefinspektor Egger besucht das Weihnachtskonzert seiner Frau. Sie hat die Ehre, auf einer besonders wertvollen Geige spielen zu dürfen. Als nach der Aufführung alle besinnlich beisammensitzen, fällt draußen vor dem Konzerthaus ein Schuss. Egger ist sofort zur Stelle und findet einen der Polizisten, die die Geige in Gewahrsam hatten, erschossen vor. Vom Instrument fehlt jedoch jede Spur. Doch wer ermordet zur Weihnachtszeit kaltblütig einen Polizisten? Und was hat er mit der Geige vor? Chefinspektor Egger macht sich persönlich auf die Suche nach dem Übeltäter.   Von Walter Bachmeier sind bei Midnight by Ullstein erschienen: Mord in der Schickeria (Ein-Tina-Gründlich-Krimi 1) Mord an der Salzach (Ein-Tina-Gründlich-Krimi 2) Mord in der Alpenvilla (Ein-Tina-Gründlich-Krimi 3) Mord im Pinzgau (Ein-Tina-Gründlich-Krimi 4) Mord in der Berghütte (Ein-Tina-Gründlich-Krimi 5) Mord am Wildkogel (Ein-Tina-Gründlich-Krimi 6) Affären, Alpen, Apfelstrudel (Chefinspektor Egger Fall 1) Berge, Brotzeit, Bauernherbst (Chefinspektor Egger Fall 2) Koppeln, Kühe, Kaseralm (Chefinspektor Egger Fall 3) Morde, Matsch, Marillenknödel (Chefinspektor Egger Fall 4) Diebe, Dörfer, Dampfnudeln (Chefinspektor Egger Fall 5) Gauner, Glühwein, Geigenklänge (Chefinspektor Egger Fall 6)

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Gauner, Glühwein, Geigenklänge

Der Autor

Walter Bachmeier, geboren 1957 in Karlsruhe, wuchs in Münchsmünster in der Hallertau auf. Nach seiner Ausbildung zum Koch begann er unter dem Pseudonym zu schreiben. Sein erstes Werk war ein Kochbuch, das sehr erfolgreich verkauft wurde. Dies gab ihm den Ansporn, seinen Beruf aufzugeben und weiter zu schreiben. Im Laufe der Jahre entstanden so mehrere Erzählungen, Kinderbücher und Artikel in verschiedenen Tageszeitungen. Seit etwa 2012 widmet er sich voll und ganz der Literatur. Immer wieder finden in seinen Büchern auch Erlebnisse aus seinem Leben Platz.

Das Buch

Ein Mord zur Weihnachtszeit

Es ist Vorweihnachtszeit im Alpenland und Chefinspektor Egger besucht das Weihnachtskonzert seiner Frau. Sie hat die Ehre, auf einer besonders wertvollen Geige spielen zu dürfen. Als nach der Aufführung alle besinnlich beisammensitzen, fällt draußen vor dem Konzerthaus ein Schuss. Egger ist sofort zur Stelle und findet einen der Polizisten, die die Geige in Gewahrsam hatten, erschossen vor. Vom Instrument fehlt jedoch jede Spur. Doch wer ermordet zur Weihnachtszeit kaltblütig einen Polizisten? Und was hat er mit der Geige vor? Chefinspektor Egger macht sich persönlich auf die Suche nach dem Übeltäter.

Von Walter Bachmeier sind bei Midnight by Ullstein erschienen:

Mord in der Schickeria (Ein-Tina-Gründlich-Krimi 1)Mord an der Salzach (Ein-Tina-Gründlich-Krimi 2)Mord in der Alpenvilla (Ein-Tina-Gründlich-Krimi 3)Mord im Pinzgau (Ein-Tina-Gründlich-Krimi 4)Mord in der Berghütte (Ein-Tina-Gründlich-Krimi 5)Mord am Wildkogel (Ein-Tina-Gründlich-Krimi 6)Affären, Alpen, Apfelstrudel (Chefinspektor Egger Fall 1)Berge, Brotzeit, Bauernherbst (Chefinspektor Egger Fall 2)Koppeln, Kühe, Kaseralm (Chefinspektor Egger Fall 3)Morde, Matsch, Marillenknödel (Chefinspektor Egger Fall 4)Diebe, Dörfer, Dampfnudeln (Chefinspektor Egger Fall 5)Gauner, Glühwein, Geigenklänge (Chefinspektor Egger Fall 6)

Walter Bachmeier

Gauner, Glühwein, Geigenklänge

Ein Alpenkrimi

Midnight by Ullsteinmidnight.ullstein.de

Originalausgabe bei MidnightMidnight ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinNovember 2019

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019Umschlaggestaltung:zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95819-276-8

Emojis werden bereitgestellt von openmoji.org unter der Lizenz CC BY-SA 4.0.

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Inhalt

Der Autor / Das Buch

Titelseite

Impressum

Die Hauptfiguren

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Epilog

Rezept

Leseprobe: Berge, Brotzeit, Bauernherbst

Empfehlungen

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Cover

Titelseite

Inhalt

Die Hauptfiguren

Die Hauptfiguren

Chefinspektor Martin Egger: An sich ein ruhiger und besonnener Mann. Er ist streng, gerecht, und wenn er einmal unrecht hat, ist er sofort bereit, sich zu entschuldigen. Er sieht vorschnelle Reaktionen nicht eng und versucht mit seinem Team das Beste aus seinen Fällen zu machen. Sein Wahlspruch lautet: »Wir kriegen sie alle. Sie wissen’s nur nicht.« Er ist zweiundvierzig Jahre alt und hat eine sportliche Figur, wenn man von dem kleinen Bauchansatz absieht, den er sich durch die leckere Küche seiner Frau Julia angegessen hat. Er raucht nicht, trinkt nur selten ein Glas Wein, verabscheut aber Alkohol in Mengen. Alkoholfreies Bier schmeckt ihm nicht, da es seiner Meinung nach nur ein »isotonisches Kaltgetränk mit Biergeschmack« ist. Martin ist in der glücklichen Lage, zwei Familien zu haben. Die erste und wichtigste ist seine eigene Familie, die aus Julia, seiner zweiten Frau, seinen Söhnen Max und Moritz und seiner Tochter Lenchen besteht. Die zweite Familie bilden seine Arbeitskollegen, mit denen ihn eine enge Freundschaft verbindet. Martin redet gerne Dialekt, aber nur mit seinen besten Freunden und mit seiner Frau. Seinen Kindern gegenüber versucht er Hochdeutsch zu reden, da ihn der Deutschlehrer darum gebeten hat. Mit Fremden spricht Martin ausschließlich Hochdeutsch, um Missverständnisse zu vermeiden.

Julia: Martins zweite Frau Julia ist zweiunddreißig Jahre alt und eine hervorragende Musikerin. Mit ihren blonden halblangen Haaren, hellblauen Augen, ihrer schlanken Figur und ihrem braunen Teint sieht sie Martins erster Frau nicht unähnlich. Sport liebt sie zwar, betreibt aber keine Sportart aktiv. Nur manchmal, wenn Martin wieder eine Trainingseinheit ausführt, geht sie mit. Martin macht das eher weniger aus, denn er liebt sie auch mit ihrem kleinen Rettungsring um die Hüften. Sie ist wie Martins erste Frau Leni der ruhende Pol in seinem Leben. Martin sucht Rat bei ihr, wenn ihm ein Fall zu kompliziert erscheint. Julia weiß, wie sie ihn anpacken muss, wenn er meint, aus der Reihe tanzen zu müssen. Beruflich ist sie als Musikdozentin für Geige und Klavier am Konservatorium in Salzburg tätig.

Max und Moritz: Inspektor Eggers Zwillinge sind dreizehn Jahre alt. Max ist der Ruhigere der beiden. Er ist etwas mollig, hat dunkelbraune Augen wie sein Vater und ebenso dunkle gelockte Haare. Er sitzt lieber daheim in seinem Zimmer und liest, während Moritz, der um fünf Minuten Ältere der beiden, wie er gerne betont, eher sportlich veranlagt ist und seiner bei einem tragischen Unglück ums Leben gekommenen Mutter nicht nur wegen seiner blonden Haare, den blauen Augen und der hohen Musikalität ähnlich ist.

Lenchen (Helene): Sie ist drei Jahre alt, hat blonde Haare und ist oft zu Scherzen aufgelegt. Martin hat sich mit Julia auf diesen Namen geeinigt, da er es wichtig fand, seiner ersten Frau, die ebenfalls so hieß und bei einer Wanderung verstorben ist, eine Art Andenken zu setzen.

Lenchen ist der eigentliche Mittelpunkt von Martins Familie, da sie jedem ans Herz gewachsen ist. Sie ähnelt ihrer Mutter Julia und lässt bereits jetzt erahnen, dass sie ebenso musikalisch wie sie sein wird. Lenchen ist das Ergebnis einer Vergewaltigung, die Julia vor ein paar Jahren erleiden musste. Martin nahm sich des Falles an und verliebte sich sofort in Julia. Dass Lenchen nicht sein leibliches Kind ist, stört weder ihn noch sonst jemanden. Er liebt das Kind wie seine beiden Söhne.

Helga Egger: Martins Schwester ist die gute Seele der Familie. Sie war nie verheiratet und hat keine eigenen Kinder. Sie ist da, wenn Martin und Julia sie brauchen. Wenn Martin im Dienst ist und Julia an der Salzburger Musikschule unterrichtet, sorgt sie für die Kinder und die Hausgäste, die Martin im Sommer und Winter hat, wenn er Zimmer vermietet. Ab und zu wohnt Helga bei ihnen, wenn die Zimmer belegt sind und sie nicht jeden Tag von ihrem nicht weit entfernten Haus herüberlaufen will.

Oberinspektor Josef Faltermeier: Josef ist zweiundvierzig Jahre alt, hat dunkle Haare, die sich lichten, und einen Bauchansatz, der ein wenig größer ist als der von Martin. Josef und Martin kennen sich seit ihrer gemeinsamen Schulzeit und es war kein Zufall, dass die beiden zur Polizei gingen. Martins Vater war Polizist und so bekamen sie einen guten Einblick in die Arbeit. Josef ist behäbiger und ruhiger als Martin.

Oberinspektorin Andrea Hauser: Andrea ist zweiunddreißig Jahre alt, schlank und sportlich, mit einem olivfarbenen Teint, den sie ihrer pakistanischen Mutter verdankt. Sie ist schon lange Mitglied in Martins Team und er schätzt sie als gute und zuverlässige Kollegin. Sie ist mit Karl Hauser, einem Feuerwehrmann aus Zell am See, verheiratet und hat mit ihm einen Sohn, der dank Josefs Patenschaft ebenfalls Beppi, also Josef, heißt. Andrea ist genauso wie Josef eine Kollegin, auf die sich Martin hundertprozentig verlassen kann. In schwierigen Situationen lässt sie ihn nicht im Stich, auch wenn sie öfter mal anderer Meinung als ihr Chef ist.

Kommissär Vanessa Bieringer: Vanessa ist sechsundzwanzig Jahre alt und sehr sportlich. Sie ist das Küken oder Nesthäkchen in Martins Team. Martin sieht sie trotz ihres Alters als vollwertiges Mitglied seiner Truppe. Mehr als einmal hat sie Martin mit ihren eigensinnigen Aktionen das Leben gerettet. Dadurch bringt sie sich jedoch auch selbst in Gefahr. Manchmal handelt sie, bevor sie denkt. Allerdings sieht sie ihre Fehler immer ein.

Hofrat Gmeiner: Er ist etwa fünfundsechzig Jahre alt (sein wirkliches Alter verrät er nie), trägt einen Backenbart wie einst Kaiser Franz Joseph I., wodurch man seine Affinität zur damaligen Monarchie erkennt. Er besitzt eine füllige Figur, die ihn gemütlich und typisch wienerisch aussehen lässt. Sein Wahlspruch lautet: »Ich bin zwar Salzburger, aber dennoch ein treuer Österreicher.« Gütige Augen mit einem verschmitzten Lächeln in den Augenwinkeln strahlen im tiefsten Blau. Er ist ein alter Freund der Familie, der sogar für Martins Zwillinge den Göden machte. Er steht Martin stets bei, wenn es mal Schwierigkeiten im beruflichen Umfeld gibt. Hofrat Gmeiner ist ein strenger, aber auch gerechter Vorgesetzter. Sein steter Begleiter ist sein Dackel Ludwig, mit dem er gerne und oft spazieren geht. Frei nach dem Motto »Wenn ich mit meinem Dackel von Grinzing heimwärts wackel …« von Peter Alexander.

Oberst Wolkenstein: Er ist der Leiter der wichtigsten polizeilichen Sondereinheit Österreichs, der COBRA. Er steht Martin bei brenzligen Situationen mit seiner Truppe zuverlässig zur Seite. Auch privat sind die beiden gut befreundet. Oberst Wolkenstein fällt wegen seiner sportlichen, nahezu schlaksigen Figur auf. Der stechende Blick seiner stahlblauen Augen bringt jeden, der ihm begegnet, automatisch dazu, zu glauben, er hätte etwas angestellt und Wolkenstein sähe ihm das sofort an. Seine Haare sind zweckmäßig auf eine Länge von nur einem Millimeter getrimmt. Er ist streng, nahezu gnadenlos, aber dennoch fair und gerecht. Er hält nicht viel davon, einem Straftäter einen Finalschuss zu geben, da er der Meinung ist, dass auch solche Menschen ein Recht auf Leben haben.

Kapitel 1

Es war der Samstagabend vor dem vierten Advent. Wie gebannt lauschte Chefinspektor Martin Egger der weihnachtlichen Musik im aus dem achtzehnten Jahrhundert stammenden Mössler Stadel in Neukirchen am Großvenediger. Er konnte gar nicht genug bekommen von der Musik. Es war ja auch kein Wunder, denn schließlich befanden sich soeben seine Frau Julia und sein dreizehnjähriger Sohn Moritz, einer seiner beiden Zwillinge, dort oben auf der Bühne und spielten ein Weihnachtslied. Moritz auf dem Klavier und Julia auf einer Geige, die sie vom Verein der Musikfreunde in Salzburg zur Verfügung gestellt bekommen hatte. Extra für diese Aufführung hatte man ihr die wertvolle Geige von Giuseppe Guadagnini gegeben, mit der Bitte, sehr gut darauf aufzupassen. Schließlich war diese Geige, dieses einzigartige Instrument, Millionen von Euro wert. Nicht nur deshalb wurde sie in einem Museum, das der Verein leitete und betreute, aufbewahrt. Julia und Moritz waren von der Autorengruppe Schreib’s Auf gebeten worden, bei dieser adventlichen Veranstaltung mitzuwirken.

Martin beobachtete die anderen Zuhörer. Ihm fiel dabei auf, dass viele der Anwesenden junge Mädchen waren. Offenbar waren sie nur wegen Moritz hier, der neben seiner Mutter Julia groß angekündigt worden war. Vielleicht hatte Moritz auch Freikarten verteilt, die er als teilnehmender Künstler zur Verfügung gestellt bekam.

Soweit Martin wusste, hatte Julia ihre Karten ihm überlassen. Sie behielt nur wenige für sich, die sie in der Nachbarschaft verteilt hatte. Martins Schwester Helga war nicht dabei, denn sie musste auf die dreijährige Leni und Max, den Zwillingsbruder von Moritz, aufpassen. Max hatte sich vehement dagegen gewehrt, weil er meinte, dass er mit seinen dreizehn Jahren keinen Aufpasser mehr brauche und auch Lenchen durchaus alleine beaufsichtigen könne.

Max und Moritz waren zwar Zwillinge, aber dadurch, dass sie zweieiige Zwillinge waren, dennoch so verschieden wie Tag und Nacht. Während Moritz seiner viel zu früh verstorbenen Mutter glich, ähnelte Max mehr seinem Vater. Moritz hatte blonde Haare, blaue Augen und Sommersprossen. Er war schlaksig und sportlich. Seine Lieblingsbeschäftigungen waren zu musizieren und Fußball zu spielen. Das Talent zur Musik hatte er von seiner Mutter geerbt, die zu Lebzeiten Meisterschülerin in Salzburg gewesen war. Max dagegen hielt sich am liebsten in seinem Zimmer auf, wo er gerne und viel las. Er war genauso wie Martin dunkelhaarig, hatte braune Augen und war pummelig, was dazu führte, dass Moritz ihn ab und zu aufzog.

Max war mehr als froh gewesen, dass er nicht mit zum Konzert gemusst hatte. Er hielt Moritz‘ Musik für altertümliche Dudelei und völlig überflüssig, da er selber lieber moderne Musik hörte. Diese Musik wiederum veranlasste Moritz zu protestieren: »Mach dieses Geschrei aus. Da krieg ich ja Ohrenkrebs!«

Martin bewunderte seine Frau, die in einem bodenlangen moosgrünen Dirndl mit goldfarbener Schürze und weißer Bluse auf der Bühne stand. Dazu trug sie eine silberne Kropfkette mit roten Korallen. Moritz hatte seinen neuen Anzug herausgeholt und angezogen. Der alte stammte noch von seiner Firmung und war inzwischen etwas klein geworden. Mit dem weißen Hemd und der schwarzen Schleife sah er richtig professionell aus.

Inzwischen waren Moritz und Julia mit ihrem Stück am Ende und verbeugten sich vor dem Publikum, das frenetisch stehend applaudierte und eine Zugabe forderte. Martin wusste, dass Julia sich dem nicht entziehen konnte. Julia warf einen Blick zu der Autorengruppe, von der sie wusste, dass sie eigentlich einen streng geplanten Zeitablauf hatte. Erst als eine der Autorinnen nickte, flüsterte sie Moritz etwas zu, der sich sofort wieder ans Klavier setzte. Sie spielten das im Salzburger Land vor zweihundert Jahren erstmals aufgeführte Lied »Stille Nacht, heilige Nacht«.

Es dauerte nicht lange, da fiel das Publikum ein und sang mit voller Inbrunst mit. Martin lief ein angenehmer Schauer den Rücken hinunter. Er beobachtete die Leute und sah, dass die jungen Mädchen nicht umhinkonnten, die eine oder andere Träne wegzuwischen.

Schließlich war das Stück zu Ende und wieder forderte das Publikum eine Zugabe. Julia wollte aber den Ablauf offenbar nicht weiter stören, sondern verbeugte sich mit Moritz an der Hand. Martin sah, wie sie die Geige hinter die Bühne brachte, wo er einen Polizeibeamten abgestellt hatte, der sie übernehmen sollte, und wo auch ein weiterer Kollege wartete.

Schließlich kamen Julia und Moritz zu Martin, der an seinem Tisch zwei Plätze für sie reserviert hatte. Sofort sprangen die jungen Mädchen auf und umringten den Tisch. Mangels eigener Autogrammkarten unterschrieb Moritz der Einfachheit halber auf den Eintrittskarten. Dazu eine Widmung, die er mit einem Herzchen schmückte. Auch Julia wurde um Autogramme gebeten, aber ihre Fans gehörten eher in die Klasse fünfzig plus.

Hofrat Magister Ernst Gmeiner, der direkte Vorgesetzte Martins, saß ebenfalls mit am Tisch und beobachtete die Szene mit leichtem Schmunzeln. Gmeiner war bereits fünfundsechzig Jahre alt und wohl beleibt. Er trug einen Vollbart des Modells Kaiser Franz Joseph des Ersten. Gmeiner war es auch, der es letztendlich ermöglicht hatte, dass Julia die wertvolle Geige spielen durfte. Er hatte durch seine Position die richtigen Kontakte und kannte die wichtigen Leute. Er war ein strenger Vorgesetzter, der es trotz seiner Freundschaft zu Martin und seiner Familie immer wieder fertigbrachte, Martin unter Druck zu setzen. Obwohl er selbst in Salzburg lebte, sagte er in typischem Wiener Dialekt: »Gnädige Frau, es ist mir immer wieder eine wahre Freude, Ihnen zuhören zu dürfen. Dasselbe gilt für dich, junger Mann.«

Moritz schien dieses Lob peinlich zu sein, denn er errötete leicht und blickte nach unten. Sie lauschten noch eine Weile den Gedichten und Liedern, die die Autorengruppe zum Besten gab.

Gerade begann ein Quintett zu singen: »Jo, jo, dürü … jo, jo dürü …«, als es draußen krachte. Die Sänger verstummten sofort und schauten sich entsetzt an. Auch das Publikum war offenbar überrascht worden. Sofort setzte ein Stimmengewirr ein, aus dem verschiedene Meinungen zu hören waren. »Da hat’s oam den Reifen zrissn«, »Des woar a Fehlzündung bei am Moped«, »A geh Schmoarrn, do hot oana gschossn«.

Martin sprang auf und rannte nach draußen. Nur dumpf hörte er durch das dichte Schneetreiben den Motor eines Fahrzeugs. Gerade noch die Rücklichter schimmerten durch den heftig fallenden Schnee, bevor es hinter der nächsten Kurve verschwand. Er sah sich um. Gleich um die Ecke lag bäuchlings im Schnee eine Gestalt, die sich nicht mehr bewegte. Unter ihr färbte sich der Schnee blutrot.

Martin lief hin und drehte sie um. Erschrocken sah er, dass es der Polizist war, dem Julia zuvor die Geige übergeben hatte. Aber wo war die Geige und vor allem der zweite Kollege? Martin entdeckte einige Meter entfernt eine weitere Gestalt im Schnee. Diese aber ächzte und stöhnte. Beim Versuch, sich aufzurichten, schwankte der Mann und fiel wieder um. Martin ging hin und half ihm auf die Beine. Es war tatsächlich der zweite Beamte. Martin zog sein Handy hervor und rief in der Neukirchner Dienststelle an.

»Polizeidienststelle Neukirchen, Dienstgruppenleiter Wallner. Was kann ich für Sie tun?«, meldete sich der Kollege.

»Egger hier. Herr Wallner, schicken Sie bitte sofort ein paar Mann zum Mössler Stadel. Es gibt einen Toten. Verständigen Sie bitte auch gleich die Gerichtsmedizin und die Spurensicherung.«

»Sofort, Herr Chefinspektor«, bestätigte Wallner.

Martin trennte die Verbindung und rief den Notarzt. Auch von dort wurde ihm bestätigt, dass ein Fahrzeug zu ihm kommen würde. Inzwischen waren nicht nur eine Menge Leute, sondern auch der Hofrat herausgekommen und standen im Halbkreis um Martin und die Leiche herum.

»Ach, gehen S’, Herr Hofrat«, bat Martin. »Schicken S’ doch die Leut weg. So was ist unanständig, einen Toten anzustarren.«

Schon war das Martinshorn eines Streifenwagens zu hören, der die Straße hochkam, in die der andere Wagen zuvor verschwunden war. Wallner höchstpersönlich hatte sich der Sache angenommen und stieg aus. Er tippte kurz an die Mütze, als er Martin erkannte.

»Guten Abend, Herr Chefinspektor. Was haben wir denn da?«, fragte er und trat auf den Toten zu.

»Das ist ein toter Kollege, Herr Wallner. Haben Sie die SpuSi und die Gerichtsmedizin verständigt?«

»Ja, hab ich. Die müssten eigentlich auch bald hier eintreffen.«

»Wissen Sie, ob der Mann Familie hat?«

»Ja, hat er. Eine Frau, die im Rollstuhl sitzt und seine Mutter, glaub ich, lebt auch noch.«

»Würden Sie die Familie benachrichtigen?«

»Ja, mach ich, Herr Chefinspektor.«

Martin zeigte in die Runde. »Herr Wallner, könnten Sie nicht noch ein paar Kollegen herbeordern, die hier alles absperren?«

»Sie meinen, wegen der Neugierigen?«

»Ja, und wegen der Spuren, die es hier geben muss.«

»Mach ich sofort, Herr Egger.«

»Dann lassen Sie bitte noch die Straßen in Richtung Gerlos und in Richtung Zell absperren. Jedes Auto muss angehalten und durchsucht werden. Wir suchen eine Geige nebst Koffer. Sie wurde geraubt.«

»Jawohl, Herr Egger«, bestätigte Wallner wieder.

Martin kannte den Kollegen Wallner bereits so lange, wie er selbst in Zell Dienst tat. Wallner war ein außergewöhnlich guter Polizist, auf den sich Martin jederzeit verlassen konnte. Sie trafen sich manchmal sogar privat, was von den oberen Chargen nicht gerne gesehen wurde. Martin war dies aber egal, da er selber einmal als Streifenpolizist angefangen hatte und wusste, wie wichtig der nahe und persönliche Kontakt zu den Kollegen war. Auch Gmeiner, der jetzt ratlos neben ihnen stand, wusste darum. Wallner gab über Funk seine Anordnungen und Befehle weiter.

Der Notarztwagen kam die Straße heraufgefahren und blieb vor dem Stadel stehen. Der Arzt selbst lief sofort zu Martin und wollte sich um den am Boden liegenden Mann kümmern. Martin hielt ihn zurück und zeigte auf den anderen Beamten, der zitternd und weinend neben dem Stadel im Schnee saß. »Versorgen Sie bitte zuerst den Kollegen. Der lebt nämlich noch und hat vermutlich einen Schock.«

Der Notarzt überzeugte sich zuerst von Martins Vermutung und untersuchte den Toten kurz. Als auch er feststellte, dass nichts mehr zu machen war, ging er mit seinem Assistenten zum zweiten Polizisten. Nahezu zeitgleich trafen Wallners Beamte, der Gerichtsmediziner und die Spurensicherung ein. Wallner übernahm die Koordination.

»A schöne Sauerei, so wos«, sagte Hofrat Gmeiner.

»Das können S’ laut sagen, Herr Hofrat«, bestätigte Martin.

»Die Geige ist wohl weg?«

»Schaut ganz danach aus.«

»Die in Salzburg reißen mir den Kopf ab«, meinte Gmeiner bekümmert.

»Wir kriegen sie schon wieder. Da hab ich keine Zweifel.«

»Erst mal müssen wir wissen, wer sie hat und wozu sie gestohlen wurde. Das Ding ist doch unverkäuflich«, sagte Gmeiner zweifelnd.

»Vielleicht will sie ja ein Sammler haben? So etwas soll’s ja geben?«

»Da gibt’s aber ein Problem für ihn. Er darf sie niemandem zeigen. Sonst ist er womöglich dran.«

»Wieso eigentlich ihn und er, Herr Hofrat? Kann es nicht auch eine Frau sein?«

»Natürlich kann das auch eine Frau sein. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass eine Frau jemanden erschießt, nur um eine Geige zu bekommen.«

»Wir werden sehen, Herr Hofrat.«

»Ähm, Herr Egger?«

»Ja, bitte?«

»Ich hab da ein kleines Problem, bei dem Sie mir sicher helfen können.«

»Und das wäre?«

»Na ja. Es ist schon spät und ich bin müde. Könnte ich nicht …? Ich mein … Morgen, nein, heute …«

»Raus mit der Sprache. Was kann ich für Sie tun?«

»Nun, ich will es kurz machen. Sie vermieten doch auch Zimmer. Wäre es möglich, dass ich … Ich mein, dann bräuchte ich nicht …«

»Sie wollen ein Zimmer bei mir mieten?«

»Wenn’s möglich wär und mitten in der Nacht nicht zu viele Umstände macht?«

»Aber sicher doch, Herr Hofrat. Das ist sehr vernünftig. Ich würde mich freuen, Sie als meinen Gast begrüßen zu dürfen. Ich muss nur noch Julia Bescheid geben.«

Martin sah sich um, ob Julia unter den anwesenden Neugierigen war. Aber sie war bereits weg. Auch sein Auto stand nicht mehr auf dem Parkplatz. Auch gut, Moritz muss nicht unbedingt eine Leiche sehen. Da träumt er nur schlecht, dachte Martin und zog sein Handy hervor. Er rief zuhause an.

»Egger?«, meldete sich eine verschlafene Stimme.

»Hallo, Helga, ich bin’s, Martin. Ist Julia schon daheim?«

»Nein, noch nicht. Hättst sie gebraucht?«

»Nein, nicht unbedingt. Könntest du ein Zimmer für den Herrn Hofrat fertig machen? Er will bei uns übernachten.«

»Ja, das geht. Ich kümmer mich gleich drum.«

Martin trennte die Verbindung. Er schaute Gmeiner lächelnd an. »Sie haben Glück, Herr Hofrat. Wir haben noch Zimmer frei.«

»Gut. Dann fahr ich gleich zu Ihnen nach Hause.«

»Könnten Sie noch einen Moment warten? Dann kann ich bei Ihnen mitfahren. Julia ist mit meinem Auto heimgefahren.«

»Aber selbstverständlich, Herr Egger.«

Martin überprüfte noch einmal, ob alles in den vorgeschriebenen Bahnen lief. »Otto? Den Bericht gleich in der Frühe zu mir«, sagte er zu Otto Spannagl, dem Gerichtsmediziner.

»Wenn ich dann schon fertig bin. Schau mal auf die Uhr.«

»Ja, ich weiß. Gleich drei. Aber du beeilst dich?«

»Ja, wie immer. Dir kann’s ja nie schnell genug gehen.«

Auch zu Gerhard Meiler von der Spurensicherung ging er und sah ihm kurz bei der Arbeit zu. Als er sah, dass Meiler mit dem Stück Weg, das er gerade untersuchte, fertig war, sagte er zu ihm: »Gerhard? Den Bericht …«

»Ja, ja, ich weiß schon, schnellstmöglich. Aber wir können auch nicht zaubern.«

Martin schaute auch noch bei den uniformierten Kollegen vorbei, die die Zuschauer immer noch zurückhielten. Zufrieden nickte er. »Das ist in Ordnung, Herr Wallner. Die Straßensperren stehen?«

»Jawohl, Herr Egger. Wie befohlen sind die Straßen nach Gerlos und nach Zell abgesperrt.«

»Sie machen mit Ihren Kollegen dann noch bitte die Zeugenbefragung. Gehen Sie zu jedem der Anwohner und fragen, ob sie etwas gehört oder gesehen haben. Dann befragen Sie bitte auch noch alle hier Anwesenden, ob jemandem etwas aufgefallen ist.«

»Jawohl, Herr Chefinspektor.«

Gmeiner, der ihm auf Schritt und Tritt gefolgt war, meinte: »Sie haben Ihre Leute ja bestens im Griff. Können wir jetzt fahren?«

»Ja, können wir, Herr Hofrat. Aber bringen Sie mich bitte zur Dienststelle?«

»Kein Problem, Herr Egger.«

Kurz hinter der Ortsausfahrt von Neukirchen stand ein Beamter mit seiner Kelle und winkte sie heraus. Gehorsam fuhr Hofrat Gmeiner hinter die Reihe der dort stehenden Fahrzeuge. Er ließ das Fenster herunter, als ein Beamter mit Taschenlampe sich näherte. Ein weiterer folgte ihm mit einer Maschinenpistole in den Händen. Der Beamte leuchtete ins Wageninnere und blendete dabei sowohl den Hofrat als auch Martin. Seine Hand zitterte leicht. Wahrscheinlich wegen der Kälte.

»Jetzt hörn S’ scho auf damit«, schimpfte Gmeiner und bedeckte seine Augen mit der Hand.

»Ach, Sie sind‘s, Herr Chefinspektor«, meinte der Beamte, als er Martin erkannte. Als er Gmeiner sah, fügte er hinzu. »Und wer sind Sie?«

Gmeiner und Martin stiegen aus. Sofort traten die Beamten ein paar Schritte zurück. Der Kollege mit der Maschinenpistole hielt seine Waffe im Halbanschlag auf sie gerichtet. Gmeiner zog seine Papiere heraus und gab sie dem jungen Kollegen. Dieser besah sich die Papiere genau. »Scheiße«, sagte er plötzlich und salutierte. Offenbar hatte er Gmeiners Dienstausweis gesehen. Er gab Gmeiner die Papiere zurück. »Danke, Sie können weiterfahren«, sagte er.

»Das kommt gar nicht infrage«, widersprach Gmeiner. »Ich verlange, dass Sie sofort dieses Auto gründlich durchsuchen.«

»Gründlicher«, befahl Gmeiner, als er bemerkte, dass die beiden nur in den Fond des Wagens blickten. »Bauen Sie den Rücksitz aus und schauen Sie auch in den Kofferraum.«

Die beiden taten wie verlangt. Martin hörte, dass sich die Beamten etwas zuflüsterten. Endlich, schien es, dass sie mit der Durchsuchung fertig waren. Die Beamten bauten das Auto wieder zusammen. Sie gingen zu Gmeiner und salutierten. »Gruppeninspektor Maierling und Inspektor Graber melden Vollzug. Das Fahrzeug wurde befehlsgemäß durchsucht.«

»Lassen Sie es gut sein«, meinte Gmeiner nachsichtig lächelnd. »Aber jetzt möchte ich, dass Sie auch die Abdeckung des Reserverads abnehmen und darunter schauen.«

»Jawohl, Herr Hofrat«, antwortete der Beamte und salutierte noch einmal. Er tat wie befohlen und durchsuchte das Auto so, wie er es in seiner Ausbildung gelernt hatte. Als er damit fertig war, ging Gmeiner zu ihm und legte ihm väterlich den Arm um die Schultern.

»So ist es gut, lieber Kollege. Schauen Sie mal«, begann er und zeigte auf die anderen Fahrzeuge, die hinter ihm hereingekommen waren. »Diese Autos. In jedem von ihnen kann die Geige versteckt sein. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie jedes ganz genau so kontrollieren, wie Sie es gelernt haben. Es könnte schließlich auch sein, dass Sie einen Zufallsfund machen. Ich denk dabei an Waffen oder vielleicht hat auch jemand eine Leiche im Kofferraum. Selbst wenn der Herr Bundespräsident persönlich hier vorbeikommen sollte. Haben wir uns verstanden? Ich behalt Sie im Auge.«

»Jawohl, Herr Hofrat«, antwortete der Beamte und sah Gmeiner nachdenklich an.

Kapitel 2

In der Dienststelle begab sich Martin in sein Büro. Es war ruhig im Gebäude. Kein Wunder, schließlich war es Sonntag früh um vier Uhr. Martin setzte sich an seinen Platz und schaltete den Rechner ein.

Was mach ich jetzt als Erstes? Den Bericht schreiben oder lieber …? Nein, ich glaub, ich schreib zuerst den Bericht von heut Nacht.

Martin erstellte den Bericht über die Geschehnisse der vergangenen Nacht. Viel war es ja nicht, was er schreiben konnte, aber ein paar Seiten wurden es trotzdem. Gegen fünf Uhr war er mit der Arbeit fertig. Er las den Bericht noch einmal durch und korrigierte ein paar Schreibfehler.

»Was machst du denn hier?«, fragte eine weibliche Stimme von der Türe her.

»Vanessa? Guten Morgen.«

»Ich hab dich was gefragt, falls dir das entgangen sein sollte«, antwortete Vanessa und kam zu ihm. »Du schaust ja zum Fürchten aus. Geht’s dir nicht gut?«

»Doch, ja, schon. Aber wir haben einen neuen Fall und da hab ich gleich …«

»Einen neuen Fall?«

»Ja, einen Mord an einem Kollegen«, erklärte Martin und erzählte ihr davon.

»Das ist ja eine schöne Sauerei. Da ist wohl die gesamte Salzburger Polizei in Aufruhr?«

»Das glaub ich nicht. Ich hab noch nichts weitergegeben.«

»Gut, dass ich Bereitschaft hab. Das werden wir gleich anpacken. Was haben wir an Zeugenaussagen?«

»Bisher noch nichts. Aber ich denke, dass ich Wallners Bericht noch heut Vormittag bekomme.«

»Brauchen wir Josef und Andrea auch?«

»Später. Lass sie erst mal ausschlafen. Es reicht, wenn einer von uns müd ist«, antwortete Martin, während er sich streckte und gähnte.

»Weißt du was? Du gehst jetzt heim und schläfst dich erst mal richtig aus. Den Rest kann ich machen«, bot Vanessa an.

»Kommt nicht infrage. Ich bleib hier. Wo kommen wir denn da hin, wenn der Chef schläft und der Rest der Mannschaft arbeitet?«

»Wo fangen wir an?«

»Ich schreib erst mal die Berichte der vergangenen Woche fertig. Du kannst einstweilen versuchen herauszubekommen, wer bei uns Geigen sammelt.«

»Aber heut ist doch Sonntag? Wie soll ich das machen?«

»Was weiß ich? Es gibt sicherlich Sammlerbörsen im Internet und da fängst du an.«

»Auch im Darknet?«

»Ja, auch da.« Martin nahm seine Brille ab und putzte sie umständlich.

»Komm her, alter Mann. Ich mach das«, bot Vanessa an und kam zu ihm.

»Ich bin kein alter Mann«, widersprach Martin.

»Aber das Brille putzen musst du noch lernen.«

»Woher willst du das denn wissen?«

»Ich hab meiner Mama auch immer die Brille geputzt, wenn sie verschmiert war. Also gib schon her.«

Nur widerwillig gab Martin ihr seine Brille und sah interessiert zu, wie sie die Gläser reinigte und polierte. Das Tuch dazu hatte sie ihm ebenfalls abgenommen.

»Jetzt hab ich wieder einen Durchblick«, freute er sich, als ihm Vanessa die Brille reichte und er sie aufsetzte.

»Sag ich doch«, meinte Vanessa und grinste ihn an.

»Guten Morgen allerseits«, rief Andrea, als sie zusammen mit Josef ins Büro kam.

»Was wollt ihr denn hier? Heut ist doch Sonntag und ihr habt frei«, fragte Martin verwundert.

»Wir haben im Radio gehört, was passiert ist. Da mussten wir doch kommen«, antwortete Andrea und stellte einen Korb auf ihren Tisch. In der anderen Hand hielt sie einen kleinen geschmückten Weihnachtsbaum. Rote und goldene Kugeln hingen daran und kleine Kerzchen, die wohl von einer Geburtstagstorte übriggeblieben waren. Außerdem, und das freute ganz besonders Josef, kleine Leckereien.

Josef wollte sich sofort bedienen, aber Andrea hieb ihm leicht auf die Finger. »Finger weg. Der wird erst nach Weihnachten geplündert.«

Sie holte aus dem unbenutzten Raum nebenan ein kleines Tischchen, auf das sie eine weihnachtliche Decke legte, die sie in ihrem Korb mitgebracht hatte. Darauf stellte sie das Bäumchen.

»Was ist das denn?«, fragte Martin.

»Schließlich ist doch Advent und nächstes Wochenende Weihnachten. Ich hab mir gedacht, dass es sicher nicht schadet, wenn ich das Bäumchen hier aufstelle.«

»Und das?«, fragte Martin abermals und zeigte auf den Korb.

»Da ist unser Frühstück drin. Ich hab für uns Kaffee gekocht und frische Semmerl vom Bäcker mitgenommen.«

»Kaffee? Semmerl?«, fragte Vanessa verwundert.

»Ja, die Hutzelbrühe da draußen kann man ja nicht unbedingt Kaffee nennen, oder?«, antwortete Andrea und zeigte zur Türe. Sie holte noch ein paar Tassen aus dem Korb, die groß genug waren, um einer ganzen Portion Kaffee Platz zu geben. Während sie weiter auspackte, kamen Martin, Josef und Vanessa näher.

»Hmmm, wie das duftet«, schwärmte Vanessa.

»So einen Service hätt ich gern jeden Tag«, meinte Josef, als er den ersten Schluck nahm.

»Vergiss es. Das ist heut nur eine Ausnahme. Wenn du täglich frischen und guten Kaffee haben willst, musst du schon ein paar Euro lockermachen und eine Maschine kaufen«, erwiderte Andrea.

Andrea hatte auch noch Wurst, Käse und Marmelade mitgebracht, die sie auf ihren Tisch stellte. Besteck und Pappteller hatte sie ebenfalls dabei.

»Ich komm mir vor wie daheim, als Mama noch lebte«, meinte Vanessa mit einem traurigen Ton in der Stimme.

Nachdem sie gemeinsam gefrühstückt hatten, begab sich jeder an seinen Platz. Andrea klatschte kurz in die Hände und rieb sie tatendurstig.

»Also? Wo fangen wir an?«, fragte sie.

»Ich schlag vor, ihr helft Vanessa das gesamte Netz nach Sammlern von Geigen zu durchsuchen«, sagte Martin.

Während die drei sich an die Arbeit machten, schrieb Martin weiter an seinen Berichten.

»Wie heißt die Geige eigentlich?«, rief Vanessa von ihrem Platz aus.

»Was meinst du?«, fragte Martin zurück.

»Wie die Geige heißt? Alle wertvollen Geigen haben doch einen Namen?«

»Da liegst du aber völlig falsch. Die Geigen haben keinen Namen. Die Geigenbauer sind damit gemeint. Wenn du eine Stradivari willst, bekommst du eine, die Stradivari gebaut hat. Die Geige, um die es geht, ist von Giuseppe Guadagnini.«

»Danke, Martin.«

»Gerne.«

Es dauerte nur etwa eine Viertelstunde, ehe Vanessa rief: »Ich glaub, ich hab da was.«

»Wo?«, fragten alle drei unisono.

»Hier. In Suche-Biete AT. Da sucht einer eine solche Geige. Ich les mal kurz vor: ›Suche eine Geige des Geigenbauers Giuseppe Guadagnini. Zahle jeden Preis.‹«

»Das gibt’s doch nicht. Nehmen wir gleich Kontakt auf?«, fragte Andrea.

»Nein. Damit warten wir noch«, lehnte Martin ab.

»Worauf willst du denn warten?«

»Bis die Geige angeboten wird.«

»Aha? Und dann ist dieses Inserat auch weg. Also, ich bin dafür, dass wir sofort Kontakt aufnehmen. Wenn die Diebe sich bei ihm melden, dann haben wir sie.«

»Wenn er es zulässt?«, sagte Josef zweifelnd.

»Er wird. Darauf kannst du Gift nehmen«, meinte Vanessa siegessicher.

»Probieren können wir es ja mal. Also mach das, Vanessa«, ordnete Martin an.

»Erst muss ich mich registrieren«, erklärte sie.

»Dann registrier dich. Nimm aber ein Pseudonym.«

Vanessa schrieb drauflos. Plötzlich schrie sie auf: »Das gibt’s doch nicht. So ein Mist.«

»Was ist denn los?«, fragte Andrea mitfühlend.

»Da! Da, schau hin. Mit der Registrierung allein ist es nicht getan. Da muss erst ein Postident gemacht werden. Das geht nicht vor morgen«, sagte sie und zeigte auf ihren Bildschirm.

»Dann mach das trotzdem. Aber mit Pseudonym wird das wohl nichts«, riet ihr Martin.

»Aber die Adresse? Muss ich da meine verwenden?«

»Nein, gib ruhig die von der Dienststelle hier an. Dann weiß der Empfänger gleich, woran er ist.«

»Dann brauchen wir aber zwei Konten.«

»Wieso?«

»Wenn wir die Geige hier drin finden und den Inserenten anschreiben, dann sieht der doch gleich, dass das wir, also die Polizei, sind.«

»Dann nimm meine Adresse. Das ist privat und unverfänglich«, bot Martin an.

»Aber das Postidentverfahren?«

»Das macht nichts. Julia hat Urlaub und ist eh daheim. Wenn nicht, dann zumindest Helga. Die kann das auch machen.«

»Hat sie denn eine Vollmacht?«

»Ja, hat sie. Und jetzt geht’s weiter mit der Suche, wenn ich bitten darf.«

»Ich glaub nicht, dass wir heute etwas finden«, meinte Josef nach einer Weile nachdenklich.

»Und warum?«, fragte Martin zurück.

»Ganz einfach. Die Geige im Internet verkaufen zu wollen, ist doch kompletter Unsinn. Die müssen bereits einen Käufer haben, sonst rentiert sich der Aufwand, den sie machen, doch gar nicht.«

»Wir suchen trotzdem weiter. Vielleicht ergibt sich eine Spur.«

»Ich hab da noch eine Idee«, sagte Vanessa leise.

»Und die wäre?«

»Wir setzen ganz einfach auch eine Suchanzeige hinein. Vielleicht melden die sich dann und …«

»Vergiss es. Das bringt auch nichts«, erwiderte Martin.

»Ich mach’s trotzdem«, beschloss Vanessa.

Martin seufzte. »Tu, was du nicht lassen kannst. Aber nur, wenn‘s nichts kostet.«

»Nein, das kostet nur im Erfolgsfall etwas. Also wenn der Kauf zustande kommt.«

Martin schloss den letzten Bericht. »So, ich hab‘s. Ich hab euch eure Berichte rübergeschickt. Lest sie bitte noch einmal durch und speichert sie unter eurem Namen ab.«

»Du hast unsere Berichte geschrieben? Wo ist der Kalender?«

»Was willst du mit dem Kalender, Andrea?«

»Das heutige Datum rot anstreichen, was sonst? Dieser glorreiche Tag muss vermerkt werden.«

»Normalerweise ist es ja umgekehrt, wir müssen deine Berichte abtippen«, fügte Vanessa hinzu und lächelte.

Es klopfte an der Türe.

»Ja, bitte«, bat Martin.

Meiler von der Spurensicherung betrat das Büro. »Ich hab erste Ergebnisse für dich. Sie sind zwar noch nicht zielführend, aber ein bisserl was ist es doch.«

»Zeig her«, forderte ihn Martin auf und zeigte auf die Mappen, die Meiler in der Hand hielt. Meiler gab sie ihm. »Los, erzähl schon, dann brauch ich nicht alles zu lesen.«

»Einen Märchenonkel kannst du dir in Wien mieten. Aber ich will mal nicht so sein. Die Sache ist eigentlich ganz einfach. Wir haben keine Patronenhülse gefunden. Das deutet darauf hin, dass ein Revolver verwendet wurde oder …«

»Der Täter hat sie mitgenommen«, unterbrach ihn Martin.

»Genau, es könnte sich auch um einen Profi handeln. Dann haben wir Zigarettenkippen gefunden. Vermutlich von den Tätern, da sie genau dort lagen, wo das Auto gestanden haben muss. Die DNA muss noch ausgewertet werden. Vielleicht haben wir sie ja in unserem Familienalbum«, erklärte Meiler und schwieg.

»Das ist alles?«

»Was wir bis jetzt haben, ja.«

»Reifenspuren?«

»Bedaure, nein. Die Neugierigen haben alles zertrampelt. Da war nichts mehr zu holen.«

»Zeugenaussagen? Hat niemand etwas gesehen oder gehört?«

»Doch, da ist was. Aber dazu musst du den Bericht von Wallner lesen.«

»Ist der schon im System?«

»Soweit ich weiß, ja.«

»Dann schaun mer mal«, sagte Martin und rief die Suchmaske auf.

»Ich geh dann wieder«, verabschiedete sich Meiler.

»Ja, gut. Servus.«

»Ach, da haben wir ihn ja«, murmelte Martin vor sich hin und las ihn leise. »Keine Augenzeugen, nur eine Person hat den Wagen gesehen. Die Beschreibung passt auf einen SUV Marke BMW. Kennzeichen unbekannt. Farbe dunkelblau bis schwarz. Im Wagen saß ein Mann, Beschreibung wegen Dunkelheit nicht möglich. Hmmm.«

»Hast du was?«, fragte Josef, der zu Martin kam.

»Ja, schau. Der Bericht vom Wallner. Ziemlich mager, das Ganze, findest du nicht?«

»Hmmm, aber dass der Zeuge den Mann nicht beschreiben kann? Schon seltsam.«

»Vielleicht sollten wir uns mal mit ihm unterhalten?«

»Gute Idee. Ich mach das. Schreib mir mal seine Adresse raus«, bat Josef.

Martin nahm einen Zettel und notierte die Adresse des Zeugen darauf. Er gab ihn Josef.

»Dann werde ich mal mit dem Herrn reden«, sagte Josef grinsend und verließ das Büro.

»Habt ihr heut noch was vor?«, fragte Martin Vanessa und Andrea.

»Ja. Ich muss eigentlich noch Platzerl backen und mit Karli und Beppi auf den Christkindlmarkt in Zell gehen. Der Karli hat mir alle Platzerl, die ich schon gebacken hatte, zsammgessn«, erklärte Andrea.

»Was ist mit dir, Vanessa?«

»Ich hab Zeit. Ich hab ja keine richtige Familie.«

»Du kannst aber auch zu mir kommen. Glaub mir, wir werden viel Spaß dabei haben«, lud Andrea Vanessa ein.

»Ich glaub, ihr müsst eure Pläne ändern. Ich möchte noch mal zum Tatort fahren und mir alles bei Tageslicht anschauen. Es wär mir recht, wenn ihr dabei wärt«, bat Martin.

Andrea meinte enttäuscht: »Wenn’s denn sein muss?«

»Es muss nicht. Ich hab doch gesagt, dass es mir recht wär.«

»Na gut, dann fahr ich halt mit«, gab Andrea nach. »Ich hab da noch was gefunden«, fügte sie hinzu und strahlte Martin an. »Eine Seite von Sammlern für Sammler. Von Adventskalendern bis zu Gartenzwergerl ist alles da, was das Herz begehrt. Soll ich mich da auch anmelden?«

»Ja, tu das.«

»Ja, bist deppert?«, rief nun Andrea überrascht.

»Was hast du?«

»Ich hab da noch eine Seite gefunden. Ankauf-Verkauf steht da. Da wird eine alte Geige angeboten. Jahrgang um achtzehnhundertvierzig. Zweihundertfünfzigtausend Euro will der dafür«, erklärte Andrea.

»Ist das unsere?«

»Nein, ich glaub nicht. Der Name ist ein anderer. Justin Maucotel heißt der Geigenbauer.«

»Kannst du dich da auch anmelden?«

»Ja, kann ich.«

Martin unterschrieb noch ein paar der Berichte, die er für sich selbst geschrieben hatte. Er sah zu seinen Mädels hinüber. »Also, ich wär so weit. Wie schaut’s bei euch aus?«

Vanessa warf einen Blick aus dem Fenster. »Glaubst du, dass wir da noch was finden? Schau mal raus, es schneit wieder.«

Martin sah nun seinerseits aus dem Fenster und musste zugeben: »Ja, du hast recht. Aber ich will trotzdem fahren. Ich muss mir einen Überblick über die Situation dort verschaffen.«

»Hast du das nicht heut Nacht schon gemacht?«

»Da war‘s noch finster und man hat kaum die Hand vor Augen gesehen.«

In Neukirchen stellte Martin seinen Wagen vor der Schule ab. Sie stiegen aus und überquerten die Straße. Noch immer schneite es in dicken Flocken, aber offenbar war der Winterdienst hier bereits durchgefahren. Die Straße war einigermaßen frei. Trotzdem rutschte Vanessa aus und landete im Matsch.

»Du hättst dir wohl besser andere Schuhe angezogen. Wart ein bisserl, ich hab welche im Kofferraum. Ich hol sie dir«, bot ihr Martin an.

»Die passen sicher nicht. Ich hab Schuhgröße sechsunddreißig.«

»Hmmm«, meinte Martin und kratzte sich am Kinn. »Da könntst recht haben. Meine sind Größe zweiundvierzig.«

»Nächste Größe Ruderboot?« Andrea lachte.

»Weißt du was? Du hängst dich einfach bei Andrea und mir ein. Dann wird’s schon gehen.«

Zu dritt, Vanessa in der Mitte, gingen sie auf den Haupteingang zu, der weit offen stand. Schon von draußen hörten sie, dass drinnen jemand sang. »Aber Heidschi bumbeidschi …« Der Gesang brach abrupt ab, als sie in den Saal kamen. Eine Frau, mit Schrubber und Putzlappen bewaffnet, kam auf sie zu.

»Schuhe ausziehen«, befahl sie.

»Ich bin …«, wollte Martin sich vorstellen.

»Ich weiß, wer Sie sind. Die Toiletten sind im Keller.«

»Aber ich …«

»Ich hab schon gmeint, ihr kommts gar nicht mehr?«

Martin zog seinen Ausweis hervor und hielt ihn ihr hin. Sie nahm ihn und sah ihn verwundert an. »Warum sagen Sie das nicht gleich? Sie sind der Mann von der Julia und der Vater vom Moritz?«

»Ja, bin ich, und das da«, Martin zeigte auf Andrea und Vanessa, »sind meine Kolleginnen Frau Hauser und Frau Bieringer. Wir wollen eine Tatortbegehung machen.«

Sie gab ihm die Hand. »Angenehm. Ich bin die Frau Sophia Böhm. Ich leite das Haus hier. Aber leider gehört zum Leiten auch das Putzen. Ich muss den Dreck von gestern Abend wegmachen. Heut Abend ist wieder eine Veranstaltung. Wenn Sie also bitte die Schuhe ausziehen würden? Pantoffeln finden Sie hinten im Büro«, sagte sie und schüttelte auch Andrea und Vanessa die Hände.

Gehorsam zogen sie ihre Schuhe aus und trugen sie ins Büro, wo sie wie angekündigt auch Pantoffeln fanden. Vanessa kicherte, als sie die Pantoffeln anhatte.

»Da schwimm ich ja drin«, sagte sie und lachte.

»Besser als nichts«, meinte Andrea dazu. Ihre Schuhe stellten sie unter einen Heizkörper, der unter einem Fenster an der Wand hing.

Martin verließ als Erster das Büro. Er sah sich in dem Saal um. So groß hatte er ihn eigentlich nicht in Erinnerung, aber das konnte daran liegen, dass jetzt sämtliche Tische, Stühle und andere Utensilien beiseite geräumt waren. Frau Böhm wischte unermüdlich den Boden. Martin sah ihr an, dass es ihr schwerfiel. Sie war nicht mehr die Jüngste. Aber er konnte daran nichts ändern.

Martin ging quer durch den Saal zur anderen Ecke. Von hier aus hatte man einen guten Überblick. Hatten die Täter dort gestanden und abgewartet, bis die uniformierten Kollegen den Saal verließen? Möglich wär‘s. Allerdings hatte man von der anderen Seite her einen beinahe ebenso guten Überblick. Nur die Sicht hinter die Bühne war versperrt.

»Was suchen wir hier eigentlich?«, wollte Vanessa wissen.

»Nichts. Ich will nur sehen, ob die Täter eventuell hier im Saal waren, bis meine Frau ihre Aufführung beendet hatte.«

»Ich verstehe.«

»Ja, weißt du, es könnte ja sein, dass im Saal jemand mit einer Kamera saß, der die Täter zufällig fotografiert hat«, erklärte ihr Andrea.

»Ich denke, es wird Zeit, die Presse zu informieren und dabei auch gleich jemanden zu suchen, der hier gestern Abend Fotos gemacht hat«, bestätigte Martin.

Augenscheinlich hatte Frau Böhm das mitbekommen. Sie kam zu Martin und fragte nach: »Sie suchen jemanden, der heut Nacht Fotos gemacht hat?«

Martin nickte nur.

»Da wenden Sie sich am besten an meinen Mann. Der fotografiert hier immer. Wir brauchen die Bilder für unsere Website und für die Presse. Außerdem archivieren wir alle Vorstellungen.«

»Wo finden wir Ihren Mann?«

»Der müsste jetzt daheim sein. Er kocht zu Mittag. Aber nur, weil ich heut keine Zeit hab.«

»Wo wohnen Sie denn?«

»Da gehen S’ einfach die Straße runter bis zur Kreuzung. Dort gehen Sie links und das dritte Haus auf der rechten Seite ist es.«

»Danke, Frau Böhm«, sagte Andrea und zog Martin ins Büro.

»Holen wir unsere Schuhe und gehen gleich zu ihm«, sagte sie dazu. Vanessa schlurfte mit den übergroßen Pantoffeln hinterher.

Mit den Schuhen in der Hand gingen sie zurück zur Saaltür. Frau Böhm nahm ihnen die Pantoffeln ab, nachdem sie sie ausgezogen hatten. Draußen schneite es nicht mehr so stark, sodass Vanessa auch ohne Stütze laufen konnte.

Martin zeigte auf die Absperrbänder, die sich vor und um den Stadel befanden. »Die hat unsere SpuSi zurückgelassen.« Er blieb davor stehen und schaute auf die Stelle, wo sich ein großer Blutfleck befand. Man sah ihn noch, obwohl sich bereits eine leichte Schicht Neuschnee darübergelegt hatte.

»Hier ist er also erschossen worden?«, fragte Andrea.

»Ja, und von da aus muss der Schütze auf ihn gezielt haben«, erklärte Martin und zeigte auf ein rotes Kreuz, das die Kollegen in den Schnee gesprüht hatten.

»So nah?«, fragte Vanessa.

»Ja, keine fünf Meter. Er konnte also gar nicht danebenschießen.«

»Aug in Aug sozusagen«, flüsterte Vanessa.

»Er hatte gar keine Chance zu entkommen«, stellte Andrea fest.

»Wo stand deren Auto?«

»Vermutlich neben der Stelle, an der meines jetzt steht.«

»Zwanzig Schritte etwa?«, schätzte Andrea.

»Jetzt stellt sich mir nur die Frage, ob die zu zweit auf den Kollegen gezielt haben oder ob einer von ihnen bereits im Wagen saß«, überlegte Martin laut.

»Ich glaub, dass einer im Auto gesessen und den Motor schon mal angelassen haben muss. Das ging doch viel schneller.«

»Du könntest recht haben, Vanessa. Es könnte so gewesen sein. Jetzt fahren wir aber wieder zurück. Mir ist arschkalt.«

»Nein, wir probieren erst mal was aus«, bestimmte Andrea und ging zum Kofferraum von Martins Auto. Sie öffnete ihn und holte einen der Bergstiefel heraus, den sie Vanessa gab.

»Hier, das ist der Geigenkoffer. Du und Martin geht jetzt mal zur Türe und kommt heraus. Dann geht ihr in die Richtung, in der der Streifenwagen stand. Ich denk mal, das wird dort drüben gewesen sein«, sagte sie und zeigte auf eine Stelle unweit des Blutflecks im Schnee. »Ich versteck mich hinter der Hausecke und warte auf euch. Klar?«

Beide nickten.

»Gut, dann los.«

Martin und Vanessa gingen zur Türe des Stadels. Sie drehten sich um und befolgten dann Andreas Anweisung.

Plötzlich sprang Andrea hinter der Hausecke vor, zielte mit einem Finger auf Vanessa, rief: »Her mit der Geige«, und griff nach dem Stiefel. Vanessa wusste, worauf Andrea hinauswollte, und weigerte sich, den Stiefel herzugeben. Andrea trat zwei Schritte zurück, rief laut »Peng«, nahm Vanessa den Stiefel ab und rannte weg.

»Ja, so könnt‘s gewesen sein«, gab Martin zu. »Was mir aber dabei auffällt, ist, dass der Schütze einen Revolver gehabt haben muss. Ein Revolver wirft keine Hülsen aus. Deshalb wurde auch keine Hülse gefunden und um danach zu suchen, hätte der Täter gar keine Zeit gehabt. Das hatte ich schon vermutet. Fällt euch sonst noch etwas ein?«

»Nein, ich glaub, wir haben den Ablauf richtig rekonstruiert«, antwortete Vanessa.

»Aber jetzt müssen wir fahren«, meinte Martin.

»Wollen wir nicht zuerst zu Herrn Böhm?«, erinnerte ihn Vanessa.

»Ja, richtig. Das hätt ich beinahe vergessen.«

Kapitel 3

Martin fuhr zum angegebenen Haus und stellte den Wagen ab. »Ihr könnt hier sitzen bleiben. Ich geh alleine da rein«, sagte Martin und stieg aus. Er musste gar nicht erst läuten, denn als er durch das schmiedeeiserne Hoftor ging, kam ein Mann aus dem Haus.

»Sind Sie Herr Böhm?«, fragte ihn Martin.

»Ja, das bin ich. Steffen Böhm mein Name. Warum?«

»Ihre Frau hat mir gesagt, dass ich Sie hier finde. Ich bin von der Mordkommission Zell und bräuchte die Fotos, die Sie letzte Nacht im Stadel gemacht haben.«

»Wozu?«

»Es könnte sein, dass Sie, ohne es zu wissen, einen der Mörder fotografiert haben. Es wäre sehr freundlich von Ihnen, wenn Sie sie mir geben könnten.«

»Ja, kommen Sie mit rein. Ich sortier sie gerade.«

Martin folgte Herrn Böhm ins Haus. Es roch herrlich nach Gulasch. Er ging hinter Herrn Böhm in dessen Büro. Böhm zeigte auf den Bildschirm des Computers, der auf seinem Schreibtisch stand. Dort war eines der Bilder zu sehen.