Koppeln, Kühe, Kaseralm - Walter Bachmeier - E-Book

Koppeln, Kühe, Kaseralm E-Book

Walter Bachmeier

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  • Herausgeber: Midnight
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2018
Beschreibung

Ein neuer Fall für Chefinspektor Egger Der Winter ist vorüber im Salzburger Land und die Kühe werden auf die Sommeralmen getrieben. Doch Chefinspektor Martin Egger kann die Alpenidylle nicht genießen, denn ein neuer Fall wartet auf ihn. Auf der Kaseralm wurde ein Toter gefunden. Es stellt sich heraus, dass der Ermordete mehr Geld besaß als gedacht. Er war nicht nur Bauer, sondern betrieb illegale Geschäfte mit Gold. Schon bald ist klar, dass Martin es nicht mit einem einfachen Mord zu tun hat. Doch er ahnt nicht, in welche Abgründe ihn dieser Fall führt …   Von Walter Bachmeier sind bei Midnight by Ullstein erschienen: Mord in der Schickeria (Ein-Tina-Gründlich-Krimi 1) Mord an der Salzach (Ein-Tina-Gründlich-Krimi 2) Mord in der Alpenvilla (Ein-Tina-Gründlich-Krimi 3) Mord im Pinzgau (Ein-Tina-Gründlich-Krimi 4) Mord in der Berghütte (Ein-Tina-Gründlich-Krimi 5) Mord am Wildkogel (Ein-Tina-Gründlich-Krimi 6) Affären, Alpen, Apfelstrudel (Chefinspektor Egger Fall 1) Berge, Brotzeit, Bauernherbst (Chefinspektor Egger Fall 2) Koppeln, Kühe, Kaseralm (Chefinspektor Egger Fall 3) Morde, Matsch, Marillenknödel (Chefinspektor Egger Fall 4) Diebe, Dörfer, Dampfnudeln (Chefinspektor Egger Fall 5) Gauner, Glühwein, Geigenklänge (Chefinspektor Egger Fall 6)

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Der AutorWalter Bachmeier, geboren 1957 in Karlsruhe, wuchs in Münchsmünster in der Hallertau auf. Nach seiner Ausbildung zum Koch begann er unter dem Pseudonym zu schreiben. Sein erstes Werk war ein Kochbuch, das sehr erfolgreich verkauft wurde. Dies gab ihm den Ansporn, seinen Beruf aufzugeben und weiter zu schreiben. Im Laufe der Jahre entstanden so mehrere Erzählungen, Kinderbücher und Artikel in verschiedenen Tageszeitungen. Seit etwa 2012 widmet er sich voll und ganz der Literatur. Immer wieder finden in seinen Büchern auch Erlebnisse aus seinem Leben Platz.

Das Buch

Ein neuer Fall für Chefinspektor EggerDer Winter ist vorüber im Salzburger Land und die Kühe werden auf die Sommeralmen getrieben. Doch Chefinspektor Martin Egger kann die Alpenidylle nicht genießen, denn ein neuer Fall wartet auf ihn. Auf der Kaseralm wurde ein Toter gefunden. Es stellt sich heraus, dass der Ermordete mehr Geld besaß als gedacht. Er war nicht nur Bauer, sondern betrieb illegale Geschäfte mit Gold. Schon bald ist klar, dass Martin es nicht mit einem einfachen Mord zu tun hat. Doch er ahnt nicht, in welche Abgründe ihn dieser Fall führt …

Von Walter Bachmeier sind bei Midnight erschienen:Mord in der Schickeria (Ein-Tina-Gründlich-Krimi 1)Mord an der Salzach (Ein-Tina-Gründlich-Krimi 2)Mord in der Alpenvilla (Ein-Tina-Gründlich-Krimi 3)Mord im Pinzgau (Ein-Tina-Gründlich-Krimi 4)Mord in der Berghütte (Ein-Tina-Gründlich-Krimi 5)

Affären, Alpen, Apfelstrudel (Chefinspektor Egger Fall 1)Berge, Brotzeit, Bauernherbst (Chefinspektor Egger Fall 2)Koppeln, Kühe, Kaseralm (Chefinspektor Egger Fall 3)

Walter Bachmeier

Koppeln, Kühe, Kaseralm

Ein neuer Fall für Chefinspektor Egger

Midnight by Ullsteinmidnight.ullstein.de

Originalausgabe bei Midnight Midnight ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin März 2018 (1)  © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2018 Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat  ISBN 978-3-95819-136-5  Hinweis zu Urheberrechten Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben. In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Kapitel 1

Es war in diesem Jahr ein langer Winter gewesen. Fast schien es, als ob es gar nicht mehr Sommer werden würde. Aber dann war der Schnee auch in den höheren Lagen geschmolzen, und es war an der Zeit, den Almsommer zu begehen. Wie immer sollten die Kühe, Ziegen und Schafe auf die hoch gelegenen Sommeralmen gebracht werden, um dort zu weiden und die wertvolle Milch zu erzeugen, aus der die köstlichen Käsesorten hergestellt wurden. Die Senner warteten schon ungeduldig darauf, endlich wieder mit den Tieren auf die Weiden gehen zu können. Dort in der Abgeschiedenheit der Almen versorgten und hüteten sie die Tiere wie ihren Augapfel.

Einige wenige Senner waren bereits hinaufgestiegen, um die Hütten herzurichten und vom Staub und Schmutz des Winters zu befreien. Sie hatten bereits ein paar Tiere mit nach oben genommen. Vor allem die Jungtiere, die Kalbinnen, mussten sich erst an die Gegend gewöhnen, bevor die älteren Kühe, die alles schon kannten, ebenfalls nach oben gebracht werden konnten.

Im Tal herrschte eine gewisse Betriebsamkeit. Die Hoteliers hielten ihr Personal an, alles blitzblank zu polieren. Die Vermieter von Ferienwohnungen und Pensionen putzten ihre Häuser heraus. Beinahe konnte man glauben, sie täten dies alles, um einen Wettbewerb zu gewinnen. An den Balkonen hingen Blumenkästen, in denen Geranien und Petunien in den verschiedensten Farben um die Wette wuchsen und blühten. Es war eine Pracht, die man kaum für möglich gehalten hätte, wenn man es nicht mit eigenen Augen sähe.

Einige der Touristen spazierten schon durch die Ortschaften, um sich an dem Farbenspiel zu ergötzen. Die Salzburger Almsommerzeit war bei den Urlaubern sehr beliebt, was sich auch auf die Besucherzahlen auswirkte. Zu Hunderttausenden waren sie angereist, um im ganzen Salzburger Land diesem Schauspiel beizuwohnen. Aus aller Herren Länder, ja sogar aus Skandinavien und Übersee, waren sie wegen des Almsommers gekommen. Natürlich wurden auch Feste anlässlich dieses Ereignisses abgehalten. So gab es in der Gemeinde Wald im Pinzgau den Bauernmarkt, der jeden Freitag um halb acht abends mit musikalischer Begleitung der örtlichen Blaskapelle stattfand.

Die Buben und die Mädchen, die mit den Sennern und den Hirten nach oben auf die Almen gehen würden, packten unter Aufsicht ihrer Eltern ihre Rucksäcke, um alles dabeizuhaben, was sie für die Zeit in den Bergen brauchten. Sie würden nicht lange bleiben, denn die Kinder mussten weiterhin zur Schule gehen. Ihre Rucksäcke waren also nur so weit bestückt, dass der Inhalt für ein Wochenende reichte. In den Ferien, die zwei Monate dauerten, würden die Kinder erneut zu den Tieren hinaufsteigen. Dort konnten sie unbeschwert spielen und toben. Manche neckten auch die Murmeltiere, indem sie versuchten, ihre Pfiffe nachzuahmen. Andere wiederum meinten, sie müssten den Steinböcken hinterherklettern, was sich aber meist als schier unmöglich herausstellte, denn diese Tiere fanden sogar dort Halt, wo ein Mensch auch mit der besten Ausrüstung keine Chance hatte. Manch einer versuchte sich als Strahler und suchte an den Hängen nach Smaragden und anderen Halbedelsteinen. Wurde einer von ihnen fündig, so stieß er einen erfreuten Juchzer aus, um damit den anderen zu zeigen, dass er Erfolg gehabt hatte.

Nur die kleineren Kinder im Alter von fünf bis sechs Jahren langweilten sich manchmal. Die einzelnen Almen lagen so weit auseinander, dass sie kaum eine Möglichkeit hatten, miteinander zu spielen. Nur ab und zu erbarmte sich einer der Senner und brachte die Kinder zusammen. Er achtete aber stets darauf, dass sie nicht zu nahe an einen der rauschenden Wildbäche kamen, da es dort selbst für einen Erwachsenen sehr gefährlich werden konnte. Mit einer kleinen Gabe brachte man sogar den einen oder anderen Hüterbuben oder das eine oder andere Hütermädchen dazu, auf die Kinder aufzupassen. Das »Bestechungsgeld« bestand meist aus selbst gemachten Honigguttln oder Latschenkiefern-Huastnguttln. Dabei handelte es sich um Bonbons. Da es in den Bergen viele giftige Pflanzen gab, die durch ihre Farben die Kinder dazu verführen konnten, sie zu pflücken, musste immer jemand ein Auge auf die Kleinen haben.

»Er liebt mich, er liebt mich nicht, er liebt mich, er liebt mich nicht!«, zählte sie, während sie die kleinen, weißen Blütenblätter des Gänseblümchens mit ihren Fingern, die zerbrechlich wie Porzellan aussahen, abzupfte. Sie saß auf einem Felsen inmitten einer Wiese, von der sie das Blümchen hatte. Der Fels war so hoch, dass ihre Beine in der Luft baumelten. Unweit rauschte ein Bach, der von ganz weit oben aus den Bergen mit ihren glitzernden Gletschern kam.

Zwei Stunden hatte sie bis hierherauf gebraucht. Ihre Schuhe hatte sie ausgezogen und neben sich gestellt. In die Schuhe hatte sie ihre dicken, wollenen Socken gesteckt, die zwar nicht schön, aber doch bequem waren. Sie war den weiten Weg gegangen, um sich mit ihm zu treffen. Tagelang, wochenlang, ja ein ganzes Jahr wäre sie gelaufen, nur um ihn zu sehen. Die höchsten Berge hätte sie erklommen und die weitesten Meere durchschwommen, nur für ihn.

Nun saß sie auf dem Felsen, und der kühle Wind spielte leicht mit ihrem langen, flachsblonden Haar, das unter einem großen Strohhut hervorquoll. Sie trug ein zartblaues Kleid mit rosa Wildrosen und lila Veilchen darauf. Gedankenverloren ließ sie die Hände mit der Blume sinken und schaute auf die gegenüberliegende Hangseite. Da war sie wieder! Die kleine Murmeltierkolonie, die ihr Bartl kürzlich bei einer ihrer Wanderungen gezeigt hatte. Eine Kolonie, die aus einer Familie mit zwei Erwachsenen und sechs jungen Murmeltieren bestand. Während die Eltern aufmerksam die Umgebung beobachteten, tollten die jungen Manggeis – so nannte sie Bartl – auf der Wiese umher. Die Eltern standen aufrecht beisammen und schienen sich zu unterhalten. Vielleicht redeten sie gerade über sie. »Ist sie gefährlich? Müssen wir uns in Acht nehmen?«

Eva lachte still in sich hinein. »Bartl! Ja, Bartl!« Er war zu ihrem Lebensmittelpunkt geworden, seit sie ihn damals auf dem Bauernmarkt kennengelernt hatte. Er hatte dort seinen Käse verkauft. Eva mochte Käse gerne und aß ihn oft. Nun hatte sie auch einmal den Käse von diesem aus ihrer Sicht schon etwas älteren Senner probieren wollen. Kurzerhand war sie zu ihm an den Stand gegangen und hatte sich die verschiedenen Sorten, die er im Angebot hatte, angeschaut. »Magst einen probieren?«, hatte er sie gefragt. Wie ein wohliger Schauer durchlief es Eva damals, als sie seine Stimme hörte. Sie hatte ihm ins Gesicht geblickt und ihn genau betrachtet. Seine blonden, wirren Haare, darunter diese gütigen, hellblauen Augen und die leicht gekrümmte Nase. Ein Mund, der sie – und nur sie – anzulächeln schien. Das Gesicht übersät von Bertstoppeln. Er hatte mit seinem Taschenmesser in ein kleines Stück Käse gestochen und es ihr hingehalten. »Da! Probier amoi!« Nur zögernd hatte sie den Käse genommen und in den Mund geschoben. Köstlich war er gewesen, wirklich köstlich! Er zerging auf der Zunge wie Butter in der Sonne, die leichte Säure, die von ihm ausging, hatte sich angefühlt wie prickelnde Limonade. Bartl hatte sie dabei beobachtet und sie angelächelt. »Guat, gell? Mogscht no oan?« Sie hatte heftig genickt, und er hatte ihr noch ein Stück gegeben. Dann noch eins und noch eins. Sie waren ins Plaudern gekommen und Eva hatte es angenehm gefunden in seiner Gesellschaft. Sie hatte gefühlt, wie sich in ihr etwas tat, etwas Heimliches, etwas Schönes, ein Gefühl, das sie so noch nie empfunden hatte.

Er hatte ihr von seiner Heimat erzählt, seinen Bergen und seiner Kaseralm hoch oben. Er war eigentlich Tiroler, aber irgendwie hatte es seine Eltern hierher verschlagen und seitdem lebte er hier. Seine Sprache, seinen Dialekt hatte er aber immer beibehalten. »S’isch a Stück Hoamat!«, hatte er dies begründet.

Eva blickte wieder hinüber zu den Murmeltieren, die noch immer herumtollten und ihren Spaß zu haben schienen. Oft, sehr oft war sie nun schon hier oben gewesen, seit er sie eingeladen hatte, ihn mal zu besuchen. Jedes Mal war es etwas Neues, etwas Schönes und Außergewöhnliches, wenn sie hier sein durfte. Ja, sie durfte hier sein!

Nicht jeder wurde von Bartl eingeladen, ihn auf seiner Alm zu besuchen. Da war er ganz eigen. Nur Menschen, die er mochte, die ihm sympathisch waren und in ihm nicht nur eine Touristenattraktion sahen, durften zu ihm kommen und auch bleiben. Tagelang, nächtelang, wenn sie wollten. Auch sie war schon ein paarmal länger hiergeblieben, als sie eigentlich vorgehabt hatte. Hier oben war es schön. Vor allem in der Nacht, wenn sie draußen auf der Bank vor seiner Hütte saßen und in den Himmel schauten. Hier waren Sterne zu sehen, die man unten im Tal nicht mal erahnen konnte. Sternschnuppen! Wie oft hatten sie gemeinsam die Sternschnuppen beobachtet und dann lachend darüber diskutiert, was man sich wünschen sollte und was nicht. Langsam, beinahe zu langsam waren sie sich nähergekommen. Das mag daran gelegen haben, dass Bartl mit Frauen bisher nur schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Er war vorsichtig und drängte sie nicht. Zu nichts, was sie selbst nicht wollte.

Plötzlich hörte Eva drei laute Pfiffe! Das waren Warnpfiffe! Sie sah gerade noch, wie die Murmeltiere in ihrem Bau verschwanden. Drei Pfiffe bedeuteten – so hatte Bartl ihr erklärt –, dass ein Mensch oder ein Fuchs in der Nähe war. Bei im Angriff befindlichen Adlern oder einer anderen direkt drohenden Gefahr pfiffen die putzigen Kerlchen nur einmal. Eva entdeckte zwei Adler, die am Himmel ihre Kreise zogen. Hatten sie die Murmeltiere überhaupt gesehen? Sicher, Adler verfügten über eine ausgezeichnete Weitsicht, aber Murmeltiere waren nun mal schneller, wenn sie die Gefahr witterten.

Allmählich wurde ihr der Stein zu kalt. Sie kletterte hinunter, nahm ihre Strümpfe und streifte sie über die Füße. Danach zog sie die schweren Schuhe an. Während sie so vornübergebeugt ihre Schuhbänder verknotete, fiel ihr Blick in den Bach. Da glitzerte und glänzte etwas! Was war das? Eva streckte die Hand aus und fasste ins Wasser. Sie fühlte einen kleinen Stein, der etwas kantig war, nicht so wie die Bachkiesel, die sonst darin zu finden waren, nein, er war klein und eckig. Sie zog ihre Hand aus dem Wasser und schaute sich den Stein an. Er glitzerte und funkelte, beinahe wie ein Edelstein. »Ein Bergkristall!«, durchfuhr es sie. »Den bring ich Bartl mit, der wird sich freuen!«

Sie wandte sich ab und wollte auf dem Weg weitergehen. Da zerriss ein gellender Schrei jäh die Idylle …

Kapitel 2

Chefinspektor Martin Egger saß in seinem Büro in Zell am See, als die Meldung hereinkam: »Mord an der Kaseralm!« Er sprang auf und rannte hinaus auf den Flur, wo ihm sein Kollege Josef Faltermeier mit zwei Bechern Kaffee entgegenkam. »Stö den Kaffee auf d’Seitn! Mia miassn los!«

Faltermeier sah ihn verdutzt an. »Aba i woit doch grod …«

»Des is wurscht! Mia miassn los!«

Faltermeier stellte seinen Kaffee auf einem Sideboard ab und folgte seinem Kollegen. Dieser rannte die Treppen hinunter, und Faltermeier hatte Mühe, ihm zu folgen. »Iatz woart hoit amoi! Wo miass mer hi?«

»Zu da Kaseroim! Do gibt’s an Dodn!«

Als sie die Haustüre erreichten, hatte Faltermeier Egger eingeholt. »Wia wüst durt hikemma?«, fragte er atemlos.

»Mitm Auto, wos sunst?«

»Nit mitm Heli?«

»Bis dea do is, sand mia längst drobn!«

Sie sprangen in den Dienstwagen, Egger setzte das Blaulicht aufs Dach und fuhr los.

Als sie an der Alm ankamen, sahen sie, wie der Rettungshubschrauber unten im Tal abhob. Faltermeier zeigte auf ihn. »Dea hätt uns aa glei mitnehma kinna!«

»Do hot doch no koana gwusst, dass es um an Murd geht!« Martin stellte seinen Wagen neben der Almhütte ab und ging zu den beiden Männern, die in weißen Overalls die nähere Umgebung absuchten. »Na, wie sieht‘s aus? Was haben wir?«.

»In der Hütte einen Toten und ein hysterisches Mädchen!«, war die lapidare Antwort.

Martin ging auf den Gerichtsmediziner zu, der gerade aus der Tür kam. »Und? Was meinst du?«

»Ein Schlag auf den Schädel! Exitus!«

»Sofort?«

»Nein, er muss noch ein wenig gelebt haben. Die Zeugin …« Er zeigte auf eine Frau, die in einer abgenutzten, grauen Arbeitshose in der Nähe der Hütte stand. »Sie sagt, dass er noch etwas geflüstert hätte, als sie ihn fand. Einen Namen …«

Martin ließ den Arzt stehen und lief zur Zeugin hinüber. »Ich habe gerade gehört, dass Sie den Mann gefunden haben?«

Sie nickte nur.

»Wie heißen Sie?«

»Eichelberger, Gerti Eichelberger.«

Martin fuhr fort: »Hat er noch etwas gesagt? Einen Namen, irgendetwas?«

Sie nickte. »Ja, er hat einen Namen genannt.«

»Welchen? Wie war der Name?«

»Everl. Ich glaub, er hat Everl gesagt.«

»Everl? Wer ist das? Ist das seine Frau? Kennen Sie sie?«

»Ja, ich kenne sie. Sie ist seine Freundin. Sie ist da drin.« Sie zeigte auf die Hütte, aus der Martin lautes Schreien und Weinen hörte.

Er ging hinüber und schob ein paar neugierige Touristen, die sich vor der Hütte versammelt hatten, beiseite. »Verschwinden Sie! Sofort! Das ist ein Tatort! Sie haben hier nichts zu suchen! Gehen Sie!«

Nur widerwillig entfernten sich ein paar der Leute, aber einige andere rührten sich nicht, was Martin wütend machte. »Nun verschwinden Sie endlich! Alle! Ich will keinen von Ihnen mehr sehen! Machen Sie, dass Sie wegkommen!«

In diesem Moment begann einer der Schaulustigen mit seinem Handy zu filmen. Martin ging auf ihn zu und fuchtelte mit seiner Hand vor dem Objektiv herum. So lange, bis der Mann ihn böse ansah und meinte: »Was soll das? Ich bekomme ja nichts aufs Bild!«

Martin blieb ruhig und freundlich, als er sagte: »Das sollen Sie auch nicht. Dies hier ist nicht zur Volksbelustigung gedacht. Jetzt hören Sie bitte auf zu filmen und verschwinden Sie.« Als der Mann keine Anstalten machte sich zu entfernen, drehte sich Martin zu einem der uniformierten Beamten. Er sagte: »Beschlagnahmen Sie das Handy, nehmen Sie die Personalien des Herrn auf und schreiben Sie eine Anzeige wegen Behinderung der Polizeiarbeit.« Der Mann versuchte zu protestieren. Martin blieb weiterhin ruhig und freundlich. Er sagte: »Entschuldigen Sie bitte, aber Sie lassen mir keine andere Wahl. Ich habe hier zu arbeiten und ich möchte nicht wissen, wie Sie an meiner Stelle reagieren würden.«

Der Beamte wollte dem Mann das Handy wegnehmen, aber dieser wehrte sich heftig. »Was fällt Ihnen ein? Das ist mein Eigentum! Sie dürfen mir das nicht wegnehmen!« Es kam zu einer Rangelei, sodass Martin und Josef sich dazu veranlasst sahen, einzugreifen. Zu dritt schafften sie es, den Mann zu überwältigen und auf den Boden zu drücken. Immer noch wehrte sich der Mann, sodass Martin ihm Handschellen anlegen musste.

Uneinsichtig, wie der Mann war, drohte er Martin: »Das wird Sie teuer zu stehen kommen! Mein Anwalt freut sich schon darauf, gegen Sie eine Dienstaufsichtsbeschwerde einzureichen!« Martin, der eigentlich bereits im Begriff war, sich wieder an die Arbeit zu machen, wandte sich noch einmal um. »Sagen sie Ihrem Anwalt, dass ich mich auf diese Beschwerde schon freue. Das wird ein gefundenes Fressen für die Presse und endlich mal ein Statement an alle, die sich so verhalten wie Sie«, sagte er.

Der Mann ließ nicht locker. »Das lasse ich mir nicht gefallen! Notfalls gehe ich bis zum Bundesgerichtshof! Das ist Nötigung und Freiheitsberaubung!«

»Wenn Sie jetzt noch einen Mucks machen, kommt Widerstand gegen die Staatsgewalt zur Anzeige hinzu! Haben wir uns verstanden?«, fragte Martin.

Der Mann nickte nur und sah Martin verärgert an.

Martin ging noch einmal zu Frau Eichelberger hinüber. »Warum sind Sie eigentlich hier? Was wollten Sie hier?«

Weinend begann sie zu erzählen: »Meine Schuhe, wissen Sie? Da ist die Sohle abgegangen, und der Bartl, der ist – Entschuldigung – war handwerklich so geschickt, der hat mir meine Schuhe schon öfter gerichtet.«

»Da sind Sie einfach ins Haus gegangen?«

»Ja, zuerst hab ich ihn ja gesucht, drüben bei den Kühen, und als er nicht dort war, bin ich in den Stall.« Sie zeigte auf ein angrenzendes Gebäude. »Aber da war er auch nicht, und dann hab ich ein paarmal nach ihm gerufen und keine Antwort bekommen. Da bin ich dann ins Haus und hab nachgeschaut, weil, wissen Sie, wir sind ja Nachbarn sozusagen, und da kümmert man sich schon ein wenig, wenn einer abgeht.«

»Sie dachten, dass ihm etwas passiert sein könnte?«, fragte Martin.

»Ja, das ist schon mal vorgekommen, dass einer von uns vom Schemel gefallen ist und sich nicht mehr rühren konnte.«

»Er auch?«

»Nein, der Bartl nicht, aber einer von unseren anderen Nachbarn, und das hätt bös ausgehen können, wenn da nicht zufällig der Bartl vorbeigekommen wär.«

»Wie alt war der Bartl eigentlich?«

Sie zuckte mit den Schultern. »No ja, er hat nie viel Aufhebens gmacht, wenn’s um seinen Geburtstag ging. Aber ich glaub, dass er schon über dreißig Jahre ist – entschuldigung, war.«

Verwundert schaute Martin ins Haus und ihm fiel auf, wie jung das weinende Mädchen wirkte. Martin schätzte sie auf den ersten Blick auf etwa achtzehn Jahre. Er zeigte mit seinem Stift, den er soeben zusammen mit seinem Block aus der Tasche genommen hatte, hinein. »Über dreißig, und da hat er eine so junge Freundin?«

»Na ja, es hat sich eben so ergeben. Er selber hat ja nicht viel geredet und über so was schon gleich gar nicht. Aber ich hab mitbekommen, dass er schon ein paarmal andere Frauen hier ghabt hat, aber die sind ihm immer alle gleich wieder wegglaufn. Die haben wahrscheinlich gmeint, dass es auf so einer Alm recht gmütlich und romantisch ist und dass man da bloß auf die Viecher aufpassen muss. Aber wissens, auf einer Alm, da gibt’s viel Arbeit, und schwer ist sie auch noch, und das haben die Weibsleut dann gmerkt und sind ihm wieder davon.«

»Aber das Mädchen, Eva heißt sie doch? Das Mädchen nicht?«

»Nein«, meinte Frau Eichelberger. »Die Eva, die ist eine ganz Liebe und Brave, und fleißig ist sie auch. Die wär ihm sicher nicht davonglaufen. Ich glaub, die hat ihn wirklich gern ghabt.«

»Wer hat uns gerufen?«

»Das war ich!«

»Haben Sie denn ein Handy hier oben?«

»Nein.« Sie zeigte auf ein großes Haus weiter oben am Hang »Aber da ist eine bewirtschaftete Hütte! Die haben Telefon. Da bin ich rauf und hab den Notarzt rufen lassen.«

»Wie heißt der Tote eigentlich richtig?«, wollte Martin wissen.

»Bartl. Ich glaub das kommt von Bartholomäus.«

»Also Bartholomäus, und wie noch? Den Familiennamen, kennen Sie den?«

Sie nickte. »Ja, Ladurner hat er geheißen! Bartl Ladurner!«

»Das ist aber kein hiesiger Name?«

»Nein, er ist aus Tirol. Seine Eltern haben unten im Tal einen Hof gekauft. Die sind von dort weg und hierhergekommen. Warum, weiß ich auch nicht. Aber da war ein Hof vakant und der hat ihnen gleich gfalln.«

»Seit wann lebt er hier?«

»Das sind schon ein paar Jahre! Ich glaub, da war er fünf oder so, wie’s herkommen sind.«

»Also rund fünfundzwanzig Jahre?«, hakte Martin nach.

»Ja, das könnte so sein! Er ist schon als Bub mit seim Vater hierherauf kommen und hat die Kühe ghüt und überall gholfen. Er war ein braver Bub und er hat alls von seim Vater glernt.«

»Ich würde Sie gerne etwas fragen, aber Sie müssen nicht antworten, wenn Sie nicht wollen.«

Frau Eichelberger sah ihn neugierig an. »Ja? Was wollns denn wissen?«

»Ich frage mich, warum Sie eigentlich nicht mit dem Bartl zusammen waren. Das hätte sich doch gut ergeben. Zwei Almen zusammen, Sie haben doch auch einen Hof unten?«

Sie lachte. »Ach so! Des meinens! Ja, ich hätt schon wolln, aber er ned. Er hat gmeint, er hätt gnug zu tun mit einer Alm, da bräuchts ned noch eine dazu.«

»Ist Ihnen eigentlich etwas aufgefallen, als Sie hierherkamen?«

»Meinens, wie ich den Bartl gfundn hab?«

»Ja. Ist jemand hier gewesen, den Sie kennen, oder ein Fremder?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich hab niemanden gsehn.«

Martin steckte den Block und den Stift wieder ein. Als er zur Hütte ging, bemerkte er, dass die uniformierten Beamten ein Absperrband rund um das Gebäude gezogen hatten und sich etliche Neugierige fast auf die Zehen traten, um etwas zu sehen. Vorsichtig betrat er die Hütte. Dabei musste er sich bücken, um sich den Kopf nicht an dem niedrigen Türrahmen anzuschlagen. Nur langsam gewöhnten sich seine Augen an das Halbdunkel, das im Inneren der Hütte herrschte. Es roch nach Rauch, etwas säuerlich nach Käse, und – wie hätte es anders sein können – der süßliche, ekelerregende Duft des Todes schwebte im Raum. Er kannte diesen Geruch nach Blut. Beinahe bei jedem Mord, zu dem er gerufen wurde, war er zugegen. Es schien, als ob der Tod persönlich seine Duftmarke hinterlassen hätte.

Er sah das Mädchen, das auf dem Boden kniete, den Kopf des Toten im Schoß. Immer wieder streichelte sie sein Gesicht, ihre flachsblonden, langen Haare hingen ihr über die Schultern. An den Spitzen waren sie rot vom Blut, da sie über den Oberkörper der Leiche hingen. Sie flüsterte unter Tränen: »Bartl, mein lieber Bartl, wer hat dir das angetan? Wer tut so etwas, und warum tut einer so was? Du hast doch niemandem etwas getan!« Dann beugte sie sich über seinen Kopf und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.

Martin wollte die Hütte wieder verlassen, denn es war ihm unangenehm, das Mädchen bei einem so intimen Augenblick zu stören. Sie hob den Kopf und sah ihn mit tränenüberströmtem Gesicht an. »Sagen Sie mir, warum hat man meinen Bartl totgeschlagen? Warum nur? Warum?«

Sie versuchte aufzustehen, schwankte dabei aber etwas, sodass Martin sie stützen musste. Er führte sie nach draußen, das grelle Tageslicht blendete ihn. Stimmengemurmel empfing ihn, und als er endlich wieder etwas erkennen konnte, sah er eine Menschenmenge hinter dem Absperrband stehen, die sich wie die Wellen in einem See bewegte, und ihm schien, als ob alle auf das Mädchen zeigten. Er führte Eva zu einer Bank, die sich neben der Türe befand und wartete, bis sie sich gesetzt hatte.

Dann ging er zu den Leuten, stellte sich vor sie hin und stemmte beide Fäuste in die Hüften. »Was hoffen Sie hier zu sehen? Ergötzen Sie sich gerne am Leid anderer? Gehen Sie nach Hause! Lassen Sie die Menschen hier in Ruhe!« Zu den uniformierten Beamten sagte er laut, sodass es jeder hören konnte: »Schaffen Sie die Leute weg! Wenn in fünf Minuten noch einer hier steht, verhaften Sie ihn wegen Behinderung der Polizeiarbeit!«

Er hörte aus der Menge eine Männerstimme: »Was soll das? Das hier ist ein freies Land, und ich kann gehen und stehen, wo ich will! Wir lassen uns nicht einfach wegschicken!« Zustimmendes Gemurmel schwoll Martin entgegen.

»Ein freies Land? Ja, das ist es, und in unserm Grundgesetz heißt es, dass die Würde des Menschen unantastbar ist! Halten Sie sich gefälligst daran!« Inzwischen waren auch einige Pressevertreter angekommen, die mit Kameras hantierten und fotografierten, was das Zeug hielt. Sie versuchten, Martin zu ignorieren, was ihn aber noch mehr in Rage brachte. »Dasselbe gilt auch für Sie, meine Herrschaften!«, fauchte er sie an. »Ihre Arbeit und Informationspflicht in allen Ehren, aber ich bitte um etwas mehr Rücksicht! Außerdem zerstören Sie eventuell wichtige Spuren!«

Martin ging wieder zu Eva, die still weinend auf der Bank saß. Er setzte sich neben sie und nahm ihre Hand. Dabei ging ihm ein Gedanke durch den Kopf: Sie könnte glatt meine Tochter sein! Wie alt sie wohl ist?

Sie drückte seine Hand und schaute ihn an. »Sind Sie von der Polizei?«

»Ja, ich heiße Martin, und Sie?«

»Ich heiße Eva. Sie dürfen aber ruhig Du zu mir sagen.«

»Gut. Also Eva, ich muss dir jetzt ein paar Fragen stellen. Glaubst du, dass …«

Sie unterbrach ihn und nickte. »Ja, ja, fragen Sie nur. Ich halt das schon aus. Darf ich mir aber zuerst …?« Sie zeigte auf den Baumstumpf, der vor der Hütte stand und aus dessen Ast, der augenscheinlich ausgehöhlt war, Wasser in einen hohlen Baumstamm plätscherte.

Martin verstand sofort. »Ja, natürlich!«

Sie stand auf, ging zum Brunnen und schöpfte mit der hohlen Hand Wasser daraus, das sie sich ins Gesicht spritzte. Dann wischte sie sich noch einmal über ihre Wangen und lächelte Martin schwach an.

Dabei fiel ihm auf, dass ihr Kleid über und über mit Blut beschmiert war. Er erhob sich und ging zu ihr. Leise flüsterte er ihr ins Ohr: »Hast du da drin noch etwas anderes zum Anziehen? Du bist voller Blut!«

Sie nickte nur und wandte sich ab.

Bevor sie in die Hütte gehen konnte, lief ihr Martin nach und hielt sie auf. »Geh da jetzt nicht rein! Sag mir, wo ich was zum Anziehen für dich finde, dann hole ich es dir.«

Sie blieb stehen. »Darf ich ihn denn nicht noch einmal sehen?«

»Doch, das darfst du, aber nicht jetzt. Warte damit, bis wir ihn ins Tal gebracht haben.«

»Wird er dort aufgeschnitten?«

»Ja, das müssen wir«, sagte Martin. »Weißt du, das Gesetz schreibt das so vor.«

Zwei Männer in weißen Overalls schoben sie unsanft beiseite. »Wir müssen jetzt da rein!«

Martin trat zurück und zog Eva mit sich. »Weißt du was? Wir gehen jetzt ein paar Schritte, und ich stelle dir dabei meine Fragen.«

»Ich würde mich aber gerne umziehen.«

Martin winkte ab. »Das kannst du später auch noch. Jetzt kommen wir an den Kollegen ohnehin schwer vorbei. Gehen wir?«

»Ja, gehen wir.«

Als sie ein Stück von der Hütte entfernt waren, legte Martin einen Arm um ihre Schultern. Er spürte, wie sie zitterte und bebte. »Geht es dir nicht gut? Sollen wir umkehren?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, nein, es geht schon.«

»Dann darf ich dir jetzt meine Fragen stellen?«

»Ja, fragen Sie ruhig.«

Martin ging behutsam vor. »Also Eva, wie heißt du mit vollem Namen?«

»Eva Kammerlander heiße ich!«

»Und wie alt bist du?«

»Ich bin neunzehn Jahre alt.«

»Was kannst du mir über Bartl sagen?«

»Was wollen Sie wissen?«

»Na ja, wie alt war er? Wo wohnte er normalerweise? Wie war er so als Mensch?«

Sie zuckte leicht die Schultern. »Bartl? Er war zweiunddreißig Jahre alt, und er hat normalerweise unten im Tal gewohnt, bei seinen Eltern.« Sie stockte.

Martin fragte noch einmal: »Und? Wie war er so als Mensch?«

»Er war der liebste und beste Mensch auf der Welt! Er hat alles für jeden getan! Er hat jedem geholfen, und ich hab nie ein böses Wort von ihm gehört, nicht mal als …«

»Als was?«, hakte Martin nach.

»Na ja, da war mal einer hier oben, der hat ihn fürchterlich beschimpft! Einen Mörder hat er ihn geheißen und einen Betrüger und einen Kurpfuscher!«

»Warum denn das? Wie ist der dazu gekommen?«

»Bartl hat immer Kräuter gesammelt, weißt du? Ach Entschuldigung, das ist mir jetzt so rausgerutscht.«

»Was? Dass Bartl Kräuter gesammelt hat?«

»Nein, das Du!«, sagte Eva. »Ich wollte nicht Du sagen!«

»Das macht nichts. Meinetwegen kannst du dabei bleiben. Was war mit den Kräutern?«

»Bartl hat Kräuter gesammelt, Heilkräuter, und die hat er dann den Kranken gegeben, die damit wieder gesund werden konnten.«

»Er war also ein Heilkundiger? Hat er denn damit Geld verdient?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein! Er hat nie etwas dafür verlangt. Er hat sie den Leuten geschenkt!«

»Wo hat er denn die Kräuter gesammelt?«

Sie zeigte auf die Wiesen und den Wald, der weiter entfernt lag. »Na hier! Hier überall! Da wachsen Kräuter, sag ich dir! Die reinste Apotheke Gottes. So hat Bartl es immer genannt.«

»Hast du sie denn auch gesammelt?«

»Ja, natürlich. Bartl hat mir gezeigt, welche ich nehmen darf und welche nicht.«

»Dann bist du jetzt auch eine Heilkundige?«, wollte Martin wissen.

»Nein, das sicher nicht! Es hätte noch so viel gegeben, was mir Bartl zeigen und erklären wollte. Aber jetzt …« Eva begann wieder zu weinen.

Martin drückte sie leicht. »Wenn ich aufhören soll zu fragen, dann sag‘s mir einfach.«

»Nein, es geht schon, frag nur.«

»Weißt du, wer das war, der den Bartl bedroht hat?«

Sie sah ihn von der Seite an. »Glaubst du, dass der den Bartl …?«

»Ich weiß es nicht, aber es könnt doch sein, oder?«

Sie zögerte. »Ich weiß nicht so recht. Aber ich glaub nicht, dass es irgendjemanden gibt, der dem Bartl Böses wollte.«

»Anscheinend doch, denn sonst wäre er ja noch am Leben.«

»Ja«, sagte sie leise. »Sonst wär er noch am Leben. Entschuldige mich bitte.«

Sie wand sich aus Martins Arm und lief auf die Wiese, die neben dem Weg lag. Dort bückte sie sich und pflückte Blumen, die sie zu einem kleinen Sträußchen zusammenfügte. Martin war ihr nachgelaufen und sah ihr zu. »Soll ich dir helfen?«

»Nein! Lass nur, das mach ich alleine!«

Martin entdeckte eine rote Blume, die mitten auf der Wiese stand. Er ging zu ihr hin, hockte sich und berührte sie fast, als Eva plötzlich schrie: »Nein! Martin, fass sie nicht an!«

Martin sah sie verblüfft an. »Warum denn nicht? Das ist doch eine schöne Blume! Ich wollte sie dir doch …«

»Schöne Blume hin oder her! Die ist sehr giftig! Wenn du sie anfasst, kannst du daran sterben!«

»Wieso? Was ist das?«, fragte Martin erstaunt.

»Das ist ein Sommer-Teufelsauge! Das hat Herzglycoside.«

»Aber die Kühe …«

»Fressen sie auch nicht! Die wissen, was passiert, wenn sie die fressen!«

Martin war überrascht. »Du kennst dich wirklich gut aus. Und einen schönen Strauß hast du da gepflückt! Wer bekommt denn den?«

»Der ist für unseren Herrgott!«, sagte sie mit fester Stimme.

»Unseren Herrgott? Aber …«

»Wir kommen gleich an ein Feldkreuz, da gehören die Blumen hin. Bartl hat immer gesagt, wenn man den Herrgott besucht, dann muss man ihm auch was mitbringen. Erst recht, wenn man Sorgen und Kummer hat.«

»Und davon hast du ja genug«, stellte Martin fest.

Sie nickte. »Ja, mehr als genug.«

Sie gingen wieder auf den Weg zurück und weiter.

Nach ein paar Schritten fragte sie: »Hast du schon mal jemanden umgebracht?«

»Wie meinst du das?«

»Du bist doch Polizist, oder?«

»Ja, ich bin bei der Mordkommission.«

»Kommt es da nicht mal vor, dass man jemanden erschießt?«

»Ja, manchmal muss es sein«, sagte Martin.

»Aber warum ist das so? Ich finde, niemand hat das Recht, jemanden einfach so zu töten!«

Martin zuckte die Schultern. »Uns fällt das Töten auch nicht leicht. Manchmal geht es aber nicht anders.«

»Hast du schon mal jemanden erschießen müssen?«, fragte sie mit leichtem Zittern in der Stimme.

»Ja, leider. Ich hatte keine Wahl.«

»Warum?«

»Wenn ich ihn nicht erschossen hätte, dann wäre ein junges Mädchen – etwa in deinem Alter – jetzt tot.«

Sie schwieg und schien nachzudenken. Dann fragte sie: »Wie ist das, wenn man jemanden erschießt? Ist man dann ein Mörder?«

»Ich weiß nicht, ob man das so nennen kann, aber schön ist es nicht. Ich habe heute noch Albträume davon.«

»Glaubst du, dass du deswegen nicht in den Himmel kommst?«

Er lachte kurz auf. »Das weiß ich nicht, Eva. Ich weiß nicht einmal, ob ich überhaupt irgendwo hinkomme.«

»In die Hölle sicher nicht! Du scheinst ein guter Mensch zu sein.«

Fast waren sie an dem Feldkreuz angekommen. Es waren noch etwa fünfzig Meter. Eva ging voraus.

Martin blieb stehen und schaute ihr nachdenklich hinterher. Eine seltsame junge Frau. Schon neunzehn Jahre alt, aber doch noch irgendwie ein Kind. Er beobachtete, wie sie einen verwelkten, kleinen Strauß aus einer Vase nahm. Mit der Vase lief sie ein Stück den Hügel hinauf. Dort ließ sie aus einer Quelle etwas Wasser hineinlaufen. Dann kam sie wieder herunter, winkte ihm kurz zu und stellte die Vase mitsamt den frisch gepflückten Blumen wieder zum Kreuz.

Sie stellte sich mit gefalteten Händen davor, und Martin schien es, als ob sie mit jemandem reden würde. Sie nickte ein paarmal und dann schüttelte sie den Kopf. Schließlich bekreuzigte sie sich und drehte sich zu Martin. Sie winkte heftig und rief: »Komm Martin! Da ist eine Bank. Setzen wir uns doch.« Sie zeigte auf eine kleine Holzbank, die unweit des Kreuzes am Hang stand.

Martin kletterte mühsam den kleinen Steig hoch und setzte sich neben sie. »Mit wem hast du da geredet?«, wollte er wissen.

»Mit unserem Herrgott, mit wem denn sonst?« Martin musste lächeln, was sie offensichtlich verärgerte. »Lach nicht, Martin. Das ist kein Spaß! Mit unserem Herrgott kann man reden, wenn man will.«

»Und was hat dein Herrgott dir gesagt?«

»Dass ich mich in Acht nehmen muss vor dir!«

»Das hat er gesagt?«

»Ja!«, erwiderte Eva ernsthaft.

»Und was noch?«

»Dass ich dir helfen soll, den Mörder zu finden.«

»Weiß er es denn nicht?«

»Was?«

»Wer der Mörder ist. Es würde mir sehr helfen, wenn er mir das sagen könnte.«

Sie wirkte beleidigt. »Du glaubst mir nicht!«

»Doch, aber ich wüsste schon zu gerne, wer der Täter ist.«

»Vielleicht sagt er es dir irgendwann.«

»Wie soll er mir das sagen?«, fragte Martin.

»Du weißt nicht, wie man mit unserm Herrgott redet?«

»Nein, ich habe keine Ahnung davon!«

Sie versuchte, es Martin zu erklären: »Also pass auf, das geht so: Du stellst dem Herrgott einfach deine Frage und gibst deine Antwort dazu. Wenn deine Antwort richtig ist, dann spürst du das.«

»Wie spüre ich das?«

Sie klopfte sich auf die Brust. »Da drinnen, da spürt man die Antwort! Wenn es ein gutes Gefühl ist, dann ist es richtig. Wenn es schlecht ist, dann liegst du falsch.«

»So einfach ist das?«

»Ja, so einfach!«

»Woher weißt du das alles?«, fragte Martin.

»Das weiß ich von Bartl. Der hat mir das erklärt.«

»Aha? Und woher wusste Bartl das?«

»Er hat gesagt, dass er es von der Natur gelernt hat. Aber frag mich jetzt bitte nicht wie.«

»Wie war das eigentlich mit Bartl und dir? Wie habt ihr euch kennengelernt?«

Sie erzählte ihm die Geschichte vom Bauernmarkt, und Martin hörte aufmerksam zu. Als sie fertig war, fragte er sie: »Wie hast du gemerkt, dass du dich in ihn verliebt hast?«

»Das war ganz seltsam! Ich hab ihn gesehen, und da hat‘s in mir so ein Gefühl gegeben, weißt du. Ein Brennen in mir.Das gleiche Gefühl, wie wenn ich mit unserem Herrgott rede. Ein gutes, ein schönes Gefühl! Ich hab gleich gewusst, dass er es ist. Das ist der Mann, mit dem ich alt werden will.«

»Daraus wird jetzt wohl nichts mehr?«, fragte er behutsam.

Sie schüttelte den Kopf und sagte leise: »Nein, das wird wohl nichts.«

»Wovon hat Bartl eigentlich gelebt? Vom Käse allein kann‘s doch nicht gereicht haben.«

»Ja, da hast du schon recht. Aber das darf ich dir nicht sagen.«

»Wieso darfst du mir das nicht sagen?«

»Weil der Bartl das nicht will – wollte. Es ist zu gefährlich, wenn ich das jemandem erzähl, hat er gsagt.«

»Bartl ist doch jetzt tot. Also schadest du ihm nicht, wenn du es mir sagst.«

»Nein, ich kann’s trotzdem nicht«, widersprach sie.

Wieder nahm sie seine Hand. Eigentlich widerstrebte es Martin, sich darauf einzulassen, aber so konnte er vielleicht ein wenig mehr Vertrauen aufbauen und Antworten auf die Fragen bekommen, die sich ihm nun unweigerlich stellten. »Sag mal, Eva, kann es sein, dass außer dir und Bartl noch jemand etwas von seinem Geheimnis wusste?«

»Nein, das glaub ich nicht. Bartl hat sicher niemandem etwas davon erzählt.«

»Und sonst? Wie ist das mit den Vorbesitzern des Hofes? Bartls Eltern haben ihn doch gekauft, weil er vakant war?«

»Ja, das stimmt schon«, sagte sie. »Aber das ging nur, weil die Bauern keinen Erben hatten. Sie sind beide längst tot.«

»Was ist mit Bartls Eltern? Die leben doch noch, oder?«

»Ja, schon, aber ich glaub, die wissen auch nichts.«

Martin stand auf. Er hoffte, dass der Leichnam bereits weggebracht worden war.

»Wo willst du hin?«, fragte Eva.

»Zurück zur Hütte. Ich muss …«

»Nein, bleib noch ein bisserl da«, sagte sie und hielt ihn fest. Sie beschrieb mit der Hand einen weiten Bogen und sagte: »Schau mal, wie schön es hier oben ist. Da drüben der Wasserfall. Von dem kommt das Wasser, das wir zum Kochen benutzt haben. Bald kommen die Küh rauf. Es ist Almsommerzeit, weißt? Da bleiben die Küh dann heroben, bis es Herbst wird. Dann müssen sie wieder runter zu den Bauern in den Stall.«

»Beim Almabtrieb also?«

»Ja, dann kommt die Viehscheid und jeder Bauer kriagt sei Kuah wieda.« Fast unbemerkt war Eva in ihren Dialekt verfallen. Martin hatte kein Problem damit, und so ließ er sie weitererzählen: »Da Bartl kriagg dann sei Göd …« Wieder brach sie in Tränen aus und schluchzte. Sie schniefte ein paarmal und sah Martin mit feucht schimmernden Augen an. »Entschuldige, ich wollt nicht …«

»Scho guat«, versuchte er, sie zu beruhigen. »Des mocht goar nix. I vastehs jo.«

Sie nickte nur und sagte dann leise, während sie seine Hand drückte: »Weißt, i mog di. Du scheinst a ehrlicha Mensch zsein.«

Kapitel 3

»Martin! Herrschaftszeiten, wo steckst du denn?« Es war Josef, der ihn rief.

Martin stand auf und rief zurück: »Hier oben! Hier bin ich!« Als er Josef sah, winkte er ihm zu.

Josef kam herauf und schnaufte erst einmal tief durch. »Was machst du denn hier?«, fragte er.

»Na was schon? Eine Zeugenbefragung. Was sonst?«

»Die Kollegen von der Spurensicherung haben gesagt, dass du kommen sollst. Die haben was gefunden.«

»Pressierts?«, fragte Martin.

»Nein, überhaupt nicht«, antwortete Josef betont gelassen. »Die haben nur ein mögliches Motiv gefunden.«

Plötzlich ließ Eva Martins Hand los und sprang auf. »Naa!«, schrie sie. »Nit! Nit an Bartl sei Soch!« Dann rannte sie weg.

Martin sah ihr verwundert nach. Er fragte Josef: »Was meint sie damit? Was haben sie denn gefunden?«

»Gold! Einen Haufen Gold! Mindestens ein Kilo, haben sie gesagt.«

»Wo haben sie das gefunden?«

»Hinter einer Holzwand. Da waren ein paar Bretter locker, und sie haben hineingeschaut.«

Martin überlegte und kam zu einem Schluss. »Wir brauchen Andrea. Ruf sie an. Sie soll so schnell wie möglich herkommen.«

»Das geht nicht! Du hast ihr doch extra freigegeben, weil Beppi Geburtstag hat. Du kannst sie jetzt dort nicht wegholen …«

»Das ist mir ehrlich gesagt im Moment egal. Ich brauch sie für die Eva.«

Andrea war eine sehr kompetente und zuverlässige Kollegin. Zu Josefs Bedauern leider bereits verheiratet. Sie hatten in der Zeit, seit Martin es fertiggebracht hatte, dass Andrea bei ihnen in der Dienststelle bleiben konnte, eine tiefe und ehrliche Freundschaft aufgebaut. Sie waren also nicht nur Kollegen, sondern auch in ihrer Freizeit eng miteinander verbunden.

Beppi, der eigentlich Josef hieß, war Andreas Sohn. Er hatte den Namen von seinem Gedi, also dem Taufpaten, bekommen, der kein anderer war als Kollege Josef Faltermeier. Andrea hatte ihn darum gebeten, nachdem Martin ihr Treuzeuge gewesen war.

Martin ging nun den Weg zur Hütte hinunter und hörte schon von Weitem, wie Eva schimpfte und zeterte: »Des ghört am Bartl! Des derfts nit mitnehma! Lossts de Finga davo!«

Josef, der mit Martin mitgegangen war, meinte dazu: »Ich glaube, du musst da etwas klären.«

»Was denkst du, wozu ich die Andrea brauche? Das Mädchen meint am Ende noch, ich wäre sonst was für sie.«

Josef schnaufte tief durch und zog sein Handy hervor. Er schaute aufs Display und sagte beinahe enttäuscht: »Kein Empfang. Ich kann Andrea gar nicht anrufen.«

Martin zeigte nach oben zu der Hütte, von der er von Frau Eichelberger wusste, dass es dort eine Möglichkeit zum Telefonieren gab. »Geh da rauf und ruf sie an. Die haben Telefon.«

Josef sah Martin missmutig an, stiefelte aber los.

Martin lief derweil zu Eva und versuchte, sie zu beruhigen. »Iatz reg di nit auf, Everl. Des muaß sei. Des nimmt dia doch koana weg. Des sand Wertsochn und de deafn mia goar nit do lossn.«

Sie hatte wieder Tränen in den Augen, als sie sagte: »Du Martin? Sog des bitte nimma zu mia. Nia mehr. Host mi vostandn?«

»Wos soy i nimma song?«, fragte er verständnislos.

»No, du host grod Everl zu mia gsogg. So hot mi da Bartl aa oiwei gnennt. Everl hot ea gsogg, mia zwoa sand scho …« Wieder brach sie in Tränen aus.

Martin hatte es noch nie aushalten können, wenn er eine Frau oder gar ein junges Mädchen weinen sah. Er blickte Hilfe suchend um sich. In einiger Entfernung, etwa fünfzig Meter von ihm weg, sah er Frau Eichelberger. Er winkte ihr zu.

Sie verstand sofort, was er damit meinte, und kam zu ihnen. »Konn i wos höfn?«, fragte sie.

»Ja, kümmern Sie sich bitte um Eva. Ich hab zu arbeiten.«

»No freili moch i des«, antwortete sie und nahm Eva an den Schultern. Sie führte sie weg zu ihrer Hütte, sodass Eva außer Sichtweite war.

Josef kam zurück. Er machte ein ziemlich betrübtes Gesicht.

»Und? Kommt Andrea?«, fragte Martin.

»Ja, kommen wird sie. Aber ich soll dir sagen, dass sie dir so einiges zu erzählen hat.«

»Begeistert war sie also nicht?«

»Was hast du erwartet? Dass sie dir vor lauter Freude um den Hals fällt?«

»Na ja, so ein Kindergeburtstag kann schon auch anstrengend sein.«

»Und du meinst, dass Andrea froh sein muss, wenn sie da weg kommt?«

»Ja, warum denn nicht?«

»Weil es der erste Geburtstag von Beppi ist«, sagte Josef. »Deswegen, du Hornochs!«

»Ach so. Da hab ich gar nicht dran gedacht.«

»Das merk ich! Das Beste wäre, wenn du sie gleich wieder heimschicken würdest!«

»Das geht nicht! Ich brauch sie hier!«

Ein Fahrzeug kam den Weg herauf. Josef erkannte es sofort. »Da kommt sie ja. Jetzt kannst du dich aber warm anziehen.«

Martin beobachtete ruhig, wie Andrea mit ihrem Wagen bei der Hütte anhielt. Er ging auf sie zu, und noch ehe sie aussteigen konnte, war er bei ihr und deutete ihr an, dass sie das Fenster herunterlassen solle. Dies tat sie auch und fragte unwirsch: »Was willst du?«

»Ich will mich bei dir entschuldigen. Ich hab nicht dran gedacht, dass Beppi heute seinen ersten Geburtstag hat. Also fahr wieder heim und grüß ihn mir recht schön.«

Andrea drückte die Türe auf und schob dabei Martin beiseite. Sie stellte sich vor ihn und stemmte beide Fäuste in die Hüften. »Hältst du mich denn für ganz bescheuert? Ich fahr extra hier herauf, und du willst mich wieder heimschicken? Ich bin jetzt hier und ich bleib auch hier!«

Martin musste unwillkürlich schmunzeln. Zu reizend sah sie aus, wenn sie wütend war. Ihre braunen Augen blitzten dabei, und sie zeigte ihre strahlend weißen Zähne wie ein Raubtier, das fauchte. »Jetzt sei halt nicht so«, bat Martin. »Ich kann doch nicht mehr tun, als mich zu entschuldigen.«

»Entschuldigen kannst du dich bei Beppi. Der hat geweint, weil ich wegmusste.«

»Dann fahr eben jetzt wieder heim.«

»Das kommt gar nicht infrage! Wozu brauchst du mich denn? Gibt’s vielleicht wieder ein Problem, das ich klären soll?«

Martin wurde verlegen, denn er wusste, worauf Andrea hinauswollte. Wenn es um prekäre Dinge in einem Fall ging, musste meistens Andrea herhalten. »Na ja, weißt du, die Sache ist die …«, begann er.

»Aha! Ich hör dich schon. Wieder so eine Sache, die nur eine Frau regeln kann!«

»Um genau zu sein, ja. Ich hab hier ein Mädchen, das …«

»Wo ist das Mädchen, und worum geht es?«, fragte Andrea.

»Ihr Freund wurde umgebracht, und ich denke, dass sie weiß, warum. Rede du mit ihr.«

»Aha! Und wo ist sie jetzt?«

Martin zeigte auf Frau Eichelbergers Hütte und erklärte: »Sie ist dort drüben bei der Nachbarin. Sei bitte vorsichtig mit ihr. Sie ist ziemlich mit den Nerven runter.«

»Du kennst mich ja. Ich mach das schon.«

»Gut, dann mach das.«

»Zuerst muss ich aber wissen, worum es genau geht!«

Martin erklärte ihr, was er wusste und worauf es ihm ankam. Andrea verstand ziemlich schnell, worum es letztendlich ging und sagte dies Martin auch auf den Kopf zu: »Du hast nur Angst, dass du weich wirst. Es könnte ja schließlich sein, dass sie ihn umgebracht hat. Oder etwa nicht?«

»Schau dir das Mädchen an. Dann weißt du, dass du jetzt Blödsinn daherredest.«

Andrea ließ Martin ohne Erwiderung stehen und ging zu Frau Eichelbergers Hütte. Martin sah ihr nach.

Martin begab sich zu dem kleinen Schuppen neben der Hütte, in der ein paar Kollegen der Spurensicherung bei der Arbeit waren. »Wie sieht‘s aus? Was habt ihr alles gefunden?«

»Nicht viel«, antwortete Gerhard Meiler, der Leiter der Spurensicherung. »Nur eine Grube, in der offenbar etwas versteckt war. Vielleicht Geld, Gold oder andere wertvolle Gegenstände. Sie war mit Brettern abgedeckt. Schau, hier ist sie.« Er zeigte dabei auf ein etwa einen halben Meter langes und ebenso breites Loch, neben dem etliche Bodenbretter lagen.

Martin schaute hinein und sah Meiler fragend an. »Leer? War sie leer?«

»Ja, aber da muss bis vor Kurzem etwas dringelegen haben. Das erkennt man an der Bodenfeuchte, die noch herrscht.«

»Was glaubst du, was da drin versteckt war?«

Meiler meinte achselzuckend: »Keine Ahnung. Irgendwelche Wertsachen? Sonst wäre die Grube ja sinnlos.«

»Wie seid ihr auf das Loch gekommen? Ich mein, wie habt ihr es gefunden?«

Meiler zeigte auf eine Holztruhe ganz in der Nähe und erklärte: »Die Kiste da hat drauf gestanden. Uns ist aufgefallen, dass es da Schabespuren auf dem Boden gibt. Vermutlich stammen sie davon, dass die Kiste ab und zu weggezogen wurde.«

»Und was ist in der Kiste?«

Meiler öffnete den Deckel. »Etwas Seltsames haben wir da drin gefunden. Bergmannszeug, also einen Arbeitsanzug, einen Helm mit Stirnlampe, einen kleinen Hammer, einen Meißel – alles, was ein Bergmann so braucht.«

Martin fasste sich ans Kinn und sinnierte laut: »Wozu braucht ein Senner Bergmannszeug? Was kann man hier schon groß finden?«

Meiler meinte dazu: »Na ja, vielleicht Gold oder Smaragde? Bergkristalle?«

»Wo ist dann die Mine?«

»Das werden wir sicher noch herausfinden«, antwortete Meiler zuversichtlich.

Plötzlich stand Eva im Schuppen. »Wo is am Bartl sei Goid?«, rief sie aus, als sie an die Grube trat. Sie zeigte darauf und schaute Martin an. »Do drin und hinta da Bretterwond woar am Bartl sei gonz Vermögn! Ois wos ea khob hot, woar do drin!«

Er fragte sie: »Wia moanst du des? Wos woar do drin?«

»Goid! Süba! Und Göd! Ois wos ea khob hot!«

Martin versuchte, ruhig zu bleiben, aber innerlich bebte er. »Geh mit mia naus«, sagte er zu Eva und legte ihr die Hand auf die Schulter.

Sie schüttelte ihn ab. »Wo is des ois? Wea hot des gnumma?«

Er blieb stehen und sah sie an. »Des wissen mia no nit. Des Loch woar laar. Sog mia des no amoi, wos do drin woar.«

Inzwischen kam auch die Nachbarin wieder angelaufen und nahm Eva am Arm. »Kumm Eva. I moch da a woarme Milli. Des do is eh nix füa di.«

»I wü koa woarme Milli nit! I wü wissen, wos do los is!«

»Iatz geh hoit mit da Frau Eichelberger mit«, sagte Martin. »I Kumm aa mit und dann redn mia zwoa.«

Eva stellte sich stur. Sie verschränkte die Arme und warf den Kopf zurück, sodass ihre langen Haare nach hinten flogen. »Naa! I geh do iatz nit weg! Erscht wü i wissen, wos do los is!«