Gebrauchsanweisung für Stuttgart - Elisabeth Kabatek - E-Book

Gebrauchsanweisung für Stuttgart E-Book

Elisabeth Kabatek

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Beschreibung

»Eine spannende Lektüre« Stuttgarter Nachrichten »Net g'schempft isch g'nug g'lobt.« So viel Tiefstapelei ist symptomatisch für die Stuttgarter. Dabei haben sie allen Grund, ihre Stadt zu lieben: Sternegastronomie und Waldheime, das Sommerfestival der Kulturen, die Pünktlichkeit der U-Bahnen, Qualitätsweine und das Understatement der Bewohner – das alles macht hiesige Lebensqualität aus. Scharfsinnig und mit einem Augenzwinkern erzählt Elisabeth Kabatek von den Herausforderungen der Kehrwoche, einem fast mediterranen Lebensgefühl und von Brezeln, die einfach glücklich machen.

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Mehr über unsere Autoren und Bücher:www.piper.deFür Eva, die für Stuttgartin Leidenschaft erglühtDank an die wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) für die Abdruckerlaubnis für den Auszug aus Heinrich Steinfests Roman » Wo die Löwen weinen « zu Beginn des Kapitels »Der große Höhenunterschied macht den kleinen Unterschied«© Piper Verlag GmbH, München 2019Covergestaltung: Birgit KohlhaasCovermotiv: Kerstin Waurick/Getty Images (Haflinger)Datenkonvertierung: Fotosatz Amann, MemmingenSämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Wir weisen darauf hin, dass sich der Piper Verlag nicht die Inhalte Dritter zu eigen macht.

Inhalt

Stuttgart

Wem gehört die Stadt?

Ja, wo kehren Sie denn?

Der große Höhenunterschied macht den kleinen Unterschied

Samstagmorgens in der Stadt

»Work? I don’t have time to work«

Brezeln machen glücklich

Die Trollinger-Revolution

Wo der Besen hängt

Von Bären aller Arten, Wasserfällen mit schwäbischem Understatement und Grünem U

Stuttgart, Kulturmetropole Nummer eins

»Der Name Stuttgart ist ein magischer Name«

Stuttgart badet in Champagner

Kein Tor trotz Ted

Stuttgart

oder: slow love

Als ich die erste Ausgabe dieser »Gebrauchsanweisung« schrieb, schien den meisten Stuttgartern gar nicht aufzufallen, wie großartig ihre Stadt ist. Diejenigen, die es doch bemerkten, sprachen nicht darüber, und wenn sie es taten, machten sie die Stadt immer ein klein wenig herunter. Wir loben uns schließlich nicht ständig selber! Oder auf Schwäbisch: »Net gschempft isch gnug globt!« Es reicht ja, wenn wir selber wissen, was wir an unserer Stadt haben.

Damals hatte ich permanent das Bedürfnis, den Menschen in dieser Stadt zuzurufen: »Seid selbstbewusst! Schaut doch mal, was wir hier alles haben, und seid stolz darauf! Parkt den Porsche nicht hinterm Haus!« Aber noch viel schlimmer war die Wahrnehmung von außen. Wer Stuttgart nicht kannte und erfuhr, dass man da lebte, haute einem erst einmal »Kehrwoche«, dann »Schaffa, schaffa, Häusle baue« und schließlich noch »Stuttgart 21« um die Ohren – und fand sich total witzig dabei. All dies in relativ herablassendem Ton, der deutlich machte, dass Stuttgart eigentlich völlig indiskutabel war und man da niemals freiwillig hinfahren würde. Hamburg, Berlin, Köln, München – ja! Aber Stuttgart? Eine No-go-Area.

Ein knappes Jahrzehnt später hat sich nicht nur Stuttgart extrem verändert, auch die Wahrnehmung der Stadt ist eine andere. Nach außen hin muss ich mich zwar immer noch hin und wieder dafür rechtfertigen, dass ich freiwillig und gerne in Stuttgart lebe – aber weitaus seltener als früher. Ich stelle noch immer fest, dass viele Menschen eigentlich überhaupt keine konkrete Vorstellung von Stuttgart haben, und wenn doch, dann meinen sie, es müsse eine unglaublich hässliche Stadt sein, wegen der vielen Industrie. Ich glaube, sie haben eine Vision von rauchenden Schlöten in riesigen Gewerbegebieten, in denen missmutige Menschen mit rußgeschwärzten Gesichtern ihrer Arbeit nachgehen. Sie wissen nicht, dass Stuttgart große Waldflächen besitzt. Doch vor allem haben Sie überhaupt keine Ahnung davon, welch kultureller Reichtum Stuttgart auszeichnet.

Nach innen ist diese Stadt kein unsicheres hässliches Entlein mehr, sondern längst ein stolzer Schwan. Vor allem die jüngeren Generationen gehen vollkommen unbefangen, sehr selbstbewusst und man könnte schon fast sagen: patriotisch mit dieser Stadt um. Diese Entwicklung begann mit der Fußball-WM 2006, mit der Hymne »Stuttgart ist viel schöner als Berlin«. Anfangs klang das ein wenig trotzig, so, als ob man selber nicht so richtig daran glaubte. Und doch: was für neue Töne! Stuttgart hat sich ein Stück weit neu erfunden – oder vielleicht haben die Stuttgarter endlich ihre Stadt gefunden und identifizieren sich heute viel stärker mit ihr als früher. Diese Identifikation hat seit 2018 auch einen konkreten Ort: Das StadtPalais will ein Museum für Stuttgart und die Stuttgarter sein, und Museumsdirektor Torben Giese würdigte gleich als Erstes den Stuttgarter Hip-Hop mit einer Ausstellung.

Die jungen Stadtbewohner legen keinen Wert aufs Auto, sondern fahren Fahrrad. Die Work-Life-Balance ist ihnen zudem wichtiger als die Karriere beim Daimler, denn sie brauchen viel freie Zeit, die sie auf dem Marienplatz und in der angrenzenden Tübinger Straße verbringen. Hier geht es sehr entspannt, mediterran und multikulturell zu, die perfekte Mischung aus lokal-heimatverbunden einerseits und global andererseits. »Schön, reich und schlau«, stand schließlich auch in großen Lettern auf dem im April 2018 erschienenen Merian-Heft Stuttgart zu lesen. Wie bitte? Schön, reich und schlau? Ja, Sie hören richtig. Manfred Langner, bis Sommer 2018 Intendant der Schauspielbühnen, sagte bei seinem Abschied sogar: »Die Stadt hat sich verändert, ist seit meinem ersten Gastspiel vor rund 15 Jahren zu einer Metropole geworden und politisch stark interessiert.« Eine Metropole! Stuttgart!

Reich, titelt Merian. Und in der Tat: Die Stadt Stuttgart konnte im Jahr 2018 einen Überschuss von 382,7 Millionen aus dem Haushalt des Vorjahres präsentieren, das beste Ergebnis aller Zeiten, die gute Konjunktur machte es möglich. In einer reichen Stadt zu wohnen ist kein Nachteil: Während in anderen Städten Kultureinrichtungen geschlossen werden, wird in Stuttgart über einen Neubau des Lindenmuseums und ein neues Konzerthaus diskutiert, die kostspielige Sanierung des Opernhauses ist bereits beschlossene Sache. Doch nicht nur die Stadt ist reich, auch den meisten Einwohnern geht es gut. Die Arbeitslosenquote in Stuttgart lag im Oktober 2018 bei gerade einmal 3,1 Prozent – das gilt als Vollbeschäftigung.

Dass Stuttgart auch eine schöne Stadt ist, haben längst nicht nur die Schweizer Touristen bemerkt, die zum Weihnachtsmarkt strömen. Das Übernachtungsvolumen aus dem Ausland konnte seit dem Jahr 2000 verdoppelt werden, 2017 wurden erstmals mehr als zwei Millionen Übernachtungsgäste gezählt.

Stuttgart ist eine gute Stadt – für Schwaben und Nicht-Schwaben. Im Jahr 2017 hatten 44,5 Prozent der Stuttgarter einen Migrationshintergrund, waren also entweder Einwohner mit ausländischem Pass oder eingebürgerte Ausländer. Das ist viel. Sehr viel. Und das Erstaunliche und Erfreuliche ist: All diese Menschen aus der ganzen Welt leben überwiegend friedlich und konfliktfrei zusammen, und die meisten Stuttgarter empfinden die Zuwanderer als Bereicherung, nicht als Bedrohung. Man kann sich durch die Küchen der Welt futtern und beim Sommerfestival der Kulturen miteinander abtanzen und feiern. Natürlich gibt es auch in Stuttgart Ausnahmen von der Regel, natürlich gibt es auch hier Ausländerfeindlichkeit, und leider ist auch hier die AfD im Landtag und Gemeinderat vertreten. Trotzdem war ich ziemlich schockiert, als mitten im gutbürgerlichen Stuttgarter Westen der schwarze Schauspieler auf dem Plakat meines Theaterstücks »Allein unter Schwaben« mit schwarzer Farbe übersprüht wurde. So etwas passiert in Stuttgart normalerweise nicht. Seit Jahrzehnten gibt es Zuwanderung, niemand wundert sich über Menschen, die eine andere Hautfarbe haben oder eine fremde Sprache sprechen. Die Stuttgarter engagieren sich mit Hingabe für ihre Partnerstädte St. Helens, Cardiff, St. Louis, Straßburg, Mumbai, Menzel Bourguiba, Kairo, Lodz, Brünn und Samara. »Es ist immer wieder überwältigend, mit wie viel Herzblut und Begeisterung die Stuttgarter ihre internationale Verbundenheit leben. Jede der zehn Partnerstädte hat ihren ›Fanclub‹ an Aktiven aus Vereinen, Schulen oder Kultureinrichtungen, manche sind auch mit und in mehreren Städten aktiv«, freut sich Nadia vom Scheidt, die bei der Stadt Stuttgart die Abteilung Außenbeziehungen leitet.

Aber diese Stadt kann einen auch in den Wahnsinn treiben. Die Auseinandersetzung um Stuttgart 21 ist entschieden, aber nicht so, wie ich es mir gewünscht hätte. Die Innenstadt: eine einzige Großbaustelle. Gruben, Presslufthämmer, Umleitungen, Verkehrsstaus, Dreck und Lärm. Das alles kann einen fassungslos machen – genauso wie die Autohörigkeit der Stuttgarter. Vor einiger Zeit lag ich auf einem Zahnarztstuhl, die Behandlung dauerte gut zwei Stunden. Von dort aus konnte ich den Verkehr an der Kreuzung Siemens-/Maybachstraße am Pragsattel beobachten. Von acht bis zehn Uhr sah ich zu, wie sich an einem Tag mit Feinstaubalarm Tausende Fahrzeuge in die Stadt wälzten. Und es mag naiv klingen, aber mir dämmerte: So sieht das hier jeden Morgen aus – und jeden Abend. Endlose Staus, endlose Autokolonnen, die meisten Autos mit nur einer Person besetzt, während direkt unter der Straße die U-Bahn verläuft.

Warum ich trotzdem nirgendwo anders leben will? Warum ich diese Stadt trotzdem glühend verteidige, wenn sich jemand abschätzig über sie äußert, und mich schon fast persönlich angegriffen fühle? Weil ich keine andere Großstadt kenne, die mitten im Zentrum Weinberge hat, in der man zu Fuß selbst von der Stadtmitte aus in den Wald gehen kann und wo man so traumhaft schöne Ausblicke genießt. »Stuttgart sieht nachts mit den Lichtern am Hang aus wie Nizza – das Einzige, was fehlt, ist das Meer«, schrieb der Architekturkritiker Niklas Maak im Herbst 2018 in einer Zeitung des Schauspiels Stuttgart.

Weil Stuttgart kulturell ein Schatzkästlein ist. »Wenn man Theatermacher ist, gehört Stuttgart zu den großen Bühnen«, sagte Axel Preuß im Herbst 2018 zu mir, als er seine Intendanz bei den Schauspielbühnen Stuttgart antrat, »Wien, Hamburg, Berlin, München, Stuttgart!« Ganz genau. Stuttgart! 2018 zum vierten Mal in Folge auf Platz eins im Kulturmetropolen-Ranking der dreißig größten deutschen Städte. Vor Berlin, wohlgemerkt. Mit einem Ballett von Weltrang und dem garantiert allerbesten Publikum der Welt.

Vor allem aber auch, weil es in dieser Stadt so viele Menschen gibt, die sich in ihr und für sie engagieren: In der Flüchtlingsarbeit, in der Arbeit mit Obdachlosen, gegen S21, gegen den Verkehrswahnsinn. Ja, manchmal hat man in dieser Stadt, in der sowohl der grüne Oberbürgermeister als auch die grüne Landesregierung bisher eher blass geblieben sind, das Gefühl, die Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger sind der Politik nicht immer, aber oft um eine Nasenlänge voraus, wenn es darum geht, Entwicklungen nicht zu verschlafen oder falsche Weichenstellungen zu verhindern. Ein Beispiel: Ohne die Initiative und den hartnäckigen Einsatz des Vereins »Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V.« wäre die ehemalige Gestapo-Zentrale in der Dorotheenstraße im Rahmen der Neuordnung des Areals der Abrissbirne zum Opfer gefallen. Von 1937 bis 1945 residierte dort die Gestapo, verhörte und folterte Sozialdemokraten, Juden, Sinti und Widerstandskämpfer. Jahrelang setzte sich der Verein dafür ein, das Gebäude zu erhalten. Im Dezember 2018 wurde es schließlich als ein Ort der Dokumentation und des Erinnerns eröffnet.

Und nun ist es an Ihnen. Nutzen Sie diese Stadt und Ihre Möglichkeiten und werden Sie ein Teil von ihr. Und falls Sie sich trotz allem schwertun mit den Menschen hier, falls Sie gerade erst hierhergezogen sind und sich einsam fühlen, weil ihre schwäbische Nachbarin Sie (noch) nicht grüßt, dann habe ich ein paar Tipps für Sie. Zum einen, warten Sie ein paar Jährchen. Nein, im Ernst, haben Sie ein wenig Geduld, denn diese Stadt braucht Zeit. Es braucht Zeit, sich umzusehen in dieser Stadt, es braucht Zeit, sie kennenzulernen und sich einzuleben. Stuttgarter verbrüdern sich nicht am Kneipentresen wie etwa die Rheinländer. Einmal als Freunde gewonnen, sind Sie aber sehr, sehr treu. Wenn Sie den Prozess beschleunigen wollen, dann engagieren Sie sich. Der Möglichkeiten gibt es unendlich viele. Treten Sie einem Chor, einer Wandergruppe oder einem Verein bei. All das gibt es in Stuttgart in großer Zahl, denn es ist diese großartige Mischung aus Kultur und Natur, die Stuttgart ausmacht, und Sie werden dort freundliche, fröhliche, kontaktfreudige Menschen treffen. Ich verspreche es.

Wem gehört die Stadt?

Feinstaub, Fahrverbote und Fahrräder

Ich versuche jetzt mal, mich daran zu erinnern, wie Stuttgart zu Beginn dieses Jahrzehnts aussah, als ich begann, für die erste Ausgabe dieser »Gebrauchsanweisung« zu recherchieren. Ich beame mich in Gedanken zurück in den Sommer 2010. Der Unterschied zwischen damals und heute? Gewaltig, keine Frage. Damals war die Auseinandersetzung um Stuttgart 21 in vollem Gange und noch nicht entschieden, die Stadt war tief gespalten in Gegner und Befürworter, und kein Thema bewegte die Menschen mehr. Stuttgart war permanent in den Medien präsent, und der Rest der Republik rieb sich verwundert die Augen angesichts der Tatsache, dass sich brave Schwaben plötzlich in Wutbürger verwandelten. Rund um den Hauptbahnhof sah es komplett anders aus: Dort, wo heute eine riesige Baugrube klafft, sich auf den Straßen permanent die Verkehrsführung ändert und die meiste Zeit Chaos herrscht, trafen sich damals Freunde und Familien zum Picknick im Schatten der jahrhundertealten Platanen. Stuttgart war politisch tiefschwarz, grün schien in weiter Ferne, nein, geradezu ein Ding der Unmöglichkeit in der CDU-Bastion Baden-Württemberg. Die AfD saß weder im Gemeinderat noch im Landtag, es gab sie noch nicht einmal. Der Wohnraum war zwar, bedingt durch die Kessellage, schon damals knapp, aber niemand hätte auf die Frage, was das größte Problem in Stuttgart sei, die Wohnungsnot genannt – heute sind die Preise auf dem Wohnungsmarkt explodiert. Vermutlich wäre aber auch niemand auf die Idee gekommen, Stuttgart als mediterran zu bezeichnen. Ein Feinstaub- und Verkehrsproblem gab es schon damals, das Neckartor galt als dreckigste Kreuzung Deutschlands, aber das Thema war viel weniger im Bewusstsein und in der Politik verankert als heute, und die Suche nach einer Lösung erschien lange nicht so dringlich. Eine weitaus geringere Zahl von Menschen wagte es vor zehn Jahren, in der Stadt Fahrrad zu fahren, sah das Rad als echte Alternative zum Auto oder pochte auf die Förderung des Radverkehrs. Es gab den Carsharing-Anbieter Stadtmobil, aber noch kein car2go und noch nicht die blauen E-Roller der Stadtwerke mit dem hübschen Namen Stella. Der Klimawandel war nur am Rande ein Thema. 563054 Einwohner hatten ihren Hauptwohnsitz in Stuttgart, das sind fast 50000 weniger als im Herbst 2018. In der Wilhelma gab es noch Eisbären, der Elefantensteg über den Neckar war noch nicht abgerissen und das legendäre Jugendhaus in Stuttgart-Heslach, wo einst die Fantastischen Vier ihre Karriere begannen, auch nicht …

Manches aber ist unverändert geblieben: Damals wie heute war die Auto- und Zuliefererindustrie das Rückgrat der Wirtschaft, und damals wie heute ist dieser Wirtschaftszweig eine heilige Kuh, und jeder, der diese Kuh antasten will, kriegt einen auf die Finger, gefolgt von dem lauten Aufschrei: »Arbeitsplätze!« Damals waren diese Arbeitsplätze von der globalen Finanzkrise bedroht, heute machen der Dieselskandal und der Umstieg auf Elektromobilität Daimler und Porsche Probleme. Damals wie heute ist die Stadt Stuttgart reich, heute vielleicht sogar ein bisschen reicher als damals – und sogar komplett schuldenfrei.

Auch meine Meinung zu Stuttgart 21 hat sich nicht geändert – der Tiefbahnhof ist so unnötig wie ein Kropf und er macht die Stadt weder schöner noch besser, sondern nur diejenigen reicher, die an den frei werdenden Gleisflächen und an der Bebauung verdienen. Zu hoch ist der Preis für das Projekt, und damit meine ich gewiss nicht allein die tatsächlichen Kosten, die Stadt, Land, Bahn, Flughafen Stuttgart und letztlich der Steuerzahler tragen, und die (Stand 2018) auf 8,2 Milliarden Euro geschätzt werden. Damit haben sie sich fast verdoppelt, und keiner weiß, ob das schon das Ende der Fahnenstange ist. Das sind Summen, die sich kein normaler Mensch vorstellen kann und die durch nichts zu rechtfertigen sind. Ich meine auch nicht (nur) die absurd lange Bauzeit – mittlerweile ist die Eröffnung für Ende 2025 geplant. Nein: Viel zu hoch ist der Preis vor allem für die Menschen in Stuttgart, deren Lebensqualität seit einigen Jahren von Verkehrschaos, Einschränkungen im öffentlichen Nahverkehr, Dreck und Lärm bestimmt wird.

An die Beteuerungen, dass wir Stuttgarter für all diese Unannehmlichkeiten irgendwann mit einem absolut fantastischen Bahnhof und einem vergrößerten Park belohnt werden, dass wir für die Fahrt nach Ulm statt 54 Minuten nur noch 28 benötigen, dass Stuttgart grüner und schöner wird, glaubt sowieso (fast) niemand mehr. Zeitverzögerungen, Kostensteigerungen, Bauprobleme, noch immer ungeklärte Fragen wie Brandschutz und abschüssige Gleise im Tiefbahnhof oder die Anbindung des Flughafens, nur noch acht Gleise im Tiefbahnhof statt der früheren sechzehn, was die Zeitersparnis vermutlich wieder auffressen wird – die meisten Stuttgarter winken müde ab, wenn es um S21 geht. Längst ist fast all das eingetreten, was die Projektgegner befürchtet und prognostiziert haben, aber das hilft jetzt auch nicht wirklich weiter. Die große, schweigende Mehrheit hat sich damit abgefunden, dass der Bahnhof gebaut wird, und will nichts mehr von S21 hören. Das Projekt ist nur noch am Rande ein Thema, von den Montagsdemonstranten und den Parkschützern einmal abgesehen.

Was wir Demonstranten damals befürchtet haben, nämlich, dass ein dauerhafter Riss durch Stuttgart geht, der die Stadtgesellschaft langfristig spaltet, ist dagegen glücklicherweise nicht eingetreten. Ich glaube auch nicht, dass der »Schwarze Donnerstag« ein kollektives Trauma hinterlassen hat, sondern vor allem denjenigen im Gedächtnis eingebrannt bleiben wird, die im Schlossgarten von den Wasserwerfern verletzt wurden, als die Polizei im September 2010 mit Gewalt gegen Hunderte friedlicher Demonstranten vorging.

Ab und zu gehe ich noch auf Demos, und dann ist es, als sei ich nie weggewesen. Ich treffe unzählige Bekannte, brülle »Oben bleiben!« und fühle mich als Teil eines großen Ganzen. Und auch, wenn ich mich nur noch selten blicken lasse, bin ich stolz darauf, dass die Demos noch immer weitergehen, dass die Projektgegner die Entwicklungen hellwach verfolgen, immer wieder den Finger in die Wunden legen und Fehlplanungen und Kostensteigerungen anprangern. Illusionen mache ich mir keine: Der point of no return ist längst erreicht, und niemals werden sich Bahn und Politik jetzt die Blöße geben, das Projekt zu kippen, auch wenn sie längst wissen, dass Kosten und Wirtschaftlichkeit in überhaupt keinem Verhältnis mehr stehen und ein Milliardengrab droht, dem Berliner Flughafen nicht unähnlich. Wir wissen heute, dass es viele Momente gab, wo die Politik kurz davor stand, den Bau des Tiefbahnhofs zu stoppen, doch leider kam es nie dazu.

Eines ist jedenfalls sicher: Niemand wird es in Deutschland mehr so einfach wagen, ein Mammutprojekt wie Stuttgart 21 ohne Bürgerbeteiligung zu planen, denn die Protestbewegung hat es zwar nicht geschafft, das Projekt zu kippen, die Planer und die Politik aber das Fürchten gelehrt. Und nicht zuletzt war sie eine Lehrstunde für den Rest der Republik. Denn auch wenn dieser Protest überall möglich ist – in dieser Form, in dieser Beharrlichkeit und Friedlichkeit war und ist es trotz allem ein sehr schwäbisch-stuttgarterischer Protest, verankert in Hartnäckigkeit, Treue, Verantwortungsbewusstsein, einer ordentlichen Portion Sturheit und dem gut schwäbischen Bedürfnis, kein Geld unnötig zum Fenster hinauszuwerfen. Für großes Erstaunen sorgte zudem, dass ein großer Teil der Demonstranten aus der bürgerlichen Mitte stammte und eher jenseits der fünfzig war. Übrigens hat keine Protestbewegung in Deutschland länger durchgehalten! Und auch, wenn Stuttgart 21 nicht mehr wirklich ein polarisierendes Thema ist, so hat der Protest doch seine Spuren hinterlassen und die Stadt geprägt: Stuttgart ist heute eine hellwache Stadt, hoch politisiert und sensibilisiert, in der die Bürgerinnen und Bürger großen Anteil am städtischen Leben nehmen und sich für die Gestaltung ihrer Stadt engagieren.

Stuttgart 21 ist übrigens längst nicht das einzige verzögerte Verkehrsprojekt in Stuttgart und auch nicht das einzige, das in der Kritik steht. Erst 2023 und damit vier Jahre später als geplant, wird die dritte Tunnelröhre am Leuzeknoten, das sogenannte Leuze-Knie, in Betrieb gehen. Es gehört zum Projekt Rosensteintunnel, das ursprünglich 200 Millionen kosten, nun aber insgesamt 293 Millionen Euro verschlingen wird (falls es dabei bleibt). Rückbau statt Ausbau, kritisieren die Gegner des Projekts und befürchten eine Zunahme des Autoverkehrs und mehr Schadstoffe.

Nun schauen wir uns einmal an, wie es im Zentrum ansonsten um die Stadtentwicklung bestellt ist. Stichwort: Kulturmeile. Die besteht in Stuttgart aus Staatstheater (Schauspiel und Opernhaus) und Landtag im Akademiegarten auf der einen, sowie Alte und Neue Staatsgalerie, Kammertheater, Haus der Geschichte, Staatliche Hochschule für Musik, Württembergische Landesbibliothek und StadtPalais auf der anderen Seite. Dazu kommt 2019, quasi als Verlängerung in die andere Richtung, der Neubau der John Cranko Schule. Klingt beeindruckend? Ist es auch. Genauso beeindruckend ist, dass die Stadt seit Jahren, ach was, Jahrzehnten, keinen Schritt weitergekommen ist in der Frage, wie man zusammenwachsen lässt, was zusammengehört. Zwischen den beiden Seiten verläuft die Stadtautobahn B14 aus den Zeiten der »autogerechten Stadt«.

Nach dem Krieg wurde die Stadt nämlich als automobile Stadt wiederaufgebaut. In den Fünfziger- und Sechzigerjahren wurden die Hauptverkehrsachsen so geplant und gebaut, dass sie sich komplett den Bedürfnissen des rasant zunehmenden Autoverkehrs unterordneten. Bestes Beispiel dafür ist der Charlottenplatz, der in den Sechzigerjahren so umgestaltet wurde, dass sich Verkehr und Stadtbahn auf mehrere Stockwerke verteilen und nicht berühren. Hier wurde 1966 die erste U-Straßenbahnstrecke Westdeutschlands eingeweiht. Was damals als städtebauliche Sensation galt und in der Bauphase Tausende Schaulustiger anzog, gilt heute als komplette, nicht wiedergutzumachende Fehlplanung. Fußgänger und Radfahrer waren damals nicht wirklich vorgesehen, was sich bis heute rächt, weil man sich am Charlottenplatz im tosenden Verkehr über unzählige Ampeln hangeln muss. Heute scheint es unvorstellbar, dass der Charlottenplatz Anfang des 20. Jahrhunderts von Bäumen, Fußgängern und der Straßenbahn geprägt war, wie ich einmal auf einem historischen Foto sah – der Platz war grün und richtig lauschig!

Die Gegebenheiten an der Kulturmeile sind komplex und kompliziert, keine Frage. Und doch fällt es schwer zu begreifen, warum seit Jahrzehnten nichts vorangeht. Ungeheuer schwierig scheint es selbst für eine reiche Stadt wie Stuttgart zu sein, aus der autogerechten eine fußgänger- und radfahrergerechte Stadt zu machen – und ob man das angesichts der übermächtigen Autoindustrie überhaupt wirklich anstrebt, ist sowieso fraglich. Was gab und gibt es nicht alles für Pläne! Deckel, Tunnel, Stege und Überwege! Man kann es heute kaum glauben, dass schon 1987 der damalige Ministerpräsident Lothar Späth vorschlug, die Autos in einem Tunnel verschwinden zu lassen. 180 Millionen Mark hätte das damals kosten sollen, aber OB Rommel winkte ab, das war ihm zu teuer. Heute kann man nur sagen: Schade, hätte man damals mehr Mut bewiesen, Stuttgart sähe heute anders aus. Der Verein »Aufbruch Stuttgart«, der sich im März 2017 rund um den früheren Nachtcafé-Moderator Wieland Backes gegründet hatte, versuchte, Bewegung in die Sache zu bringen. Dieser Verein, in dessen Vorstand zahlreiche Persönlichkeiten mitmischen, die quasi direkt von der Kulturmeile betroffen sind, wie beispielsweise die Museumsdirektorinnen Cornelia Ewigleben (Landesmuseum) oder Ulrike Groos (Kunstmuseum), setzt sich ein für den »Wandel von der autogerechten zur menschengerechten Stadt« und akquirierte in kürzester Zeit Hunderte von Mitgliedern. Er macht immer wieder mit Aktionen auf der gesperrten B14 von sich reden, versucht tragfähige Konzepte für die Kulturmeile zu entwickeln und mischt sich auch in politische Fragen ein – beispielsweise wenn es um den Standort für die Interimsoper geht, was vom Grünen Oberbürgermeister nach anfänglichem Wohlwollen immer mehr als Übergriff gewertet wird.

Doch nicht nur dieser Verein setzt sich für die Abkehr von der autofreundlichen Stadt ein. Der Verein »FUSS e.V.« kämpft beispielsweise für die Anliegen der Fußgänger, ist genervt von auf Gehwegen parkenden Autos und fordert von der Stadt einen Fußgängerbeauftragten. »FUSS« ist wiederum Mitglied der Initiative »Stuttgart laufd nai«, die von der Fraktion der Linken im Gemeinderat ins Leben gerufen wurde. Mit dabei sind zahlreiche Bündnispartner wie »Die Anstifter«, der BUND oder die »Naturfreunde«, und das Ziel ist eine durchgrünte Fußgängerzone in der kompletten Innenstadt.

Man kann es als arrogant empfinden oder für dringend notwendig erachten, der Stadtverwaltung auf die Finger zu klopfen, aber dass viele Menschen in Stuttgart allmählich die Geduld verlieren, weil nichts vorangeht (nicht nur) in Sachen Kulturmeile, kann man verstehen. Quo vadis, Stuttgart?, habe ich mich schon in der ersten Ausgabe dieser »Gebrauchsanweisung« gefragt. Niemand scheint auf die Stadt in ihrer Gesamtheit zu blicken und zu sagen: So soll es einmal aussehen, unser Stuttgart! Grün, verkehrsberuhigt, freundlich, fröhlich, liebens- und lebenswert! Es fehlt eine Vision. Auch und vor allem vonseiten der Politik und ihrem Grünen Oberbürgermeister, von dem man sich wahrlich mehr Impulse erhofft hätte. Nun soll es ein städtischer Wettbewerb für die Kulturmeile richten.

Doch die Stadtverwaltung wird schon aufgrund der drohenden Fahrverbote zum Handeln gezwungen. Fahrverbote und Feinstaubalarm, das sind die anderen zwei Worte, die in Stuttgart neben S21 zu Reizworten geworden sind. Mittlerweile hat der Feinstaubalarm solch einen Gewöhnungseffekt erzielt, dass er bei den meisten Leuten nur noch ein müdes Gähnen hervorruft. An den sogenannten Feinstaubalarmtagen sind Pendler dazu aufgerufen, das Auto stehen zu lassen, aber viele Pendler argumentieren, dass die öffentlichen Verkehrsmittel zu teuer, zu unpünktlich und zu voll seien. Leider, leider ist da was dran. Seit Jahren steigen die Fahrgastzahlen im VVS, dem Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart, kontinuierlich an, 380 Millionen Fahrten verzeichnete er 2017. Selbst wenn alle Autofahrer willens wären, umzusteigen, die Stadtbahnen hätten gar nicht die Kapazitäten, sie aufzunehmen. Einer der Gründe ist, dass viele Haltestellen zu kurz sind, um Langzüge von achtzig Metern halten zu lassen. Auf der völlig überlasteten Linie U1 zum Beispiel können nur Vierzig-Meter-Züge fahren, es müssen noch dreizehn Haltestellen umgebaut werden, und das wird bis 2023 dauern.

Seit Jahren zur Verzweiflung getrieben werden die Berufspendler außerdem mit der chronisch unpünktlichen S-Bahn (die zur Bahn gehört, während die Stadtbahn zur SSB, also zur Stadt gehört). Das liegt zum einen an den Bauarbeiten zu S21, die die S-Bahnen ausbremsen, und zum anderen an unzureichenden Investitionen, denn auch im S-Bahn-Verkehr fehlen neue Bahnen und Langzüge: Acht Millionen Euro kostet eine S-Bahn, finanziert werden muss sie vom Verband Region Stuttgart. Es wird also noch eine Weile holpern beim Umstieg auf die Öffis.

Lange Zeit war mir nicht klar, dass die Idee, dem Verkehrskollaps in Stuttgart mit dem Bau einer Seilbahn beizukommen, kein Aprilscherz war. Mittlerweile gibt es tatsächlich insgesamt vier mögliche Trassen, die geprüft werden. Ob und wenn ja, wann man jemals romantisch in Gondeln über Stuttgart schweben wird, steht allerdings noch in den Sternen.

Nicht in den Sternen stehen dagegen die bereits erwähnten Fahrverbote. Seit Januar 2019 dürfen auswärtige Diesel der Schadstoffnorm Euro 4 nicht mehr fahren, seit April gilt das auch für den ortsansässigen Verkehr (allein, wer dies überprüfen soll, steht wiederum in den Sternen). Rund 30000 Stuttgarter sollen von diesen Verboten, die Ministerpräsident Kretschmann euphemistisch als »Fahrbeschränkungen« bezeichnete, betroffen sein. Immer wieder gerät die Landesregierung in Konflikt mit dem Verwaltungsgericht, wenn es um die Umsetzung von Fahrverboten und Luftreinhalteplänen geht. Man kann sich nur über den Schlingerkurs des grünen Anteils der Landesregierung wundern, die doch eigentlich für grüne Ziele angetreten ist, nun aber wohl zum einen der Macht der Autolobby (»Arbeitsplätze!«) erlegen ist, zum Zweiten den Zorn der Autofahrer fürchtet und zum Dritten mit ihrem autoliebenden CDU-Partner uneins ist beziehungsweise es sich nicht mit ihm verderben will.

Doch nicht nur die Politik, auch die IHK Region Stuttgart und der Handelsverband Baden-Württemberg halten die Fahrverbote für eine massive Bedrohung. Sie prognostizieren, dass dem Einzelhandel noch mehr Kunden wegbrechen, wenn sie nicht mehr in die Stadt fahren dürfen, und fordern großzügige Ausnahmeregelungen. Im Stuttgarter Rathaus fürchtet man neben dem Protest der Verbände und der Einzelhändler in der Stuttgarter Innenstadt auch den Protest autofreundlicher Bürger. Der regt sich nicht nur in großen Dingen wie Fahrverboten, sondern auch sofort und extrem laut, wenn in Stuttgart mal ein Parkplatz auf dem Spiel steht: »Not in my backyard, net mei Parkplätzle!« Anwohner laufen Sturm, wenn sie ihren Parkplatz bedroht sehen, selbst kurzfristig, beispielsweise durch Parklets. Parklets verwandeln Parkplätze in Sitz-, Spiel- und Begegnungsplätze. Etwa dreißig von 33000 Parkplätzen in der Innenstadt waren im Sommer 2016 von Parklets blockiert, sie wurden von vielen, vor allem jungen Menschen begeistert angenommen und genutzt, aber schon der saisonale Wegfall der Parkmöglichkeiten löste einen Shitstorm auf Facebook aus. Letztlich ist es eben nicht nur die Politik, die über die Frage der Mobilität entscheidet, es sind vor allem die Menschen selbst, die sich gedanklich umstellen müssen, wie sie sich in der Stadt Stuttgart bewegen wollen.

Nehmen wir das Beispiel Tübinger Straße, das 2012 als Vorzeigeprojekt eingerichtet wurde. Im sogenannten Shared Space sollten sich Fußgänger, Radfahrer und Pkws gleichberechtigt begegnen. Prima Idee, oder? Tatsächlich begegneten sich vor allem viele Autos, die die freien Flächen rücksichtslos zuparkten, woraufhin mehr Bänke und Fahrradständer aufgestellt wurden. Doch häuften sich in letzter Zeit auch Beschwerden über rücksichtslose Radfahrer, weshalb es neue Überlegungen gibt, den Fußgängern Vorrang einzuräumen. Die Eberhardstraße – im Moment Fahrradstraße, was den meisten Autofahrern nicht einmal auffällt – soll gar ganz zur Fußgängerzone werden.

Wer in Stuttgart Rad fährt, braucht starke Nerven und auf jeden Fall einen Fahrradhelm. Viele Autofahrer haben Radler nicht auf dem Schirm und reißen gerne mal die Tür zur Fahrbahn auf, ohne zu gucken. Der eine oder andere scheint auch der Meinung zu sein, dass Radfahrer in Stuttgart vor allem lästig sind, was sich in ziemlich unschönen Überholmanövern äußert, und man sollte sich nicht immer darauf verlassen, dass man auch tatsächlich Vorfahrt hat, wenn einem Vorfahrt zusteht. Trotzdem steigen immer mehr Menschen aufs Rad um. Ein Grund dafür ist sicher, dass es Pedelecs und E-Bikes auch nicht so sportlichen Radlern ermöglichen, es mit der schweißtreibenden Stuttgarter Topografie aufzunehmen. Zudem sind 700 Leihräder über die Stadt verteilt, hundert davon sind Pedelecs.