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Die "Gesammelten Werke von John Locke" bieten einen umfassenden Einblick in die Gedankenwelt eines der einflussreichsten Philosophen der Aufklärung. Locke untersucht die Grundlagen menschlichen Wissens, die Natur des Geistes und die Prinzipien des politischen Lebens. Sein literarischer Stil zeichnet sich durch Klarheit und Logik aus, was seine komplexen Ideen einer breiten Leserschaft zugänglich macht. Mit Schriften wie "Essay über den menschlichen Verstand" und "Zwei Abhandlungen über die Regierung" trägt Locke maßgeblich zur Entwicklung der empirischen Erkenntnistheorie und zur politischen Philosophie bei, und reflektiert den Geist einer Zeit, die sich von absolutistischer Herrschaft hin zu Konzepten von individueller Freiheit und Demokratie wandte. John Locke, geboren 1632 in England, war nicht nur Philosoph, sondern auch Arzt, der die Wissenschaft und das empirische Denken stark beeinflusste. Seine Erfahrungen in der politischen und sozialen Auseinandersetzung des 17. Jahrhunderts, einschließlich seiner Exiljahre in den Niederlanden, prägten seine Überlegungen zu Macht, Recht und Gesellschaft. Lockes Schriften waren für die späteren Aufklärungsdenker und die Entwicklung moderner Demokratien von grundlegender Bedeutung und unterstreichen seine Rolle als Pionier des Naturrechts und der individuellen Rechte. Die "Gesammelten Werke von John Locke" sind ein unverzichtbares Werk für jeden, der sich mit Philosophie, politischer Theorie oder der Entwicklung der westlichen Denktradition vertraut machen möchte. Dieses Buch ist nicht nur ein Zeugnis für Lockes Einfluss, sondern auch eine wertvolle Quelle für tiefere Erkenntnisse über menschliches Wissen und gesellschaftliche Strukturen. In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen: - Eine umfassende Einführung skizziert die verbindenden Merkmale, Themen oder stilistischen Entwicklungen dieser ausgewählten Werke. - Die Autorenbiografie hebt persönliche Meilensteine und literarische Einflüsse hervor, die das gesamte Schaffen prägen. - Ein Abschnitt zum historischen Kontext verortet die Werke in ihrer Epoche – soziale Strömungen, kulturelle Trends und Schlüsselerlebnisse, die ihrer Entstehung zugrunde liegen. - Eine knappe Synopsis (Auswahl) gibt einen zugänglichen Überblick über die enthaltenen Texte und hilft dabei, Handlungsverläufe und Hauptideen zu erfassen, ohne wichtige Wendepunkte zu verraten. - Eine vereinheitlichende Analyse untersucht wiederkehrende Motive und charakteristische Stilmittel in der Sammlung, verbindet die Erzählungen miteinander und beleuchtet zugleich die individuellen Stärken der einzelnen Werke. - Reflexionsfragen regen zu einer tieferen Auseinandersetzung mit der übergreifenden Botschaft des Autors an und laden dazu ein, Bezüge zwischen den verschiedenen Texten herzustellen sowie sie in einen modernen Kontext zu setzen. - Abschließend fassen unsere handverlesenen unvergesslichen Zitate zentrale Aussagen und Wendepunkte zusammen und verdeutlichen so die Kernthemen der gesamten Sammlung.
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Die vorliegende Ausgabe »Gesammelte Werke von John Locke« versammelt drei zentrale Schriften eines der prägenden Denker der frühen Aufklärung: »Brief über die Toleranz«, »Ein Versuch über den menschlichen Verstand« und »Gedanken über Erziehung«. Gemeinsam eröffnen sie einen weiten Blick auf Lockes Anliegen, Erkenntnis, Zusammenleben und Bildung auf eine vernünftige Grundlage zu stellen. Die Auswahl bietet keinen Anspruch auf Vollständigkeit des Gesamtwerks, doch sie vereint Texte, die in unterschiedlicher Form, aber mit verwandter Zielrichtung entstanden sind. Sie lädt dazu ein, Lockes Denken über die Grenzen einzelner Disziplinen hinweg zu verfolgen und seine anhaltende Wirkung zu verstehen.
Ziel dieser Zusammenstellung ist es, Umfang und Zusammenhang der hier vertretenen Themen sichtbar zu machen. Der Band führt von der Frage nach den Bedingungen des Wissens über Grundsätze religiöser und ziviler Duldung bis hin zu praktischen Überlegungen der Erziehung. So entsteht ein kohärentes Panorama, das Lockes Philosophie als ein Projekt begreifbar macht: die Prüfung von Ansprüchen – sei es des Wissens, der Autorität oder der pädagogischen Praxis – am Maßstab vernünftiger Erfahrung. In der Zusammenstellung begegnen sich Theorie und Anwendung, methodische Strenge und lebensnahe Orientierung, ohne dass die Eigenständigkeit der einzelnen Werke verloren geht.
Die vorliegenden Texte repräsentieren verschiedene Gattungen und Schreibweisen. Der »Brief über die Toleranz« ist ein argumentierendes Schreiben, das in der Form eines offenen Briefes grundsätzliche Überlegungen zur friedlichen Koexistenz entfaltet. Der »Versuch über den menschlichen Verstand« ist ein ausgreifender philosophischer Traktat, der systematisch die Quellen und Grenzen des Wissens sondiert. Die »Gedanken über Erziehung« nehmen die Gestalt praxisnaher Empfehlungen an, die aus konkreter Beobachtung und reflektierter Erfahrung schöpfen. In ihrer Vielfalt verdeutlichen sie, wie Locke Idee, Argument und Anwendung zusammenführt.
Was diese Schriften verbindet, ist ein gemeinsamer Ausgangspunkt: der Vorrang der Erfahrung und die Besonnenheit im Urteil. Locke prüft, wie Menschen zu Vorstellungen gelangen, welche Gewissheit sie beanspruchen dürfen und welche Folgerungen für individuelles Handeln und öffentliches Leben daraus erwachsen. Aus dieser erkenntnistheoretischen Grundhaltung folgen Forderungen nach begrenzter Autorität, nach Respekt vor dem Gewissen des Einzelnen und nach einer Erziehung, die Einsicht statt bloßer Gewöhnung fördert. Die Texte kreisen um die Frage, wie vernünftige Freiheit möglich ist – im Denken, im Glauben und im Erziehen.
Der »Brief über die Toleranz« nimmt seinen Ausgang von den Spannungen religiöser Vielfalt und fragt, wie ein Gemeinwesen friedlich bleiben kann, ohne Überzeugungen zu bevormunden. Locke unterscheidet Bereiche legitimer staatlicher Regelung von Angelegenheiten des Glaubens und plädiert dafür, Glaubensfragen durch Überzeugung und nicht durch Zwang zu ordnen. Seine Argumentation verknüpft praktische Erwägungen des Zusammenlebens mit einem Prinzip: dass Gewissensüberzeugungen nur durch Gründe, nicht durch Gewalt, zu erreichen sind. Der Text bleibt aktuell, weil er die Bedingungen ziviler Pluralität nüchtern und zugleich normativ begründet ausleuchtet.
Der »Versuch über den menschlichen Verstand« legt ein Programm vor, das die Herkunft, den Umfang und die Rechtfertigung menschlicher Erkenntnis aufklärt. Locke richtet den Blick auf die Erfahrung als Quelle unserer Vorstellungen und verfolgt, in welchem Verhältnis Wahrnehmung, Reflexion und Sprache stehen. Er ist zurückhaltend gegenüber spekulativen Systemen und empfiehlt Maß im Anspruch auf Gewissheit. So entsteht ein Bild des Erkennens, das weder dogmatisch noch relativistisch ist, sondern Möglichkeiten und Grenzen sorgsam unterscheidet. Die im »Versuch« entwickelte Methode bildet den Hintergrund für Lockes politische und pädagogische Überlegungen.
Die »Gedanken über Erziehung« wenden Lockes Grundsätze auf die Praxis an. Die Schrift richtet sich an Verantwortliche der Erziehung und verbindet Beobachtungen des Alltags mit übergreifenden Zielen: die Bildung eines gefestigten Charakters, vernünftigen Urteils und nützlicher Fertigkeiten. Locke betont, dass Erziehung nicht bloß Wissen vermittelt, sondern Gewohnheiten, Einstellungen und die Fähigkeit zu Selbststeuerung formt. Das Augenmerk gilt einer maßvollen, erfahrungsnahen Anleitung, die die Eigenart des Kindes berücksichtigt und auf Einsicht setzt. Damit gewinnt die Pädagogik einen Platz im Zentrum moralischer und bürgerlicher Bildung.
Stilistisch zeichnen sich alle drei Werke durch Klarheit, argumentative Geduld und einen nüchternen Ton aus. Locke vermeidet unnötigen Zierrat, führt Begriffe ein, erläutert sie und prüft Einwände. Er adressiert seine Leserinnen und Leser als vernünftige Gesprächspartner, die durch Gründe überzeugt werden wollen. Beispiele sind anschaulich gewählt, ohne den Anspruch auf Allgemeinheit preiszugeben. Dieses zurückhaltende, methodische Schreiben ist nicht bloß Ausdruck persönlicher Vorliebe, sondern Bestandteil des Programms: Einsicht soll nachvollziehbar, Kritik möglich und Korrektur erwartbar bleiben.
Die anhaltende Bedeutung dieser Schriften liegt in der Verbindung aus theoretischer Klärung und praktischer Orientierung. Sie haben Debatten der Aufklärung über Wissen, Gewissensfreiheit und Erziehung wesentlich mitgeprägt und wirken in unterschiedlichen Diskursen fort. Ihre Fragen – Was können wir wissen? Wessen Autorität ist berechtigt? Wie bilden wir Urteilsfähigkeit aus? – sind geblieben. Dass Locke Antworten mit begrenztem Anspruch vorträgt, macht sie anschlussfähig: Sie lassen Raum für Prüfung und Weiterentwicklung, anstatt unverrückbare Dogmen zu errichten.
Auch gegenwärtig bieten diese Texte Maßstäbe. In pluralen Gesellschaften helfen die Überlegungen zur Toleranz, Konflikte nicht zu verdrängen, sondern vernünftig zu ordnen. Die erkenntnistheoretische Besonnenheit des »Versuchs« ermutigt dazu, zwischen Wissen, Meinung und Unsicherheit zu unterscheiden. Die pädagogischen Gedanken lenken den Blick auf die Verbindung von Charakterbildung und Urteilskraft. So eröffnen die Schriften einen gemeinsamen Horizont: Freiheit als Aufgabe, die Einsicht, Selbstbegrenzung und Verantwortung erfordert – im Privaten wie im Öffentlichen.
Die Werke können unabhängig voneinander gelesen werden und gewinnen zugleich im Dialog untereinander an Kontur. Wer den Weg vom Grundsatz zur Anwendung sucht, mag mit dem »Versuch« beginnen und anschließend Toleranz- und Erziehungsfragen neu betrachten. Wer vom gesellschaftlichen Problem her liest, findet im »Brief« einen Einstieg und im »Versuch« die erkenntnistheoretische Begründung. Die »Gedanken über Erziehung« machen anschaulich, wie Prinzipien in Praktiken übergehen. So entsteht ein Lektüregang, der unterschiedliche Interessen berücksichtigt, ohne die innere Einheit zu verlieren.
Diese Ausgabe möchte Orientierung bieten und zugleich zur eigenen Prüfung anregen. Sie stellt drei Schriften zusammen, die — jede auf ihre Weise — das Projekt einer vernünftigen Moderne markieren: Wissen verantworten, Freiheit schützen, Bildung ermöglichen. Wenn die Texte beim Lesen nicht nur informieren, sondern dazu einladen, Begriffe zu klären, Gründe abzuwägen und Urteile zu mäßigen, erfüllt die Sammlung ihren Zweck. Sie versteht sich als Anstoß, Lockes Denken im Licht heutiger Fragen fortzusetzen und seine Maßstäbe auf neue Herausforderungen anzuwenden.
John Locke (1632–1704) gilt als einer der prägenden Philosophen der frühen Aufklärung. Sein Werk verband erkenntnistheoretischen Empirismus mit Überlegungen zu moralischer Erziehung, religiöser Toleranz und bürgerlicher Ordnung. In einer Epoche tiefgreifender politischer und konfessioneller Konflikte suchte er nach tragfähigen Grundlagen für Wissen, Gewissensfreiheit und gesellschaftliches Zusammenleben. Seine Schriften beeinflussten Debatten in Europa und darüber hinaus und gehören bis heute zum Kanon der Philosophie- und Bildungsgeschichte. Zugänglich formuliert und auf Erfahrung gestützt, richteten sie sich nicht nur an Gelehrte, sondern auch an ein breiteres Publikum, das praktische Orientierung im Denken und Handeln suchte.
Locke erhielt seine akademische Ausbildung in Oxford, wo er an Christ Church studierte und sich neben klassischer Philosophie zunehmend naturwissenschaftlichen und medizinischen Fragen zuwandte. Der Aufstieg der experimentellen Methode prägte sein Denken nachhaltig. Kontakte zu bedeutenden Figuren der neuen Wissenschaft, darunter Robert Boyle, vertieften seine Skepsis gegenüber spekulativer Metaphysik. Als Mediziner arbeitete er mit Thomas Sydenham zusammen, dessen klinische Beobachtungspraxis Lockes Wertschätzung von Erfahrung und methodischer Vorsicht bestärkte. In Vorlesungen, Notizen und Debatten schärfte er sein Programm, Erkenntnis von den Quellen der Erfahrung her zu begründen und die Reichweite menschlichen Verstehens nüchtern zu bestimmen.
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts führte Lockes Tätigkeit ihn in Politik, Verwaltung und internationale Gelehrtennetzwerke. Die religiösen Spannungen in England und auf dem Kontinent schärften sein Interesse an rechtlich gesicherter Gewissensfreiheit. Aufenthalte in Frankreich und später im niederländischen Exil erweiterten seinen Horizont und ermöglichten die Arbeit an größeren Projekten. Der Austausch mit Theologen, Ärzten und Staatsdenkern festigte sein interdisziplinäres Profil. Die im Umfeld der Glorious Revolution erfolgte Rückkehr nach England gab seinen Überlegungen zusätzlichen Auftrieb, weil sich Fragen nach legitimer Autorität, ziviler Ordnung und bürgerlichen Freiheiten mit neuer Dringlichkeit stellten.
Ein Versuch über den menschlichen Verstand bündelt Lockes erkenntnistheoretisches Programm. Er untersucht, wie der Geist Ideen erlangt, und bestreitet angeborene Begriffe. Erfahrungen aus Sinneswahrnehmung und Reflexion liefern einfache Elemente, die sich zu komplexen Vorstellungen verbinden. Locke analysiert Sprache als Werkzeug des Denkens und betont die Notwendigkeit klarer Begriffsbildung, um Streit zu vermeiden. Seine Unterscheidung zwischen den Grenzen menschlichen Wissens und dem Bereich des Glaubens sollte dogmatische Überheblichkeit eindämmen. Der Essay trug dazu bei, empirische Methode und kritische Selbstbeschränkung zur Leitlinie zu machen und prägte Debatten in Philosophie, Wissenschaft und Theologie nachhaltig.
Der Brief über die Toleranz entstand vor dem Hintergrund religiöser Konflikte und staatlicher Eingriffe in Glaubensfragen. Locke plädiert darin für die Unterscheidung zwischen ziviler Gewalt und kirchlicher Autorität und begründet ein Recht auf Gewissensfreiheit, soweit die öffentliche Ordnung nicht gefährdet wird. Glauben, so argumentiert er, könne nicht durch Zwang erzeugt werden; daher solle die Sorge des Staates der bürgerlichen Wohlfahrt gelten, nicht der Rettung von Seelen. Die Schrift fand rasch Verbreitung und trug dazu bei, toleranzfreundliche Positionen im europäischen Diskurs zu stärken, ohne zugleich eine indifferentistische Haltung gegenüber Wahrheit zu unterstellen.
Mit Gedanken über Erziehung wandte sich Locke einer praktisch drängenden Frage zu: Wie lassen sich Charakter, Urteilskraft und nützliche Kenntnisse formen? Er empfiehlt eine Erziehung, die Gesundheit, Selbstdisziplin und Erfahrung in den Mittelpunkt stellt, und warnt vor bloßer Büchergelehrsamkeit ohne Lebensbezug. Lernen solle schrittweise, anschaulich und an die Bedürfnisse des Kindes angepasst erfolgen. Tugend gilt ihm als Ziel, das durch Gewöhnung, Beispiel und maßvolle Führung erreicht wird. Der Text beeinflusste pädagogische Konzepte in England und auf dem Kontinent und trug zur Aufwertung von Alltagskompetenzen, Sprachbildung und körperlicher Betätigung im Curriculum bei.
In seinen späten Jahren überarbeitete Locke seine Schriften, korrespondierte mit Gelehrten und verfolgte die politische Entwicklung in England aufmerksam. Er starb 1704, nachdem er sich zurückgezogen hatte, und hinterließ ein Werk, das Empirie, Toleranz und Erziehung zu einem kohärenten Programm verband. Sein Einfluss reicht von der Erkenntnistheorie über die Pädagogik bis zur Theorie bürgerlicher Freiheit. Viele seiner Einsichten – die Rolle der Erfahrung, die Grenzen des Wissens, die Achtung des Gewissens – prägen noch heute Debatten in Wissenschaft, Bildung und Politik. Locke bleibt eine Referenz für argumentierende Mäßigung und praxisnahe Philosophie.
John Locke (1632–1704) verfasste seine zentralen Schriften in einer Epoche tiefgreifender Umbrüche in England und Europa. Seine Lebenszeit umspannte Bürgerkrieg, Republik, Restauration und die Glorious Revolution, also politische und religiöse Konflikte, die die Grundfragen von Autorität, Gewissen und Wissen neu stellten. Die in dieser Sammlung versammelten Werke entstanden überwiegend zwischen späten 1680er und frühen 1690er Jahren, einem frühen Höhepunkt der Aufklärung. Sie spiegeln eine Übergangszeit: von der scholastischen Gelehrsamkeit zu experimenteller Naturforschung, von konfessioneller Homogenität zur gelebten Pluralität und von obrigkeitsstaatlicher Zensur zu einer wachsender Öffentlichkeit der Druckkultur.
Die englischen Bürgerkriege (ab 1642) und die anschließende Interregnum-Zeit veränderten die politische Theologie des Königreichs nachhaltig. Nach der Restauration 1660 behaupteten sich neue religiöse Gruppen neben der anglikanischen Kirche, während Gesetze Konformität erzwingen sollten. Diese Spannungen kulminierten in Verschwörungsängsten, Krisen des Thronfolgerechts und Kampagnen gegen sogenannte Nonkonformisten. In diesem Umfeld formierten sich die konturierteren Fronten zwischen Anhängern einer starken, religiös einheitlichen Staatskirche und Befürwortern begrenzter staatlicher Eingriffe in Glaubensfragen. Lockes spätere Überlegungen zu Toleranz, Erkenntnis und Erziehung reagieren auf diese sich verschiebenden politischen und geistigen Koordinaten.
Lockes Verbindung zum einflussreichen Whig-Politiker Anthony Ashley Cooper, dem späteren Earl of Shaftesbury, führte ihn an den Knotenpunkt oppositioneller Politik und Ideenproduktion. Die Exclusion Crisis (1679–1681) und die schwelenden Debatten um die katholische Thronfolge verschärften die Konflikte. Nach wachsender Verfolgungsgefahr ging Locke 1683 in die Niederlande, ein Zentrum des Exils, der Druckfreiheit und des religiösen Umgangs miteinander. Diese Jahre der Distanz zu England ermöglichten ihm die Arbeit an großen Projekten und den Austausch mit Theologen, Kaufleuten und Gelehrten, die Fragen der Gewissensfreiheit und der Grenzen staatlicher Macht praktisch diskutierten.
Die Niederlande boten im späten 17. Jahrhundert eine Infrastruktur relativ freier Verlage, gelehrter Zirkel und toleranterer Städte. Remonstranten wie Philipp van Limborch debattierten über Glaubenszwang und kirchliche Autorität. In diesem Milieu entwickelte und publizierte Locke Schriften, die in England kontrovers gewesen wären. Ein Brief über die Toleranz wurde zunächst lateinisch in den Niederlanden veröffentlicht und kurz darauf auf Englisch zugänglich. Solche transnationalen Publikationswege beschleunigten die Verbreitung von Ideen und förderten eine republikanische Gelehrtenkultur, in der Argumente über Grenzen hinweg zirkulierten und konfessionelle Differenzen intellektuell verhandelt werden konnten.
Die Glorious Revolution von 1688/89 und der englische Toleration Act von 1689 veränderten die politische Landschaft nachhaltig, ohne jedoch alle Erwartungen zu erfüllen. Nichtkonformisten erhielten eingeschränkte Duldung, während Katholiken und bestimmte Gruppen weiterhin ausgeschlossen blieben. In diesem Spannungsfeld kehrte Locke 1689 nach England zurück. In rascher Folge erschienen Arbeiten, die die neuen Verhältnisse reflektierten und zugleich ihre Schwächen benannten. Der Versuch über den menschlichen Verstand (1690) und die pädagogischen Gedanken (1693) gehören zu diesem Cluster; der Toleranzbrief, der spätestens 1690 in englischer Sprache vorlag, adressierte aktuelle Gesetzgebung und tiefer liegende Gewissensfragen gleichermaßen.
Die wissenschaftliche Kultur der Zeit wurde durch die Royal Society (gegründet 1660) und die experimentelle Methode geprägt. Locke stand in Kontakt mit Ärzten und Naturforschern wie Thomas Sydenham und kannte Arbeiten von Robert Boyle. Die Abkehr von spekulativer Scholastik hin zu empirischer Beobachtung beeinflusste seine Erkenntnistheorie. Die Idee, dass Wissen aus Erfahrung entsteht und durch methodische Prüfung zu sichern ist, verband philosophische Reflexion mit der Praxis der Naturforschung. Diese Verbindung prägte wiederkehrende Themen der Sammlung: Skepsis gegenüber Autoritäten, methodische Vorsicht und die Suche nach verlässlichen Kriterien für Urteilskraft im Alltag und in der Politik.
Der Versuch über den menschlichen Verstand positioniert sich im Streit um angeborene Ideen, der zu Lockes Zeit von kartesischen und scholastischen Positionen dominiert wurde. Locke entwickelte seine Überlegungen bereits in den frühen 1670er Jahren, bevor sie 1690 in reifer Form erschienen. Er prägte eine empiristische Terminologie, die spätere Debatten in Großbritannien und auf dem Kontinent anleitete. Die fortlaufenden Überarbeitungen in den 1690er Jahren zeigen, wie stark diese Diskussionen im Fluss waren. Der Kontext ist eine gelehrte Öffentlichkeit, die Beweise, Klarheit und Beobachtung höher schätzte als Autorität und Deduktion aus vermeintlich unbezweifelbaren Prinzipien.
Gedanken über Erziehung entstand in einer Gesellschaft, in der sich die Lebenswelten der Gentry, städtischer Kaufleute und professioneller Schichten ausdifferenzierten. Fragen der Kindererziehung, Gesundheit, Sprachpraxis und Charakterbildung wurden zu Schlüsselthemen für einen Stand, der sich auf bürgerliche Tugenden, Höflichkeit und Selbstdisziplin stützte. Dissenting Academies und private Hauslehrer boten Alternativen zu klassischen Lateinschulen. In diesem Umfeld entwarf Locke Empfehlungen für die Bildung des „Gentleman“ und die Formung vernünftiger Gewohnheiten. Die Schrift kommentiert damit nicht nur Unterricht, sondern auch eine Sozialordnung, die auf Leistungsfähigkeit und sittlicher Reputation beruhte.
Der Brief über die Toleranz reagierte auf gewaltsame Erfahrungen religiöser Politik seit der Reformation. Locke unterschied zwischen der Sorge des Staates um äußeren Frieden und der Sorge der Kirche um Seelenheil. Seine Argumente richtet er an eine Gesellschaft mit anglikanischer Staatskirche und vielfältigen Dissenters. Zugleich markierte er Grenzen der Toleranz, etwa gegenüber solchen, die er für politisch illoyal oder für Eidpflichten unzuverlässig hielt. Die Schrift ist somit ein Produkt ihrer Zeit: Sie verteidigt Glaubensfreiheit und zeichnet dennoch die Konturen eines Sicherheitsdenkens nach, das im England des späten 17. Jahrhunderts verbreitet war.
Der Aufstieg der Druck- und Debattenkultur bildete die kommunikative Infrastruktur für Lockes Wirkung. Londoner Kaffeehäuser, Gelehrtenkorrespondenzen und verstärkt erscheinende Periodika trugen zur Ausbreitung von Argumenten bei. Amsterdam, Rotterdam und London konkurrierten als Druckorte, wodurch Schriften mehrere Märkte erreichten. Die Aufhebung der Vorzensur nach dem Auslaufen des Licensing Act 1695 erleichterte Publikation und Replik. Diese Veränderungen erklären, wie lockesche Begriffe und Thesen rasch in Predigten, Traktaten und Kontroversen zirkulierten und wie seine Werke in eine vielstimmige Öffentlichkeit eingebettet wurden, die über Theologie, Philosophie und praktische Politik zugleich verhandelte.
Die Ausweitung des atlantischen Handels und die Kolonialpolitik Englands schufen neue Fragen nach Rechtsstatus, Gewissensfreiheit und Autorität. Locke war an den Fundamental Constitutions of Carolina (1669) beteiligt, einem Dokument, das Elemente religiöser Duldung enthielt. Auch wenn die Sammlung keine politischen Verfassungsentwürfe enthält, spiegelt der Toleranzbrief Debatten, die durch konfessionelle Vielfalt in Metropole und Kolonien angefacht wurden. Die Begegnung mit unterschiedlichen Glaubenspraktiken, die Migration verfolgter Gruppen und die ökonomische Vernetzung trugen dazu bei, dass Toleranz nicht nur als theologisches, sondern als soziales Ordnungsproblem verhandelt wurde.
Die 1690er Jahre standen zudem im Zeichen des Neunjährigen Krieges (1688–1697) und von Finanzreformen. Die Diskussionen um Kredit, Zins und Münzwesen kulminierten in der großen Recoinage von 1696. Locke beteiligte sich zeitgleich in ökonomischen Traktaten an diesen Debatten. Auch wenn sie nicht Teil dieser Sammlung sind, erklären sie die Dringlichkeit seiner Fragen nach verlässlichem Urteil und vernünftiger Praxis in Regierung und Alltag. Der Blick auf ökonomische Stabilität und öffentliche Vertrauensverhältnisse ergänzt den Hintergrund, vor dem seine erkenntnistheoretischen, erzieherischen und toleranztheoretischen Überlegungen als Beiträge zur sozialen Selbstordnung erscheinen.
In England stießen Lockes Schriften früh auf theologische und philosophische Gegenrede. Der anglikanische Bischof Edward Stillingfleet kritisierte den erkenntnistheoretischen Ansatz des Versuchs wegen seiner Konsequenzen für Lehre und Metaphysik. Die Kontroversen in den 1690er Jahren zeigen, wie eng Wahrheitsfragen, kirchliche Dogmatik und politische Loyalität verknüpft waren. Zugleich fanden Lockes Überlegungen bei Dissenters und in gebildeten Kreisen Anklang, wo sie als Anleitung zum vernünftigen Gebrauch des Verstandes gelesen wurden. Diese gemischte Rezeption prägte die weitere Editions- und Kommentarkultur, die seine Texte mit Vorreden, Zusätzen und Verteidigungen begleitete.
Auf dem Kontinent verbreiteten sich Lockes Werke über Übersetzungen und die niederländische Druckerei. Der Versuch über den menschlichen Verstand lag um 1700 auf Französisch vor, gefördert von Pierre Coste, der auch als Herausgeber fungierte. Leibniz verfasste seine Nouveaux essais sur l’entendement humain als direkte Auseinandersetzung mit Locke; sie wurden 1704 abgeschlossen und 1765 postum veröffentlicht. Der Toleranzbrief fand in den Niederlanden, in Hugenottenkreisen und in deutschen Universitätsstädten Resonanz, wo Fragen bürgerlicher Religionspraxis und staatlicher Neutralität an Bedeutung gewannen.
Lockes erzieherische Vorschläge wirkten weit ins 18. Jahrhundert hinein. Sie adressierten Körperpflege, Gewohnheitsbildung, Sprach- und Moralerziehung und passten zu bürgerlichen Idealen von Selbstbeherrschung und Nützlichkeit. Pädagogen der europäischen Aufklärung setzten sich mit ihnen auseinander; Rousseau diskutierte in Émile zentrale lockesche Motive teils zustimmend, teils kritisch. Die Debatten verlagerten Erziehung vom bloßen Kanonwissen zur Formung des Charakterurteils. Damit wurde Bildung zum Instrument gesellschaftlicher Reform, das an die Verfügbarkeit von Büchern, häuslicher Lektüre und veränderten Familienrollen im städtischen Milieu gebunden war.
Im 19. Jahrhundert trat Locke in populären Narrativen oft als Begründer des Liberalismus hervor, wobei seine politischen Traktate die Wahrnehmung prägten. Die hier versammelten Schriften wurden jedoch weiterhin als Bausteine eines umfassenden Projekts des Vernunftgebrauchs gelesen: Erkenntnis klären, Gewissen schützen, Charakter bilden. Seit dem 20. Jahrhundert vertiefte die Forschung den historischen Kontext, betonte die konfessionellen Voraussetzungen seiner Toleranzkonzeption, die Grenzen seiner Duldungsideen und die Abhängigkeit seines Empirismus von medizinisch-naturwissenschaftlichen Praktiken. Dadurch erhielt die Sammlung neue Lesarten zwischen Theologie-, Wissens- und Sozialgeschichte.
Die Sammlung kommentiert ihre Zeit, indem sie Methoden der Prüfung und des Urteilens in Bereichen anbietet, die für die politische und gesellschaftliche Stabilisierung zentral waren. In der Erkenntnistheorie ordnet sie Wissensansprüche; in der Toleranzfrage begrenzt sie religiöse Gewalt; in der Pädagogik formt sie bürgerliche Subjektivität. Spätere Deutungen schwankten zwischen Bewunderung für den Freiheitsimpuls und Kritik an den Ausschlüssen, die dieser Impuls mit sich trug. Dass die Werke in einem eng umschriebenen Jahrzehnt entstanden und zugleich europäische Debatten prägten, macht ihren historischen Gehalt aus: Sie sind Produkte einer Übergangszeit und zugleich Werkzeuge ihrer Erklärung.
Locke entwirft ein Modell ziviler Koexistenz, das die Grenzen staatlicher Autorität gegenüber religiöser Praxis markiert und Gewissensfreiheit als Grundlage des Friedens begründet. Er argumentiert für wechselseitige Duldung unter Bürgerinnen und Bürgern, solange öffentliche Ordnung und bürgerliche Rechte gewahrt bleiben; der Ton ist sachlich und versöhnlich, mit Blick auf praktische Konfliktvermeidung.
Locke untersucht, wie der menschliche Geist Wissen erlangt, und entwickelt einen empiristischen Ansatz, wonach alle Ideen aus Erfahrung (Sinneswahrnehmung und Reflexion) stammen. Er analysiert die Zusammensetzung einfacher und komplexer Ideen, unterscheidet zwischen Eigenschaften der Dinge und unseren Vorstellungen und zieht Grenzen der Gewissheit, wodurch Raum für Wahrscheinlichkeit und Prüfung bleibt; der Stil ist analytisch und systematisch.
Die Schrift bündelt praktische Ratschläge zur moralischen, körperlichen und intellektuellen Erziehung, mit Schwerpunkt auf Charakterbildung, Selbstdisziplin und nützlichem Wissen. Locke empfiehlt maßvolle Führung, Gewöhnung statt Zwang und Lernen durch Erfahrung, angepasst an das Temperament des Kindes; der Ton ist pragmatisch und auf bürgerliche Lebenspraxis ausgerichtet.
Gemeinsam ist den Werken das Misstrauen gegenüber Dogmatismus und übergriffiger Autorität sowie das Vertrauen in vernünftige Abwägung, Erfahrung und Selbstprüfung. Wiederkehrend sind die Bestimmung von Grenzen—des Wissens, des Staates, der Erzieher—und die Betonung individueller Freiheit in geordneten Rahmen. Stilistisch dominieren Klarheit, nüchterne Argumentation und eine moderat-praktische Haltung.
Ihr Götter der Erden merkt auf und nehmt es Euch zu Herzen und zu Ohren, denn ich habe Gottes Wort an Euch!
Ihr sollt diejenigen sein, die den Weg des Herrn und das Recht Eures Gottes wissen? Ihr sollt ja erkennen und bedenken, was Euer Stand und Amt sei, was Gott von Euch fordert, worüber und wie weit sich Eure von Gott gegebene Macht, Gewalt und Herrschaft erstreckt. Ihr werdet es Euch ja zu Ruhm und Ehre erachten, im Geist der berühmtesten und glückseligsten Könige, Davids und Salomons zu stehen und zu wandeln, deren jener von sich bekennt, dass der Gerechte ihn schlagen solle und das werde ihm eine Wohltat sein, er solle ihn strafen und das werde ihm so wohl wie ein Balsam auf seinem Haupt. Dieser aber schreibt, es sei besser zu hören das Schelten des Weisen als den Gesang, die Schmeicheleien, Lobreden oder kurzweiligen Possen der Narren. Es trifft Eure und Eurer Staaten zeitliche und ewige Glückseligkeit an, davon man mit Euch reden will. Darum nehmt Euch wenigstens halb so viel Zeit wie Ihr in einer Komödie oder beim Spielen oder bei einer Mahlzeit verschwendet und lest und betrachtet in Euch selbst, was man Euch hier vorlegt! Und zwar umso mehr, weil es nicht von einem obskuren, sondern berühmten, nicht von einem vermeintlichen Phantasten, sondern von einem klugen und gelehrten Staatsmann her-kommt. John Locke (1632–1704), ein Engländer, hat sich durch sonderbare Gelehrsamkeit bei allen Gelehrten und durch Staatsklugheit und gute Führung bei seinem glorreichen König gesetzt, sodass er auch verschiedene wichtige Staatsbedienungen in England mit höchstem Vergnügen seines Königs und zu großem Nutzen seiner ruhmwürdigen Nation verwaltet, auch noch größere verwaltet haben würde, so ihn nicht seine Bescheidenheit und schwache Leibeskondition die-selben auszuschlagen bewogen. Das Traktat, das man Euch von ihm hier vor Augen legt, ist kurz, deutlich und durchdringend, und kann Euch völlig unterrichten von Eurer Pflicht und Macht in Religionssachen, damit Ihr nicht anstoßt, wider den Herrn Eure Arme erhebt und wider ihn und sein Werk streitend fallt und zugrunde geht. Da kein einziger Staat und Machthaber bestehen und glückselig sein kann, der durch ungerechte Staatsmaximen oder blinden Eifer sich dem Herrn, seinem Reich, Wort und Wahrheit trotzig entgegen-setzt, wie Euch solches unter anderen die Beispiele des Pharao, Saul, Jerobeam, Herodes, der Juden und der heidnischen römischen Kaiser zeigen werden. Denn der Herr lässt seine Gesalbten und Propheten nicht umsonst antasten noch ihnen Leid zufügen ohne es nachdrücklich zu ahnden. Er straft Könige um ihretwillen. Anstatt also die Tore Eurer Herzen, Ohren, Paläste und Länder zuzuschließen und zu verriegeln vor dem Herrn und vor seinen Knechten und deren Zeugnissen, wie bisher meistens geschehen, so tut jetzt was der Geist Gottes an Euch begehrt: Macht die Tore Eurer Herzen, Städte und Länder weit auf, vergrößert und erweitert die Türen und macht durch Eure gerechte Regierung Bahn, dass der König der Ehren mit seiner Wahrheit und mit dem Staat seiner Hausgenossen, welches die Armen, Elenden und Stillen im Land sind, da hineinziehen und darin wohnen möge und man also unter Eurem Schatten ein ruhiges und stilles Leben führen könne in aller Gottseligkeit von innen und in aller Ehrbarkeit von außen. So werdet Ihr alsdenn Gnade und Segen, Glück und Heil von dem König aller Könige und Herrn aller Herren über Euch und Eure Länder bringen. Gestattet Ihr, dass Gott, dem Himmel und Erde und allem, was darin ist, eigentümlich zugehört, sein Feuer und seinen Herd, das ist seine Wohnung und sein Reich in Eurem Herzen oder wenigstens in Euren von ihm zu Lehen tragenden Ländern haben möge. So werdet Ihr Frieden und alles Gute zu genießen haben und Eure Throne werden gefestigt werden.
Seht! Ihr erkennt und bekennt Euch ja als Amtleute, Diener und Haushalter des großen Gottes, so müsst Ihr ja gestehen, dass es Euch zukomme zu lernen und zu wissen, was Euch anvertraut und nicht anvertraut worden und dann zu sorgen, dass Ihr in dem, was Eures Amtes ist, möchtet treu und rechtschaffen gefunden werden, hingegen Euch dessen nicht anmaßen, was Euch nicht befohlen ist, damit Euer Zepter der Gerechtigkeit und nicht der Gottlosigkeit sei. So soll dann Eure Herrschaft und Regierung den Nutzen, die Ruhe und den äußerlichen Wohlstand Eurer Untertanen zum Zweck haben, Eure Gesetze sollen Gerechtigkeit, Zucht und Ehrbarkeit erhalten, Eure Gewalt und Strafen sollen den Frommen zu gut, den Bösen zum Schrecken und zur Besserung gereichen. Wo ist aber ja von Euch gefordert oder Euch anvertraut worden die Regierung, Verfügung, Macht und Gewalt über Gott, sein Reich, seine Kirche, seine Wahrheit, über das Gewissen, die Religion und Seligkeit der Menschen? Zu allen diesen Dingen schickt sich Euer Stand nicht, Eure Gesetze sind untauglich, Eure Macht unzulänglich. Hindern, aufhalten und verderben könnt Ihr wohl damit, so viel Euch Gott zulässt, aber nicht aufrichten, schützen, erhalten und befördern. Das ist nur ein Werk Gottes, der sein Reich, das nicht von dieser Welt ist, auch ohne die Welt und weltliche Mächte, wider alle Macht der Höllen erhalten kann und wird. Er begehrt nichts weiter an Euch, als dass Ihr nur nicht dagegen seid, sondern ihn frei handeln lassen sollt, damit werdet Ihr seinem Reich den größten Vorteil erweisen. Lasst Ihr Euch nun noch ferner hin durch Stolz und Übermut oder durch ungerechte Staatsmaximen oder durch blinden Eifer für die vermeintliche reiche Lehre und Kirche gelüsten und bewegen, Euch der Meisterschaften in Religions- und Gewissensdingen anzumaßen, die Wahrheit Gottes in Ungerechtigkeit aufzuhalten, die Zeugen und Knechte Gottes als Ketzer und schädliche Leute, wie sie Euch von Euren außerordentlichen Versammlungen und Euren nach dem Willen des Fleisches und der Welt gemachten lehrenden und lebenden Bauchdienern abgemalt werden, zu verfolgen, zu verjagen und zu plagen. So sei es Euch hiermit angekündigt, dass beide, Ihr und Eure Staaten, werdet verloren sein. Denn Jehova ist auf das Recht anzustellen und steht da die Völker zu richten. Ja, Jehova kommt zum Gericht gegen die Ältesten seines Volkes und gegen ihre Fürsten, denn Ihr habt den Weinberg verdorben. Ja gewiss des Herrn Tag naht, der da gehen wird über alles Hoffärtige und Hohe und über alles Erhabene, dass es geniedrigt werde, auch über alle hohen und erhabenen Zedern und über alle großen Eichen, über alle hohen Türme und über alle hohen Mauern, dass sich bücken müssen alle Hohen der Menschen und demütigen, was hohe Leute sind und der HERR allein hoch sei, und mit allen Götzen wird es ganz aus sein. Ja Ihr werdet in die Felshöhlen gehen und in der Erden Klüfte Euch verkriechen vor der Furcht des Herrn und vor seiner herrlichen Majestät, wenn er sich aufmachen wird zum Schrecken der Erde. Gott hat Euch wohl zu Göttern auf Erden gesetzt und von Euch gesagt: Ihr seid Götter und allzumal Söhne des Höchsten. Aber seht! Weil Ihr anstatt Götter also Erhalter und Glückseligmacher der Erde zu sein, Verderber der Erde mit Eurer missbrauchten Macht werdet und nichts als Last und Plage mit Eurer Üppigkeit, Hochmut und Grausamkeit macht, so spricht Er zu Euch, dass Ihr wie andere Menschen sterben werdet und obwohl Ihr vornehme Fürsten seid, dennoch wie einer von dem gemeinen Pöbel vor Ihm fallen und zugrunde gehen sollt. Der Herr hat ja noch Schrecken genug Euch solchen einzujagen, damit Ihr erkennt, dass Ihr elende sterbliche Menschen seid und der Herr noch Richter auf Erden sei, damit der Mensch, der von Staub ist, nicht mehr so trotze noch auf seine Gewalt poche. Wollt Ihr nun, gleichwie Euer geistlicher Stand (das Lehramt an und für sich selbst und auch die tüchtigen und treuen Haushalter Gottes, die noch darin sein mögen, unbescholten) schon der Leviathan, die krumme Schlange, wurde (denn der mein Brot, als mein Lehrer und Diener, isst, tritt mich mit Füßen, sagt Christus) also auch Ihr der Leviathan, die gerade Schlange, werden. Siehe! So hat der Herr ein großes, schweres und starkes Schwert gewetzt diesen Leviathan heimzusuchen, der nun in seinem geistlichen und weltlichen Stand eine gerade und krumme Schlange geworden ist, und ihm Kopf und Schwanz ab-zuhauen auf einen Tag. Denn was trotzig ist, kann der Herr wie den Pharao zerbrechen und was stolz ist, kann er wie den Nebukadezar demütigen. Denkt Ihr aber, Ihr dürft dieser Zeugnisse und der Kinder Gottes, die Euch zwar in diesem Namen und dieser Gestalt unbekannt und verborgen sind, weil ihr als Kinder der Welt, sie für Narren und Schwärmer haltet, lachen und spotten, ja wohl gar Euren Arm nach ihnen, wie dort Jerobeam als der Prophet wider seinen Altar rief, ausstrecken, so wisset, dass der im Himmel sitzt, auch Eurer lache und spotte und einst in seinem Zorn mit Euch reden und mit seinem Grimm Euch sodann nicht gleiches Gericht wie den Jerobeam treffe, dessen Arm verdorrte. Bedenkt selbst: dass Ihr nun den Frommen, die eines rechten und schlechten Wandels sind, zu gute und zu liebe Regenten seid, dass Ihr Hirten und Pfleger sein sollt aller Eurer Untertanen, und ihnen also Weide, Ruhe und Schutz gönnen und verschaffen, dass ihr Bäume sein sollt, die Schirm und Schatten geben. Wenn Ihr Euch nun selbst zu Dornen und Disteln macht, die nur stechen und beleidigen, wenn ihr Euch selbst zu grimmigen und räuberischen Wölfen und wie Nimrod zu gewaltigen Jägern macht, die nur jagen und plagen und die Leute als Bestien traktieren, was zeigt es anderes an, als dass Feuer und Schwert des Allmächtigen auf Euch warte. Ihr schreibt Euch zwar alle von Gottes Gnaden, aber Eure Werke zeigen an, dass Ihr von Gottes Ungnaden seid, als Herrscher, die eitel Heulen, Klage, Ach und Weh machen. So seht dann um Eures eigenen Heils willen zu, wie Eure Regierungen beschaffen und aus welchem Geist, auch nach welchen Gesetzen sie geführt werden. Vor allem vergreift Euch nicht weiter an dem Herrn und seinen Knechten und Kindern, setzt Euch nicht mit dem Antichrist in den Tempel Gottes und ordnet und handelt in Religions- und Gewissensdingen nicht Eures Gefallens oder nach Gewohnheit, Aufsätzen der Väter und tollen Urteilen der verkehrten falschen Propheten.
Von diesen Materien werdet Ihr nun in folgender kleinen Schrift des Herrn Locke vollkommenen Unterricht finden, bitte Euch also solchen Euch und Eueren Staaten, ja auch der Kirche, Gottes wohl zunutze zu machen. So lasst Euch denn zu-rechtweisen Ihr Könige, lasst Euch züchtigen Ihr Richter und Regenten auf Erden. Küsst den Sohn und huldigt ihm, dass er nicht zürne und Ihr um-kommt auf dem Weg der Ungerechtigkeit, denn sein Zorn wird bald anbrennen, aber wohl allen, die sich so verhalten, dass sie auf ihn trauen können und dürfen. Nun Gott werde bei Euch erhöht, Ihr Hohen der Erde!
Mein Herr!
Auf die von demselben mir vorgelegte Frage, was von der Toleranz oder Erduldung und Vertragung der Christen untereinander zu halten sei, antwortete ich kürzlich, dass mir selbige das vornehmste Kennzeichen der wahren Kirche zu sein scheine. Denn was auch andere immer rühmen mögen von Autorität und Ansehen des Altertums, Namens und Ortes oder von der Zierde und Vortrefflichkeit ihres Gottesdienstes, andere von Reformation und Verbesserung der Kirchenzucht und Ordnung – alle insgesamt aber von dem orthodoxen Glauben, das ist von den rechten und wahren Meinungen (denn ein jeder ist sich selber orthodox und rechtgläubig) – alles dieses und dergleichen mag vielmehr ein Kennzeichen einiger um den Vorzug und die Oberherrschaft streitenden Menschen als der Kirche Christi sein. Weil, wenngleich einer alle dergleichen Dinge wahrhaftig besitzt, dabei aber ohne Liebe ist, ohne Sanftmut, ohne Milde und ohne Gutherzigkeit gegen alle Menschen insgesamt, geschweige solche, die doch den christlichen Glauben eben auch bekennen, so ist er gewiss noch nicht einmal ein Christ. Die weltlichen Könige herrschen usw. ihr aber nicht also, sagt der Heiland, dessen Königreich nicht von dieser Welt ist, zu den Seinigen Lk 22. Hat es also mit der wahren Religion und Kirche eine ganz andere Art und Beschaffenheit, welche nicht zu einem äußerlichen Pomp und Pracht, nicht zu einer kirchlichen Herrschaft und Regierung, endlich gar nicht zur Gewalt leitet und führt, sondern bloß sein Leben recht und gottselig anzustellen und zu führen. Wer ein Streiter Jesu Christi in seiner Kirche sein will, muss zuallererst den Hochmut und die Wollust seiner eigenen Laster bekämpfen. Anders wird er ohne Heiligkeit des Lebens, Ehrbarkeit der Sitten, Güte und Milde des Gemüts, sich des christlichen Namens vergeblich anmaßen. Wenn du erst bekehrt bist, so stärke und bekehre nachher deine Brüder, sagt dort Christus zu Petrus Lk 22. Denn schwerlich wird derjenige, der seine eigene Seligkeit nicht mit Ernst und Eifer wahrnimmt, einen anderen bereden, dass er sich dessen Heil sorgfältigst angelegen sein lasse. Niemand kann mit Wahrheit und aus redlicher Absicht seine Mühe und Kräfte dahin anwenden, andere zu Christen zu machen, der die Religion Christi selbst noch nicht mit seinem Herzen und Gemüt wahrhaftig angenommen noch mit seinem Leben, seinen Werken und seinem Wandel profitiert und bekennt. Da, so wir dem Evangelium und den Aposteln glauben, ohne die Liebe, ohne den Glauben, der durch die Liebe, nicht aber durch Zwang und Gewalt tätig und wirkend ist, niemand ein Christ sein kann. Ob nun diejenigen, die unter Vorwand der Religion andere plagen, peinigen, berauben, verjagen, würgen usw. solches aus einem freundlichen liebreichen Herzen tun? Will ich sie hiermit auf ihr Gewissen gefragt haben, will es auch alsdenn glauben, wenn ich solche Eiferer auf gleiche Art und Manier ihre Freunden und Verwandten, die offenbar wider die Regeln des Evangeliums handeln, werde bestrafen und bessern sehen, und wenn ich wahrnehme, dass sie ihre Religionsgenossen und Anhänger, die in allen Lastern und fleischlichen Wesen stecken, hinfolglich ohne Änderung und Besserung auch ganz gewiss verloren gehen, ebenfalls mit Feuer und Schwert zurechtzubringen suchen, und also auch diesen die Liebe und Begierde zu ihrer Seligkeit mit allerlei Arten der Grausamkeit und Marter beweisen werden. Denn so sie, ihrem Vorgeben nach, aus Liebe und Eifer für der Seelen Wohlfahrt und Erhaltung die zeitliche Glückseligkeit und Güter einem rauben, den Körper mit Gefängnis, Pein und Qual martern, ja gar das Leben nehmen, um gläubig und selig zu machen, warum können sie dann Hurerei, Geiz, Betrug, Schalkheit und andere offenbar heidnischen Laster nach dem Zeugnis des Apostels Röm 2 unter den Ihrigen, ohne dergleichen Strenge und Schärfe zu gebrauchen, allgemein verbreitet sein gehen lassen? Da doch solche und dergleichen Dinge der Ehre Gottes, der Reinigkeit der Kirche und dem ewigen Heil der Seelen mehr schädlich und zuwider sind, als ein Irrtum des Gewissens den kirchlichen Schlüssen und Satzungen zuwiderläuft oder ein Fehler und Mangel im äußeren Gottesdienst, bei welchem sich jedoch eine Unschuld des Lebens und Wandels findet. Warum ist dieser für Gott, für die Kirche, für das Heil der Seelen bis zur lebendigen Verbrennung entbrannte Eifer in Bestrafung und Verbesserung solcher Sünden und Laster, die, wie alle einstimmen, der Prozession und dem Bekenntnis des Christentums gerade entgegen sind, so kalt und erfroren? Und lässt seine Hitze und Kräfte nur daran aus, eine andere subtile Opinion oder Meinung, davon der gemeine Mann nichts versteht, zu widerlegen oder festzusetzen und diese oder jene Zeremonie aufzudringen? Welche unter den beiden widrigen und über solchen Dingen streitenden Parteien richtig liegt und recht habe, welche einer Spaltung oder Ketzerei zu beschuldigen sei, ob die obenliegende oder unterliegende Partei? Das muss alsdenn erst klar werden, wenn die Bewegursache der Absonderung untersucht wird. Denn wer Christus nachfolgt, seine Lehre an- und sein Joch auf sich nimmt, derselbige ist kein Ketzer, obgleich er Vater und Mutter, väterliche Weisen und Satzungen, öffentliche Versammlungen und Haufen dieser oder jener Menschen verlässt.
Sind Sekten und Trennungen dem Heil der Seelen so schädlich, so sind Ehebruch, Hurerei, Unreinheit, Geiz, Bilderabgöttterei und dergleichen nicht minder Werke des Fleisches, von welchen der Apostel Paulus ausdrücklich schreibt, dass die solche Dinge tun, das Reich Gottes nicht ererben werden Gal 5. Wären also diese mit nicht geringerem Fleiß, Schärfe und Eifer zu tilgen und auszurotten als die Ketzereien und Sekten, wo einer um das Reich Gottes ernstlich und wahrhaftig bekümmert sein wollte, und es als seinen Beruf erachtete, sich dessen Ausbreitung und Beförderung zu widmen. Handelt er aber anders, und bezeigt sich gegen die Andersglaubende hart und feindselig, schont hingegen und verfährt mild mit den Gottlosen, Sündern und Lasterhaften seiner Partei, die doch des christlichen Namens allerdings unwürdig sind, so zeigt er damit öffentlich an, dass er, obwohl er ein großes Geschrei und Wesens von der Kirche macht, ein anderes als Gottes Reich suche.
Wäre jemand, der eines anderen Seelenheil so eifrig suchte und wünschte, dass er ihn auch durch allerhand Marter noch unbekehrt in die andere Welt zu schicken gedächte, so werde ich, und andere mit mir, mich höchlich darüber verwundern müssen, weil niemand irgendwo wird glauben können, dass ein solches aus Liebe, Erbarmung und gutgeneigten Herzen herrühre. Gewiss so die Menschen mit Feuer und Schwert, Gefängnis und Strafen zu Annehmung gewisser Lehren zu bringen und zu einem äußerlichen Gottesdienst zu zwingen sind. Da indessen von deren Leben und Sitten weiter keine Frage ist: So einer die Ketzer und Irrgläubigen also zum Glauben bekehrt, dass er sie zwingt dasjenige zu bekennen, was sie doch im Herzen nicht glauben noch für wahr halten, im Übrigen aber ihnen gestattet solche Dinge zu tun, die das Evangelium keinem Christen und ein wahrer Gläubiger sich selbst nicht erlaubt. Von dem ist es wohl gewiss, dass er einen großen Anhang und gleiches mit ihm bekennenden Haufen suche, dass er aber damit Christus eine Gemeinde und Kirche zu sammeln gedächte, wer wird das glauben können? Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass solche sich keiner christlichen Waffen bedienen, da sie, was sie auch vorgeben, nicht für die wahre Religion und Kirche Christi streiten. Wären sie, wie der Herzog unseres Heils, in Wahrheit nach der Seelenerhaltung begierig, so würden sie in seine Fußstapfen treten und seinem besten Beispiel nachahmen, er als ein Friedensfürst, seine Diener und Trabanten nicht mit Büchsen und Degen noch mit jeglicher menschlichen Gewalt bewaffnet, sondern sie mit dem Evangelium, mit der Botschaft des Friedens, mit heiligem Leben und Beispiel ausgerüstet und gesandt, die Heiden zum Gehorsam des Glaubens zu bringen und in die Kirche zu versammeln. Da er doch ganze Legionen himmlischer Heerscharen zu seinem Dienst noch besser hätte brauchen können als jetzt irgendein weltlicher Machthaber seine Scharen und Truppen (der Leibes- und Seelenmörder, gottloser Soldaten und Pfaffen), wenn die Ungläubigen mit Waffen zu bekehren, die Blinden durch Soldaten von dem Irrweg zurückzurufen und die Widerspenstigen durch Gewalt zu beugen wären. Die Toleranz und Erduldung derjenigen, so in Religionsmeinungen und Übungen von uns abgehen, ist der gesunden Vernunft und dem Evangelium so gemäß, dass man es als etwas Monströses ansehen muss, wie doch die Leute bei so hellem und klarem Licht noch immer so blind sein können. Ich will hier nicht der einen Hochmut und Stolz, noch der anderen Ungestüm und heftigen lieblosen Eifer beschuldigen und ausschelten, denn dergleichen Gebrechen sind bei menschlichen Handlungen fast unabsonderlich, dabei aber so beschaffen, dass niemand sich derselben will beschuldigen lassen. Ein jeder der davon eingenommen und getrieben ist, sucht gleichwohl selbige mit einem anderen Schein und guter Gestalt zu bemänteln, dass sie für etwas Lobwürdiges durchgehen möchten. Doch damit niemand die Staats-und Reichsgesetze und die Wohlfahrt der Republik zum Vorwand und Deckmantel seiner unchristlichen Grausamkeit und Wüterei nehmen, andere hingegen unter Prätext und Namen der Religion sich nicht eine ungezäumte und unziemende Freiheit zu leben und zu sündigen herausnehmen mögen, oder damit niemand unter dem Namen eines treuen Untertanen und Dieners des Fürsten noch unter dem Namen eines treuen Gottesdieners sich und andere bekriege,1 so lasst uns hier vor allen Dingen unter Zivil- und Religionssachen, unter bürgerlichen und Gewissensdingen genauen Unterschied machen, und die Grenzen zwischen der Kirche und der Republik deutlich beschreiben. Denn wo dieses nicht geschieht und in Acht genommen wird, kann den Zänkereien weder Maß noch Ziel unter denen gesetzt werden, welche um die Wohlfahrt der Seelen oder der Republik entweder ernstlich und wahrhaftig besorgt und beschäftigt sind, oder es doch zu sein vorgeben.
Ein Staat oder eine Republik scheint mir eine solche Gesellschaft der Menschen zu sein, die sich nur darum und dahin zusammen verbunden haben, um die bürgerliche Glückseligkeit zu erhalten und zu befördern.
Bürgerliche Glückseligkeit nenne ich: Leben, Freiheit, Frieden, Gesundheit und Schutz des Leibes und Besitz aller zeitlichen Dinge[1q]. die zu diesem irdischen Leben gehören wie Haus, Hof, Geld, Hausrat und dergleichen.
Nun dann einen rechtmäßigen und geruhsamen Besitz und den Genuss solcher zum Wohl des äußerlichen Lebens gehöriger Dinge dem ganzen Volk und einem jeden Untertanen zu verschaffen, zu erhalten und zu befördern, das ist es, was der weltlichen Obrigkeit Amt und Pflicht ist2 und zu welchem Zweck sie Gesetze und Ordnungen allen und jedem vorschreiben kann, und wenn solche jemand mutwilliger Weise wider Recht und Billigkeit zu übertreten sich unterstehen wollte, so muss die Drohung und Furcht der Strafe dessen Kühnheit zurückhalten, welche Strafe dann entweder in gänzlicher Verlierung und Wegnahme oder doch in Verminderung solcher Güter und zeitlichen Glückseligkeiten besteht, die er sonst hätte genießen können und sollen. Weil aber niemand gerne und freiwillig einen Teil seiner Güter und zeitlichen Glückseligkeiten, viel weniger Freiheit und Leben zur Strafe hingibt und verliert, so ist eben darum die Obrigkeit und Gewalt bewaffnet, nämlich mit den Kräften und dem Beistand aller übrigen Untertanen, um solche Strafen, denen, die eines anderen Recht kränken und Gewalt üben, nach Verdienst aufzulegen.
Dass nun das ganze Amt und Recht weltlicher Obrigkeit nur über gedachte bürgerliche Güter gehe und alle bürgerliche Gewalt, Herrschaft und Regierung bloß und allein auf deren Beobachtung und Beförderung sich erstrecke, keineswegs aber bis zur ewigen Seligkeit und Wohlfahrt der Seelen zu erweitern und auszuspannen sei, solches scheinen mir nachfolgende Gründe zu erweisen.
1. Weil der weltlichen Obrigkeit nirgends eine speziellere und größere Sorgfalt für die Seelen3 anbefohlen ist als anderen Menschen und zwar erstlich, nicht von Gott, weil man nirgends findet, dass Gott eine solche Macht und Gewalt einem Menschen über und gegen andere gegeben, dass sie andere zur Annahme ihrer Religion sollten zwingen können und dürfen. Anders kann auch von den Menschen selbst der Obrigkeit keine solche Gewalt aufgetragen und übergeben werden, weil sich niemand der Sorgfalt um seine eigene Seligkeit dergestalt begeben kann, dass er schlechthin eines anderen Vorschrift im Glauben und Gottesdienst notwendig folgen wollte, denn niemand kann schlechterdings nach eines anderes Meinung glauben, ob er schon gern wollte. In dem inneren Glauben aber besteht die ganze Kraft und der Kern der wahren und selig machenden Religion. Indem, was einer auch mit dem Mund bekennt und in äußerlichen Gottesdiensten verrichtet, wo er nicht davon in seinem Herzen gänzlich überzeugt ist, dass es recht, gut und gottgefällig sei, so nützt es ihm nicht nur nichts zur Seligkeit, sondern es schadet ihm auch noch dazu.4 Da auf diese Weise zu den anderen Sünden, deren Versöhnung man durch die Religion sucht, noch hinzu-getan wird die Vortäuschung der Religion selbst und die Verachtung Gottes, indem du Gott einen solchen Dienst leistest von dem du doch glaubst, dass er ihm missfalle.
2. Die Sorgfalt und Aufsicht der Seelen kann weltlicher Obrigkeit nicht zugehören, weil deren Macht und Gewalt bloß in einem äußerlichen Zwang besteht. Da nun die wahre und selig machende Religion den innersten Herzensgrund und Glauben erfordert, als ohne welche nichts vor Gott gilt das menschliche Gemüt und Verstand aber von solcher Natur und Art ist, dass ihm keine äußerlichen Gesetze können aufgelegt noch er durch äußerliche Gewalt gezwungen werden, anders zu erkennen und zu urteilen, als er für sich selbst erkennt und urteilt, noch anders zu wollen, als er von selbst will, so mag man dann einem die Güter hin-wegnehmen oder den Leib mit Gefängnis und allerlei Marter belegen, wird es doch alles umsonst sein, mit dergleichen Torturen die Meinung und Urteil des Gemüts zu verändern.
Sprichst du: Doch kann die Obrigkeit Grund und Beweis brauchen und damit die Irrigen auf den Weg der Wahrheit bringen und also selig machen.
Wohl! Alles dieses hat die Obrigkeit mit allen anderen Menschen gemein, so sie lehrt, unterweist, mit Beweisgründen die Irrenden zurückruft, so tut sie freilich was einem gütigen und Gutes für seinen Nächsten suchenden Mann zusteht. Es ist aber darum nicht Not, dass die Obrigkeit die Person, Natur und Pflicht eines Menschen und Christen von sich werfe.5 Also ist ein anderes Bereden, ein anderes Befehlen, ein anderes mit Beweisgründen und ein anderes mit Gesetzen und Edikten Handeln, dieses ist ein Werk der weltlichen Macht, jenes der menschlichen Gutwilligkeit. Denn es steht einem jeden Menschen frei einen anderen zu ermahnen, zu bewegen, des Irrtums zu überzeugen und mit guten Gründen auf seine Meinung zu bringen suchen. Aber mit Gesetzen gebieten und mit Strafen zwingen, gehört bloß und allein weltlicher Obrigkeit zu und ist nur in weltlichen und bürgerlichen Sachen zu praktizieren. Und das ist es nun, was ich sage, nämlich dass die Obrigkeit nicht könne noch solle Glaubensartikel und Lehren noch Art und Weise Gott zu dienen mit Gesetzen und Befehlen aufdringen. Denn ohne dazu gesetzte Strafen und Drohungen verlieren die Gesetze ihre Autorität und Kraft, setzt man aber Strafen darauf, so sind sie ganz gewiss unnütz und überzeugen oder bereden nicht, weil einer, ehe er eine Lehre oder einen Gottesdienst annimmt, zuvor von Herzen glauben muss, dass die Lehre wahrhaftig und der Dienst Gott angenehm und gefällig sei. Zwang und Strafen also sind weder geschickt noch vermögend eine solche Überzeugung einem zu geben[2q]. Ein helleres Licht, größere Einsicht und Erkenntnis tut es allein, die Meinung und Urteil des Gemüts zu ändern, welche aber durch Leibesstrafen gar nicht gegeben noch zuwege gebracht werden.6
3. Die Aufsicht und Inachtnahme der Seelen kann keineswegs weltlicher Obrigkeit zugehören, weil, gesetzt auch, dass die Autorität der Gesetze, Zwang und Strafen tüchtig und vermögend wären, die Gemüter der Menschen zu bekehren, solches dennoch nichts zur Seligkeit der Untertanen helfen würde. Weil, da nur eine einzige wahre Religion sein kann, und ein einziger Weg, der zum Leben führt, was könnte man für Hoffnung haben, dass der größte Teil der Menschen dazu gelangen würde, wenn es also um sie stünde, dass ein jeder seine eigene Vernunft und das Zeugnis seines Gewissens hintansetzen und nur blindlings seines Fürsten Glauben annehmen, auch Gott auf eine solche Weise dienen müsste, wie es in den Gesetzen des Vaterlandes und dessen hergebrachten Gewohnheiten gesetzt ist? Bei so mancherlei gegeneinanderlaufenden Meinungen der Fürsten und Obrigkeiten dieser Welt in Religionsdingen würde es notwendig folgen, dass jener schmale Steg und enge Pforte. die gen Himmel führen, den allerwenigsten, ja gar nur in einem einzigen Land offen stünden, und dass also die ewige Seligkeit oder Verdammnis bloß auf das Glück und Schicksal unserer leiblichen Geburt ankäme und davon ab-hingen, welches doch höchst absurd und unrecht ist von der Weisheit und Güte Gottes zu denken.
Das bisher Angeführte dünkt mir unter vielen anderen, so man noch hätte beibringen können, genügsam zu sein zu erweisen, dass alle Gewalt eines Staates nur über weltliche und bürgerliche Güter gehe und sich nicht weiter als auf Beobachtung der Dinge dieser Welt erstrecke, keineswegs aber dasjenige angehe, was zum künftigen Leben gehört.
Lasst uns nun betrachten, was der Kirche gebührte und zukomme. Die Kirche scheint mir eine freiwillige Sozietät oder Gesellschaft solcher Leute zu sein, die sich aus freien Stücken zusammen vereinigen, Gott auf eine solche Weise öffentlich zu dienen, wie sie glauben, dass es Gott gefällig und zu ihrer Seelen Heil dienlich sei.
Ich sage: Eine Kirche sei eine freie und freiwillige Gesellschaft. Niemand wird als ein Mitglied einer Kirche geboren, denn sonst käme die Religion der Väter und der Vorfahren zugleich mit den zeitlichen Gütern erblich auf uns und ein jeder hätte seinen Glauben seiner Geburt und seinen Eltern zu danken, welches höchst absurd und närrisch zu denken ist. Verhält sich demnach die Sache hierin also: Ein Mensch steht und gehört der Natur nach in keine Kirche, ist auch keiner Sekte eigen und zugetan, begibt sich aber nachmals freiwillig in diejenige Gemeinde und Gesellschaft, in der er die rechte Religion und gottgefälligen Dienst gefunden zu haben glaubt. Wie nun die geschöpfte Hoffnung seine Seligkeit darin zu schaffen einzig und allein die Ursache seines Eingangs in die Kirche gewesen, also bleibt sie auch das Maß und Ziel seines Verharrens darin. Sobald er nun etwas findet, das ihm entweder in der Lehre falsch oder im Gottesdienst ungereimt scheint, so folgt, dass so frei es ihm gestanden hineinzugehen, so frei muss es ihm auch stehen, sich wieder darauszubegeben. Weil kein anderes Band und keine andere Verbindung der Kirche mit dem Glied ist als nur die gewisse Hoffnung und Erwartung des ewigen Lebens. Aus solchen freiwillig zu solchem Endzweck sich vereinigenden Gliedern entsteht und erwächst nun eine Kirche.
Nun müssen wir untersuchen, welches ihre Gewalt sei und welchen Gesetzen sie unterworfen ist.
Nachdem keine einzige, obwohl freie, auch nur um geringer Ursachen willen angestellte Gesellschaft (sie sei nun von gelehrten Personen der Gelehrtheit halber oder von Kaufleuten der Handelschaft wegen oder auch von müßigen Menschen zur Lust und Kurzweil angestellt worden) bestehen kann, sondern sich sogleich wieder trennen muss, wenn sie ohne einige Gesetze, Verfassungen und Ordnungen sich befindet. Also ist es notwendig, dass die kirchliche Gesellschaft auch dergleichen habe. Da müssen denn eine gewisse Zeit und ein Ort der Zusammenkunft ausgemacht und bestimmt, auch gewisse Bedingungen gesetzt werden, nach welchen einer in die Gesellschaft entweder soll aufgenommen oder davon ausgeschlossen werden. Endlich muss man gewisse Ämter und Bedienungen, auch sonst eine Ordnung in allen Stücken anrichten und was dergleichen mehr ist. Weil nun die Zusammenvereinigung, wie erwiesen worden, ganz freiwillig und ohne alle zwingende Gewalt geschieht, so folgt daraus notwendig, dass das Recht Gesetze zu machen niemandem zustehe als der Sozietät selbst oder (welches auf eines hinausläuft) denen, welchen es die Sozietät überlassen und mit sämtlicher Zulassung und Genehmigung aufgetragen.
Doch du wirst etwa sagen, es könne keine wahre Kirche sein, wo sie nicht eines Bischof oder Ältesten das Amt habe, der mit der Autorität zu regieren versehen und von den Aposteln an durch beständige und ununterbrochene Nachfolge sei fortgeführt worden.
Aber ich frage erstlich, wo das Edikt zu finden, darin Christus ein solches Gesetz seiner Kirche gegeben, und ist es nicht umsonst, dass ich in einer so wichtigen Sache klare Worte fordere, was folgender Spruch ganz ein anderes dartut: Wo ihrer zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen. Kann derjenigen Versammlung, darin Christus zugegen ist, etwas mangeln, dass sie nicht die wahre Kirche sein sollte? Erwäge solches selbst! Gewiss, nichts kann da fehlen, das zum Heil nötig ist. Und dieses ist hierzu genug.
Zum andern, stelle dir doch vor und siehe, wie diejenigen, die da also von Christus eingesetzte Regierer der Kirchen und deren beständige Nachfolge und Fortwehrung haben wollen, selbst gleich anfangs bei der Wahl miteinander über der Person etwa strittig werden möchten. Dieser Streit erlaubt notwendig die Freiheit zu wählen, nämlich, dass es einem jeden freistehe, sich zu derjenigen Kirche und Partei zu schlagen und zu halten, die er der anderen vorzieht.
Drittens. So magst du dir immer ein solches Haupt und solchen Regierer, den du für nötig und bestellt hältst, dir vorsetzen. Wenn ich mich aber indessen zu einer anderen Gesellschaft fügen soll, darin ich dasjenige anzutreffen glaube, was zum Heil der Seele nötig ist, so bleibt abermals die kirchliche Freiheit einem jeden gelassen und hat keiner von uns einen anderen Gesetzgeber, als welchen er sich selber erwählt und sich ihm unterwirft.
Weil du aber um die wahre Kirche so sehr bekümmert bist, will ich hier nur im Vorbeigehen fragen: Ob es nicht der wahren Kirche Christi mehr gezieme und besser anstehe, nur solche Bedingungen, Gesetze und Ordnungen ihrer Gemeinschaft zu haben, welche nur allein dasjenige in sich halten und begreifen, welches der Heilige Geist in Heiliger Schrift mit klaren und deutlichen Worten zur Seligkeit nötig zu sein gelehrt, als dass man seine eigene Erfindungen und Erklärungen als einen göttlichen Ausspruch und ein göttliches Gesetz aufdringen und als zum Wesen und zur Bekenntnis des Christentums höchst nötig, durch Kirchengesetze bekräftigen will, davon doch die hinterbliebenen göttliche Zeugnisse entweder gar nichts oder doch nichts Gewisses gesetzt oder ausgemacht haben? Wer zur kirchlichen Gemeinschaft solche Dinge erfordert, die doch Christus nicht zum ewigen Leben fordert, derselbe mag wohl für seine Meinung und seinen Nutzen eine Kirche und Gesellschaft versammelt haben.
Aber wie kann man solche die Kirche Christi nennen, da sie doch auf anderen Gesetzen und Ordnungen beruht und daraus diejenigen ausgeschlossen werden, die doch einst Christus in sein Himmelreich zu sich nehmen wird.7 Doch weil wir die Kennzeichen der wahren Kirche hier nicht auszumachen haben, so will ich nur denjenigen, die für die Satzungen ihrer Seele so heftig streiten und mit dem Namen der Kirche gleicherweise und vielleicht aus eben dem Trieb, wie dort die Ephesische Goldschmiede mit ihrer Diana (Akt 19) so viel Lärmens und Wesens machen, dieses einzige zu Gemüt führen, dass nämlich das Evangelium hin und wieder bezeugt, das wahre Jünger Christi allezeit Verfolgungen zu erwarten und zu erdulden haben. Dass aber die wahre Kirche Christi andere verfolgen und plagen oder mit Gewalt, Feuer und Schwert zur Annahme ihres Glaubens zwingen sollte, kann ich mich nicht entsinnen irgendwo im Neuen Testament gelesen zu haben. Der Endzweck einer Religionssozietät oder kirchlichen Gesellschaft ist, wie schon gesagt, der öffentliche Gottesdienst und die dadurch gesuchte Erlangung des ewigen Lebens. Danach muss nun die ganze Kirchenverfassung und -ordnung gerichtet und alle Kirchengesetze danach abgefasst und eingeschränkt werden. Nichts wird noch kann von zeitlichen und irdischen Gütern in dieser Gesellschaft gehandelt werden. Hier ist keine äußerliche Gewalt um keinerlei Ursache willen zu gebrauchen, als welche alle weltlicher Obrigkeit zugehört, wie denn auch der Besitz und die Haushaltung der äußerlichen Güter unter ihrer Gewalt und Verfügung steht.
Sprichst du: Was wird aber den Kirchengesetzen Kraft, Autorität und Nachdruck geben, um gehalten zu werden, wenn kein Zwang und Gewalt dabei sein solle?
Antworte ich: Nichts sonst als dasjenige, was zu solchen Dingen sich schickt, deren äußerliche Bekenntnis und Beobachtung nichts gilt noch nutzt, wo sie nicht dem Gemüt tief eingeprägt sind und vollkommen das Gewissen überzeugen, fesseln und bewegen. Das sind die Waffen und Fesseln dieser Gesellschaft, dadurch deren Glieder zu Beobachtung ihrer Pflicht und Schuldigkeit zu bringen und dabei zu erhalten.8 Wo die Verbrecher dadurch nicht gebessert noch die Irrenden zurechtgebracht werden können, ist alsdenn nichts weiter übrig, als dass man die Widerspenstigen und Hartnäckigsten, die keine Hoffnung der Besserung von sich spüren lassen, gänzlich von der Gesellschaft absondere und ausschließe. Dieses ist die letzte und höchste Gewalt9 der kirchlichen Macht, die keine andere Strafe auf sich hat und mit sich bringt, als dass nach aufhörender Gemeinschaft zwischen dem Leib und dem abgeschnittenen Glied, der Verurteilte aufhört ein Teil von selbiger Kirche zu sein.
Nachdem wir bisher dieses ausgemacht, müssen wir nun ferner untersuchen, was bei der Toleranz und Vertragung eines jeden Teils Pflicht und Schuldigkeit sei?
Zum 1. sage ich, dass keine Kirche verbunden sei, denjenigen unter Vorwand gerechtfertigter Toleranz unter sich als ein Glied zu halten und zu leiden, der nach ein- und andermal vorher geschehener Erinnerung freventlich gegen die anfänglich aufgerichteten Gesetze der Gesellschaft handelt. Denn wo es einem frei und ungestraft erlaubt ist dagegen zu handeln und diese Gesetze zu übertreten, so ist es um die Sozietät geschehen, welche alsdenn entweder eine ganz andere Art und Gestalt gewinnen oder zugrunde gehen muss: weil ja die Gesetze und Ordnungen beides die Bedingungen und Gegenstände der Gemeinschaft als auch das Band der Gesellschaft sind. Doch muss man sich hüten, dass zur Exkommunikation oder Ausstoßung aus der Gemeinde, weder Schmähworte noch andere Gewalttätigkeiten hinzugefügt und ausgeübt werden, dadurch entweder der Leib oder die Güter oder der bürgerlich-ehrliche Name des Verbannten verletzt werden. Denn alle äußerliche Gewalt gehört, wie schon gedacht, weltlicher Obrigkeit zu und es ist keiner Privatperson erlaubt, sich solcher zu gebrauchen als nur im Fall der Notwehr, da man unrechtmäßig angetane Gewalt mit Gegengewalt abtreibt. Die Exkommunikation, oder der Kirchenbann, kann und soll einem an seinen bürgerlichen Gütern, die er sonst als ein Untertan und Glied des Staates und nicht als Glied der Kirche besitzt, nicht das Geringste schaden und nehmen. Denn selbige gehören einem zu als Bürger und als ein Mitglied des Staates und stehen unter obrigkeitlichem Schutz und Herrschaft. Alle Wirkung des Banns muss ganz und allein darin bestehen, dass nach vorgelegtem Willen der Sozietät oder Kirche, die Vereinigung und Gemeinschaft zwischen einem Glied und dem übrigen Körper aufgelöst und aufgehoben wird. Nach deren Aufhebung freilich auch notwendig die Teilhabung und der Genuss einiger Dinge aufhören muss, die die Sozietät ihren Gliedern zu genießen gibt, und zu welchen niemand sonst ein Bürgerrecht oder einen Anspruch hat. Denn einem Ex-kommunizierten geschieht damit keine Zivilinjurie, wenn ein Diener der Kirchen ihm bei Begehung des Abendmahls nicht das Brot und den Wein darreicht, das nicht für das Geld der Verbannten, sondern der Kirche angeschafft wird.
Zum 2. Niemand soll und darf eines anderen bürgerliche Güter und Gerechtigkeiten darum anfal-len und schwächen, weil jener sich zu einer anderen Religion und einem anderen Gottesdienst bekennt. Alle so menschliche als bürgerliche Rechte müssen ihm bleiben und er dabei erhalten werden. Denn diese laufen nicht in den Bezirk der Religion: Es mag einer ein Christ oder Heide sein, muss man ihm keine Gewalt noch Unrecht tun, das Maß der Gerechtigkeit muss ebenfalls gegen ihn mit den Pflichten und Werken der allgemeinen Liebe und Gutherzigkeit gehäuft werden. Dieses befiehlt das Evangelium: Dieses bezeugt einem die gesunde Vernunft und die Art der gemeinschaftlichen Sozietäten der Menschen, welche sie durch Trieb und Anleitung der Natur ausgerichtet. Irrt einer vom rechten Weg des Lebens ab, so ist der Schaden und das Elend davon sein, dir aber geht damit nichts ab, musst ihn also um die Güter dieses Lebens nicht darum bringen, weil du meinst, dass er in jener Welt verloren sein werde.
Was ich bis hierher von Vertragung eines jeden Menschen besonders gegen andere, die der Religion nach unterschieden, gesagt, das will ich auch von einzelnen Kirchgemeinden gesagt haben, die sich hierin gegeneinander wie Privatpersonen verhalten und keine über die andere ein Recht und eine Herrschaft hat, auch nicht einmal alsdenn, wenn die weltliche Obrigkeit, wie es geschehen kann, sich zu der einen oder anderen Kirche bekennt und hält. Denn der Staat kann der Kirche kein neues und größeres Recht geben, wie hinwiederum die Kirche dem Staat auch nicht. Denn die Kirche, es mag nun die Obrigkeit darbeibleiben, oder sie verlassen, bleibt einmal wie das andere eine freie und freiwillige Sozietät und bekommt oder verliert durch Unterstützung oder Entziehung des obrigkeitlichen Arms keineswegs die Macht, die sie vorher gehabt, zu lehren und die Kirchenzucht und Bann bei ihren Gliedern auszuüben. Das ist ein ewiges und unveränderliches Recht einer freiwilligen Sozietät, dass sie von den Ihrigen, welche sie will, ausschließen kann. Aber über andere außerhalb ihrer Gemeinschaft lebenden Personen bekommt sie kein Recht und Macht dadurch, dass die obrigkeitlichen Personen zu ihrer Gemeinschaft treten. Deshalb sollte Frieden, Rechtmäßigkeit und Freundschaft unter verschiedenen Kirchgemeinden wie unter Privatpersonen, ohne einigen Vorzug und Vorrecht allezeit und gleich gepflogen werden.
