Gewinne der Götter Gunst - Malachy Hyde - E-Book
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Gewinne der Götter Gunst E-Book

Malachy Hyde

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Beschreibung

Das clevere Ermittler-Trio und die Wahrsagerin: Der historische Krimi »Gewinne der Götter Gunst« von Malachy Hyde jetzt als eBook bei dotbooks. Nichts als Ärger mit den Frauen … Pergamon im Jahre 38 vor Christus: Silvanus Rhodius hat die Nase voll! Seine alles andere als liebevolle Gattin zeigt sich besonders kratzbürstig – und die schöne Wahrsagerin Senophrata, auf die er heimlich ein Auge geworfen hat, wird verdächtigt, eine hinterhältige Mörderin zu sein. Aber warum sollte ausgerechnet sie den reichen Gerber Sciron mit schwarzer Magie ums Leben gebracht haben? Gemeinsam mit seinen schlauen Freundinnen Laelia und Illica beginnt Silvanus, nach dem wahren Täter zu suchen – und ahnt nicht, in welches Natternnest er dabei sticht … »Wunderbar lebendig, nicht zuletzt dank des erfrischend dekadenten Ermittlers, der sich lieber im Thermalbad massieren lässt, als einem blutdürstigen Mörder nachzustellen.« Rheinische Post Jetzt als eBook kaufen und genießen: »Gewinne der Götter Gunst« von Malachy Hyde ist der vierte historische Kriminalroman um Silvanus Rhodius, den Hercule Poirot der Antike, und seine überaus schlauen Partnerinnen Illica und Laelia; jeder Band der Serie kann unabhängig von den anderen genossen werden. Wer liest, hat mehr vom Leben! dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 629

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Über dieses Buch:

Nichts als Ärger mit den Frauen … Pergamon im Jahre 38 vor Christus: Silvanus Rhodius hat die Nase voll! Seine alles andere als liebevolle Gattin zeigt sich besonders kratzbürstig – und die schöne Wahrsagerin Senophrata, auf die er heimlich ein Auge geworfen hat, wird verdächtigt, eine hinterhältige Mörderin zu sein. Aber warum sollte ausgerechnet sie den reichen Gerber Sciron mit schwarzer Magie ums Leben gebracht haben? Gemeinsam mit seinen schlauen Freundinnen Laelia und Illica beginnt Silvanus, nach dem wahren Täter zu suchen – und ahnt nicht, in welches Natternnest er dabei sticht …

»Wunderbar lebendig, nicht zuletzt dank des erfrischend dekadenten Ermittlers, der sich lieber im Thermalbad massieren lässt, als einem blutdürstigen Mörder nachzustellen.« Rheinische Post

Über den Autor:

Malachy Hyde ist das Pseudonym des Autorenduos Karola Hagemann und Ilka Stitz.

Karola Hagemann, Jahrgang 1961, studierte Geschichte, Anglistik und Diplompädagogik und arbeitet heute bei der Polizei Niedersachsen; sie lebt in Hannover. Ilka Stitz, Jahrgang 1960, studierte Kunstgeschichte, Germanistik und klassische Archäologie und arbeitet als freie Journalistin, Autorin und Künstlerin; sie lebt in Köln. Mehr Informationen über Ilka Stitz finden sich auf der Website www.ilkastitz.de.

Unter dem Pseudonym Malachy Hyde erschienen bei dotbooks die vier Romane der Silvanus-Rhodius-Krimireihe: »Tod und Spiele«, »Eines jeden Kreuz«, »Wisse, dass du sterblich bist« und »Gewinne der Götter Gunst«; unter der Autorenmarke Hagemann & Stitz veröffentlichten die Autorinnen bei dotbooks zwei Krimis aus der Römerzeit: »Das Geheimnis des Mithras-Tempels« und »Jung stirbt, wen die Götter lieben«

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eBook-Neuausgabe August 2021

Copyright © der Originalausgabe 2007 by Knaur Taschenbuch. Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Stefan Hilden, hildendesign.de, unter Verwendung eines Bildmotivs von shutterstock/AlpKaya

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-96655-463-3

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Malachy Hyde

Gewinne der Götter Gunst

Ein Fall für Silvanus Rhodius – Kriminalroman

dotbooks.

Dramatis Personae

Silvanus Rhodius: Legat und römischer Ermittler

Lucida: Ehefrau des Silvanus Rhodius

Nasutus und Larix: beider Sklaven

Ibericus Marsias: Sekretär des Silvanus

Laelia: Freundin des Silvanus

Illicia: Freundin Laelias und des Silvanus

Quintus Bibulus: Laelias Vater, Besitzer einer Taverne in Didyma

Tollimos: Illicias Vater, ehemaliger Priester des Apollon

Monoculos: Laelias Sklave

Flusia: nubische Sklavin Illicias

Deuka: nubische Sklavin Laelias

Midas: Sklave im Hause von Laelia und Illicia

Ethymios: Arzt in Pergamon

Hani Rami: ägyptischer Arzt aus Didyma, Freund von Silvanus, Laelia und Illicia, weilt zur Kur in Pergamon

Senophrata: armenische Magierin

Ganimes: ihr Sklave

Tutnephtys: ägyptischer Magier

Leander: Prytane. Stadtoberhaupt von Pergamon

Belon: Schatzmeister im Rat der Stadt Pergamon

Themistokles: Ratsherr

Chrysimachos: Angestellter des Prytaneions

Isomachos: Oberbibliothekar

Nikomedes: Bibliothekar, Aufseher über die Kopisten

Ventidius Bassus: römischer Feldherr, schlug die Parther zurück

Quintus Dellius Messalla: Feldherr und Geschichtsschreiber des Marcus Antonius

Gnaeus Nonius Niger: Bote des Ventidius Bassus

Sciron: ein verstorbener Gerber

Philinna: seine trauernde Witwe

Karsas: beider Sohn

Gerimantes: Scirons Nachbar

Palamedes: Scirons Vorarbeiter

Dorkas: dessen Gefährtin

Hebras und Xenon: Sklaven Scirons

Bromeos: ein Gerber, Konkurrent des Sciron

Hesperis: seine Frau, Schatzmeisterin des Kybeleheiligtums

Dorimachos: beider Sohn

Lucius Furianus Finculus: Helmmacher in Pergamon

Diana: seine Frau

Gnaeus Furianus Finculus: beider Sohn

Krisippos, Leukos, Demetrios, Archelaos, Leusippos, Chimenes: Mitglieder des Gerbervereins

Menippos, Anaximedes, Erechthos, Zeusippos: Spieler

Hilarius: Besitzer einer Gladiatorenschule

Libothenos: Mitglied der Dionysosgemeinschaft

sowie weitere Gerber, Priester, Soldaten, Prostituierte und Bewohner der Stadt. Erwähnung finden außerdem:

Makaria: Illicias Tante, Schwester des Tollimos aus Ephesos

Crassus: Freund des Bibulus, betreut dessen Geschäft in Didyma während seiner Abwesenheit

Diodoros Pasparos: pergamenischer Aristokrat, Sohn des hochgeachteten Diodoros Pasparos (d. Ä.)

Eleukos: Tierhändler

Privernus: kürzlich verstorbener römischer Bürger

Pheromon: ein Viehzüchter, derzeit in Alexandria

Marcus Antonius: römischer Politiker und Oberbefehlshaber, Herrscher über den Osten des Römischen Reichs, Triumvir (zweites Triumvirat: Antonius, Octavianus, Lepidus)

Fulvia: Frau von Marcus Antonius

Curio: Freund des Marcus Antonius

Munatius Plancus: römischer Politiker, Prokonsul (Statthalter) der Provinz Asia

Octavianus: römischer Politiker, Oberbefehlshaber im Westen des Römischen Reichs, Mitglied des zweiten Triumvirats, der spätere Augustus

Octavia: Schwester des Octavianus und Frau von Marcus Antonius

Quintus Labienus: römischer Überläufer zu den Parthern, maßgeblich am Einfall derselben in römisches Gebiet beteiligt

Mithridates: pontischer König

Pakoros: parthischer Prinz

Pindaros: auch Pindar, griechischer Dichter, geb. 522/518, gest. nach 446 v. Chr.

Kleopatra: ägyptische Königin

Die fett gesetzten Persönlichkeiten sind historisch belegt.

Kapitel I

Er lehnte sich zurück und starrte in die Dunkelheit. Gute Götter, war das wirklich er, Silvanus Rhodius, der sich hier in einer Seitenstraße von einer Prostituierten billige Erleichterung hatte verschaffen lassen? Er als Repräsentant römischer Ordnung von Marcus Antonius, dem Herrscher über den Osten des Reiches, persönlich in Pergamon eingesetzt, war so tief gesunken?

»Du wirst doch Diskretion bewahren?« Er half dem Mädchen, das noch immer vor ihm kniete, auf die Beine.

»Was?«

»Du wirst keinem sagen, was geschehen ist«, wiederholte Silvanus, zog seine Tunika herunter und suchte in seinem Geldsäckchen nach einer Münze.

»O nein, Herr, natürlich nicht, ich kenne dich nicht einmal.« Das Mädchen strich sich die dunklen Haare aus dem Gesicht. »Ich weiß nur, dass du Römer bist, ein stattlicher Römer, groß gewachsen – in jeder Beziehung. Hat Spaß gemacht bei dir, das tut es nicht immer. Du bist sicher, dass du nicht mehr willst?« Ihre Hand fand erneut den Weg unter seine Tunika.

»Nein.« Er stieß sie von sich, gab ihr die Münze. »Es ist genug, geh jetzt!«

»Nun gut, wie du willst. Du weißt, wo du mich findest, ich bin jede Nacht hier in der Gegend. Komm wieder, wenn es dich drängt. Ich kenne viele Wege, dich zu erfreuen.« Schon war sie in der Dunkelheit verschwunden.

Silvanus spürte, dass seine Beine zitterten. Er stützte sich an der Amphore ab, die ihnen als Deckung gedient hatte, ließ sich zu Boden sinken und lehnte den Rücken gegen das große Gefäß. Hatte sie ihn wirklich nicht erkannt? Nun, es war Nacht, in dem spärlichen Mondlicht hatte auch er nur ihre rundliche Figur, ihre langen Beine wahrnehmen können, bei Tage würde er sie sicher nicht wiedererkennen, es gab Hunderte von Mädchen wie sie in Pergamon. Doch er mit seinem schütteren Haupthaar, seiner Körpergröße, die ihn die meisten seiner Zeitgenossen überragen ließ, und seiner Beleibtheit, das war schon etwas anderes. Nachdenklich strich er sich über die Wangen. Vielleicht sollte er sich einen Bart wachsen lassen, sich den Kleinasiaten und Griechen anpassen, die hier lebten, und deren Belange er verwaltete.

Er schüttelte den Kopf. Was sollten diese Gedanken? Er war nicht der erste Mann und würde nicht der letzte sein, der den Verlockungen eines weiblichen Körpers erlegen war, was war schon dabei? Und das Mondlicht auf den von ihrem Gewand mehr entblößten als bedeckten Brüsten, dieses Tänzeln, mit dem sie aus dem Schatten eines Hauseingangs auf ihn zugekommen war, wie hätte er da widerstehen können? Niemand hätte widerstanden. Fast bereute er jetzt, sie weggeschickt zu haben, er fühlte, dass sein Verlangen erneut erwachte. Dieses Verlangen, das er in letzter Zeit so selten stillen konnte, denn Lucida, seine Frau, wies ihn seit der Geburt ihres Sohnes ab, Monate nun schon. Er presste die Zähne aufeinander. Natürlich wusste er, dass manche Frauen nach der Geburt eines Kindes ihre Männer eine Zeit lang nicht empfangen wollten, besonders, wenn es eine schwere Geburt gewesen war. Doch Lucida hatte leicht entbunden, ihr Sohn, der kleine Silvanus, war ein wahres Geschenk der Götter, ein liebenswertes Kind, das nicht unnötig schrie und kerngesund war. Und warum Monate?

Er rieb seinen Rücken an der Amphore, ihm war, als hätte ihn etwas gestochen. Ach Lucida, so glücklich waren sie gewesen, als das Kind zur Welt kam nach so vielen Jahren ohne Nachwuchs. Und jetzt wies sie ihn ab. Dabei wäre es für den kleinen Silvanus von Vorteil, bekäme er ein Geschwister, aber Lucida stellte sich taub für solche Überlegungen.

Und auch Laelia ließ ihn nicht an sich heran. Er seufzte. Noch immer dachte er an sie als seine Geliebte, obwohl es nun schon fast zwei Jahre waren, da er sie nicht mehr hatte berühren dürfen. Doch er würde nicht aufgeben, er liebte sie, und sie ihn, er wusste es genau. Wieder rieb er seinen Rücken an der kühlen Wand der Amphore. Noch im letzten Jahr hatte es so ausgesehen, als könne er Laelia zurückgewinnen. Er hätte damals alles dafür getan, Lucida verlassen, sein Amt aufgegeben, alles, was sie nur verlangte. Sogar das Leben hatte er ihr gerettet, sie aus höchster Not befreit, doch sie wies ihn ab. Ihre Erlebnisse seien zu furchtbar gewesen, hatte sie erklärt, er solle ihr Zeit lassen, um zu vergessen. Einfühlsam, wie er war, hatte er das getan, hatte um sie geworben, ohne sie zu bedrängen. Irgendwann jedoch hatte er ihr von Lucidas Schwangerschaft erzählen müssen, und Laelia hatte ihm voller Verachtung die Tür gewiesen. Seither behandelte sie ihn, höflich, aber distanziert, wenn er sie traf. Doch er würde nicht aufgeben, nein.

An Laelia hatte er gerade gedacht, als das Mädchen ihn ansprach, Laelia hatte er vor Augen, als er sich dem Genuss hingab. Denn ja, es war ein Genuss gewesen. Er hätte das Mädchen nicht wegschicken sollen. Ob sie noch in der Nähe war? Er könnte mit ihr in eine Taverne gehen und sich ein Zimmer mieten, auch ein Becher Wein käme ihm sehr gelegen, die Nacht war warm und seine Kehle trocken. Eine Taverne allerdings, die ein Bad besaß, denn neben dem Duft von billigem Parfum, der von ihr ausging, hatte sie ein wenig streng gerochen. Noch immer hatte er den Geruch in der Nase, er erinnerte an öffentliche Latrinen. Wahrscheinlich jedoch tat er dem armen Kind unrecht, und irgendein Pergamener hatte sein Nachtgeschirr aus dem Fenster in die Gasse entleert, was noch oft genug vorkam, auch wenn er es per Edikt verboten hatte.

Der Gedanke war nicht angenehm. Eilig erhob er sich, stützte sich mit einer Hand auf die Amphore und befühlte mit der anderen die Rückseite seiner Tunika. Jupiter sei Dank, sie war trocken. Erleichtert klopfte er den Staub ab, hielt dann inne, schnüffelte. Er lag noch immer in der Luft, dieser Geruch. Erst jetzt fiel sein Blick auf die Amphore; als hätte er sich verbrannt, zog er seine Hand zurück, wischte sie an der Tunika ab, wieder und wieder. Warum war es ihm nicht aufgefallen? Diese Amphoren mit abgeschlagenem Hals kannte er zur Genüge aus Rom. Oft genug hatte er sich ihrer bedient, um nach einem Gelage auf dem Weg nach Hause seine Notdurft zu verrichten, doch hier in Pergamon hatte er sie noch nie gesehen. In Rom wurden sie von Gerbern, Walkern und Wäschern aufgestellt, die den Urin zum Vorpräparieren der Felle oder zum Bleichen benötigten, nun also schien diese Art, auf billige Weise an das begehrte Nass zu kommen, auch in Pergamon Einzug gehalten zu haben. Seltsam eigentlich, dass es so lange gedauert hatte.

Silvanus blickte sich um, das Mädchen war nirgends zu sehen. Auch gut, das Verlangen nach ihr war abgeflaut, das Wissen um den Ort ihres Stelldicheins wirkte ernüchternd. Doch wenn er schon einmal hier war ... Er hob erneut seine Tunika, stellte sich an den Rand des Gefäßes und leistete seinen Beitrag zum Geschäft eines Gerbers, Walkers oder Wäschers der Stadt.

***

»Mein Mann ist tot, er verstarb vor etwa einem halben Jahr.«

Senophrata senkte ihre schwarzen Augen.

Besonders traurig wirkt sie jedoch nicht, dachte Laelia. »Das tut mir leid.«

»Spar dir das Mitleid! Es geht mir besser ohne ihn. Ich wurde mit ihm verheiratet, musste ihm hierher folgen, mein Heimatland Armenien verlassen, meinen Lehrer, meine Familie, meine Freunde. Er war kein guter Mann, o nein, keineswegs, er war nicht von überragender Klugheit, pflegte sich nicht, stank, und die Zähne fielen ihm aus. Er schlug mich, wann immer es ihm in den Sinn kam oder er zu viel getrunken hatte. Es war eine Erlösung, als er starb.« Sie schüttelte den Kopf, leise klirrten ihre goldenen Ohrringe.

Laelia wechselte einen Blick mit ihrer Freundin Illicia und bedeutete dem wartenden Sklaven, Wein nachzuschenken. Von Glück konnten sie beide sagen, dass ihnen ein solches Schicksal erspart geblieben war, denn ihre Familien waren mit anderen Dingen beschäftigt gewesen, als sie zu verheiraten. Und inzwischen waren die Väter, die im anderen Flügel des Hauses lebten und wahrscheinlich gerade dem Wein zusprachen, zu sehr dem Trunk verfallen und nicht mehr durchsetzungsfähig genug, ihnen Befehle zu erteilen.

Wie sehr sie diese Freiheit genoss, wurde Laelia jetzt aufs Neue bewusst, auch wenn sie sich manchmal nach den Armen eines Mannes sehnte. Den jedoch würde sie sich selbst aussuchen, und es wäre bestimmt keiner wie der ehemalige Gatte Senophratas. »Du führst das Geschäft jetzt allein?«

»Ja, und es läuft gut.« Die Armenierin trank einen Schluck, griff dann nach einem der eingelegten Eier, die neben anderen Leckereien auf einem Tisch vor ihr standen. »Ohnehin war ich diejenige, die uns ernährte. Er verprasste das Geld, das ich einnahm, in Tavernen. Außer meine Ingredienzen einzukaufen und mir ab und an einen Kunden zu schicken, den er in den Spelunken aufgegabelt und beschwatzt hatte, tat er nichts. Für die Einkäufe habe ich jetzt einen Sklaven, Werbung benötige ich nicht mehr. Ich bin erfolgreicher denn je, nicht umsonst wurde ich euch als die kundigste Zauberin Pergamons empfohlen.« Selbstbewusst hob sie den Kopf, die langen Haare umspielten ihr Gesicht.

Laelia war beeindruckt. Eine ungewöhnliche Frau, schön, stolz – und durchaus geschäftstüchtig. Nicht billig war ihre Hilfe gewesen, doch wähnte Laelia das Geld gut angelegt; allein die Bekanntschaft dieser Zauberin gemacht zu haben war ein Erlebnis. Wenn sie auch nicht vollständig von der Wirksamkeit der Magie überzeugt war, abstreiten konnte sie diese auch nicht, wer wusste schon, was die Götter alles möglich machten. Und Senophrata umgab eine geheimnisvolle Aura, unterstützt von ihrem Auftreten, ihrem schimmernden Gewand, dem unergründlichen Ausdruck ihrer Augen.

Illicia hob ihren Becher. »Wir können dir nicht genug danken, Senophrata. Wo hast du deine Kunst gelernt?«

»Zu Hause in Armenien. Von klein auf lernte ich, mit den Göttern zu sprechen, die Dämonen meinem Willen zu unterwerfen. Ich wurde auserwählt von einem Chaldäer, einem wahren Meister seiner Kunst, der wiederum von einem ägyptischen Priester der Isis sein Wissen erhalten hatte. Die Priester der Isis aus Theben sind die Kundigsten unseres Gewerbes, zwanzig Jahre lernen sie, bis sie die Kunst ausüben dürfen, meistens im Dienst von Pharaonen und anderen Großen dieser Welt.« Sie lächelte schmerzvoll. »Nun, so weit habe ich es nicht gebracht, doch ich lernte viel von ihm, bevor ich verheiratet wurde, auch aus Büchern wie jenen Schriften, die ich heute für euch übersetzt habe. Normalerweise muss man viel dafür bezahlen, sie nur sehen zu dürfen. Ich kenne die Herren der hiesigen Bibliothek. Diese Rollen auszuleihen ist eigentlich unmöglich, wie brachtet ihr es fertig, sie mitnehmen zu dürfen? Ihr müsst hohe Gunst genießen, auch euer Haus deutet darauf hin. Ist es nicht die ehemalige Wohnstatt von Privernus, dem einflussreichen Römer, der letztes Jahr verstarb?« Ihr Blick schweifte über den Mosaikfußboden des Trikliniums. Speisereste, an denen sich Mäuse gütlich taten, schienen auf ihm zu liegen, alles äußerst lebensecht aus winzigen Steinchen gefügt. Mit einer Handbewegung wies Senophrata auf die Liegemöbel und Tischchen aus Zitrusholz, bedeckt mit fein gewebten Tüchern, auf die Gartenszenen an den Wänden und die Büsten in den Nischen, die neben den römischen Feldherren Scipio Africanus und Caesar auch ihren Gönner Marcus Antonius darstellten.

Erneut wechselte Laelia einen Blick mit Illicia. Wie viel konnten, wie viel durften sie dieser Frau erzählen? Was wusste sie schon? Nun, dass sie vor anderthalb Jahren als Flüchtlinge vor den parthischen Kriegshorden in Pergamon angekommen waren und dass Silvanus ihnen nach Privernus’ Freitod dieses Haus zugewiesen hatte, dürfte kein Geheimnis sein. Auch von dem innigen Verhältnis, das Illicia mit Marcus Antonius verband, konnte sie wissen. Von ihrer Arbeit für die Bibliothek, den Transkriptionen und Übersetzungen, hatten sie ihr natürlich berichtet, als sie um ihre Hilfe ersuchten. Nur dass sie diese Aufgabe, die gut bezahlt wurde, Antonius verdankten, war weniger bekannt. Und warum der komplette Bestand der berühmten Büchersammlung Pergamons kopiert werden sollte, ein gigantisches Unternehmen, mit dem im Moment das gesamte Personal der Bibliothek beschäftigt schien, war Laelia und Illicia ein ebensolches Rätsel wie allen anderen daran Beteiligten. Stillschweigen war über die Aktion angeordnet worden, für einzelne Werke allerdings das Hinzuziehen externer Spezialisten erlaubt, sofern das Ausmaß der Arbeit nicht genannt wurde. Als sie einige ägyptische Schriftrollen über Magie zu übersetzen und zu kopieren hatten, sahen sie sich außerstande, diese Aufgabe zu erfüllen, und so hatten sie – mit Zustimmung und auf Empfehlung des Oberbibliothekars – die Zauberin ausfindig gemacht. Senophrata hatte keine Fragen gestellt, sondern die Sprüche übersetzt, erklärt und die ägyptischen Schriftzeichen auf Papyrus kopiert. Schneller als gedacht waren sie fertig geworden und hatten Senophrata anschließend zum Essen gebeten.

Nun also wollte die Armenierin nähere Informationen.

Illicia bedeutete den Sklaven abzuräumen, das Wasser zum Händewaschen und neuen Wein zu bringen. Laelia strich eine Brotkrume von ihrem Chiton und blickte Senophrata an. »Weißt du nicht die Antwort, wo du doch Wahrsagerin bist?«

Senophrata lachte. »Du willst dich mit einer Gegenfrage entziehen? Gut, das sagt genug. Und um deinen Wissensdurst zu stillen, wir Wahrsager wissen viel, doch nicht alles. Wir müssen uns konzentrieren, Kontakt zu höheren Mächten herstellen, und der Geist des Fragenden muss willig sein, uns zu unterstützen. Gedankenlesen indes können wir nicht.« Senophrata senkte die Stimme. »Ihr fragt euch, ob ich meinem ungeliebten Gatten mit einem Schadenszauber den Garaus machte oder einen Zunftgenossen damit beauftragte? Nein. Zudem sind nicht viele hier in Pergamon wirklich in der Lage, die Zeremonien durchzuführen, und dabei etwas falsch zu machen ist gefährlich.« Sie leerte ihren Becher und erhob sich. »Habt Dank für diesen Tag! Benötigt ihr meine Hilfe erneut, zögert nicht, Kontakt aufzunehmen. Auch würde ich gern die Einladung erwidern, ihr werdet mir doch die Ehre erweisen?«

Laelia nickte. »Es wird uns eine Ehre sein, nicht wahr, Illicia?«

»Natürlich, wir kommen gern.« Illicia geleitete die Magierin zur Tür. »Unsere Sänfte und Fackelträger warten vor dem Haus, Senophrata, tue uns den Gefallen und nutze sie, man weiß nie, wer um diese Zeit unterwegs ist.«

»Danke, gern.« Senophrata hob zum Abschied die Hand, die goldenen Armreifen wanderten klirrend ihren Arm hinauf, während ein Sklave ihr den Mantel um die Schultern legte. Dann drehte sie sich um und ging.

Kapitel II

Mit federnden Schritten ging Silvanus die Gasse hinab, die auf dem kürzesten Weg zum Gerberviertel führte. Es lag gut eine Meile entfernt, was einen ansehnlichen Fußmarsch bedeutete. Noch war es nicht zu heiß, und ein Spaziergang würde ihm guttun, denn seit Wochen war er nicht mehr aus den Amtsräumen herausgekommen, so jedenfalls kam es ihm vor. Jetzt genoss er die körperliche Anstrengung, und für den Rückweg konnte er sich immer noch eine Sänfte oder einen Esel mieten.

Er fühlte sich blendend. Nie hätte er geglaubt, dass seine Gesundheit, seine Kräfte, sein Tatendrang wieder vollkommen hergestellt werden würden. Die Ärzte im Asklepieion hatten wahre Wunder gewirkt, seine Rückenschmerzen gehörten endlich der Vergangenheit an. Ja, das Heiligtum hatte sein Leben verändert, in vielerlei Hinsicht – und nicht nur auf angenehme Weise. Doch auch weiterhin ging er ab und an gern dorthin, allein schon wegen der ausgezeichneten Masseure, die hier arbeiteten, zudem hatten die Anwendungen – kalte Güsse, warme Bäder –, aber vor allem der Heilschlaf mit den anschließenden Gesprächen allmählich seine Last gelindert.

Silvanus überquerte die Hauptstraße und wählte wieder eine Seitengasse, statt der gepflasterten Straße zu folgen, die sich in sanftem Gefälle den Berghang hinabschlängelte. Ein Sklave in abgetragener Tunika drängte sich an eine Hauswand, um ihn vorbeizulassen, sein Geruch nach Küchendünsten, Schweiß und altem Käse stach Silvanus in die Nase.

Vor einem kleinen Geschäft an der Ecke blieb er stehen und warf einen Blick auf die Auslage: Pasteten. Früher hätte er nicht daran vorbeigehen können, nun schritt er zügig weiter. Viel mehr hätte es ihm nach einem Apfel oder einem Pfirsich gelüstet, etwas Saftigem, Frischem. Er schüttelte lächelnd den Kopf. Welche Veränderungen hatte er durchgemacht. Sogar abgenommen hatte er. Sein Bauch, zwar noch immer stattlich, hatte innerhalb des letzten Jahres sichtbar an Umfang verloren. Es machte sich bezahlt, dass er mehr auf die Ernährung achtete. Lucida konnte zufrieden mit ihm sein. Sein Lächeln verblasste. Nun, sie war zufrieden: mit seinen guten Beziehungen zu Marcus Antonius und seiner Stellung als Legat. Aber das war auch schon alles. Nein, Lucida nörgelte nicht mehr an ihm herum, genaugenommen sprach sie kaum noch mit ihm. Alles und jedes drehte sich nur um das Kind, seinen Sohn. Wieder keimte Stolz in ihm auf, ein gut geratenes Kind, sein Sohn. Großes würde aus ihm werden, dafür wollte er, Silvanus Rhodius, sorgen. Und sollte es ihm selbst nicht gelingen, in den Senat der Stadt Rom einzuziehen, seinem Sohn ganz gewiss. Er wünschte nur, er bekäme ihn öfter zu sehen. Sogar sein Sklave Nasutus hatte mehr von dem kleinen Silvanus als er, der Vater.

An der nächsten Straßenecke erleichterte sich ein Pergamener in eine der Silvanus wohlbekannten Amphoren. Das Mädchen, dessen Reizen er erlegen war, kam ihm in den Sinn. Ob er sie je wiedersehen würde? Er wischte sich über die Stirn, allmählich wurde ihm warm. Ein kühler Trunk wäre jetzt gerade recht, dachte er, als sein Blick auf ein Ladenschild fiel, auf dem der Besitzer seine Weine anpries. Die Arbeit eilte nicht, und so trat Silvanus in die düstere Schankstube. »Einen Becher vom Besten«, rief er dem Wirt zu und setzte sich auf eine Bank. Es war noch früh, der einzige andere Gast saß in der Ecke ihm schräg gegenüber. Müde sah er aus, er schien von der Stadtwache zu sein und sich nach dem Nachtdienst noch einen Schluck zu genehmigen, bevor er nach Hause ging.

Der Wirt stellte den Becher auf den Tisch und kassierte sofort seine zwei As. Hm, nicht schlecht, solchen Wein hätte Silvanus in dieser abgelegenen Gasse nicht erwartet. Wie schön war es doch, hier zu sitzen und einen Becher Wein zu trinken, ohne schlechtes Gewissen wegen der drückenden Arbeitslast. Bei allen Göttern, die letzten Jahre waren hart gewesen. Er hatte es sich verdient, dieses angenehme Leben, diese Stellung, die ihm sein Auskommen sicherte und ihm zu einem gewissen Wohlstand verholfen hatte. Nein, er konnte sich nicht beklagen, eigentlich. Und dass zu seinen Aufgaben auch unbedeutende Termine wie der bevorstehende bei dem Gerber Sciron gehörten – nun gut, man konnte eben nicht täglich große Politik machen. Die Klagen aus Scirons Nachbarschaft über den Gestank der Gerberei, über seine Versäumnisse bei der Beseitigung der Abwässer durften nicht länger als Banalitäten abgetan werden. Jetzt war eine Nachbarin erkrankt, und ihr Ehemann Gerimantes hatte den Weg in das Rathaus nicht gescheut, um dort seine Klage gegen Sciron vorzubringen. Der sei schuld am Leiden seiner Frau, denn der Gerber schütte seine Lauge einfach auf die Straße. Von dort rinne sie in mehrere Gärten, unter anderem in den ihren, hatte der Mann zu Protokoll gegeben. Das Gemüse kümmere dahin, die Bäume verlören die Blätter, Obst trügen sie auch kaum noch, und wenn, tauge es nur noch als Schweinefutter. Es sei ganz offensichtlich, dass seine Frau wegen der Lauge krank sei, schließlich verrichte doch sie die ganze Gartenarbeit; begonnen habe es mit einem Ausschlag an den Händen, inzwischen sei fast ihr ganzer Körper mit Pusteln bedeckt. Sie leide fürchterliche Qualen. Fast grenze es an ein Wunder, dass die Menschen des Viertels nicht alle krank daniederlägen, hatte Gerimantes geschimpft und eine angemessene Entschädigung verlangt.

Es war nicht die einzige Anzeige dieser Art, die gegen den Gerber vorlag, jedoch die gravierendste. Bislang hatten sich die örtlichen Behörden um die Angelegenheit gekümmert. Doch man sah ja, was dabei herausgekommen war: nichts. Nach dieser neuerlichen Klage über den schweren Verstoß gegen das Gemeinwohl hatte es Silvanus als seine Pflicht angesehen, sich persönlich um die Angelegenheit zu kümmern, denn sein Sekretär Marsias war zurzeit mit der Überprüfung der Steuerlisten mehr als ausgelastet.

Dieser Sciron schien ein unbequemer Bürger zu sein. Die Beschwerden seiner Nachbarn kümmerten ihn anscheinend nicht, verhängte Strafgelder hatte er anstandslos bezahlt. Vermutlich kamen sie ihn immer noch billiger als eine Umstellung seiner Abwasserbeseitigung. Es war an der Zeit, sich ein Bild von dem Mann zu machen.

Das Gerberviertel kündigte sich schon von weitem durch Gestank nach verwesendem Fleisch und ätzenden Laugen an. Silvanus rümpfte die Nase und bog nur widerwillig in die Straße ein, die zu Scirons Betrieb führte. Wie er gehört hatte, lief dessen Gerberei gut, ein Blick in die Steuerliste hatte das bestätigt. In dieser Hinsicht wenigstens war dem Handwerker nichts vorzuwerfen, alle Abgaben hatte er stets pünktlich geleistet. Nun, man würde sehen.

Langsam schritt Silvanus an einer Mauer entlang. Dahinter musste das Grundstück des Anzeigeerstatters Gerimantes liegen. Das Tor stand offen, und der Garten sah in der Tat erbärmlich aus. Welke, verkümmerte Pflanzen wuchsen auf den Beeten, kein Baum trug Früchte, an den Ästen hingen nur braune Blätter mit kräuseligen Rändern. Ein trostloser Anblick. Vielleicht würde er später Gerimantes aufsuchen, aber zunächst musste Silvanus zu Sciron.

Das Gebäude dort vorn entsprach der Beschreibung, so hielt er darauf zu. Entlang der Straße zog sich die zweistöckige Fassade, eine Durchfahrt öffnete sich zum Hof, auf dessen Rückseite sich mehrere Schuppen anschlossen. Im unteren Geschoss des Haupthauses vermutete Silvanus das Geschäft, oben die Wohnräume. Ein Werbeschild an der Hauswand zeigte den Prozess des Gerbens: links das Anliefern der Felle, das Waschen und Schwitzen, das Reinigen mit dem Schabeisen und das eigentliche Gerben in großen Bottichen. Auf der rechten Seite des Schildes präsentierte der Besitzer dem Passanten ein fertig gegerbtes Lederstück. Sicher nicht billig, die Malerei in dieser Größe und Ausfertigung. Gleichermaßen die Eingangstür aus massiver Eiche, solide und teuer. Silvanus drückte sie auf und trat in den Verkaufsraum. Als Erstes gewahrte er die langen Regale mit Lederstücken, die sich an den Wänden erstreckten und fast bis zur Decke reichten. Den Raum erfüllte ein kräftiger, jedoch nicht unangenehmer Geruch, der draußen stets gegenwärtige Gestank war hier drinnen kaum wahrnehmbar. Silvanus atmete auf.

Drei Kunden standen an einem Tisch und begutachteten die ausgebreitete Ware, Sklaven liefen umher, verstauten Lederstücke in den Regalen oder trugen neue herbei. Eine Frau mittleren Alters fiel ihm auf, die zwei weitere Männer über die geeignete Lederqualität für Zeltplanen beriet. Sie nickte Silvanus zu, bedeutete ihm, einen Moment zu warten, und widmete sich wieder ihren Kunden.

»Hervorragende Qualität unterschiedlicher Stärke habt ihr hier, je nach Art und Zweck des Zeltes. Seht euch alles in Ruhe an.« Mit einem leichten Lächeln ließ sie die beiden allein, die schon das Leder befühlten und verglichen. »Was kann ich für dich tun?«, fragte sie Silvanus mit weicher Stimme. »Soll ich dir eine Auswahl unserer Leder zeigen? Zu welchem Zweck benötigst du sie? Zelt- oder Wagenplanen, Schuhe, Zaumzeug?« Eine Haarsträhne löste sich aus ihrem Knoten im Nacken und überschattete ihre Wange, mit einer flüchtigen Geste schob sie sie hinter das Ohr zurück.

Silvanus schüttelte den Kopf.

Doch bevor er etwas erwidern konnte, fuhr sie fort: »Wenn du eine Felllieferung bringst, dann bitte durch das Tor in den Hof. Mein Mann ...«

Silvanus winkte ab. »Nein, aber mit deinem Mann möchte ich tatsächlich sprechen. Mein Name ist Silvanus Rhodius.« Mit einem Seitenblick auf die Kunden senkte er die Stimme. »Du bist doch Scirons Frau, nicht wahr? Ich komme wegen der Anzeigen, die gegen deinen Mann vorliegen.«

»Oh.« Sie presste ihre Hände vor die Brust.

»Wie ist dein Name?«

»Philinna«, wisperte sie und strich sich die Haarsträhne erneut hinter das Ohr. »Zu Sciron willst du? Nun, ich weiß nicht ...«

»Ich muss deinen Mann sprechen, ist er da? Es ist wichtig«, sagte er lauter. Die Kunden wurden aufmerksam, sahen zu ihnen herüber.

»Ich denke schon; ich werde ihn holen lassen.« Doch Philinna rührte sich nicht von der Stelle. »Ich habe ihn heute noch gar nicht gesehen. Ich nehme an, er ist hinten in der Werkstatt und präpariert die Maulbeerblätter. Er legt sie in Urin ein.«

Silvanus nickte. Natürlich, für solche Zwecke standen ja überall in Pergamon diese Amphoren herum. Sciron war vermutlich einer der Nutznießer.

»Mein Mann hat ein Spezialrezept, damit lassen sich die Felle leichter enthaaren. Wenn er damit beschäftigt ist, bekomme ich ihn stundenlang nicht zu Gesicht. Eigentlich hat er mir verboten, ihn bei dieser Arbeit zu stören.« Sie runzelte die Stirn. »Aber es ist wohl wirklich wichtig.«

»In der Tat.«

»Gut, doch einen Moment musst du dich noch gedulden. Ich werde ihn selbst holen müssen, keiner unserer Leute würde es wagen. Aber vorher möchte ich mich noch um diese beiden kümmern«, sie nickte zu den Männern hinüber, »sie gehören zu unseren besten Kunden.«

»Tu das, ich werde warten.«

Silvanus hörte dem Verkaufsgespräch gelangweilt zu. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, doch endlich hatten die beiden ausgewählt, was sie brauchten. Die Ware würde noch heute gebracht, versicherte Philinna und hielt ihnen die Tür auf. Einen Moment sah sie den Männern nach.

Wie sie dort stand, sich über die Stirn strich, wirkte sie irgendwie verloren. Als sie sich umdrehte und auf Silvanus zukam, strafften sich ihre Schultern. »Ich werde meinen Mann jetzt holen«, murmelte sie mehr zu sich selbst, befahl einem älteren Sklaven, Silvanus einen Becher Wein zu bringen, und verließ den Raum durch eine rückseitige Tür.

Erfreut nahm Silvanus den mit Rotwein gefüllten Becher entgegen, stark verdünnter Einheimischer, wie sich nach dem ersten Schluck zeigte, nicht von der Güte, die er gewohnt war. Während er wartete, beobachtete er die Sklaven, die jede Frage ihrer Kunden routiniert beantworteten, immer neue Lederstücke herbeischleppten, abgelehnte wegräumten. In der Tat schien dies ein florierender, gut geführter Betrieb zu sein. Silvanus war gespannt auf den Besitzer. Wenn sich die Beschwerden als begründet erwiesen, würde er ihm ein ordentliches Bußgeld auferlegen können mit der Anordnung, seine Abfälle vorschriftsmäßig zu beseitigen. Unverschämt, wie der Mann sich Zeit ließ! Er sollte sich besser beeilen, wollte er nicht bei ihm, dem römischen Beamten, einen schlechten Eindruck hinterlassen.

Silvanus studierte die Schildchen, die in regelmäßigen Abständen an die Holzbretter genagelt waren. »SL XII/X – XD«, stand auf einem geschrieben, »EL XV/XII – VD«, auf einem anderen. Alle Etiketten waren mittig unter einem Lederstapel befestigt. Sicherlich bezeichneten sie unterschiedliche Qualitäten, Größe, Preis oder worauf es bei dem jeweiligen Leder ankam. Er lehnte sich an eines der Regale. Wo blieb Philinna nur?

Gerade wollte er nachsehen, als die Tür geöffnet wurde und die Erwartete eintrat. Die Augen schreckgeweitet, den Mund geöffnet, jedoch stumm, starrte sie ihn an.

Silvanus eilte zu ihr und bemerkte erst jetzt, wie klein und schmal sie war, auch dass tiefe Falten ihre Augen umschatteten. Sie war älter, als er auf den ersten Blick geschätzt hatte. »Was ist geschehen?«

»Oh, bei Persephone«, stammelte sie.

»So sprich doch, Philinna, was ist passiert? Ist etwas mit deinem Mann? So rede doch!«

Die Sklaven traten näher, einer zog einen Hocker heran. Silvanus drückte die Frau sanft darauf nieder, fragte, ob sie einen Becher Wasser wolle, doch sie schüttelte nur wieder und wieder den Kopf.

Etwas Schlimmes war geschehen, das schien sicher. Von Philinna würde er nichts erfahren, nicht jetzt, sie stand ganz offensichtlich unter Schock. So befahl er einem der Sklaven, sich um sie zu kümmern, und ging zu erkunden, was sie so erschreckt hatte. Auf dem rückwärtigen Hof schlug Silvanus sofort wieder der beißende Geruch entgegen. Wie hielten sie das hier nur aus, die Besitzer, Arbeiter, Bewohner? Im Hof war niemand zu sehen, nur schabende Geräusche waren zu hören. Er rief, doch niemand antwortete. Mit ausholenden Schritten ging er an den Gebäuden entlang, öffnete eine Tür nach der anderen. Er schaute in einen Lagerraum für Werkzeug, dann in einen, der mit Säcken gefüllt war. Wahrscheinlich enthielten sie die Zutaten für die diversen Lösungen, die man als Gerber brauchte. Es roch nach trockenem Laub. Schließlich stieß er auf einige Sklaven, die mit flachen Eisen die Haare von den Häuten kratzten.

»Habt ihr mich nicht rufen hören?«, fragte er, erntete jedoch nur ein Kopfschütteln.

Der Arbeiter, der direkt neben der Tür saß, ließ sein Eisen sinken. »Was willst du?«

»Ich suche den Meister.«

Der Mann deutete mit dem Kinn auf die andere Seite des Hofes. »An deiner Stelle würde ich da aber nicht hineingehen«, empfahl er, bevor er sich wieder über das Fell beugte.

Silvanus musterte ihn und seine Kollegen. Wie bleich und ausgemergelt sie da hockten. Wie viele von ihnen wohl das vierzigste Lebensjahr erreichten, das für ihn nicht mehr fern war? Wenn schon die Nachbarn über Krankheiten klagten, wie erst musste es den hier arbeitenden Sklaven ergehen? Doch das war nicht seine Angelegenheit, er musste Sciron finden.

Die Tür klemmte, erst nach heftigem Rütteln ließ sie sich öffnen. Ätzender Gestank trieb Silvanus die Tränen in die Augen, den Fenstern hoch oben in den Wänden gelang es offensichtlich nicht, den Raum mit frischer Luft zu versorgen, doch immerhin erhellten sie ihn bis in den letzten Winkel. Große Becken waren in den Boden eingelassen, je drei an jeder Seite, einige leer, andere bis zum Rand gefüllt. Fußabdrücke führten nach vorn zum Ausgang. Und hinten, am anderen Ende des Raumes, war das zu finden, was Philinna so erschreckt hatte: Ein Mann lag am Boden, sein Oberkörper hing in das mittlere Becken, Blätter und Lederstücke hielten ihn an der Oberfläche.

Silvanus schluckte und trat langsam näher. Nicht schön, in Gerberlauge zu enden. Herzversagen wahrscheinlich oder etwas Ähnliches. Und selbst wenn dies nicht zutraf, er würde sich diesmal nicht in die Ermittlungsarbeit hineinziehen lassen, o nein! Der Mann war Einheimischer, sein Tod fiel nicht in seine Zuständigkeit.

Zurück im Verkaufsraum befahl er einem Sklaven, seinen Herrn aus dem Becken zu holen, dann sah er nach Philinna. Sie saß noch immer auf ihrem Hocker und starrte auf den Boden, ein Sklave tupfte ihr die Stirn mit einem Tuch ab. »Ich habe nach einem Arzt geschickt«, sagte er leise.

»Gut.« Silvanus neigte sich zu Philinna hinunter. »Wie konnte das passieren? War dein Mann krank? Hatte er irgendwelche Beschwerden?«

Philinna nickte kaum merklich, dann schüttelte sie den Kopf. »Er hatte ein Magenleiden, dagegen nahm er einen Kräutertrank. Doch nie hätte ich gedacht, nun, dass er einfach so ... so plötzlich ...« Sie schluchzte auf. »Gestern Abend ging es ihm gut, er besuchte noch eine Sitzung seines Vereins. Einmal in der Woche traf er sich mit seinen Kollegen, musst du wissen. Sie haben den Verein gegründet, um ihre Interessen besser vertreten zu können. Außerdem haben sie eine Begräbniskasse organisiert.« Wieder schluchzte sie. »Nie hätten wir gedacht, sie schon so bald in Anspruch nehmen zu müssen. Gerade läuft unser Geschäft gut, wir haben viele neue Sklaven gekauft, neue Arbeiter eingestellt, und nun? Was soll aus alldem werden?« Ihr Arm beschrieb einen Bogen, der die Beschäftigten, die Regale, die darin aufgehäuften Waren umfasste, und sank dann langsam herab. »Und nun ist er tot. – Bei allen Göttern«, sie schluckte, »bei allen Göttern, wie konnte das nur passieren?« Philinna schlug die Hände vor das Gesicht und ließ den Tränen freien Lauf.

Das sollte seine Sorge nicht sein. Silvanus bat den Sklaven, ihm Wein nachzuschenken, und nahm einen tiefen Schluck. Wenn der Mann ein Magenleiden gehabt hatte, war er wohl an diesem gestorben. Ohnehin wurden Gerber im Allgemeinen nicht alt, man brauchte sich ja nur die Sklaven anzuschauen, die hier die Felle schabten.

Wo blieb der Arzt? Endlich ging die Tür auf. Silvanus kannte den älteren Mann aus dem Asklepieion. Ethymios und seinen Assistenten, der ihm mit der Arzttasche auf dem Fuße folgte, hatte er dort oft gesehen, immer in Eile hetzte er von Patient zu Patient. Sogleich kümmerte sich Ethymios um Philinna, strich ihr über die Wangen, sah ihr in die Augen, fühlte den Puls. Dann ließ er sich von seinem Gehilfen einen Beutel reichen, nahm ein Säckchen mit Kräutern heraus und befahl, daraus einen Trank zu bereiten, der Philinna beruhigen würde. »Sie soll sich hinlegen«, ordnete er an, »nichts bedarf sie derzeit so sehr wie der Ruhe.« Dann wandte er sich an Silvanus. »Du bist Silvanus Rhodius, nicht wahr? Ich habe dich oft im Asklepieion gesehen, als du dort Heilung suchtest. Offensichtlich geht es dir besser.«

Silvanus nickte. Dass der Mann sich an ihn erinnerte, wunderte ihn, nie hatte er das Gefühl gehabt, er habe im Heiligtum von ihm Notiz genommen. »Dank der Kunst des Asklepios erfreue ich mich wieder bester Gesundheit. Dennoch erlaube ich mir noch ab und an den Genuss einer Massage, doch leider komme ich immer seltener dazu.«

»Ja, so ist das.« Ethymios nickte und ordnete seine Utensilien.

Silvanus räusperte sich. »Ach, Ethymios, wenn du schon einmal hier bist, würdest du vielleicht auch einen Blick auf den Verstorbenen werfen? Du kanntest Sciron und seine Leidensgeschichte?«

Ethymios wiegte den Kopf. »Nein, aber ich werde ihn mir dennoch einmal ansehen. Wo ist er?«

Silvanus winkte dem Arzt, ihm zu folgen.

Keiner hatte Sciron aus der Lauge geholt, niemand auch nur gewagt, ihn zu berühren. Stattdessen drängten sich die Sklaven und Arbeiter um das Becken und starrten auf ihren toten Herrn. Zu trauern schienen sie nicht, doch zeichnete sich auf ihren Gesichtern die Sorge ab, wie ihr Leben jetzt weitergehen würde.

Alles schien der Situation angemessen, dennoch beschlich Silvanus ein seltsames Gefühl. Irgendetwas stimmte nicht. Philinnas Verhalten? Nein, ihre Reaktion hatte dem Anlass entsprochen. Die Beschäftigten? Nein, nichts war ungewöhnlich. »Wer ist hier der Aufseher oder Vorarbeiter?« Er schaute in die Runde, bis sein Blick auf einen hochgewachsenen Mann fiel, der nicht wie die anderen betreten auf den Boden schaute. Als Einziger trug er Schuhwerk, sogar bis unter die Knie geschnürte Stiefel. »Wie heißt du?«

»Palamedes, Herr.«

»Gut, Palamedes, sorge endlich dafür, dass die Leiche da rauskommt, und dann schicke die Leute hier weg, damit der Arzt in Ruhe arbeiten kann. Halte dich zur Verfügung, vielleicht haben wir ... nun, hat der Arzt noch Fragen an dich.«

Palamedes wählte unter den Umstehenden zwei Männer aus und gab ihnen kurze Anweisungen. Zögernd traten sie an den Beckenrand, dann, als wollten sie die unangenehme Arbeit schnell hinter sich bringen, zogen sie ihren Herrn mit einem Ruck heraus und legten ihn neben dem Becken auf den Boden.

Silvanus wandte sich dem Arzt zu, der sich über den Toten beugte. »Ich kann euch dann wohl allein lassen. Ich habe ...«

Ein verhaltenes Räuspern ließ ihn innehalten. Ein Amtssklave stand in der Tür, in der Hand eine verschnürte Wachstafel. »Silvanus Rhodius, Herr, entschuldige, aber es ist wichtig. Ich bringe Neuigkeiten.«

Silvanus musterte die verschnürte Wachstafel, die der Bote ihm reichte. Leanders Siegel? Was mochte so Außerordentliches passiert sein, dass das Stadtoberhaupt ihm einen Boten nachschickte? Er löste die Verschnürung und überflog die wenigen Zeilen. Sein Herz setzte für einen Schlag aus. Sieg! Die entscheidende Schlacht gegen die Parther, den Feind, der die Provinz seit mehr als einem Jahr bedrängte, war geschlagen. Dank sei den Göttern und dem Feldherrn Ventidius Bassus! Silvanus solle sofort in das Prytaneion kommen, man erwarte ihn dort.

Nur mühsam beherrschte Silvanus seine Freude. Am liebsten hätte er seine Erleichterung laut herausgerufen, doch sicherlich war das hier und jetzt nicht angebracht. Denn natürlich musste dieser Sieg über die Parther angemessen verkündet werden, nicht durch einen Legaten, der in einer Gerberei lauthals jubilierte. Alles in ihm drängte hinauf zum Ratsgebäude, wo er die Einzelheiten dieser lang ersehnten Nachricht erfahren würde.

Er nickte dem Boten zu. »Geh schon voraus, ich komme gleich nach.« Dann wandte er sich an Ethymios: »Halte mich auf dem Laufenden über die Angelegenheit. Wenn ich etwas tun kann für Philinna, dann lass es mich wissen.«

Er machte sich auf den Weg zum Prytaneion, konnte es kaum erwarten, alles über den Sieg des Ventidius Bassus zu erfahren. Fast schien es ihm, als fliege er die Stufen der engen Gassen hinauf, nicht einmal sein Atem beschleunigte sich, so wie sonst, wenn er Pergamons Burgberg erklomm. Selten drängte es ihn in einem solchen Maße zu dem Amtssitz der Stadtoberen, seinem Arbeitsplatz, selten rief ihn aber auch eine so gute Nachricht dorthin. In Gedanken errichtete er Ventidius Bassus schon ein Standbild, nein, besser eine Reiterstatue für den siegreichen Feldherrn. Ihm war es gelungen, die größte Gefahr, die dem Römischen Reich seit dem pontischen König Mithridates gedroht hatte, abzuwenden, die Provinzen aus den Händen der Parther zu befreien. Marcus Antonius hatte in der Tat den rechten Mann mit dieser Aufgabe betraut. Großartig, wie er die Bedrohung abgewendet hat, das hätte kein zweiter geschafft, Marcus Antonius selbst einmal ausgenommen. Kaum hier eingetroffen, hatte er schon den Feind zurückgedrängt, aus der Provinz Asia vertrieben. Ein Segen für die vielen Flüchtlinge, die vor den Toren Pergamons gelagert hatten und endlich in ihre Heimatorte zurückkehren konnten, zurück in die Städte und Dörfer, die zuvor von den Parthern bedroht oder eingenommen, teilweise gebrandschatzt und verwüstet worden waren. Dank des Siegs in dieser Schlacht konnten die Bewohner der Provinz wieder ohne Angst ihren Geschäften nachgehen. Die Entscheidung für Ventidius Bassus als Oberfeldherrn im Partherkrieg mussten Antonius wohl die Götter eingegeben haben. Ventidius war ohne namhafte Vorfahren, manche behaupteten gar, er sei in seinen jungen Jahren ein Maultiertreiber gewesen. Aufgrund seiner Tüchtigkeit hatte er einen rasanten Aufstieg hinter sich, und für diesen Sieg, war er denn vollständig, würde ihm sicher ein Triumph bewilligt werden – völlig zu Recht. Silvanus erinnerte sich noch gut, wie Ventidius ihn aufgesucht und um Unterstützung gebeten hatte, um Lebensmittel und natürlich Geld. Als angenehmen Gesellschafter hatte er ihn damals schätzen gelernt – bei Jupiter, der Mann konnte Witze reißen, wie hatten sie gelacht –, doch seine Fähigkeiten als Feldherr hatte Silvanus angezweifelt. Nun, er war eines Besseren belehrt worden, Antonius wusste, was er tat.

Silvanus bog in die Hauptstraße ein, mischte sich unter das Gewirr von Menschen, Karren, Wagen, nickte nach links, wenn ein Bürger ihn grüßte, winkte nach rechts, wenn Kinder seinen Namen riefen. Ja, er war bekannt hier in Pergamon, ob auch beliebt, vermochte er nicht zu sagen. Nicht alles, was er tat, wurde vom Volk und dem Rat der Stadt gutgeheißen, denn manchmal hatte man eben zum Wohle aller zunächst Widerstände zu überwinden. So zum Beispiel bei den Thermen, die er in Auftrag gegeben hatte, um das Volk zu erfreuen, doch gegen den Willen der Priesterschaft des Asklepios, dessen Tempelgelände für den Bau beschnitten werden musste.

Das alles war jetzt zweitrangig. Ein Gesandter des Ventidius harrte seiner, und schnell durchschritt er das Eingangsportal des Prytaneions. Marsias, sein Sekretär, kam ihm entgegen. »Der Sklave hat dich also gefunden, wie gut. Leander und der Bote des Ventidius erwarten dich. Wir haben die Neuigkeit noch nicht bekanntgegeben, das war doch in deinem Sinne, Herr, nicht wahr?«

»Ja, sehr gut, sehr gut, Marsias. Sorge bitte dafür, dass wir nicht gestört werden.« Silvanus eilte an dem Einheimischen vorbei, durchquerte den Innenhof, schritt einen Gang entlang, um schließlich vor Leanders Tür innezuhalten. Er schätzte den Mann und hatte sich dafür eingesetzt, dass Leander erneut zum Prytanen, zum obersten Beamten der Stadt, gewählt worden war.

Anfängliche Differenzen hatten sie beilegen können, die Zusammenarbeit lief im Großen und Ganzen zufriedenstellend, und an Leanders Romtreue war nicht zu zweifeln. Dennoch, es gab einen Punkt, in dem Silvanus dem Pergamener in keiner Weise vertraute: dessen Bemühen um Laelia. Dass Leander damit Erfolg haben könnte, glaubte er allerdings nicht, schließlich hatte Laelia deutlich gemacht, dass sie, im Moment jedenfalls, an keiner Beziehung interessiert sei. Gerade gestern jedoch hatte man ihm zugetragen, Laelia und Illicia hätten bei Leander gespeist.

Silvanus trat ein, unterdrückte einen Anflug von Missgunst, als er Leander auf seiner Kline liegen sah, so schlank, athletisch und gut gekleidet wie gewöhnlich. Auf der Liegestatt neben Leander hatte sich der Bote ausgestreckt, ein junger Mann, kaum zwanzig, der sich eilig erhob. Er hatte wohl noch nicht die Zeit gefunden, sich umzuziehen, nicht einmal die Waffen hatte er abgelegt. Den kurzen Rock der Legionäre trug er mit angeborener Selbstverständlichkeit, seine Hand ruhte auf dem Knauf des Kurzschwertes, die andere schmetterte er zu einer militärischen Begrüßung auf den Brustpanzer. »Ave, Silvanus Rhodius, Legat des Marcus Antonius und Vertreter Roms in dieser Stadt! Ich bin Gnaeus Nonius Niger, befehlige den linken Flügel der Reiterei. Mein Feldherr Ventidius Bassus sendet mich, dir über den Fortgang des Krieges zu berichten.« Ein stolzes Lächeln überflog sein Gesicht.

Silvanus bedeutete ihm, wieder Platz zu nehmen, während er es sich auf der Besucherkline bequem machte. Nonius gehörte einer vornehmen Familie an, und dass Ventidius ihn ausgewählt hatte, war eine große Ehre.

»Der junge Herr bestand darauf, mit dem ausführlichen Bericht auf dich zu warten.« Leander griff zu seinem Weinbecher. »Ungeduldig harrten wir deiner. Was hielt dich auf, Silvanus? Man sagte mir, du hättest dich in das Gerberviertel begeben, um einer Beschwerde nachzugehen.«

Silvanus schenkte dem jungen Mann einen anerkennenden Blick, goss sich Wein ein und lehnte sich, den Silberbecher in der Hand, auf der Kline zurück. »Der Gerber, dem die Beschwerde gegolten hatte, lag tot in einem Becken mit Urin und Blättern. Kein schöner Anblick. Es herrschte Aufregung, wie du dir vorstellen kannst, die Witwe, das Gesinde, alle waren außer sich. Ich war froh, als der Sklave mit der Botschaft erschien, so konnte ich mich verabschieden, ohne unhöflich zu erscheinen. – Doch nun erzähle, Nonius! Habt ihr die Parther endgültig aus unseren Gebieten vertrieben?«

Nonius Niger reckte das Kinn, seine Wangen glühten. »Wir hoffen es, Silvanus, jedenfalls haben wir einen glänzenden Sieg errungen. Quintus Labienus, dieser Verräter, ist tot. Er wurde nach der Schlacht von unseren Truppen gestellt; der feige Hund hatte versucht zu flüchten, verkleidet. Nicht einmal den ehrenvollen Freitod wählte er, wie es ein Römer tun sollte, wenn er sieht, dass seine Sache verloren ist. Aber was kann man schon von einem Mann erwarten, der als Unterhändler zu den Feinden überläuft, und dann auch noch an der Spitze ihrer Truppen gegen seine eigenen Landsleute zieht. Er hat den Tod verdient, wahrlich, viel zu schnell ging es für diesen Verbrecher!« Nonius spuckte auf den Boden.

Silvanus richtete sich auf. »Labienus ist tot? Das ist eine der besten Nachrichten, die du uns bringen konntest, Nonius Niger!« Mit Grausen erinnerte er sich, wie der Verräter vor gut anderthalb Jahren die Provinz überrannt hatte, mit parthischen und tatsächlich auch einigen römischen Truppen, während gleichzeitig der parthische Kronprinz Pakoros in Galiläa einfiel. Ein groß angelegter Eroberungsfeldzug, der durchaus zum Erfolg hätte führen können, hatte doch Labienus die Parther mit Technik und Taktik der Römer vertraut gemacht. Nun hatte er bekommen, was er verdiente, Niederlage und Tod, dank Ventidius Bassus.

Silvanus hob seinen Becher. »Den Göttern sei Dank! Dank dir, Mars, dir, Jupiter, dir Athene.« Er leerte den Inhalt des Gefäßes bis auf den Boden, füllte es erneut. »Und ein Vivat auf Ventidius Bassus!«

»Vivat, vivat!«, stimmten Leander und Nonius ein.

Silvanus stellte seinen Becher vor sich ab. »Doch nun weiter, Nonius, wie kam es zu dem Sieg?«

Der Jüngling strahlte, seine Wangen glühten noch stärker als zuvor. »Nun, ihr wisst, dass die Feinde voller Schrecken die Provinz Asia verließen, als sie vom Nahen unserer Streitmacht hörten, den besten Legionen, die Rom zu bieten hat. Kampflos flohen sie bis zum Taurusgebirge, wo sie nahe den Kilikischen Toren ihr Lager aufschlugen. Wir folgten ihnen, und Ventidius befahl, nicht weit von dem ihren unser Lager zu errichten, stark befestigt wie üblich. So warteten wir einige Tage, doch die feigen Kerle ließen sich nicht auf eine Schlacht ein. Dann aber bekamen sie Verstärkung, und jetzt merkt auf! Die Neuen stürmten den Hügel herauf gegen unsere Befestigung, ohne sich mit Labienus und den seinen zu vereinigen. Wild, ungeordnet verschossen sie ihre Pfeile, die an unseren Palisaden abprallten.« Der Jüngling lachte, dass seine schwarzen Locken flogen. »Gefährlich sahen sie aus, diese Parther in ihren Hosen. Gute Reiter haben sie auch, aber sie hatten keine Chance gegen unsere Männer. Wir trieben sie zurück, den Hügel hinunter. Meine Reiter nahmen sie in die Zange, und wir töteten viele von ihnen, viele. Nur wenige konnten ins kilikische Hinterland entkommen. – Das war meine erste richtige Schlacht, müsst ihr wissen, unvorstellbar, ich war in einem richtigen Rausch, die Wirkung des Weins hier ist nichts dagegen.« Er schwenkte seinen Becher, betrachtete die Flüssigkeit, als sei sie das Blut, das er vor nicht langer Zeit vergossen hatte, und trank.

Leander schenkte ihm nach. »Und es machte dir nichts aus, all die Toten, die Verwundeten, ihre Schreie und ihr Blut?«

»O nein, ich hatte es mir viel schlimmer vorgestellt.« Nonius nahm den Becher mit unsteter Hand entgegen. »Ich habe diese Schlacht genossen, immerhin haben die feigen Hunde unsere Provinzen verwüstet. Es war richtig, ihnen zu zeigen, wer Herr im Lande ist. Eines Tages werde ich Konsul sein und ein großer Feldherr wie Caesar, Antonius oder Ventidius, und ich werde Siege für Rom erringen. Zuvor aber will ich mit Antonius nach Parthien ziehen, wenn er seinen Feldzug durchführt, den er im Moment von Athen aus vorbereitet.«

Silvanus betrachtete den jungen Mann, der ihm mit glänzenden Augen gegenübersaß. Natürlich musste es Menschen geben, die dieses Handwerk verrichteten. Doch dass jemand das Töten so genoss, erfüllte Silvanus mit Unbehagen, denn keineswegs gehörte dies zum Kriegsgewerbe. Marcus Antonius hatte ihm da ganz andere Eindrücke geschildert: die Beklemmung, wenn man einen Menschen niedermäht, den Schmerz, die Angst, die Überraschung in dessen Augen, dazu die Tortur, eigene Leute zu verlieren, die man als Feldherr in den Tod geschickt hat. Heißsporne, die in einen Blutrausch gerieten und keinen Befehlen mehr gehorchten, so Antonius, seien gefährlich.

Genau so einer schien Nonius zu sein. Silvanus konnte nur hoffen, dass sein Blutdurst mit zunehmendem Alter abnehmen oder dass er trotz seines Namens und seiner Familie nie das Amt des Konsuls erreichen, ihm nie ein Heer anvertraut würde.

Der Jüngling indes erzählte bereits, wie vielen Parthern er persönlich den Garaus gemacht habe, welche Wunden wo angebracht am wirksamsten seien. Fast fühlte sich Silvanus an Homers »Ilias« erinnert, an die Schlachtenschilderungen, in denen das Blut in Fontänen spritzt, die Helden von Speeren in den Boden gerammt werden, so dass die Eingeweide hervorquellen. Wahrscheinlich hatte Nonius Niger erst vor kurzem die Rhetorenschule vollendet, hatte seine verbalen Kampfübungen mit auf das Schlachtfeld genommen.

»Was tat Labienus, als ihr die Parther so vernichtend schlugt?«, versuchte er Nonius wieder auf das Eigentliche zu bringen.

»Oh, als er am Ort des Geschehens eintraf, konnte er nichts mehr retten. Seine parthischen Freunde stoben schon in wilder Flucht auseinander, waren auch von ihm und seinen Leuten nicht mehr aufzuhalten.« Verachtung lag in des jungen Mannes Augen. »So zog er sich wieder in sein Lager zurück, dieser Feigling. Doch auch das nützte ihm nichts. Bald klopften Überläufer an unser Tor, berichteten, dass Labienus sich im Schutze der Nacht davonmachen wolle, er fürchte, ausgehungert zu werden. Und genau das war Ventidius’ Plan gewesen. Er wollte unsere Übermacht ausnutzen, Labienus’ Lager einkreisen, seine Nachschubwege abschneiden und ihn zur Kapitulation zwingen. Ich persönlich hätte es vorgezogen, ihre Befestigung zu stürmen und dem Ganzen ein schnelles Ende zu bereiten, immerhin waren die Männer demoralisiert, hätten nicht viel Widerstand geleistet. Sie alle verdienten den Tod, alle, besonders die Römer, die mit Labienus kämpften.« Nonius ballte die Fäuste. »Doch Ventidius sagte nein. Es sei schon zu viel Blut von Römern vergossen worden in den letzten Jahren, er hoffe auf die Überläufer, die wir gut gebrauchen könnten. Und sie kamen, scharenweise. Er behandelte sie freundlich, gliederte sie in unsere Legionen ein und benutzte ihre Informationen, dem abrückenden Labienus einen Hinterhalt zu legen. Das Taurusgebirge ist unwegsam, die Wege sind schmal und die Schluchten bewaldet. Es lief perfekt. Labienus tappte in die Falle, wir töteten alle seiner Männer, die nicht fliehen konnten oder zu uns überliefen, und er selbst, wie gesagt, machte sich davon, verkleidet. Nun, er kam nicht weit.« Nonius hob eine Hand und schaute zur Decke, als könne er dort die Geschehnisse von neuem erblicken. »Ah, es war wunderbar!«

»Ein fähiger Mann, dieser Ventidius Bassus, so scheint es mir.« Anerkennend hob Leander seinen Becher. »Schon als er hier war, machte er einen guten, einen besonnenen Eindruck. Was hat er jetzt vor, Nonius, will er die Fliehenden verfolgen?«

Nonius zog den Krug zu sich heran. »Er ist fast leer, hast du noch mehr von dem Wein, Leander? Einen so guten Tropfen habe ich seit Monaten nicht mehr gekostet. Nicht einmal in Ephesos, wo ich dem Statthalter Munatius Plancus die guten Nachrichten überbrachte, und das ist immerhin die Hauptstadt dieser Provinz.« Er streckte Leander das leere Gefäß entgegen.

Der Prytane klatschte in die Hände, ein Sklave erschien mit zwei neuen Silberkrügen und schenkte Nonius nach.

»Ah, wirklich gut!« Nonius trank, einige Tropfen fielen auf seinen Brustharnisch und rannen daran herunter. »Das habe ich mir verdient, nie bin ich so lange geritten ohne ordentlichen Schlaf. Und diese Schlachten davor, ich kann euch sagen ...«

Der Jüngling war betrunken. Silvanus sandte Leander einen Blick, als Nonius jetzt mit schwerer Zunge erneut anhob, seine Heldentaten bei den Kämpfen zu schildern. Der Prytane zuckte unmerklich die Schultern. So viel des Weines hätte er dem jungen Mann nicht zu geben brauchen, trotz der guten Nachrichten, dachte Silvanus. Ein wenig mehr Wasser in der Mischung wäre ebenfalls nicht von Nachteil gewesen. Auch ihm stieg der Trunk schon zu Kopf, und er war einiges gewohnt. Bevor aber der junge Krieger gänzlich unansprechbar war, sollte er noch seinen Bericht beenden. »Was hat Ventidius denn nun vor, Nonius, weißt du das?«

»Natürlich weiß ich das. Er ist auf dem Weg nach Ephesos, um sich mit Plancus zu beraten, dann will er hierher kommen. Er braucht Geld, Silvanus, um die Truppen zu besolden und sie im Winterlager zu verpflegen. Das wird an den Kilikischen Toren aufgeschlagen, ich muss bald dorthin zurück, damit meine Reiter keine Dummheiten machen.« Er kicherte. »Jedenfalls kommt er hierher, in circa einer Woche könnt ihr mit ihm rechnen. Ist die Stadtkasse gut gefüllt? – Und kannst du mir ein paar Amphoren dieses Weines mitgeben, Leander? Er ist wirklich köstlich.«

Leander nickte. »Natürlich. Doch du möchtest dich gewiss ein wenig ausruhen nach dem anstrengenden Ritt, ein Bad nehmen und vielleicht etwas schlafen. Ich habe für dich ein Gemach vorbereiten lassen in einem der alten Königspaläste, deinem Stand und deinen Taten angemessen. Gib uns die Ehre, dort unser Gast zu sein. Ein Sklave wird dich hingeleiten.« Bevor Nonius etwas erwidern konnte, klatschte er in die Hände; dem eintretenden Sklaven trug er auf, den jungen Mann zu seinem Quartier zu bringen.

»Ja, ich bin müde, du hast recht.« Schwankend erhob sich Nonius und griff nach einem der Silberkrüge. »Doch den hier nehme ich mit, wenn du nichts dagegen hast. Vale Silvanus Rhodius, vale Leander!«

Silvanus atmete auf, als der Jüngling, von dem Sklaven mehr gestützt als geleitet, den Raum verlassen hatte. »Der Wein ist viel zu gut für diesen Burschen, Leander, du hättest ihm billigeren geben sollen. Und wenn Ventidius wirklich Geld will für seine Legionäre, werden wir uns einen solchen Tropfen bald nicht mehr leisten können.«

»Nun, gar so schlimm wird es nicht sein, Silvanus, und du weißt es. Der Krieg fördert die Wirtschaft, und gerade hier in Pergamon profitieren wir davon. Die Gerbereien verkauften noch nie so viel Leder wie jetzt, Töpfer, Schmiede und Schreiner haben Hochkonjunktur. Die Städte und Dörfer, die von den Parthern geplündert worden sind, benötigen Waren, die Banken geben Kredite in nie gesehener Vielzahl. Unsere Steuereinnahmen waren lange nicht so hoch. Nein, mach dir keine Sorgen, Silvanus, wir werden Ventidius geben, was er verlangt, und trotzdem den Sieg gebührend feiern können.«

Silvanus entspannte sich. Ja, natürlich hatte Leander recht. Der Stadt Pergamon ging es gut, die Wirtschaft florierte, nicht zuletzt wegen seiner, Silvanus’, klugen und umsichtigen Verwaltung. Und gab er Ventidius, was dieser benötigte – nicht ohne einiges Handeln natürlich –, dann zeugte die Finanzkraft der Stadt nur für seine eigene Tüchtigkeit. Ventidius würde es Antonius berichten, und der wäre zufrieden mit ihm. Der Sitz im Senat rückte näher. War er noch als verarmter Angehöriger des Ritterstandes in diese Provinz gekommen, hatte er sich hier in kurzer Zeit ein gutes Stück auf der Karriereleiter emporgearbeitet. Und nun, als Legat des Antonius in Pergamon, war sein Vermögen so gewachsen, dass er den schmalen roten Streifen der Equites, das Zeichen des Ritterstandes, wieder an seiner Tunika tragen durfte, ein Privileg, dessen sein Vater verlustig ging. Wie oft hatte er das Gesetz verflucht, das für die Zugehörigkeit zu den Ständen den Besitz eines nicht geringen Geldbetrages vorschrieb, wie oft hatte er früher mit den Göttern gehadert, dass ihm wegen seiner Geldnot viele Posten verschlossen blieben. Als kleiner Beamter, als einer der Tresviri capitales auch zuständig für die Aufsicht über die Gefängnisse, hatte er damals in Rom sein Geld verdient, viel zu wenig, so dass er sich mit der Aufklärung von Verbrechen ein Zubrot hatte verdienen müssen, gerade genug zum Leben für ihn und Lucida.

Dann aber hatte er die brillante Idee gehabt, zu Marcus Antonius in den Osten zu gehen. Und tatsächlich, seine Träume gingen in Erfüllung, der große Imperator zählte ihn zu seinen Freunden, weil er ihm des Öfteren einen Gefallen hatte erweisen können. Eigentlich müsste er uneingeschränkt glücklich sein. Er wohnte in einem schönen, einem angemessenen Haus, er hatte eine Familie, einen Sohn, nur dass Lucida ... Doch vielleicht würde die Botschaft von Ventidius’ Sieg auch ihre Stimmung heben, vielleicht war es die Angst gewesen, die sie so unzugänglich machte. Vielleicht ...

»Silvanus«, drang Leanders Stimme an seine Ohren. »Silvanus, findest du nicht auch, dass dieser Sieg angemessen gefeiert werden muss?«

»Oh, natürlich. Äh, was hältst du von Spielen, Leander? Mit allem, was dazu gehört: Gladiatoren, Tierhatzen, Wagenrennen.«

Leander lachte leise. »Gut, sehr gut. Vielleicht noch einen musikalischen Wettstreit dazu, Schauspiel, Akrobatik?«

»Hervorragend!« Silvanus fühlte, wie die Hochstimmung, die ihn vorhin erfüllt hatte, zurückkehrte. »Drei Tage lang werden wir Spiele veranstalten, das Volk bewirten mit Fleisch und Wein, Geschenke unter die Zuschauer werfen. Hm. Wann, sagte Nonius, wird Ventidius hier eintreffen? In etwa einer Woche? Das müsste reichen für die Vorbereitungen, dann kann er dabei sein, vielleicht sogar die Spiele, die ja zu seinen Ehren gegeben werden, mit uns eröffnen. – Feiern, Essen, Geschenke, drei Tage lang – die Menschen werden uns lieben, Leander.« Schon sah sich Silvanus auf einem prächtig geschmückten Wagen an der Spitze der Darsteller in die Arena einziehen, schon hörte er die Massen jubeln, wenn er nach der Prozession verkündete: Ich erkläre die Spiele für eröffnet.

»Wir sollten die Neuigkeit sofort verbreiten lassen«, unterbrach Leander seine Gedanken. »Ich werde Herolde losschicken und Sklaven, die die Botschaft vom Sieg an allen öffentlichen Plätzen anschlagen sollen. Auch dass wir Spiele ausrichten werden, als Dank für die Mühen, die das Volk wegen des Flüchtlingslagers vor unseren Toren erduldet hat. Du hast ihnen doch damals eine Belohnung versprochen, das ist die beste Gelegenheit, dieses Versprechen einzulösen.«

Silvanus warf Leander einen Blick zu. Was meinte der Prytane damit? Sollte etwa er, Silvanus Rhodius, die Spiele bezahlen? Nun ja, in Rom war das üblich, auch Leander wusste das. Aber das hier war doch etwas ganz anderes. Das sollten Spiele werden von der Stadt – und damit pergamenischer und römischer Magistratur – für die Stadt. Reichte vielleicht die Stadtkasse für beides, Ventidius’ Unterstützung und die Spiele, nicht aus? Wollte ihn Leander als Auftrag- und damit Geldgeber in die Pflicht nehmen? Silvanus zog die Augenbrauen zusammen.

Flüchtig strich sich Leander durch das Haar. »Nun, Silvanus, ich schlage vor, du übernimmst ein Viertel der Kosten für die Festtage, ich ein Viertel, der Rest wird aus der Stadtkasse finanziert. Damit setzen wir Zeichen bei der Bevölkerung, wichtige Zeichen.«