Gipfelglühen - Stina Jensen - E-Book
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Gipfelglühen E-Book

Stina Jensen

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Beschreibung

Ein Techtelmechtel in den Bergen. Ein Familienvater im Gefühlschaos …

Sebastian Liebermann gibt sich gern als harter Brocken. Dabei wünscht sich der vielbeschäftigte Schulleiter und alleinerziehende Vater nichts sehnlicher als eine neue Liebe. Jetzt, wo er alle Altlasten hinter sich gelassen und im schönen Allgäu ein neues Leben begonnen hat, wäre damit alles perfekt. Ausgerechnet der plötzliche Tod einer Kollegin führt ihn zu Maja Blum, die Trauerreden verfasst. Bald schlägt sein Herz für die einfühlsame, bildschöne Frau gipfelhoch – aber leider hegt Maja einen Traum, den er ihr unmöglich erfüllen kann. Besser, er bleibt allein. Doch dann muss er sich unversehens seiner unrühmlichen Vergangenheit stellen. Und damit auch der Gegenwart …

Die Romane der INSELfarben- und GIPFELfarben-Reihe sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.

Die chronologische Reihenfolge der Romane: Inselblau (Svea, Langeoog und Mallorca), Inselgrün (Wiebke, Irland), Inselgelb (Claire, Island), Inselpink (Ida, Mallorca), Inselgold (Amanda, Rügen), Gipfelblau (Annika, Zermatt), Gipfelgold (Mona, Bad Gastein), Gipfelrot (Valerie, Schottland), Inseltürkis (Terry, Sardinien), Inselrot (Sandra, Sylt), Gipfelpink (Susa, Teneriffa), Inselhimmelblau (Svea, Langeoog), Gipfelglühen (Sebastian, Allgäu)

Außerdem: »Plätzchen, Tee und Winterwünsche«, »Misteln, Schnee und Winterwunder«, »Sterne, Zimt und Winterträume«, »Muscheln, Gold und Winterglück«, »Vanille, Punsch und Winterzauber«, »Mondschein, Flan und Winterherzen«, »Engel, Blues und Winterfunkeln«, »Sommertraum mit Happy End«, »Stürmisch verliebt«

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Seitenzahl: 308

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GIPFELGLÜHEN

DIE GESCHICHTE EINES BESCHISSEN SCHÖNEN SOMMERS

STINA JENSEN

SÓTANO

INHALT

Impressum

Über die Autorin

Das Buch

Vorwort

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Nachwort

Eine persönliche Bitte

Wunsch-eBook

Alle Bücher von Stina Jensen

Leseprobe INSELhimmelblau

Erstausgabe: April 2022

© Stina Jensen

Robert-Bosch-Straße 48

61184 Karben

[email protected]

www.stina-jensen.de

Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Bilder, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung der Verfasserin urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werkes sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten zu existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des von der Herausgeberin freigegebenen Testes kommen.

Lektorat: Ricarda Oertel www.lektorat-oertel.de

Korrektorat: Ruth Pöß www.das-kleine-korrektorat.de

Covergestaltung © Traumstoff Buchdesign traumstoff.at

Covermotive: Vera Patrunina shutterstock.com

Das gesamte Programm von Stina Jensen findest du hier.

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STINA JENSEN schreibt Insel- und Gipfelromane, romantische Komödien und Krimis. Sie liebt das Reisen und saugt neue Umgebungen in sich auf wie ein Schwamm.

Meist kommen dabei wie von selbst die Figuren in ihren Kopf und ringen dort um die Hauptrolle in ihrem nächsten Roman. Wenn sie nicht verreist, lebt die Autorin mit ihrer Familie in der Nähe von Frankfurt am Main.

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Ein Techtelmechtel in den Bergen. Ein Familienvater im Gefühlschaos.

Sebastian Liebermann gibt sich gern als harter Brocken. Dabei wünscht sich der vielbeschäftigte Schulleiter und alleinerziehende Vater nichts sehnlicher als eine neue Liebe. Jetzt, wo er alle Altlasten hinter sich gelassen und im schönen Allgäu ein neues Leben begonnen hat, wäre damit alles perfekt.

Ausgerechnet der plötzliche Tod einer Kollegin führt ihn zu Maja Blum, die Trauerreden verfasst. Bald schlägt sein Herz für die einfühlsame, bildschöne Frau gipfelhoch – aber leider hegt Maja einen Traum, den er ihr unmöglich erfüllen kann. 

Besser, er bleibt allein.

Doch dann muss er sich unversehens seiner unrühmlichen Vergangenheit stellen. Und damit auch der Gegenwart …

Liebe Leserinnen und Leser,

obwohl ich mir Mühe gebe, bei den Ortsbeschreibungen so exakt wie möglich zu bleiben, komme ich nicht darum herum, die örtlichen Gegebenheiten teilweise den Erfordernissen der Handlung anzupassen. Das hier beschriebene Gymnasium in Füssen hat mit der realen Schule nichts gemeinsam. Ebenso wenig die Ereignisse dort. Sollten Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen bestehen, wären diese rein zufällig.

1

PROLOG

Das Video war verwackelt. Dennoch erkannte man eine Braut und einen Bräutigam vor einem Pult, dahinter den Standesbeamten. Mein Vater hatte es sich nicht nehmen lassen, den Camcorder – eine Handkamera mit Aufnahmekassette, die er damals schon seit Jahren besaß – während der gesamten Zeremonie auf seiner Schulter zu balancieren. Je länger man auf den Fernseher schaute, desto schwindeliger wurde einem.

»Und hiermit erkläre ich Sie zu Mann und Frau«, sagte der Beamte auf dem Bildschirm. Er lächelte dem Bräutigam auffordernd zu. »Sie dürfen die Braut jetzt küssen.«

Mein jüngeres Ich im dunkelblauen Anzug beugte sich zu seiner großen Liebe Ines hinüber und senkte seine Lippen auf die der frischgebackenen Ehefrau.

Die Kamera schwenkte ins applaudierende Publikum. Meine Mutter wischte sich Tränen der Rührung aus den Augen.

Ich erinnerte mich daran, wie unendlich erleichtert auch ich in diesem Moment gewesen war. Ines war nicht davon gerannt, niemand hatte »Einspruch!« gerufen. Nein, diese Wahnsinnsfrau hatte »Ich will« gesagt. Zu mir, der ich mich insgeheim für einen Langweiler hielt. Für spannende Abenteuer war ich jedenfalls weder berühmt noch berüchtigt.

Antonia, die mich gebeten hatte, ihr das auf den 2.2.2002 datierte Hochzeitsvideo von mir und Ines zu zeigen, schlug die Hände an die Wangen. »Ich kann nicht fassen, wie jung du da bist, Sebastian. Kein einziges graues Haar, nicht die kleinste Falte. Du siehst aus wie ein Junge!«

Sie stieß ihren Freund Conny in die Seite, der mir zuzwinkerte. »Ihr wart beide ganz schön jung«, bestätigte er.

Das stimmte. Ines und ich waren erst sechsundzwanzig gewesen. Wir hatten nicht heiraten müssen. Ella war noch nicht einmal geplant. Ich hatte gerade das Referendariat beendet und meine Stelle als Lehrer angetreten. Und trotzdem hatten wir es nicht abwarten können, »Ja« zueinander zu sagen.

Ich wackelte mit den Augenbrauen. »Ich hatte eigentlich gehofft, ich hätte mir bis heute etwas von meinem jungenhaften Charme bewahrt.«

Conny warf mir einen anerkennenden Blick zu. »Hast du, aber wie!« Er zeigte zum Fernseher. »Deine Frau war allerdings ein Feger, alle Achtung. Wie ist einer wie du an ein solches Prachtweib gekommen? Ich hab gedacht, nur ich wär hier der Glückspilz, ha?«

Antonia verdrehte die Augen. »Hört mal auf mit eurem Geprahle, ihr Gockel.«

Ich schmunzelte. Dass ich eine Frau wie Ines abbekommen hatte – so zart, so hübsch und liebenswert, dabei von einem unerschütterlichen Selbstbewusstsein –, hatte mich selbst am allermeisten gewundert. Sie war einen Kopf kleiner als ich, und trotzdem hatte ich zu ihr aufgesehen. Ich war wahrhaftig nicht der Einzige gewesen, der in sie verschossen war. Zwar sah ich nicht übel aus, doch ich hatte eben nie zu den Coolen gehört. Schon damals glänzte ich eher durch meine Hilfsbereitschaft und Zuverlässigkeit. Ines hatte das als vorteilhaft erkannt.

»Ich will einen Mann«, hatte sie zu mir gesagt, »der nicht gleich bei der ersten Schwierigkeit flüchtet.«

Und doch hatte ich viele Jahre später, in den letzten Wochen ihres Lebens, genau das getan.

Auf dem Fernsehbildschirm schnitten Ines und ich gerade die Hochzeitstorte an. Meine Frau hatte auf ein dreistöckiges Exemplar bestanden: eine Etagere aus Nusstorte, Himbeersahne und Schokocreme. Obenauf das obligatorische Hochzeitspaar aus Marzipan. Wir hatten der Konditorin vorab Fotos von uns geschickt, und es war ihr tatsächlich gelungen, uns nachzubilden.

»Gab es eigentlich auch Krisen in eurer Ehe?«, fragte Antonia jetzt. Sie und ich hatten uns vor zwei Jahren bei einem Wanderurlaub auf Teneriffa kennengelernt. Dort hatte ich ihr anvertraut, was ich getan hatte, als Ines im Sterben lag. Über die Jahre hatten wir den Kontakt gehalten. Als es ihr im letzten Winter nicht gutging, bot ich ihr mein Gästezimmer für eine Auszeit an. Dabei lernte sie Conny kennen.

»Krisen? Eigentlich nicht. Wir hatten wirklich Glück miteinander.« Ich zuckte die Achseln. »Was würde ich dafür geben, noch mal so eine Frau zu finden.«

Conny klopfte mir auf die Schulter. »Man sollte nie die Hoffnung aufgeben, mein Lieber.« Zärtlich zog er Antonia an sich. »Das Glück kommt genau dann, wenn du’s am wenigsten erwartest.«

2

Happy birthday, Bruderherz!«

Ich hatte den Anruf meiner Schwester auf Lautsprecher gestellt, meine Hände waren zu klebrig, um das Smartphone in die Hand zu nehmen. An Geburtstagen war es im Kollegium Tradition, etwas zu essen mitzubringen und im Lehrerzimmer bereitzustellen. Ich hatte mich für Krapfen entschieden, wie man Kreppel oder auch Berliner hier in Bayern nannte, und mir einen in mein Büro mitgenommen. Alles, was man unbeaufsichtigt stehen ließ, war innerhalb eines Wimpernschlags vertilgt.

Ich rieb meine Fingerspitzen an einer Serviette blank und bedankte mich für Natalias Glückwünsche.

»Was hast du denn heute noch so vor?«, fragte sie. »Ich hoffe, die Kids verwöhnen dich nach Strich und Faden!«

Dass neben meinen beiden Jungs nun auch meine Tochter bei mir hier in Füssen wohnte, war noch brandneu. Ella, die bis vor kurzem bei Natalia in Wiesbaden gelebt hatte, war nach dem schriftlichen Abitur endlich ebenfalls zu mir gezogen. Angeblich konnte sie sich in den kommenden drei Wochen genauso gut hier für ihre nächsten Prüfungen vorbereiten. In Hessen waren zwei mündliche üblich, eine davon durfte auch eine Präsentation sein. Bei der Präsentation hatte Ella sich für Geschichte entschieden, bei der mündlichen für Mathe. Mich hatte es verwundert, dass sie so dringend her wollte; ich hatte eigentlich den Eindruck gehabt, sie hätte seit einiger Zeit einen Freund. Zumindest war neben Samira, die Ellas langjährige beste Freundin war, plötzlich auch immer wieder ein Mika in ihren Erzählungen aufgetaucht. Als ich sie jedoch nach dem Jungen fragte, hatte sie abgeblockt. Anscheinend war die Sache schon wieder zu Ende. Die Laune, die sie an den Tag legte, sprach dafür. Auch stylte sie sich gar nicht wie sonst. Üblicherweise verbrachte meine Tochter Stunden im Bad, föhnte aufwendig ihr Haar und tuschte die Wimpern. Seit sie hier war, nahm sie es mit der Körperpflege nicht allzu genau.

»Heute Morgen haben sie mir zumindest ein Ständchen gebracht«, beantwortete ich Natalias Frage. »Außerdem gab es einen Kinogutschein für zwei.« Ich grunzte heiter. »Jetzt sag mir mal, mit wem ich zu zweit ins Kino gehen sollte? Für die Beschaffung der anderen beiden Karten bin dann wohl ich zuständig.«

»Aber heute Abend, da werden sie dich doch hoffentlich verwöhnen? Du hast Gäste, oder? Ich hatte es Ella ans Herz gelegt, dich zu unterstützen. Du solltest heute an erster Stelle stehen – auch wenn sie Stress hat.«

»Was meinst du denn mit Stress?«, fragte ich lachend. »Spielst du darauf an, dass sie so viel fürs Abi zu tun hat? Bisher ist davon leider noch nicht viel zu sehen. Deine mahnenden Worte wegen meines Geburtstags scheint sie aber zu beherzigen, sie wollte etwas kochen. Mal schauen, was draus wird. Abgesehen davon, Schwesterherz, du weißt, ich bin wunschlos glücklich.«

Natalia klang nachdenklich. »Sie lernt nicht? O je. Frag sie, ob du sie unterstützen kannst, vielleicht braucht sie das. Was dich betrifft: Wunschlos glücklich? Na ja. Du könntest noch ein bisschen mehr vom Leben erwarten, alter Herr. Du weißt, was ich meine. Wie alt bist du geworden?«

Sie wusste es ganz genau. Sechsundvierzig. Damit ging ich gerade noch als Mittvierziger durch. »Warum sollte ich mehr erwarten?«, widersprach ich. »Meinetwegen können die nächsten Jahre so weitergehen wie jetzt. Was will ich mehr als drei gesunde Kinder, ein hübsches Reihenhäuschen vor bezaubernder Bergkulisse, einen Job als Schulleiter eines Gymnasiums und neue Bekannte, mit denen ich mich regelmäßig treffe? Außerdem treibe ich Sport, bin noch –«

»Es soll so bleiben wie es ist? Fällt dir nicht selbst auf, was bei deiner Aufzählung fehlt?«

So lieb Natalia war und so sehr sie mich nach Ines’ Tod auch unterstützt hatte, so gern provozierte sie mich. Am liebsten ritt sie auf meinem Liebesleben herum. Ja, ich sehnte mich nach großen Gefühlen. Nach einer Frau, die mich von den Füßen reißen würde. In den letzten Jahren hatte ich sogar eine Weile aktiv versucht, eine neue Liebe kennenzulernen, nachdem die Trauer um Ines endlich in ein erträgliches Maß übergegangen war. Ella hatte mich obendrein mal auf Tinder angemeldet. Ab und zu hatte ich sogar für die ein oder andere Frau geschwärmt. Doch entweder die Auserwählte interessierte sich nicht für mich, oder sie entpuppte sich als allzu bedürftig und anhänglich, was mir bald zu anstrengend wurde.

Außerdem – und von dieser Einschränkung ahnte Natalia nichts – gab es noch einen weiteren Grund für meine Zurückhaltung in Liebesdingen. Angenommen, ich verliebte mich so richtig. Dann wäre es doch wichtig, zu dieser neuen Liebe ehrlich zu sein. Ihr davon zu erzählen, was ich getan hatte, als Ines im Sterben lag. Doch was würde es für meine Familie bedeuten, wenn das rauskam? Vielleicht hätte ich zwar eine neue Liebe. Aber die meiner Kinder würde ich verlieren.

Insofern blieb es bei der Sehnsucht.

»Nein, ich widerspreche«, schloss ich das Thema ab. »Mir fehlt überhaupt nichts. Und jetzt muss ich Schluss machen, ich hab noch ein bisschen zu tun.«

Zum einen hatten mir die jungen Redakteure der Schülerzeitung für die letzte Ausgabe dieses Schuljahres einen Fragebogen zukommen lassen, in dem ich ein paar persönliche Dinge von mir preisgeben sollte. Wahrscheinlich wollten sie mich aus der Reserve locken, nachdem sie mich in der ersten Ausgabe nach meinem Dienstantritt hier als »Der Direx mit dem Stock im Arsch« bezeichnet hatten. Da hatte ich natürlich geschluckt. Andererseits hielt ich mich nun mal sehr gerade. Das war auch wichtig, wenn man bei meiner Körpergröße keinen Buckel bekommen wollte. Und ja, ich war manchmal etwas steif und förmlich. Bisher hatte ich noch nicht viele Facetten von mir zeigen können. Deswegen übersahen mich die Schüler auch geflissentlich auf dem Flur. Ich würde ihnen aber bei ihrem Fragebogen beweisen, dass ich auch ein paar lockere Sprüche auf Lager hatte. Außerdem erwartete ich noch einen Schüler, Jakob Hübner, der um ein Gespräch gebeten hatte. Danach war endlich Wochenende. Heute Abend kamen Conny und Antonia zu Besuch. Hoffentlich bekam Ella das mit dem Essen hin. Schön wäre es schon, ein bisschen verwöhnt zu werden.

Ich straffte mich und zog den Fragebogen meiner Schüler zu mir heran.

Die ersten Zeilen verlangten die üblichen Koordinaten wie Name, Geburtstag, Anzahl der Kinder. Ich schluckte. Die Frage nach meiner Lieblingsfarbe beantwortete ich mit »Alle, die mir stehen, also Blau ;-)«. Die nach meinem Lieblingsessen mit »Fleisch ist mein Gemüse«. Danach wurde es knackig.

Lügen Sie manchmal, Herr Liebermann?

Ich blies die Wangen auf. War es eine Lüge, wenn man etwas für sich behielt?

Ein Klopfen an der Tür unterbrach meine Gedanken. »Chef?« Meine Sekretärin steckte den Kopf zur Tür herein. Gerlinde Schmitz war nicht nur meine Assistentin, sondern auch Ansprechpartnerin für die Schüler. Allerdings plante sie lieber meine Termine, als Pflaster auf Kinderknien anzubringen. Ihr Spitzname war »der Drachen«, und in gewisser Weise schien sie das zu genießen. Durchs viele Rauchen hatte sie eine sonore Stimme, die besonders zur Geltung kam, wenn sie leise sprach. So wie jetzt.

»Jakob wäre da – sind Sie soweit?«

Ich nickte und legte den Stift ab. Jakob Hübner war nicht nur mein Schüler, ich kannte ihn auch privat. Er war der Sohn von Carola, Connys Ex-Schwägerin, die seit meinem Umzug hierher ein Auge auf mich geworfen hatte und bisher noch immer nicht begriffen zu haben schien, dass zwischen uns nie etwas laufen würde. Nicht nur wegen Jakob – mit der Mutter eines Schülers eine Beziehung anzufangen, wäre merkwürdig gewesen –, sondern weil sie keinerlei Emotionen in mir weckte. Jedenfalls keine positiven. Sie war in jeder Hinsicht das Gegenteil von Ines. Nicht, dass ich eine Doppelgängerin gesucht hätte. Aber eine, die ihr zumindest vom Wesen her ähnelte. Carola war pushy und gleichzeitig unterwürfig, eine Mischung, mit der sie mich permanent überforderte. Und sie besaß null Antennen für ihre Umwelt. Daher hatte sie ihre Bemühungen um mich noch immer nicht eingestellt. Obwohl ich schon unzählige Einladungen von ihr ausgeschlagen hatte.

Jedenfalls waren Jakob und ich ihretwegen per du. Da ich ihn aber nicht unterrichtete, war das kein Problem. Entschlossen schob ich den Stuhl zurück und schlüpfte in mein dunkelblaues Jackett.

Jakob klopfte, und ich bat ihn herein. Der Achtzehnjährige glänzte normalerweise durch seine athletische Haltung, die von der Mitarbeit in der Landwirtschaft herrührte. Heute ließ er jedoch die Schultern hängen. Ihm war natürlich bewusst, dass sein Abitur auf der Kippe stand, nachdem die schriftlichen Ergebnisse nicht überragend gewesen waren. In der Englisch-Nachprüfung musste er sechs Punkte erreichen. Carola hatte mich deswegen auch schon kontaktiert. Ich hatte sie allerdings gebeten, das zu unterlassen.

»Mensch Jakob, was bringt dich zu mir?«, gab ich mich ahnungslos, wollte erst einmal ihn reden lassen.

Im privaten Umfeld sprach Jakob breiten Allgäuer Dialekt. An der Schule gab er sich zum Glück Mühe. »Der Vater killt mich, wenn ich durchfall«, sagte er und sank auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch. »Du musst mir helfen.«

Hubert Hübner, Carolas Ex-Mann, war ein bäriger Typ. Soweit ich wusste, war er allerdings nie handgreiflich geworden. Laut wohl schon öfter.

Jakob lehnte sich vertraulich nach vorn. »Wenn du mir einen Tipp gibst, was drankommt, dann geb ich mein Bestes. Aber auf alle möglichen Stücke von dieser Pappnase kann ich mich echt nicht vorbereiten.«

Die »Pappnase« war William Shakespeare.

»Wenn’s Hamlet ist, geht’s ja noch«, sprach Jakob weiter, »oder das andere, wie heißt es noch«, er sah in die Luft. »Viel Krach um nichts?«

Ich breitete die Hände aus. »Gib einfach Gas, Jakob. Lass die Arbeit auf dem Hof ruhen und steck den Kopf in die Bücher. Dann wird das schon.« Ich hätte ihm sagen können, dass von einem verhauenen Abi die Welt nicht unterging – die Gefahr war in seinem Fall tatsächlich groß –, aber das hätte ihm jetzt nicht geholfen.

Ellas Noten dieses Schuljahres waren auch nicht berühmt ausgefallen. Aber zu den Abiklausuren hatte sie sich wieder gefangen. Vor einer Woche hatte sie die Ergebnisse aus der schriftlichen Prüfung erhalten. Drei Mal neun Punkte. Das war nicht berauschend, aber sie war weit davon entfernt, nicht zu bestehen. Jetzt mussten nur noch die zwei letzten Noten einigermaßen ausfallen, und ihrem Lehramtsstudium in Augsburg stand nichts im Wege. Dass sie beruflich in die Fußstapfen des Liebermann-Clans treten wollte, erfüllte mich mit Stolz. Meine Eltern waren beide Gymnasiallehrer, meine Schwester unterrichtete an einer Berufsschule.

»Wie soll ich sechs Punkte rausreißen, no way!« Jakob faltete die Hände. »Ich muss das packen, verstehst?«

»Ich kann das Prüfungsergebnis auch nicht beeinflussen, es tut mir wirklich leid, Jakob. Es kommt allein auf deine Leistung an.«

Wohlwollend schob ich ihm das Glas mit den Naschereien zu, die ich hier für die Schüler bereithielt. Die Lakritzschnecken waren immer am schnellsten weg. Auch Jakob nahm sich eine.

»Vielleicht könnst aber der Brode einfach stecken, wie viele Punkte ich brauch.« Knisternd packte er die Süßigkeit aus und rollte ein Stück Lakritz ab, steckte es sich in den Mund.

Ich sah ihn bedauernd an. »Solche Ansagen machen wir nicht, Jakob. Aber du kannst dir sicher sein, dass es nicht an einem Punkt scheitern wird.« Ich zwinkerte. »Im Zweifel für den Angeklagten.«

Der Junge schob das Kinn vor. »Deine Buben sind hier auf der Schule, wie wär das für dich, wenn die durchfallen würden? Da würdst doch auch mit den Lehrern reden.«

Energisch schüttelte ich den Kopf. »Eher würde ich mir die Zunge abbeißen.« Ich schob den Stuhl zurück und hielt ihm die Hand hin. »Du hast noch vier Wochen Zeit, dich vorzubereiten. Mach das Beste draus.«

Nachdem er gegangen war, fischte ich ein Karamellbonbon aus dem Glas und steckte es in den Mund. Dann zog ich wieder den Fragebogen der Schülerzeitung zu mir heran.

Lügen Sie manchmal, Herr Liebermann?, las ich die Frage erneut. Klackernd lutschte ich am Bonbon.

Zum Beispiel bei diesem Fragebogen. Und ganz besonders bei der Antwort zu dieser Frage. ;)

* * *

Als ich später das Lehrerzimmer betrat, lagen noch zwei Krapfen auf dem Tablett. Ich hoffte, dass inzwischen alle einen abbekommen hatten, besonders Luisa Falk, meine Lieblingskollegin. Die Sechsunddreißigjährige unterrichtete wie ich Sport und Biologie und rieb sich zwischen Familie und Job auf, aber sie klagte nie. Im Gegenteil, sie verbreitete immer gute Laune. Den Schülern zeigte sie gutmütig deren Stärken auf und schaffte es, sie anzuspornen. Sie hatte eine jugendliche Ausstrahlung. Meist trug sie Sportklamotten und das lockige Haar zu einem wuscheligen Knoten gebunden. Luisas Mann Daniel leitete einen Supermarkt, die beiden hatten fünfjährige Zwillingsmädchen, deren Namen mir zu merken ich längst aufgegeben hatte. Manchmal trafen wir uns zum gemeinsamen Wandern. Sie war die einzige Kollegin, mit der ich privat Kontakt hielt. Für abends hatte ich sie und ihre Familie ebenfalls eingeladen, doch leider stieg heute auch ein Sommerfest beim Supermarkt, da waren sie bereits verpflichtet.

Eben betrat sie das Lehrerzimmer und war in drei Schritten am Tablett, schnappte sich das vorletzte Zuckerteil. »Hey, alles Gute fürs neue Lebensjahr!«, wünschte sie und stieß mich in die Seite. Sie biss ein Stück ab und leckte sich über die Mundwinkel. »Da hab ich ja gerade noch Glück gehabt«, sagte sie kauend. »Ich dachte schon, die Frau Doktor war schneller.« Ihr Blick ging zu Renate Brode, die auf Herrn Fernández einredete. Der junge Kollege checkte gleichzeitig Nachrichten auf seinem Handy. Luisa und ich zwinkerten uns wissend zu. Frau Doktor erzählte gern von ihren Enkelkindern. Die Zusammenhänge zwischen ihren Krankmeldungen und den Geburtstagen der Kleinen, zu denen ihre Tochter Unterstützung benötigte, waren unverkennbar. Mir waren da allerdings die Hände gebunden. Selbst dann, wenn Kollegen noch so offensichtlich kein Gespür für die Bedürfnisse Heranwachsender oder spannend gestalteten Unterricht besaßen. Im Schulbetrieb ging es anders zu als in der freien Wirtschaft. Meine Möglichkeiten beschränkten sich auf diplomatisch vorgebrachte »Ratschläge«.

Ich war jetzt seit fast einem Schuljahr Direktor und hatte mir ein stabiles Standing erarbeitet. Besonders die älteren Kollegen waren mir anfangs zurückhaltend begegnet. Zum einen kam ich aus Hessen, außerdem war ich in ihren Augen auch noch reichlich jung für so einen Job. Und durch meine reservierte, manchmal etwas distanzierte Art wirkte ich mitunter arrogant. Ich wusste darum, aber es war nicht leicht, das abzulegen.

»Lass uns mal wieder wandern gehen«, unterbrach Luisa Falk meine Gedanken. »Dann kehren wir auf einer Hütte ein und stoßen dort noch mal auf deinen Geburtstag an, was meinst du? Ich möchte auch endlich mal deine Ella kennenlernen.«

Die Idee gefiel mir. Luisa würde es bestimmt gelingen, die gerade wieder etwas ruppige Schale meiner Tochter zu knacken. Ich versprach meiner Kollegin, bald in den Kalender zu schauen und ihr ein paar Termine zu nennen.

An den Fahrradständern verabschiedeten wir uns mit einer Umarmung. Luisa entriegelte das Kettenschloss zu ihrem Fahrrad. Sie fuhr bei Wind und Wetter mit dem Drahtesel, genau wie ich.

Mir zulächelnd setzte sie ihren Helm auf den Kopf. »Bis bald, mein Lieber, hab noch einen tollen Tag.«

»Du auch, grüß die Familie!«

Wir winkten uns zu und fuhren in getrennte Richtungen davon.

Es war der erste richtig milde Tag dieses Sommers. Die Luft erinnerte an die meiner Kindheit, wenn ich zum ersten Mal kurze Hosen getragen hatte und der laue Wind um meine Beine streifte. Mit der Hand wehrte ich eine Hummel ab, deren Flugbahn meinen Weg kreuzte. Gut gelaunt pfiff ich vor mich hin.

3

Den Haustürschlüssel steckte ich in der Erwartung ins Schloss, von einem Duft nach gebratenem Fleisch, Knoblauch und frischen Kräutern empfangen zu werden. Ella hatte ein mediterranes Ofengericht mit Hühnchen geplant, dazu sollte es Tagliatelle geben. Für eine größere Gruppe war das schnell zuzubereiten, hatte sie gemeint. Doch es roch nach … nichts.

»Ella? Anton? Emil?«, rief ich nach meinen Kindern. Die Jungs fuhren zwar morgens immer mit mir zur Schule, nachmittags traten wir aber unabhängig voneinander den Rückweg an.

Keine Antwort. Ich stellte meine Tasche im Flur ab, schob die Schuhe unter die Garderobe zu denen der Kinder und betrat die Küche, betrachtete die Hähnchenteile auf der Anrichte. Zwei Kräutertöpfe, die Pakete mit Nudeln.

Ratlos machte ich kehrt, ging ins Wohnzimmer und entdeckte die Kinder durch die geöffnete Terrassentür im Garten. Ella lag in der Hängematte. Anton und Emil kickten sich den Ball zu. Als Tore hatten sie Gartenstühle aufgestellt.

»Hallihallo zusammen.« Abwartend blieb ich auf der Terrasse stehen.

»Ach Mensch, Papa!« Die Hängematte wackelte. Ellas Bein hing über den Stoff, der Fuß steckte in einem Verband.

»Was hast du denn angestellt?«, fragte ich und begab mich auf den Weg zu ihr.

Mein vierzehnjähriger Sohn Anton und Emil, der vor kurzem elf geworden war, stellten ihr Spiel ein und gesellten sich zu uns. »Sie wollte nur mal kurz ein Tor schießen, aber das ist leider schiefgegangen«, stellte mein älterer Sohn fest.

---ENDE DER LESEPROBE---