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Wie eine brennende Pfanne Pancakes einst das ganz große Glück vereitelte …
Eine herzerwärmende Liebesgeschichte zum Wohlfühlen und Träumen.
Eigentlich hasst Cara Donati nichts mehr als Heimlichkeiten. Dabei ist sie selbst die größte Geheimniskrämerin. Sonst hätte sie ihrem Mann Konstantin wohl schon längst verraten, dass sie von seiner Affäre weiß. Außerdem würde sie ihm von der unverhofften Einladung ihres gemeinsamen Jugendfreundes Milo zu sich ins Tannheimer Tal erzählen. Oder davon, wie vor zwanzig Jahren nur eine brennende Pfanne Pancakes verhindert hat, dass aus ihr und Milo ein Paar wurde. Als ihre Schwester Marina sie zu einem Kurztrip einlädt und Cara sich das Ziel aussuchen darf, erscheint ihr das wie ein Wink des Schicksals. Kann sie in den verschneiten Tiroler Bergen klammheimlich geraderücken, was sie vor so langer Zeit verpatzt hat? Diesmal will sie nichts anbrennen lassen. Erst recht keine Pancakes …
Ein Roman, beglückend wie der Blick in verschneite Berge.
Dies ist der achte Teil der WINTERknistern-Reihe. Alle Romane können unabhängig voneinander gelesen werden. Die WINTERknistern-Reihe: Plätzchen, Tee und Winterwünsche; Misteln, Schnee und Winterwunder; Sterne, Zimt und Winterträume; Muscheln, Gold und Winterglück; Vanille, Punsch und Winterzauber; Mondschein, Flan und Winterherzen; Engel, Blues und Winterfunkeln; Pancakes, Samt und Winterglanz. Lesen Sie auch die Insel- und Gipfelfarben-Reihe von Stina Jensen.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Über die Autorin
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Die Winterknistern-Reihe
Das Buch
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Bonus-Kapitel
Rezept für 15 Pancakes
Eine persönliche Bitte
Alle Bücher von Stina Jensen
Erstausgabe: November 2024
© Stina Jensen
Bahnhofstraße 11
61118 Bad Vilbel
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Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werkes sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten zu existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.
Lektorat: Ricarda Oertel www.lektorat-oertel.de
Korrektorat: Ruth Pöß www.das-kleine-korrektorat.de
Covergestaltung © Traumstoff Buchdesign traumstoff.at
Covermotiv © LightField Studios und PV productions shutterstock.com
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STINA JENSEN schreibt Insel- und Gipfelromane, romantische Wintergeschichten und Krimis.
Sie liebt das Reisen und saugt neue Umgebungen in sich auf wie ein Schwamm. Meist kommen dabei wie von selbst die Figuren in ihren Kopf und ringen dort um die Hauptrolle in ihrem nächsten Roman. Die Autorin hat ein Faible für authentische Figuren und Geschichten, die genau so passiert sein könnten. Sie mag Familiengeheimnisse und auch ein bisschen Drama. Eben genau das, was das Leben für uns alle bereithält!
Wenn sie nicht verreist, lebt die Autorin mit ihrer Familie in der Nähe von Frankfurt am Main.
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Bisher erschienen (Stand 2025):
1. Plätzchen, Tee und Winterwünsche
2. Misteln, Schnee und Winterwunder
3. Sterne, Zimt und Winterträume
4. Muscheln, Gold und Winterglück
5. Vanille, Punsch und Winterzauber
6. Mondschein, Flan und Winterherzen
7. Engel, Blues und Winterfunkeln
8. Pancakes, Samt und Winterglanz
9. Leuchtturm, Scones und Winterliebe
Alle Titel sind in sich abgeschlossene Romane und können unabhängig voneinander gelesen werden.
Eigentlich hasst Cara Donati nichts mehr als Heimlichkeiten. Dabei ist sie selbst die größte Geheimniskrämerin. Sonst hätte sie ihrem Mann Konsti wohl schon längst verraten, dass sie von seiner Affäre weiß. Außerdem würde sie ihm von der unverhofften Einladung ihres gemeinsamen Jugendfreundes Milo zu sich ins Tannheimer Tal erzählen. Oder davon, wie vor zwanzig Jahren nur eine brennende Pfanne Pancakes verhindert hat, dass aus ihr und Milo ein Paar wurde.
Als ihre Schwester Marina sie zu einem Kurztrip einlädt und Cara sich das Ziel aussuchen darf, erscheint ihr das wie ein Wink des Schicksals. Kann sie in den verschneiten Tiroler Bergen klammheimlich geraderücken, was sie vor so langer Zeit verpatzt hat?
Diesmal will sie nichts anbrennen lassen. Erst recht keine Pancakes …
Liebe Leserinnen und Leser!
Auch wenn ich mir in meinen Romanen die größte Mühe gebe, mich an die örtlichen Gegebenheiten zu halten, so nehme ich mir dennoch gelegentlich die schriftstellerische Freiheit, die Spielorte meinen Bedürfnissen anzupassen. Teilweise sind die Handlungsorte frei erfunden. Sollten Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen bestehen, so wären diese rein zufällig.
Nun wünsche ich euch ganz viel Freude mit der Geschichte!
Liebes Tagebuch,
was soll ich nur machen?
Gestern ist was richtig Doofes passiert. Es war der letzte Schultag vor den Ferien und Milo hat mich zu einem Picknick am Aasee eingeladen. Es war wirklich überfällig, dass wir mal miteinander alleine sind, im Clubhaus sind ja ständig andere um uns herum. Er hatte einen Picknick-Rucksack mit allem Drum und Dran dabei: Teller, Besteck, Becher, Wasser und sogar Sekt, voll süß. Als gäb es was zu feiern. Ich hab uns leckeres Fingerfood vorbereitet, denn ich liebe es ja zu kochen. Aber zuerst wollten wir einen Spaziergang am See unternehmen, das Gras war sowieso noch feucht vom Morgentau, und Hunger hatten wir auch noch keinen. Wir haben uns unterhalten wie noch nie. Ständig kam ein neues Thema auf, über das wir uns ausgetauscht haben, es war so intensiv. So war ich noch nie mit einem Jungen ins Gespräch vertieft. Er kommt ja aus München, hier in Münster geht er nur aufs Internat, und er kann den bayerischen Dialekt so lustig nachmachen. Ich musste dauernd laut lachen! Dabei habe ich ihn die ganze Zeit von der Seite angestarrt, er gefiel mir so gut mit seinen dunklen Haaren und den Grübchen und diesen krass braunen Augen! Er könnte glatt Italiener sein, ist er aber nicht. Auch er hat mich ständig gemustert, das hab ich genau gemerkt. Und irgendwann ist er stehen geblieben und hat gesagt: Du bist so hübsch, Cara. Darf ich mal deine Locken anfassen? Ich hab genickt, meine Kehle war wie zugeschnürt. Er hat mir ins Haar gegriffen und leise Hhmmm gemacht, und ich hab mich auf die Zehenspitzen gestellt und ihn geküsst. Einfach so. Es war wie Magie. Die Welt um uns herum hat aufgehört zu existieren. Er ist ein wahnsinnig guter Küsser! So weiche Lippen! Und ich war total froh, dass wir uns erst mal ohne Zunge geküsst haben, weil ich das total unpassend finde, sich mitten in der Öffentlichkeit einen Zungenkuss zu geben, als wollte man sich gleich die Klamotten vom Leib reißen. Dabei hätte ich ihm am liebsten auch so schon die Klamotten vom Leib gerissen, denn er fühlt sich einfach unendlich gut an. Ich hätte bis zum Rest meines Lebens so mit ihm stehen bleiben und ihn küssen und über seine Arme streicheln können, die vom Rudern mega muskulös sind.
Irgendwann sind wir aber natürlich doch weitergegangen, haben uns angestrahlt wie zwei Verrückte, haben in der Sonne die Picknickdecke ausgebreitet und gegessen und Sekt getrunken und wieder geredet. Er hat mir von seinen Eltern in München erzählt, die schon ziemlich alt sind; er wird bei ihnen die Sommerferien verbringen. Wir haben ja jetzt nur noch ein Jahr bis zum Abi, und ich hab ihm die Frage gestellt, die mir auch öfter gestellt wird und die mich reichlich nervt, wenn sie von Erwachsenen kommt, aber zwischen uns ist das natürlich was anderes. Jedenfalls wollte ich wissen, was er nach dem Abi machen möchte, und er meinte, er würde am liebsten was mit Holz arbeiten, weil er das ein ganz tolles Material findet. Und dass Holzsorten so unterschiedlich wären, wenn man sie bearbeiten würde, das könnte man sich gar nicht vorstellen. Wie denn, hab ich gefragt, und da hat er was aus seiner Tasche gezogen und mir gegeben. Auf einmal sah er ganz schüchtern aus, und seine Pupillen wurden ganz weit. Für dich, Cara, hat er gesagt, das ist aus dem Holz eines Kirschbaums. Es war ein wunderschön geschnitztes Herz, mit einer ganz besonderen Maserung, das genau in die Kuhle meiner Hand gepasst hat. Auf das Herz hat er The key to your heart eingeschnitzt und einen Anhänger für einen Schlüssel daran befestigt. Ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte, bin andauernd mit den Fingern darübergefahren, so sehr hat mich das berührt. Ich meine, das war doch die reinste Liebeserklärung, oder? Ich hab gemerkt, dass ich voll rot wurde, und hab schnell zu ihm gesagt, dass er unbedingt beruflich was mit Holz machen sollte, da hätte er echt eine Gabe. Aber er meinte, seine Eltern wollen das nicht, sie halten das für brotlose Kunst, dafür wäre das Abi die absolute Verschwendung. Dann wollte er natürlich auch wissen, was ich mal jobmäßig tun will. Ich hab ihm gesagt, dass ich gern Übersetzerin werden würde, weil ich ja durch meinen italienischen Vater zweisprachig aufgewachsen bin. Wir kamen auf unsere Familien zu sprechen, und dass er ein Einzelkind ist. Er findet es toll, wenn man wie ich mit Marina und Nico zwei Geschwister hat, er hätte auch gerne viele Kinder, mindestens vier. Dabei hat er mich angestrahlt, als wäre das sein absoluter Herzenswunsch. BUMM, das stand auf einmal im Raum, als wäre mitten in einer Kirche ein Feuerwerkskracher losgegangen. Ich hab gesagt, das wüsste ich noch gar nicht so genau, hätte lieber das Thema gewechselt, wäre gern auf das wunderschöne Herz zurückgekommen, das in der Zwischenzeit schon ganz warm in meiner Hand geworden war. Alles okay, Cara?, hat er gefragt, und sich zu mir rübergebeugt, wahrscheinlich, um mich wieder zu küssen, als urplötzlich jemand unsere Namen rief. Wir drehten die Köpfe, und da entdeckten wir Konsti, der auf dem Aasee im Kajak vorbeikam. Sein rotblondes Haar wurde von der Sonne angeleuchtet, sodass es aussah wie ein Heiligenschein. Er hat wissen wollen, ob wir etwa ohne ihn picknicken würden, und ob wir noch ein bisschen was übrig hätten, er hätte nämlich einen Riesenkohldampf. Zack, zog er das Kajak ans Ufer, und ich hab schnell das Herz in meiner Tasche verstaut. Was hätten wir machen sollen, er ist ja Milos bester Freund, und außerdem hat es ja auch mal Momente gegeben, in denen ich dachte, ich könnte mich in Konsti verlieben. Ihm hab ich sogar schon mal wegen Nicos Krankheit das Herz ausgeschüttet; mit ihm als zukünftigem Medizinstudenten hab ich da nicht so eine Hemmschwelle. Jedenfalls hat er sich zu uns auf die Decke gequetscht und von seinem anstehenden Ferienpraktikum beim Bestatter erzählt. Darüber will er rausfinden, in welche Richtung er in der Medizin mal gehen will – das will er nämlich studieren. Milo und ich mussten bei der Vorstellung, dass Konsti Leichen das Blut aus den Adern lässt, so lachen, wir haben uns richtig die Bäuche gehalten. Konsti hat mich am Kinn gekitzelt, und ich musste noch mehr kichern, er auch, aber Milo wurde auf einmal ganz still. Ich dachte, shit, das muss ich jetzt irgendwie geradebiegen, aber ich wusste nicht wie. Plötzlich war die ganze Stimmung zwischen Milo und mir wie weggewischt. Aus heiterem Himmel meinte er, er hätte ja noch gar nicht für die Fahrt nach München gepackt, das müsste er jetzt aber mal ganz dringend erledigen. Er hat seinen Picknickkorb zusammengeräumt, als könnte es ihm nicht schnell genug gehen, hat uns schöne Ferien gewünscht und war weg. Ich wusste gar nicht, wie mir geschieht; er hatte mir doch gerade erst das Herz geschenkt. Seine Picknickdecke hat er außerdem vergessen.
Wir haben ihm ratlos nachgeschaut, dann hat Konsti mit den Schultern gezuckt und mich gefragt, was ich eigentlich in den Sommerferien mache. Ich werde wohl ein bisschen jobben, hab ich gesagt, verreisen kann meine Familie nicht, weil Nico engmaschig überwacht werden muss. Wir haben ausgemacht, dass wir uns ab und zu treffen können. Zusammen schwimmen und Kajak fahren und so. Klingt schön, aber mit Milo wäre es schöner. Ihm hab ich natürlich gleich gesimst und ihm tolle Ferien gewünscht, aber er hat noch nicht mal geantwortet.
Liebe Cara, ich hoffe, ich erreiche dich hier über Facebook. Wir haben ja schon ewig nichts voneinander gehört! Wie geht es dir? Weißt du noch, wie wir damals abgemacht haben, wir treffen uns spätestens mit vierzig wieder? Bei uns beiden ist es doch dieses Jahr soweit, und ich dachte, ich erinnere dich mal daran. Vielleicht hast du Lust, mich im Tannheimer Tal zu besuchen? Es ist sehr schön hier in Tirol.
Dein Milo
Lieber Milo, ja, hier bist du richtig! Ich weiß gar nicht, was ich
Lieber Milo, deine Zeilen erreichen mich gerade in einer Situation, in der ich
Lieber Milo, falls wir uns treffen, sollte das bestmöglichst heimlich
Lieber Milo, vielen Dank für deine lieben Worte, aber ich bin noch immer glücklich mit Konsti verheiratet.
Deine Cara
Macht es dir auch wirklich nichts aus?« Marina stellt an diesem trüben Novembernachmittag zwei Kaffeebecher vor uns auf dem Tisch ab und betrachtet mich besorgt. »Du besuchst mich in Frankfurt, so oft du kannst, hörst du?«
Rückversichernd lächle ich meiner Schwester zu. »Du machst dir wirklich zu viele Gedanken. Ich bin schon groß, okay?« Es klingt wie eine Frage, weil ich in Wahrheit kein bisschen weiß, wie ich ohne sie klarkommen soll. Ich war ja noch nie ohne sie. Wir zwei sind schon seit unserer Kindheit unzertrennlich, und die Einzigen, die von unserer Familie noch übrig sind. Wenn sie weg ist, gibt es hier in Münster nur noch Konsti und mich und ein paar wenige Bekannte, die aber nicht zählen.
Meine Schwester ist gleichzeitig meine beste Freundin. Wir können zusammen quasseln ohne Unterlass oder stundenlang schweigen und trotzdem wissen wir, was die andere denkt. Meistens zumindest.
»Cara?« Marina legt fragend den Kopf schräg.
»Wirklich! Alles gut, ich komme klar. Und du genießt bitte ab sofort die Vorfreude auf deinen neuen Job und das Zusammenleben mit Peer. Ihr beiden habt lange genug eine Fernbeziehung geführt.«
In Wahrheit denke ich: Hast du dir das auch gut überlegt? Was, wenn Peer sich als jemand wie Konsti entpuppt? Aber ich schweige natürlich. Sie würde zu Recht sagen, dass ich nach einem Grund suche, ihr den Umzug madigzumachen. Peer ist ein guter Kerl, auch wenn es mir suspekt ist, dass ein erwachsener Mann – ein Banker! – ein komplettes Zimmer nur für seine Legosammlung benötigt. Aber er drängt Marina nun schon seit Jahren, endlich zu ihm zu ziehen. Dafür ist er sogar bereit, das Lego-Gedöns in den Keller zu verbannen. Also hat sie sich im Sommer um die Stelle als Geschäftsführerin einer Frankfurter Marketingagentur beworben und sie ergattert. Damit erfüllt sich für sie auf der ganzen Linie ein Traum. Trotzdem hat sie meinetwegen bei der Zusage gezögert. Ich bin ihr ja genauso wichtig wie sie mir.
Marina öffnet den Browser ihres Handys und hält mir die Abbildung eines Sofas vor die Nase. »Guck mal, Cord! In Petrol!« Ihre Augen blitzen. »Ich liebe diesen Retro-Style, das wird alles so gut aussehen auf dem hellen Parkett, vor der senfgelben Wand. Schau, wie hier.« Sie verkleinert den Ausschnitt, sodass das Werbewohnzimmer in seiner ganzen Pracht zu sehen ist.
Zwar hege ich leise Zweifel, ob Peer diese Farbenpracht begeistern wird. Seine Junggesellenwohnung ist – bis auf den Holzfußboden – ein Mix aus Weiß, Schwarz und Grau. Das Bunteste ist das Legozimmer. Aber als ich kürzlich meine Bedenken äußerte, wischte Marina sie beiseite. Peer sei da »leidenschaftslos« und gebe ihr freie Hand. Ich hoffe inständig, dass er das nicht nur so dahingesagt hat. Männer sagen einige Dinge nur so dahin. Zum Beispiel, dass sie niemals fremdgehen würden. Auch wenn Konstis »Auszeit« schon dreieinhalb Jahre her ist, nagt sein Seitensprung manchmal noch immer an mir.
Marina ruft einen weiteren Onlineshop auf, hält mir diesmal ein Arrangement von perfekt aufeinander abgestimmten gerahmten Wandbildern vors Gesicht. Bei Marina muss stets alles schnell gehen, und wenn sie so eine Bilderwand mit ein paar Klicks bestellen kann, macht sie das. Vor dem Jobwechsel Ende des Monats hat sie eh noch genug zu tun, sie muss ja noch ihr gesamtes Portfolio an ihre Nachfolgerin übergeben. Immerhin den Dezember hat sie frei, da will sie für den Umzug zwischen den Jahren alles vorbereiten, und in der ersten Dezemberhälfte würde sie mich gern noch für eine Woche in ein Wellnesshotel einladen. Als Abschiedsreise sozusagen. Das Ziel darf ich aussuchen.
»Hast du dir inzwischen eigentlich überlegt, wo wir hinwollen?«, fragt sie prompt.
Ins Tannheimer Tal in Tirol, denke ich wehmütig.
Aber das ist natürlich ausgeschlossen.
Nachdem ich mich von Marina verabschiedet und ihr hoch und heilig versprochen habe, endlich über ein Reiseziel nachzudenken, stehe ich unschlüssig auf dem Gehweg vor ihrer Wohnung herum. Der Wind treibt mir den feinen Nieselregen ins Gesicht. Am liebsten würde ich nach Hause gehen und mich in eine mollige Decke auf dem Sofa einkuscheln, aber ich muss noch die Wochenendeinkäufe erledigen. Konsti hat heute Notdienst in seiner sportmedizinischen Praxis, da freut er sich, wenn es abends was Warmes gibt. Ich schließe den Reißverschluss meiner Jacke bis unters Kinn, stopfe das Haar in den Kragen und begebe mich auf den Weg. Eigentlich führt die Strecke zum Domplatz durch die Ludgeristraße, doch heute nehme ich einen Umweg über die Parallelstraße auf mich. Aus der Zeitung habe ich erfahren, dass Konstis ehemalige Affäre dort ein Wäschegeschäft eröffnet hat. Sie betreibt es mit ihrem neuen Lebensgefährten, der offenbar für die Beratung der Herren zuständig ist, während sie sich um die weiblichen Kundinnen kümmert.
Konsti hat keinen Schimmer davon, dass ich von seinem Seitensprung vor dreieinhalb Jahren weiß. Er glaubt noch immer, ich hätte ihm seine damalige Ausrede abgenommen, er bräuchte eine Auszeit, um ein paar Dinge mit seiner Herkunftsfamilie zu klären, und müsse daher für drei Monate aus unserer gemeinsamen Wohnung ausziehen. Stattdessen war ich von Anfang an argwöhnisch. Dieses Misstrauen wurde bestätigt, als ich eines Tages vor seinem möblierten Zimmer darauf wartete, dass er herauskam – und ihm folgte. Sein seliger Gesichtsausdruck war voller Vorfreude. Auf der Promenade traf er sich mit dieser Blondine. Die Art, wie sie sich umarmten und wie er seine Hand an ihren unteren Rücken legte, ließ keinen Zweifel zu. Noch heute schäme ich mich dafür, wie ich mich ins Gebüsch geschlagen und mit dem Handy ein Foto von den beiden aufgenommen habe; danach ging ich mit wackligen Knien zu Marina. Wir luden das Foto auf ihrem Computer hoch und fanden durch die Bilderkennung heraus, dass es sich bei der Frau um eine gewisse @vickyausmuenster handelte – eine Münsteranerin mit einer beachtlichen Followerzahl auf Instagram. Dort breitete Viktoria Klemm ihr Leben aus. Vor allem ihr Dasein als Mutter von zwei Kids. Das setzte mir am meisten zu: dass Konstis Affäre Mama war. Wo er doch wegen seiner verkorksten Kindheit niemals Kinder hat haben wollen. Allein schon deswegen hat er doch damals viel besser zu mir gepasst als Milo, dessen Wunsch ich ihm niemals hätte erfüllen können.
Ich versuche, die unangenehmen Gedanken abzuschütteln und mich aufs Hier und Jetzt zu besinnen, trotte weiter durch die Straßen. Die historische Altstadt ist schon seit Mitte November festlich geschmückt. Girlanden aus leuchtenden Sternen spannen sich über die Gassen. Einige Weihnachtsmärkte haben bereits geöffnet. Der Wochenmarkteingang steht ganz im Zeichen des bevorstehenden Advents. Die Kränze aus Tannennadeln oder farbigen Zweigen liegen in verschiedenen Größen aufeinandergestapelt, daneben Paletten gefüllt mit Kerzen in allen Farben. Es riecht nach Glühwein und heißen Maronen. Spontan genehmige ich mir eine Tüte und schaue eine Weile kauend dem Treiben auf dem Domplatz zu. Beobachte Paare und Familien, die sich an diesem Samstag Zeit füreinander nehmen und miteinander lachen oder streiten. Konsti und ich waren schon ewig nicht mehr zusammen hier.
Dass ich ihn vor dreieinhalb Jahren nicht mit meinem Wissen um seinen Seitensprung konfrontiert habe, lag einerseits an meiner Hoffnung, diese Sache werde wieder vorbeigehen. Ich wollte dem einfach nicht zu viel Gewicht geben, sprach mir zu, er werde schon wieder zu mir zurückkehren. Und so war es ja auch. Wenn ich aber ganz ehrlich sein soll, hätte bei einer Konfrontation wohl auch auf den Tisch kommen müssen, dass dieses abgegriffene geschnitzte Herz an meinem Schlüsselbund von Milo stammt. Und dass ich seit zweiundzwanzig Jahren noch immer jeden Tag an ihn denke. So hielt ich meinen Mund und schluckte die Demütigung hinunter. Nach dieser Auszeit erlebten wir sogar so etwas wie einen zweiten Frühling. Konsti schien nicht mehr dauernd gedanklich abwesend, sondern schenkte mir Aufmerksamkeit, so wie ich ihm, wir unternahmen wieder mehr zusammen. Gingen miteinander ins Theater oder Kino. Allzu lange hielt die Euphorie jedoch nicht an, und der Alltagstrott fand erneut Einzug in unsere Beziehung.
Nur eines schätzt Konsti noch immer sehr an mir: dass ich gerne und gut koche. Er liebt frische Nudeln, genauso wie ich. Tortellini oder Ravioli stelle ich sogar selbst her – es kommen nur Mehl und Eier in den Teig und frische Zutaten in die Füllung – doch heute entscheide ich mich am Stand meines Lieblingsitalieners für frische hausgemachte Tagliatelle, die ich mit einem feinen Trüffelöl und einer Trüffelknolle für uns zubereiten werde. Ein bisschen Parmesan und frischer Pfeffer werden die Sache abrunden.
Bei seiner Rückkehr am Abend ruft Konsti schon aus dem Flur zu mir in die Küche: »Was rieche ich denn da Leckeres?«
Ich luge aus der Tür, habe die Schürze mit den gelben Zitronen darauf umgebunden, die ich mir in einem Sizilienurlaub gekauft habe. »Tagliatelle al tartufo.«
»Hhmm, perfekt.« Konsti schiebt sich an mir vorbei, nimmt sich ein leeres Weinglas vom gedeckten Tisch und schenkt sich einen Schluck Primitivo ein. Mich fragt er nicht, ob ich welchen möchte, einen Begrüßungskuss bekomme ich genauso wenig. Konsti sinkt auf einen Stuhl und prostet mir erschöpft zu. »Endlich Wochenende, Carina.«
* * *
Sonntags stehe ich früh auf. Als selbstständige Übersetzerin und Lektorin kann ich mir die Arbeit frei einteilen, und während Konsti lange ausschläft, um sich von der anstrengenden Woche als Sportmediziner auszuruhen, übersetze ich die Wochenschriften eines römischen Kardinals für einen deutschen Bischof. Außerdem unterrichte ich zwei Konversationsschüler aus Hongkong via Zoom. Als ich damit fertig bin, durchstöbere ich ein Lektoratsforum, auf dem italienische Hobbyautoren und kleinere Verlage Textproben auf der Suche nach einem Lektor einstellen. Ich bin hier schon auf richtige Schätze persönlicher Geschichten gestoßen, insbesondere von sogenannten Gastarbeitern, wie mein Vater einer war, und die im Gegensatz zu ihm wieder in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Nun schreiben sie alles auf, was sie zwischen den Kulturen erlebt haben. Bei manchen Texten handelt es sich jedoch um derartiges Rohmaterial, dass ich lieber von einem Angebot Abstand nehme. Auch heute ist leider nichts für mich dabei.
Weil Konsti immer noch schläft, gebe ich mal wieder Milo Lieven in die Suchzeile des Internetbrowsers ein. Viel ist nicht über ihn zu finden, aber immerhin weiß ich, dass er dort in Tirol, wo er lebt, ein eigenes Holzatelier betreibt. Nach dem Abi hier in Münster ist er zurück nach München gegangen und hat dort offenbar eine Ausbildung zum Tischler absolviert; später hat er auch noch den Meister drangehängt. Angeblich exportiert er besondere Einzelstücke in die ganze Welt. Einmal habe ich ein Foto in der Online-Ausgabe der örtlichen Tageszeitung seines Wohnortes gefunden, wo er für eines seiner Werke ausgezeichnet worden ist. Darauf war er mit Frau und Kind abgebildet. Milo ist also Vater einer Tochter. Ich switche zu Facebook, wo ich selten etwas poste – höchstens mal Feiertagsgrüße –, aber auf den Profilen anderer stöbere ich doch mal ganz gerne.
Eines der letzten Postings auf seinem Facebook-Profil ist drei Jahre alt – seither hat er lediglich Events geteilt, an denen er beteiligt ist. Bei diesem Eintrag aber hat ihm jemand zur Hochzeit gratuliert. Erst jetzt fällt mir auf, dass da von den zeitlichen Abläufen etwas nicht stimmen kann. Das Bild von ihm mit Ehefrau und Tochter in der Zeitung war älteren Datums. Hat Milo etwa ein zweites Mal geheiratet? Der Gedanke versetzt mir einen Stich. Als hätte ich meine zweite Chance verpasst.
»Was ist mit Frühstück?«, schallt Konstis Stimme durch den Flur. Sonntags gehen wir meistens in ein Frühstückscafé.
»Gerne!«, rufe ich meinem Mann zu und schließe den Laptop.
Am Nebentisch in unserem Stammcafé krakeelt ein kleiner Junge, der nicht nur seinen Eltern, sondern auch Konsti und mir keine ruhige Minute für ein Gespräch lässt. Außer dem Lob für die leckeren Avocadoschnitten auf unseren Tellern wechseln wir nicht viele Worte. Erst als die Familie gegangen ist, fragt er plötzlich: »Hast du eigentlich mal wieder was von Milo gehört?«
Ich hoffe, ich starre ihn nicht allzu verblüfft an. Wie kommt er ausgerechnet jetzt auf diese Frage? Könnte er über sein Handy Zugriff auf meinen Computer haben?
Unsinn, Konsti versteht rein gar nichts von technischen Dingen. Wenn es in unserer Wohnung ein Problem mit dem WLAN gibt oder er mit den Funktionen seines Smartphones überfordert ist, begebe ich mich auf Lösungssuche und führe die notwendigen Schritte durch.
Glücklicherweise kaue ich gerade auf einem Stück Brot, sodass ich mir eine Antwort zurechtlegen kann. Etwas anderes als eine Lüge will mir jedoch nicht einfallen. »Nein, wie kommst du darauf?«
»Ich hab letztens mal nach ihm gegoogelt. Er ist ziemlich groß im Geschäft in der Holzmöbelbranche, fertigt irgendwelche Einzelstücke an, die er in die ganze Welt exportiert. Einer seiner Kunden ist ein arabischer Scheich, der auf Drechselarbeiten im Alpenstil steht oder sich irgendwelche Falken von ihm schnitzen lässt. Irre, oder? Unser stiller, zurückhaltender Milo. Wer hätte das gedacht.« Konsti nimmt einen Schluck Kaffee.
»Hm hm«, tue ich unbeteiligt.
»Ich hab noch mal weitergeschaut. Hat mich interessiert, ob es geklappt hat mit seinem Plan, einen ganzen Stall Kinder in die Welt zu setzen«, fährt mein Mann fort. »Über Privates hab ich aber nichts gefunden. Fand ich schon irre, dass er sich damals – so jung wie wir waren – schon so sicher war. Das mit den Kindern meine ich.«
»Du warst dir doch auch schon sicher, dass du keine willst.«
»Stimmt auch wieder.« Konsti streift die Finger an der Serviette ab und trinkt seinen Kaffee aus, gibt der Bedienung ein Zeichen für einen zweiten. »Ich habe überlegt, ob wir nicht mal ein Treffen arrangieren sollten«, spricht er weiter. »Was meinst du? Ein paar Leute aus dem Ruderclub könnten wir bestimmt noch zusammentrommeln. Mal wieder in alten Zeiten schwelgen, wie fändest du das?«
Ich fände das richtig scheiße, denke ich, sage aber: »Wenn du dich darum kümmerst.« Er wird dazu neben dem stressigen Praxisalltag gar keine Zeit finden. Wenn Konsti ankündigt, man könnte doch mal dies oder jenes tun, wird nie etwas daraus, solange ich es nicht in die Hand nehme. Selbst diesen Frühstückstisch habe ich reserviert.
»Wieso, du hast doch mehr Zeit als ich und organisierst gerne.«
»Es ist aber deine Idee.«
»Man könnte natürlich auch zu deinem runden Geburtstag ein großes Fest veranstalten und alle von damals einladen.«
Fast muss ich lachen. Er weiß genau, dass ich nicht gern im Mittelpunkt stehe. Erst recht nicht an meinem Vierzigsten. Amüsiert schüttle ich den Kopf. »Ich feiere im kleinen Rahmen, wie immer.« Damit meine ich exakt vier Personen: Ihn, mich, Marina und Peer.
Konsti hebt seufzend die Schultern. Den Rest des Frühstücks verbringen wir schweigend.
Am Montagmorgen logge ich mich im Lektoratsforum ein und finde dort die Ausschreibung einer Italienerin, die ihre frühe Kindheit in Deutschland verbracht hat und gerade dabei ist, ihre Lebensgeschichte niederzuschreiben. Liliana Moriati lebt in Florenz und möchte ihrem Mann und ihren beiden Söhnen in einem ansprechenden Text die wichtigsten Ereignisse ihres Lebens als Büchlein zu Weihnachten schenken. Dafür benötigt sie die Unterstützung einer versierten Lektorin. Die in der Textprobe verwendete Sprache hat bereits eine gute Qualität, der kurze Ausschnitt berührt mich. Offenbar war ihre Kindheit in Deutschland nicht sehr einfach. Der geplante Manuskriptumfang scheint überschaubar, ich schicke ihr mein Angebot und bitte sie, sich bald zurückzumelden.
Bevor ich mich in der Mittagspause mit Marina auf einen Kaffee treffe, will ich noch schnell in der Innenstadt ein paar Kleinigkeiten fürs Abendessen besorgen. Heute ist die Parallelstraße zur Ludgeristraße wegen Kanalarbeiten gesperrt, und so komme ich nicht drum herum, Viktoria Klemms Wäschegeschäft zu passieren.
Ich schaue stur geradeaus und befinde mich gerade auf Höhe des Eingangs, als mir jemand entgegenkommt, dessen Gangart mir vertraut ist. Blinzelnd bleibe ich stehen. Es ist tatsächlich mein Mann. Den Blick aufs Handy gerichtet, überquert Konsti die Straße und verstaut das Smartphone vor dem Laden seiner Ex-Affäre in seiner Manteltasche. Dann nimmt er die wenigen Stufen zur Eingangstür und tritt ein. Verblüfft starre ich ihm hinterher. Was will er hier? Trifft er sich in seiner Mittagspause mit Viktoria Klemm? Auch wenn diese alte Geschichte noch immer an mir nagt – bis gerade war ich davon überzeugt, die Sache zwischen den beiden sei vorbei. Ist sie nicht mit ihrem Geschäftspartner liiert? Betrügt sie den etwa, genau wie vor dreieinhalb Jahren den Vater ihrer Kinder?
Klopfenden Herzens haste ich weiter. Schlagartig ist die alte Unsicherheit zurück. Das Misstrauen. Es ist wie bei einer Wunde, bei der der Schorf aufgebrochen ist. Soll das alles etwa schon wieder von vorne losgehen?
Marina wartet bereits im Café auf mich.
»Ist was passiert?«, fragt sie sofort, als ich die Jacke ablege und mich setze.
Stockend berichte ich ihr von meinen Beobachtungen und verberge niedergeschlagen das Gesicht in den Händen. »Mir ist richtiggehend schlecht. Seit wann geht das wieder zwischen den beiden?«
»Du musst ihn endlich konfrontieren«, sagt Marina. »Diesmal kannst du nicht so tun, als wäre nichts. Wirklich, Cara, so geht das nicht weiter.«
Als ob das so easy wäre! Ich habe doch schon so lange geschwiegen. Damals habe ich so getan, als hätte ich ihm diese Auszeit-Geschichte abgenommen – und jetzt soll ich das revidieren? Soll zugeben, dass auch ich die ganze Zeit nicht offen zu ihm war?
Marina schüttelt über meine Zweifel ungeduldig den Kopf. »Du hast dir rein gar nichts zu Schulden kommen lassen, hörst du? Du hast sein Spielchen mitgespielt, das ist das Einzige, was du dir vorwerfen kannst. Und ganz ehrlich: Was hast du denn zu verlieren? Zwischen euch ist doch sowieso der Ofen aus!«
Das so aus ihrem Mund zu hören, schmerzt, auch wenn es die Wahrheit ist. Denn selbst wenn der Ofen aus ist, so bin ich immerhin nicht allein.
Bei meiner Rückkehr nach Hause ist Konsti noch in der Praxis. Marina und ich haben einen Plan entworfen; je nachdem, wie das Gespräch mit ihm ausgehen wird – dass ich es führen muss, steht außer Frage –, kann ich einfach gehen. Und so packe ich vorsorglich meinen Koffer, die wichtigsten Dinge wandern hinein. Darunter auch mein Tagebuch, in dem ich zuletzt im Frühjahr gestöbert habe, bevor ich Milo diese Absage via Facebook schickte.
Auch jetzt schlage ich es auf. Es ist der Eintrag, der dem Letzten folgte.
Liebes Tagebuch,
die Ferien sind um, und Milo ist zurück. Inzwischen ist viel passiert. Marina wiederholt ja die Dreizehn, dadurch haben wir ganz viele Kurse zusammen. Was Mama nicht so toll findet, weil sie meint, wir beide wären eh so eine ›Symbiose‹, die kaum Platz für andere lässt. Konsti und ich haben uns in den Sommerferien trotzdem ziemlich oft getroffen. Er hat ja dieses Praktikum beim Bestatter gemacht und mir bei unseren Treffen so viel Lustiges davon erzählt, es war wirklich zum Schreien komisch! Er gibt Leute, die schreiben schon vor ihrem Tod ganz genau auf, was sie bei ihrer Aufbahrung tragen wollen! Jedenfalls sind wir zusammen schwimmen und rudern gegangen, und ich durfte dabei in aller Ruhe seinen durchtrainierten Körper bewundern. Er ist witzig und intelligent, er sieht gut aus, und obwohl seine Haare rotblond und sein Gesicht voller Sommersprossen ist, ist er Halbitaliener wie ich. Was Papa natürlich MEGA gefällt. Vor allem, weil er noch dazu Medizin studieren will. Kein Wunder, bei seinem Notendurchschnitt. Was seine eigene Familie betrifft, hält Konsti sich ziemlich zurück, dabei würde ich zumindest seine Geschwister auch ganz gern mal kennenlernen. Seine Mutter stammt wie Papa aus Italien. Konstis deutscher Vater ist angeblich ein Hitzkopf, der nicht nur Konstis Mama, sondern auch seine Geschwister unterdrückt – genauso wie ihn früher, bevor er mit dreizehn hier aufs Sportinternat kam. Als Konsti noch nicht aufs Internat ging, hat er oft in Milos Zimmer übernachtet, weil er es bei sich daheim nicht aushielt. So schlimm! Seine Eltern hätten sich diese Schule für ihn niemals leisten können, aber unser Ruderverein hat es ihm zum Glück finanziert. Er ging schon als Neunjähriger täglich hin, um sich auszupowern. Und weil die vom Verein ihn als Sportler der vorderen Reihe aufbauen wollten, war dies der nächste logische Schritt, der ihn gleichzeitig aus dem unguten Milieu zu Hause herausholte. Marina und ich sind ja auch schon ein paar Jahre im Verein, weil unsere Eltern körperliche Bewegung so wichtig finden, nach allem, was sie mit Nico durchmachen, und darüber haben wir eben Konsti und Milo kennengelernt. Die beiden räumen mit ihrem Achter einen Pokal nach dem anderen ab. Konsti hat gesagt, wegen seiner eigenen Scheiß-Kindheit will er niemals selbst Kinder, aber meine Familie mag er total gerne. Auch Nico mag ihn. Der Arme kann nicht mehr besonders gut sprechen, aber ich sehe ihm an, dass er Konsti toll findet und gerne mal so wäre wie er. Das wird nur leider niemals geschehen.
Milo hat während seiner Ferien in München keine einzige meiner vielen SMS mit mehr als zwei Sätzen beantwortet. Das war schon krass. Als ob er bereut, was am Aasee zwischen uns war. Könnte er ja auch sagen, dass ich ihn in Ruhe lassen soll, oder? Stattdessen starrt er mich jetzt im Club wieder dauernd an. Was erwartet er eigentlich von mir?
Was richtig Scheiße ist, und was nicht mal Marina weiß: Ich denke jeden Tag an ihn. JEDEN. Fühlt sich an, als hätte ich so einen fiesen Tumor namens Milo in meinem Kopf. Es bringt mich sofort zum Schwitzen, wenn ich ihn nur sehe. Da zieht mich alles zu ihm hin, und ich will ihn nur in meine Arme ziehen und festhalten und küssen und was sonst noch mit ihm anstellen. Ich kann ihn einfach nicht vergessen. Konsti ist auch ein guter Küsser, so ist es nicht, aber als wir uns zum ersten Mal geküsst haben, was ist passiert? Zunge! War ja klar.
Ich hab keine Ahnung, wie ich das zwischen Milo und mir noch geradebiegen soll.
Seufzend schiebe ich das Tagebuch in den gepackten Koffer, verberge ihn im Schlafzimmer hinter der Tür und nehme nervös im Halbdunkel der Küche Platz. Zumindest will ich meinem Mann die Chance geben, seinen Seitensprung selbst zuzugeben. Ich werde ihn zunächst auf seine Herkunftsfamilie ansprechen, um die es damals ja angeblich ging, und über die ich bis heute herzlich wenig weiß. Ich kenne nicht mal die Namen seiner vier Geschwister. Zu niemandem pflegt er noch Kontakt. Genauso wenig wie zu seinen Eltern. Er hat sich immer total bedeckt gehalten, wenn ich mehr über sie erfahren wollte, und irgendwann habe ich nicht mehr nachgebohrt. Immerhin gab es meine Familie, die hat uns ja auch genügt. Mama und Papa haben ihn aufgenommen wie einen eigenen Sohn. Einen gesunden, kräftigen.
Klopfenden Herzens starre ich ins Halbdunkel der Küche, verharre auf meinem Platz, wie ein Puma, der sich im Schatten eines Baums verbirgt. Das Licht der Straßenlaterne vor dem Fenster wirft gespenstische Schemen in den Raum. Wann kommt Konsti denn endlich?
Als ich den Schlüssel in der Wohnungstür höre, kann ich mich noch immer nicht rühren. »Carina?«, ruft mein Mann in die Stille der Wohnung. Er ist der Einzige, der mich so nennt. Alle anderen nennen mich Cara. Diese Koseform mochte er noch nie.
Konsti schaltet das Licht in der Küche an. »Na nu, warum sitzt du denn im Dunkeln?« Sein Blick gleitet über den Herd und den Tisch, er vermisst wohl das Abendessen. Heute habe ich nicht mal mehr an den Einkauf gedacht.
»Ich weiß von deiner Affäre«, platze ich heraus und werfe damit den zurechtgelegten Plan über den Haufen.
Konsti lacht ungläubig auf. »Was?«
»Du brauchst es gar nicht zu leugnen.«
Kopfschüttelnd breitet er die Hände aus. »Carina, hör zu. Ich weiß, dass ich in letzter Zeit ziemlich unaufmerksam war. Dass ich manchmal wegen der Praxis einen Tunnelblick habe und dazu tendiere, mein Privatleben zu vernachlässigen. Aber ich habe keine Affäre. Das musst du mir glauben.« Er kommt näher und berührt mich an der Schulter. Wir haben uns schon so lange nicht angefasst, dass sich das ganz ungewohnt anfühlt.
Ich streiche seine Hand ab, und er setzt sich zu mir. So empathisch hat er mich ewig nicht angesehen.
»Was hältst du davon, wenn wir zwischen den Jahren mal wegfahren?«, schlägt er vor. »Einfach mal ausspannen. Die Praxis ist ja geschlossen.«
Er hat wohl vergessen, dass ich Marina in dieser Zeit bei ihrem Umzug nach Frankfurt helfen möchte. »Was ist denn mit der Buchhaltung, mit den Abrechnungen an die Krankenkasse, mit deinem ganzen administrativen Kram, den du normalerweise zwischen den Jahren erledigst?«
»Bleibt eben liegen.« Er lächelt mich liebevoll an. »Bevor meine Frau sich einbildet, ich hätte eine Affäre, muss ich wohl gegensteuern, was?«
Ich will ihm so gerne glauben, dass er nicht wieder fremdgeht. Vielleicht weiß er nicht mal, dass der Wäscheladen Viktoria Klemm gehört. Möglicherweise wollte er mir ja Wäsche zum Geburtstag kaufen? Und was ist schon ein einziger Fehltritt vor zig Monaten? Doch dann habe ich Marinas Mahnung im Ohr, dass mich diese Geschichte noch ganz krank machen wird. Also noch mal von vorn.
