0,99 €
In Holland kommt 'Sinterklaas' mit seinem Gehilfen 'Zwarte Piet' bereits am fünften Dezember zu den Kindern, während der deutsche Nikolaus noch seine Rentiere für morgen warmlaufen lässt. Wenn beide am Himmelszelt zusammenstoßen, purzeln Kekse in verkehrte Länder auf Erden und der heilige Seelenfrieden wackelt. Wie eine alleinerziehende Mutter in die Zwickmühle der tausend Kinderfragen zu Weihnachtsbräuchen und Traditionen getrieben wird, ob die Heiligen den Schadensfall zwischen den Sternen begrenzen können, warum ein Pferd vom Himmel fällt, weshalb der Nikolaus an moderner Kommunikation teilnimmt, was Weihnachtsmann oder Christkind damit zu tun haben, dies und noch einiges mehr erzählt diese leicht provokant - ironische Adventsgeschichte. Kleine Warnung: Kinder nennen die Dinge beim Namen und einige Dialoge beruhen auf realen Zitaten! Kindliche Offenheit kann empfindliche Erwachsene irritieren, besonders zur Weihnachtszeit. ;)
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2023
Rega Kerner
© 2017
3. Auflage 2023
E-Book: medienschiff.de
Printausgabe im Taschenbuch
"Magische Elternrealität 1-4":
© 2019 Edition Falkenberg, Bremen
Inhaltsverzeichnis
Titelseite
Glaubenskrieg der Nikoläuse
(Magische Elternrealität 1)
Autorenvita
inkl. mehr Elternrealität & weitere Bücher
Adventsgedichte:
Am fünften Dezember
Wer rennt im Advent
Leseprobe:
Schiffschwein Spekje
Impressum
In Holland kommt 'Sinterklaas' mit seinem Gehilfen 'Zwarte Piet' bereits am 5. Dezember zu den Kindern, während der deutsche Nikolaus noch seine Rentiere für morgen warmlaufen lässt. Wenn beide zusammenstoßen, ergibt das einen himmlischen Unfall mit menschlichen Folgen:
Piet hing über der Reling und fütterte die Fische. Alle Jahre wieder wurde ihm speiübel, sobald die 'Pakjesboot 12' in Spanien ablegte, und dieses Leid dauerte endlose Tage an, bis zur Ankunft in Holland. Es blieb ihm ein Rätsel, warum sein Chef in Himmels Namen auf die Überfahrt mit diesem elenden Kutter bestand. Es gab doch Flugzeuge, bereits eine gefühlte Ewigkeit lang. »Ach, nach drei Stündchen klimatisierter Reise bei ausgezeichneter Verköstigung landen in Amsterdam-Schiphol, vom politischen Komitee auf rotem Teppich begrüßt, das wäre mal fortschrittlich!«, jammerte er und unterdrückte den nächsten Würgereiz. Sinterklaas trat lächelnd neben seinen schwarzen, momentan eher grünen Gehilfen, lüftete umständlich die goldverzierte Bischofsrobe und pinkelte über Bord. »Na, zwarte Piet, gaat het? Jetzt hast du es ja bald wieder überstanden«, zwinkerte er verständnisvoll, dabei auf ein paar historische Windmühlen weisend, die seit Jahrhunderten nicht weit von ihrem Zielhafen mit den Flügeln klapperten.
Am Ufer unter der ersten Windmühle spielte ein zierliches, blondes Mädchen, warf einen Stein in die Wellen, beobachtete den Verlauf der Kringel, bis die Bugwelle des Schiffes diese auflöste und riss entsetzt die Augen auf: »Der Mann da auf dem Wasser macht seinen Rock auf!« Ihre Mutter schrak aus Grübeleien, wie sie den Süßigkeitenkonsum dieser Adventszeit beschränken könnte, hoch. Sie sah weder Mann noch Schiff, zog ihre Tochter aber sicherheitshalber am Ärmel zum Auto: »Es wird kalt. Komm, steig wieder ein, wir müssen noch ein ganzes Stück fahren bis wir in Deutschland sind.« Auf der Autobahn lehnte die Mutter sich fast entspannt zurück, der Pflichtbesuch beim holländischen Kindsvater war wieder geschafft. Übermorgen Abend nur nicht vergessen die Nikolaus-Stiefel rauszustellen, danach könnte sie sich auf den nahenden Weihnachtsstress besinnen.
Die spitzen, niedrigen Dächer Hollands fegten unter dem Schimmel des Sinterklaas dahin, ängstlich hinter dem Sattel kauernd, umklammerte Piet die Taille des Reiters. Die Seefahrt war schrecklich, aber dieses gehetzte Gefliege hasste er noch mehr. Insgeheim hoffte er deshalb, dass die Niederländer ihn endlich aus seinem Amt entlassen würden, auch wenn ihn die Gründe der seit 2013 engagiert darüber diskutierenden Erdenbürger eher amüsierten. Denn Piet empfand seine eigene Hautfarbe keineswegs als diskriminierend, wie sollte er auch. Dass er nicht mehr böse sein durfte schon eher. Bis in die siebziger Jahre erwartete man von ihm die Rute. Er war eine Respektsperson wie es sich für Heiligenbegleitungen gehörte, um dem Guten die Drecksarbeit abzunehmen. Aber plötzlich wurde er zum lächelnden Dienstleister degradiert. Diese ständige Nettigkeit, egal was die Rotzlöffel anstellten, war ganz schön anstrengend und raubte ihm irgendwie den inneren Daseinszweck. Und jetzt ging es ihm auch noch an die Farbe. Wer war er schon noch? Ein aufgeputzter Sackträger? Sinterklaas warf seinem Mitreiter einen mahnenden Blick über die Schulter zu: »Jetzt drück mich doch nicht so, du fällst schon nicht runter, ich kann ja kaum atmen!« Dabei achtete er einen Moment nicht auf den sie umgebenden, scheinbar freien Luftraum. Man sollte sich nie von ruhiger Verkehrslage einlullen lassen, oft ist es die Ruhe vor dem Sturm. »Achtung!«, brüllte Piet noch, als er den leuchtenden Stern im Augenwinkel auf sie zurasen sah. Jener Stern, der dreizackig die Spitze des riesigen Schlittens mit den acht wildgewordenen Rentieren zierte, welcher von links hinter den Dächern der deutschen Grenze aufstieg und auf direkten Kollisionskurs ging. Sinterklaas riss am Zügel und dem Schimmel fast die Zähne heraus, um sich mit einem riesigen Satz zu retten, der sie ein paar Kilometer über die Grenze nach Deutschland katapultierte. Durch dieses Notmanöver verhinderte er glücklicherweise die Vernichtung zweier Heiliger, nur einen Sack Süßigkeiten fetzte die Kufe des Schlittens von seiner Satteltasche. Kleine, runde, braune Kekse rieselten wie harte Geschosse zur Erde nieder.
Es hagelte Pepernotjes. Holländische Pfeffernüsse. Die Mutter erwachte von blauen Flecken übersät, rieb sich die schmerzenden Stellen und schüttelte verwirrt die Kekskrümel von ihrer Bettdecke. Kurz meinte sie, ein weißes Pferd mit zwei Reitern würde vorm Fenster vorbeisegeln, schob diese Halluzination aber auf halbschlafende Nachwirkungen des Gesprächs vom Vorabend. Denn ihre fünfjährige, aufgeweckte Tochter hatte beim Abendbrot wieder mit ausschweifender Phantasie geglänzt: »Mama, ich hab den Penis von Sinterklaas gesehen!« Verständlicherweise rutschte der Mutter spontan etwas Speise in den falschen Hals. Sie hieß übrigens Maria. Das ist jetzt aber wirklich ein ganz dummer Zufall, ihre Eltern konnten doch nicht ahnen, dass sie mal in einer Weihnachtsgeschichte auftreten müsste. Noch weniger, dass sie eines Tages gezwungen wäre sich mit Geschlechtsteilen von Heiligen zu beschäftigen. »Ich weiß nicht ob Sinterklaas einen … hat«, hüstelte sie verlegen das Brotstückchen aus der Luftröhre. »Alle Männer haben einen Penis, das hast du selbst gesagt!« »Jaja, stimmt schon. Aber der Nikolaus ist ja mehr so ein bisschen heilig«, setzte Maria sich der Gefahr aus, genau zu erklären, was unheilig wäre. Dieser Kelch ging glücklicherweise an ihr vorüber: »Ob der deutsche Nikolaus einen hat, weiß ich auch nicht, aber den vom holländischen Nikolaus hab ich gesehen!«, beharrte das Kind trotzig. Die Mutter hatte jene Bemerkung am menschenleeren Strand natürlich nicht ernst genommen und längst vergessen. »Aber Tomke, gibt es denn nicht nur einen Nikolaus?«, versuchte sie das Gespräch auf jugendfreies Terrain zu lotsen. Ohne zu lügen und ohne zu ahnen, welch inneren Krieg sie mit dieser Frage lostrat. »Nein, einer allein kann es nicht allen Kindern besorgen. In Holland kommt ja der Sinterklaas, den haben wir bei Papa in der Stadt gesehen. Der ist viel reicher, genauso wie Papa und alle anderen Holländer. Der hat nämlich ein Pferd und ein Boot und einen Angestellten und viel mehr richtige Geschenke und viel goldenere Klamotten an. Der deutsche Nikolaus kommt ja nur mit dem alten Schlitten und Süßigkeiten«, trumpfte Tomke mit mehr Erinnerung auf, als die Mutter vermutet hatte. Sie war doch erst zwei gewesen, als sie einmalig dem traditionellen Einzug des Sinterklaas beigewohnt hatten, kurz vor der Trennung vom holländischen Kindsvater und der Rückkehr nach Deutschland. Allerdings schob die Menge sie damals zufällig so dicht heran, dass die Kleine dem Apfelschimmel über die weichen Nüstern streichen konnte; vielleicht hatte das so tiefen Eindruck hinterlassen. Mütter sind naturgemäß stolz, was ihre Sprösslinge sich alles merken können: »Was weißt du denn noch von Sinterklaas?« »Alles. Ich hab den Hengst gestreichelt und seinen Penis gesehen.« »Jetzt iss auf, es ist spät«, bestimmte die Mutter nicht mehr ganz so stolz sondern streng.
Dieses Abendbrotgespräch wird fortgesetzt, fürchtete die schlaftrunkene Maria nun und wunderte sich erneut über ihre kleinen Hämatome. Sie öffnete das Fenster, atmete die beruhigend kalte Winterluft und fixierte einen hellen, zappelnden Punkt am Himmel. Ließ sie sich von dem Kind so verrückt machen, dass sie besagten Hengst fliegen sah? Und was war das für ein rotbrauner Fleck, der um die Sterne kreiste? Sie beschloss, sich in einem Traum zu befinden, verriegelte hastig das Fenster, sammelte jede Menge Pepernotjes vom Boden, setzte sich auf den Bettrand und aß sie alle, alle tapfer auf.