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"Mama, sag jetzt die Wahrheit: Wer bringt die Geschenke - der Weihnachtsmann, das Christkind, Santa Claus, der heilige Nikolaus? Oder sind das alles verkleidete Männer? Nee, machst du das etwa?" Die alleinerziehende Mutter Maria wird von ihrer Tochter immer wieder in die Enge getrieben. Wie soll sie unsere westlichen Traditionen, mit all den magischen Gestalten, ehrlich erklären - ohne den kindlichen Glauben gleich zu zerschmettern? Die Gestalten selbst haben da ihre ganz eigene Meinung... So ergeht es ihr auch diesmal: Der echte Gabenbringer muss sich mit einem Nebenjob auf dem Bremer Weihnachtsmarkt etwas dazuverdienen und die Alleinerziehende interessiert sich erstmals wieder für ein Wesen aus der Männerwelt. Aber was, verflixt nochmal, haben der Osterhase und die Piratenpuppe damit zu tun? Eng verflechten sich die wahren und fantasierten Ebenen. Auch der Tierschutz - Gedanke weht wieder sacht vorbei. Kann ein Engel Lüge sein? Für Zweifel ist man nie zu klein: Das Kind fragt Löcher in den Bauch, die Mutter lacht, dann sagt sie`s auch: Es glaube doch wer will und kann, selbst an den Weihnachts-Markt-Mann! Schmunzelgeschichte für Erwachsene, ganz besonders (aber nicht nur) für Eltern, Großeltern und alle die mit Kindern feiern! (Alle Folgen von "Magische Elternrealität" sind unabhängig voneinander zu lesen & in sich abgeschlossen.)
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Veröffentlichungsjahr: 2023
© 2018
3. Auflage 2023
E-Book: medienschiff.de
Printausgabe im Taschenbuch
"Magische Elternrealität 1-4":
© 2019 Edition Falkenberg, Bremen
Inhaltsverzeichnis
Titelseite
Glaubst du an den Weihnachtsmarktmann?
(Magische Elternrealität 3)
Adventsgedicht:
Weihnachtsmarktmann
Leseproben:
Glaubenskrieg der Nikoläuse
(Magische Elternrealität 1)
Schiffschweinchen Spekje
(Das Kinderbuch zum Roman)
Vita & Werke
Impressum
Texte: Rega Kerner
Illustration: Nicole Fabert
Korrektorat: Marita Pfaff
Magische Elternrealität 3:
Sein Gesicht schob sich in den Vordergrund, bei allem was sie dachte, bei allem was sie tat. In banger Hoffnung rief Maria ihre Emails ab, wieder und wieder, so ging das nun seit Tagen. Schuld daran war nur der Zauber. Daran liegt solch geistige Umnachtung naturgemäß immer, aber in ihrem Fall lag es an einem ganz speziellen: dem ›Schlachte Zauber‹. Seit den Ereignissen dort ergab dieser Name eines Teiles des Weihnachtsmarktes einen ganz neuen Sinn.
Sie überflog die Absender, seufzte, schloss enttäuscht das Email-Programm und versuchte, sich auf das nimmermüde Geplapper ihrer Tochter zu konzentrieren. Rund um die Weihnachtszeit schien Tomkes Wissensdurst noch einen Zahn zuzulegen. Jenes Kreuzfeuer von tausend Fragen, dem die Mutter von morgens bis abends ausgesetzt war, zerrte das ganze Jahr an der Geduld, doch momentan fiel es ihr besonders schwer, sich auf das Formulieren kluger Antworten zu konzentrieren. Denn da war dieses Gesicht in ihrem Kopf. Und tausendmal die Erinnerung, wo das herkam.
»Wo kommst du denn her?«, staunte der Weihnachtsmann beim Sortieren der Geschenke auf dem Schlitten. Ein kleiner, etwas schmuddeliger Stoffhase war aus dem soeben durchwühlten Haufen gefallen und hing nun schlapp über eine Schlittenkufe. Den hatte er ganz bestimmt nicht angeschafft, er suchte eigentlich gerade die sprechende und pinkelnde Puppe, die ein kleines Mädchen derart dringend verlangte, dass es ihm drei, sowie dem Christkind auch noch zwei Briefe geschrieben hatte. Dieser komische Hase mit der albernen grünen Latzhose stand auf keinem Wunschzettel. Der musste ihm irgendwie zugelaufen sein.
»Was mach ich jetzt bloß mit dir?«, überlegte der Alte, gebrauchte Sachen wollte heutzutage doch kein Kind mehr haben. Ganz abgesehen davon, dass ein Hase zu Weihnachten wohl völlig am Thema vorbeiging. Dann sah er auf die Zeitanzeige seines Smartphones und vertagte die Antwort auf die Hasenfrage sowie die Suche nach der teuren Markenpuppe auf morgen. Denn für heute Abend hatte er einen Nebenjob auf dem irdischen Weihnachtsmarkt in Bremen angenommen. Die Sortierung und Beladung des Schlittens hatte noch drei Adventskerzen lang Zeit und es fehlte dringend Geld für ein paar exklusive Kinderwünsche, allen voran die Unmenge der speziellen Spielekonsolen und Computerapps. Gedankenlos steckte er den Hasen in seine Manteltasche, ermahnte den friedlich Heu kauenden Rudolf gut auf den halb beladenen Schlitten aufzupassen und wandelte gen Erden.
Weihnachtsmärkte sollen ja so romantisch sein. Maria fand sie vor allem kalt, teuer, anstrengend, laut und den hier auch noch viel zu groß. Als Alleinerziehende hatte sie jedoch niemanden, der ihr diesen Pflichtgang abnehmen würde. Wie bei jedem Fest in der Stadt begann schon am zweiten Tag nach der Eröffnung das Gejammer: »Katja war schon da – Gina, Alina und Achmet auch. Und Patricia sogar schon zweimal. Und viele andere, ach, ich glaub fast alle aus der Klasse waren schon da! Nur ich nicht!! Wann gehen wir endlich?«
»Bald.« Maria versuchte immer einen Wochentag zu finden, an dem es etwas ruhiger wäre, aber dann verschob es sich doch meist auf einen der letzten Tage vor dem Fest, wie bei tausenden anderen Marktbesuchern, durch die sie sich folglich drängeln musste. Da konnte sie dieses Jahr auch gleich aufgeben – und das tat sie. Der erstbeste freie Nachmittag war zwar ein Freitag, ergo ähnlich schlecht wie richtig Wochenende, aber damit hätte sie es noch vor der zweiten Kerze am Kranz hinter sich. Also verkündete Maria die frohe Botschaft: »Schuhe, Jacke, los, wir gehen auf den Weihnachtsmarkt!«
Frohlockend ein Lied über so manche Kleckerei in der Bäckerei schmetternd, schlüpfte Tomke zackig in ihren roten Mantel. Na toll, dachte Maria, würde diese Ohrwurmmelodie sie auch noch den ganzen Tag begleiten. Wenigstens passten Lied wie Mantel jetzt zur Saison, darin lief ihr Kind schon zu Ostern wie ein Weihnachtsmannengel neben dem Hasen und der Song verfolgte sie zu allen Jahreszeiten.
»Können wir los, oder brauchst du noch ein paar Strophen?«
»Loooooos!«, jubelte Tomke und stürmte hinaus.
Äußerst beliebt bei den Holländern konnte der hochgelobte Bremer Weihnachtsmarkt Maria trotz innerer Abwehr und äußerem Andrang manchmal Schmunzelmomente bescheren: Immer, wenn sie länger neben einem Gespräch stehenblieb, einer schrecklich unweihnachtlichen Anhäufung von »Godverdomme … stomme mof … zeikerds … duure kutzooi … « lauschte und daraufhin den Nichtsahnenden einen amüsanten Gesprächsbeitrag lieferte oder simpel zustimmte: »Ja, wat slechte stemming hier, je zul maar beter niet meer komen.«
Ertappt wurden die Niederländer dann rot wie Tomkes Mantel, sie hatten nicht erwartet, dass hier im Ausland jemand ihre Flüche und groben Sprüche verstand. Nein, wiederkommen wollten sie dann seltsamerweise trotz schlechter Stimmung, sie hätten es doch gar nicht so gemeint. Eventuell wollte Maria dadurch nur nochmals diesen Satz auf holländisch hören: »Ich habe es doch nicht so gemeint.«
Das hatte der holländische Kindsvater nach der Trennung noch oft gesagt. Von zehn gemeinsamen Jahren blieb ihr immerhin neben der Tochter auch die Kenntnis der gelernten Sprache, in der sie oft träumte, aber noch lieber Weihnachtsmarktbesucher ärgerte. Vor allem, wenn denen der Glühwein unverschämt zu Kopf gestiegen war.
»Lieber guter Weihnachtsmann, schau mich nicht so böse an, steck´ die Rute wieder ein, ich steh´ heut´ nicht auf Schlägereien«, leierte ein Junge den vermutlich einzigen Reim den er kannte herunter und streckte fordernd die Hand aus. Der Weihnachtsmann widerstand dem Drang sich zu verteidigen. Die Zeiten schwarzer Rutenpädagogik waren schließlich lange vorbei. Solche Attribute führte er nicht mehr mit sich, was sich in der Elternschaft aber leider immer noch nicht überall herumgesprochen hatte. Also woher sollten die Kinder es wissen. Er reichte dem Jungen ein Geschenk aus dem Sack und schaute das nächste Kind in der Warteschlange an. »Ich auch«, sagte das mit geöffneter Hand.»Kannst du auch ein Gedicht? Oder ein Lied?«, lächelte der Weihnachtsmann.»Will auch haben.«»Bloß einen gaaaanz kurzen Reim?«»Gib her!«, stampfte das Kind mit den Füßen auf den Boden und zerrte am Sack. Der junge Vater dahinter schaute fast ebenso fordernd, möglicherweise erwartete er vom Weihnachtsmann die pädagogisch wertvolle Lösung für derlei Situationen, welche ihm selbst noch völlig abging.
Doch der fragte sich stattdessen heimlich, ob die Ruten wirklich so verkehrt gewesen waren, vieltausendjährige Reaktionsmuster konnte selbst ein Heiliger in wenigen modernen Jahren nicht so leicht ablegen. Sollten diese antiautoritären, ach so klugen Eltern zusehen, wie sie damit fertig würden. Unwirsch drückte er ein kleines Geschenk in die begierigen Händchen: »Auch wenn du es dir nicht verdient hast.«»Jetzt Riesenrad!«, bestimmte das Kind und sauste mit dem ungeöffneten Päckchen davon, der Erziehungsberechtigte ergeben hinterher.
Mutter und Tochter fuhren im Riesenrad, das diesen Namen nicht verdiente. Passender wäre die Bezeichnung Minirad, dafür machte es tüchtig Fahrt neben dem ehrwürdigen Dom zu Bremen. Tomke umklammerte die Reling als wolle sie ihren Arm darum wickeln, fürchtete den Aufstieg und genoss das Abwärtssausen: »Das kribbelt so! Merkst du das auch?«
Maria blickte besorgt auf die dicht an der Gondel vorbeidrehenden Stahlträger, dichter als eine Kinderarmlänge. Bei den meisten Karussells war das Verbot hinauszugreifen eher prophylaktische Theorie, aber hier durfte man wirklich keinen Arm zur Seite strecken.
Drei Gondeln weiter hielt ein kleiner Junge ein Päckchen hinaus und erfreute sich daran, wie jeder vorbeikommende Träger das Geschenkpapier schlug, bis es schließlich zerfetzte. Maria erbleichte und ermahnte Tomke, dies absolut und nicht und nie und nie, nie, nie zu tun, erst auf deutsch, dann zur Sicherheit nochmal auf holländisch. Die brave Tochter nahm gleich ihre Achsel von der Reling, griff dieselbe ängstlich von der Innenseite und sah misstrauisch über die Seitenwand, gerade am höchsten Punkt des Rads. Tief unten schlängelte sich ein Engel zwischen den Menschen hindurch.»Sind das die Seelen der Kinder?«, flüsterte Tomke ängstlich.»Was?«»Dieses Leuchten. Im Korb, den der Engel trägt. Jede Seele hat doch eine eigene Farbe.« Maria verstand nur Bahnhof, suchte im Vorbeifliegen von oben nach unten die Lösung in den Steinfiguren am Dom, entdeckte aber kein passendes Bildnis: »Was für ein Engel?« »Der mit dem grün-gelb-lila Licht im Korb. Du siehst ihn daaaa, wenn wir wieder oben sind«, wies Tomke aufs Kassenhäuschen, dessen korpulenter Insasse so gar nichts engelhaftes an sich hatte. Doch auch von ganz oben war kein Engel mehr zu sichten, obwohl die Gondel kurz stehen blieb und beide nicht nur in Richtung Kassenhäuschen, sondern rundherum suchten. Eine halbe Runde weiter mussten sie aussteigen.
Danach ging es in den ›Happy Sailor‹. Diese drehenden Boote waren schon fast zu langsam, auf dem Freimarkt bevorzugte Tomke bereits den ›Musik-Express‹ und die ›Wilde Maus‹. »Trotzdem schön«, lachte sie. Schiffe für das Schifferkind. »Goed gevaaren«, meinte auch die Mutter, als die Karusselboote anlegten, also gut geschippert. Und jetzt? Noch ein wenig entlang der verführerischen Auslagen bummeln und das Portemonnaie standhaft gegen das Betteln des Kindes verschließen, feilgebotene Holzpuppen und geschnitzte Tiere ebenso links liegen lassen wie Schokoladen-Crepés, Zuckerwatte und tausende Gesichter. Dass sich eines davon aus der Masse erheben würde, konnte Maria doch nicht riechen, schon gar nicht zwischen all den leckeren Adventsdüften.Unzählige Lampen und Lichter glitzerten in Tomkes Augen und Herz. An einem Stand, der komplett mit feinen, blau-weißen Lichterkettchen behangen war, konnte sie sich gar nicht sattsehen. »Mama, warum ist der nicht bunt? Nur blau und weiß und blau und weiß und blau und …« »Bayern«, unterbrach Maria die Farbbeschreibung in verächtlichem Ton, bevor womöglich sämtliche Lämpchen aufgezählt würden: »Da gibt es irgendwas Bayrisches, Brezeln oder so.«»Und wieso ist Bayern blau-weiß?« »Weil Werder grün ist«, schnaubte die Mutter, riss sich dann aber zusammen: »Das sind die Farben der Flagge. Jedes Bundesland hat doch eine Flagge und die von Bayern ist eben blau und weiß.«
»Grüüüün!«, kreischte Tomke plötzlich, »bitte, ich will eine grüne Seele!« Da sie die abrupten Stimmungswechsel ihrer Tochter gewohnt war und außerhalb des kreiselnden Riesenrads deren Blick leichter folgen konnte, entdeckte Maria den Engel nun selbst. Der geheimnisvoll leuchtende, vermeintliche Seelenkorb, den er, beziehungsweise sie, über dem Arm trug, enthielt selbstleuchtende Plastikarmbänder mit dem Logo eines Shoppingcenters. Im ersten Moment legte Maria schützend ihre Hand auf die große Umhängetasche mit der Geldbörse, doch dann gab der Engel einem älteren Herrn so ein gelbes Ding, sagte: »Darf ich Sie mit einem Licht in dunkler Nacht beglücken?«, und ging lächelnd weiter, ohne zu kassieren.»Ein Glück, nur ein Promotion-Engel«, murmelte Maria und ermunterte daraufhin ihre Tochter: »Na, dann lauf hin und hole dir dein grünes Ding.« »Und wenn es doch Seelen sind? Die Kinder, die aus dem Riesenrad fielen?« »Passt schon. Leuchtende Seelen sowie Bänder sind nicht nur bunt, sondern auch rund«, kicherte Maria und erklärte: »Nein. Das ist Werbespielzeug aus der Fabrik. Ziemlich irdisch. Und außerdem fällt niemand aus dem Riesenrad.« »Glaubst du? Ich weiß nicht. Der Engel sieht auch komisch aus. Engel sind Männer. Oder Kinder. Keine Frauen.«»Das denkst du nur, weil du nur solche Bilder kennst. Dies ist eben ein weiblicher Engel.«»Es heißt aber der Engel. Nicht die Engelin«, belehrte die Erstklässlerin ihre Mutter und fand ein weiteres Kriterium: »Außerdem haben Engel ganz andere Augen. Die von dem sehen viel zu süß und schmal aus, wie gebrannte Mandeln.«»Das sind asiatische Augen. Mancher Engel kommt eben von weither geflogen und dieser sieht doch wunderschön aus«, sagte die Mutter während sie überlegte, wie das Aussehen von Engelsaugen definiert sein könnte und wer solches überhaupt festlegte.»In China gibt es Drachen. Keine Engel.« »Asien besteht aus viel mehr Ländern als nur China.« Maria bekam leichte Panik, nun den halben Weihnachtsmarkt entlang über die Nationalitäten und Geschlechter von Engeln diskutieren zu müssen.