1,99 €
Aufruhr im Hühnerstall, es gibt Streit mit den Osterhasen! Die alleinerziehende Mutter Maria und ihre Tochter Tomke begleiten einen Mann im Hasenkostüm durch den Bremer Schnoor und (ver)zweifeln an manchen Traditionen. Wie mag das miteinander sowie mit dem Tierschutzgedanken zusammenhängen? Kinderfragen treiben Eltern oft an die Grenzen von Kenntnis und Geduld. (Auch Rand des Wahnsinns genannt.) Kennen Sie das? Dann wird diese verrückte Ostergeschichte Sie zum Schmunzeln bringen: In der magischen Phase, besonders rund um die Feiertage mit allerlei Legenden und Brauchtum, fragt Tomke ihrer Mutter Löcher in den Bauch. Der kindliche Glaube an Osterhase und Weihnachtsmann ist im unlösbaren Streit mit dem ebenso kindlichen, unbändigen Wissensdrang. Maria verliert sich manchmal selbst in diesen Verstrickungen von Wahrheit und Fantasie, Tradition und Aufklärung. Da hilft nur, immer den Humor zu bewahren und bei der Logik gelegentlich fünf gerade sein zu lassen: »Es gibt vermutlich keinen Osterhasen. Aber nun sei mal still, sonst verscheuchst du ihn!« Übrigens: Alle Folgen der Reihe "Magische Elternrealität" sind unabhängige, abgeschlossene Novellen für Erwachsene und prima einzeln (oder querbeet) zu lesen. Jetzt reinschauen und in Osterspaß mit Tiefgang abtauchen!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2024
©2018
Neuauflage 2024
Texte & E-Book: medienschiff.de
Titelbild: Nicole Fabert & Cover dein Buch
Eine eigenständige, abgeschlossene Novelle.
Alle Folgen der Reihe sind gut unabhängig voneinander zu lesen.
(Magische Elternrealität 2)
Ostergedicht:
Hauptsache
Plus Leseproben:
Glaubenskrieg der Nikoläuse
(Magische Elternrealität 1)
Wer Schiffe klaut, kriegt nasse Füße
(Die Schiffsdiebinnen - Roman)
Aufruhr im Hühnerstall, es gibt Streit mit den Osterhasen. Maria und Tomke begleiten einen Mann im Hasenkostüm durch den Bremer Schnoor und (ver)zweifeln an manchen Traditionen. Wie das miteinander sowie dem Tierschutzgedanken zusammenhängt, vermutet diese ironisch-provokante Ostergeschichte:
Die Küchenschlacht der ausgeblasenen Ostereier war geschlagen.Ein Schalenscherbenhaufen im Biomüll zeugte von Erfahrungswerten, die das Kind gewonnen hatte. Maria wischte den letzten Glibber vom Tisch und zwang sich, nichts anderes damit zu assoziieren als den ehemaligen Inhalt künftiger Osterdekoration. Wie konzentriert Tomke doch die lange Nadel durch die Pustelöcher steckte! Die Kleine fädelte die leichten Eierhülsen auf eine Schnur, bald würde ihre Eierkette die Rosensträucher vor ihrem Fenster schmücken.
Zwei Stadthäschen huschten den dunklen Rinnstein entlang, immer dicht an den mittelalterlichen Häuschen, die wie bunte Ostereier an der Schnur die schmalen Gassen säumten.
»Bleib in den dunklen Schatten der Dämmerung, geschützt vor dem Fensterschein der Menschen«, mahnte der ältere Hase seinen jüngeren Kollegen. »Jaja«, meinte der und sprang übermütig über einen viereckigen Lichtfleck, dass der Korb auf seinem Rücken hüpfte. »Wenn du solchen Unsinn morgen mit den Eiern darin machst, gibt es Rührei«, schimpfte der Alte. »Quatsch! Die sind doch nicht roh.« »Aber du bist ein wenig roh. Sagen wir, nicht ganz gar.« »Wozu auch abends loslaufen? Obwohl wir erst morgen die Eier bekommen?« »Wir übernachten vor der Ausgabestelle, dann ist die Schlange morgen nicht so lang«, erklärte der Alte geduldig zum unzähligen Male. »Jetzt klapp deinen Korbdeckel zu und komm!«
Der Mülleimer klappte über noch ein paar vom Boden gefegten Schalensplittern zu und Maria kümmerte sich um die verwertbaren Reste der Schlacht. Sie würzte die Rührei-Rohmasse fürs Abendbrot und stellte die Schüssel gerade in den Kühlschrank, als das Smartphone ein erschreckend fröhliches Lied schmetterte. Der Glibber schwappte in der einsetzenden Hektik bis knapp unter den Rand. Ungern ließ sie Tomke mit den sensiblen Eierhülsen allein, doch auf dem Display strahlte rotbäckig das Antlitz von Marias Tante. Äußerlich rund wie Marias Vater, jedoch bei weitem nicht so gemütlich, war bei dieser Verwandten Konzentration auf das Gespräch angeraten. Denn abgelenkt vom Kind, könnte die resolute Tante sie ja zu allem Möglichen überreden … Erst auf dem Weg ins Wohnzimmer nahm sie ab.
»Dein Vater wird ein süßes Häschen«, kicherte das Handy ohne Begrüßung. Es folgte eine stichwortartige, von Glucksen und Rufen aus dem Hintergrund unterbrochene Erzählung. Maria brauchte eine Weile bis sie daraus schlau wurde. Doch dann sah sie die Szene vor sich, als wäre sie dabei gewesen. Ein als Osterhase gebuchter Schauspieler hatte wegen Grippe abgesagt, Ersatz war so kurzfristig nicht zu beschaffen. Daraufhin probierte die ganze Familie nacheinander das Kostüm an, als da waren die Tante, Marias Cousin, beide Cousinen, ein Onkel und ferner auch zwei Nachbarn, die im Treppenhaus eingefangen wurden. Voller Humor begonnen, verzweifelte die versammelte Mannschaft allmählich, denn das Fell schlabberte um alle herum, zu kurz, zu weit, einfach nur lächerlich. »Und als wir gerade aufgeben und die Veranstaltung absagen wollten, klingelte es an der Tür, da stand dein Vater. Der alte Seebär, wie immer unangemeldet«, berichtete die Tante. Maria lachte: »Typisch. Du denkst, der ist in Afrika oder Amerika oder im Iran oder in Timbuktu oder irgendwo auf den Gewässern dazwischen, da steht er plötzlich vor der Tür und möchte Kaffee trinken.« Diesmal hatte er Pech, bestätigte ihr die weitere Darlegung.
»Bevor du Kaffee kriegst, ziehst du das an«, zitierte die Tante sich selbst und malte die Szene in leuchtenden Osterfarben aus: Marias Cousin, der noch halb im Hasenkostüm steckte, hatte daraufhin die Hochwasserbeine über seine Knöchel abgerollt und den schlappen Stoffsack vor die Schiffernase gehalten. Gehorsam kletterte Tomkes Opa hinein, zu dritt zogen Cousin und Cousinen ihm das Fell über die breiten Schultern, die Kapuze über den kahlen Kopf und den Reißverschluss zu. Alle Anwesenden traten einen Schritt zurück und applaudierten spontan. »Es passte wie angegossen!«, schwappte die Begeisterung aus dem Smartphone fast über. »Dein Cousin jubelte: ›Steht dir ja besser als dem Schauspieler letztes Jahr! Wie für dich gemacht!‹, der Opa wackelte betreten mit den langen Plüschohren: ›Aber ich …‹« Maria kicherte in den Hörer. »Keine Widerrede. Du läufst morgen den Osterhasen«, bestimmte die Tante abschließend, als meinte sie ihre Gesprächspartnerin, doch die kannte deren Erzählkapriolen. »Mein Vater als Osterhase? Das lass ich mir nicht entgehen! Und für Tomke wird es auch lustig. Das Fest ist doch für Kinder?« »Klar, auch. Gegen zehn bei uns im Ladenbüro?« »Passt, na denn bis morgen.«
Maria legte das Smartphone auf die Fensterbank und blickte gedankenverloren auf die Gemeinschaftswiese. Die Äste des alten Baumes hatten die Stürme des Winters entgegen aller Ängste gut überstanden. Die große Fläche zwischen drei Häuserblöcken eignete sich hervorragend für Kindergeburtstage, aber für Osterhäschen war sie gefährlich offenes Brachland. Gras über Gras, umgeben von Rosenbeeten entlang der Hausmauern. Tomke liebte es, wenn die Rosen im Frühjahr über den Fenstersims hinauswuchsen, sich endlich öffneten und dann im Sommerwind taktvoll an die Glasscheibe tippten. Als begehrten sie Einlass oder wollten daran erinnern, dass sie es jedem Einbrecher, Monster oder Gespenst ungemütlich machen würden, ins Kinderzimmer zu gelangen. Zur Eiersuche war dieser schöne Schutzwall ihres Dornröschenschlosses leider weniger geeignet. Die einzigen dornenfreien Verstecke fanden sich rund um die Wurzeln des Baumes oder an den abfallenden Rändern der Beete; der Hauptanteil lag infolgedessen halboffen im Gras verstreut. Letztes Jahr hatten die Gärtner direkt vorher den Rasen gemäht, was die Suche viel zu einfach machte . Außerdem klebten an allen Fundstücken kleine Grashälmchen. Die ganze heimliche Eierkauferei und -versteckerei gestaltete sich sowieso stets schwieriger: Tomke wurde älter, es musste doch irgendwann auffallen. Dass hier was faul war mit dem Hasen. Da kam die Alternative des auswärtigen Festes gerade recht.
Ein Aufschrei aus der Küche riss Maria aus ihren Überlegungen, sie eilte hinüber, um noch ein paar neue Eierscherben zu entsorgen und das Kind zu trösten.
»Glaub mir, morgen kriegst du dafür ganz schnell harte Eier«, tröstete der ältere Hase. Sein Lehrling zog eine Schnute und wies auf die lange, flache Industriehalle: »So wie das aussieht, wäre morgen früh aber früh genug gewesen.« Dort hockten, standen und lagen bereits jede Menge Hasen mit leeren Körbchen. Immer hübsch an der Wand entlang. »Sooo viele vor uns!», jammerte er weiter, während sein Kollege sich ordnungsgemäß am Ende der Warteschlange auf seinen Korb setzte. »Die Ostereierausgabe läuft immer schnell und professionell. Mach dir keine Sorgen.« »Werʼs glaubt …«, zweifelte der Jüngere. Leider berechtigt, wie sich noch zeigen sollte. »Schlaf jetzt!«, befahl der Alte. Das Häschen maulte noch etwas, dann umarmte es sein Körbchen wie ein Kopfkissen und wiegte sich selbst in die Osterhasentraumwelt.
Die Gondel schaukelte hoch über den mittelalterlichen Häuschen am Kran. Sie bot den Besuchern des ältesten Stadtteils Bremens einen grandiosen und heute einzigartigen Ausblick, denn der mobile Kran war eigens für das ›Ostern im Schnoor‹-Fest angereist.
»Es stimmt, was man sagt, die Häuser wirken wirklich wie Perlen auf einer Schnur an den schmalen Gässchen aufgereiht«, staunte eine ältere Dame aus der Höhe. »Darum heißt der Stadtteil auch Schnoor«, knurrte ihr Begleiter. Der Kranführer lehnte sich zurück. Er genoss diese Abwechslung zum Baustellenalltag, steckte sich eine Zigarette an und ließ die beiden Touristen etwas länger in der Luft hängen. »Nein, das plattdeutsche ›Schnoor‹ kommt von den Seilen und Tauen, die machten die Fischer hier für ihre Netze. Dies war ein Schifferviertel«, widersprach die Dame. »Du weißt es natürlich wieder besser«, brummte ihr Gatte. Sie hörte den Vorwurf ausnahmsweise nicht, denn ein farbiger Klecks fesselte ihre Aufmerksamkeit. Dieses flüchtige, rote Motiv kannte sie doch? War das im Kino, hatte es etwas mit Hoffnung zu tun? Oder mit wegsehen? Wurde da unten zu allem Osterfestandrang noch ein Film gedreht?
Das Mädchen im roten Mantel huschte um die verschnörkelten Häuserecken, von einer schnurdünnen Gasse zur nächsten, dann hatte es augenscheinlich sein Ziel erreicht. Beherzt nahm es den Osterhasen an die Hand und hoppelte mit ihm gemeinsam weiter. Eine kleine Menschentraube begleitete sie, von hier oben besehen wie Püppchen zwischen Puppenhäuschen. Der Kranführer sah auf die Uhr. Genug geguckt, die Schlange der nächsten Passagiere war schon viel zu lang. »Huch!«, schrak die Dame aus ihren Filmvisionen, als die Gondel ruckelte und flott abwärts summte. »Wurde auch Zeit«, meinte ihr Mann. Sie seufzte. Es würde nicht leicht sein, ihren mürrischen Begleiter zu überzeugen, in den schmalen Gässchen nach dem Osterhasen zu suchen, statt nach Hause zu gehen. Ahnungslos, wie nah der Gesuchte in Wahrheit war, stieg sie aus der Gondel und drängte: »Lass uns nochmal diesen Engpass, die ›Wüste Stätte‹ besichtigen. Ich möchte ein Andenken kaufen und es ist noch früh.«
Unter dem mobilen Kran duckten sich zwei ängstliche Häschen.