Goldbach - Martin Amadeus Weber - E-Book
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Martin Amadeus Weber

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Beschreibung

Seine Bücher weckten das Interesse der Leser, die Verkaufszahlen stiegen langsam an, das Schreiben begann sich zu lohnen. Heiner saß in seinem Arbeitszimmer und starrte in den Hof hinab. Es war Ende November und draußen in der Nacht tobte ein heftiger Schneesturm. Die beiden Kinder schliefen oben in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer. Heiner Walker war Autor der langsam immer erfolgreicheren Serie um den Schwarzwaldkommissar. Im Moment allerdings saß er nervös wartend an seinem Schreibtisch und starrte immer wieder hektisch hinunter in den dunklen Hof und auf die Zufahrt die er von seinem Fenster aus sehen konnte. In Goldbach, einem kleinen Ort in der Nähe von Calw hatten sie einen alten Bauernhof renoviert und er fühlte sich mit seiner Frau und den beiden Kindern dort sehr wohl. Seine hochschwangere Frau war zu einem Geschäftsessen in Calw und er machte sich langsam Vorwürfe und richtig Sorgen, dass er es zugelassen hatte. Immer wieder musste er aber jetzt zu seiner Missbilligung und Verwunderung an Janines schöne Freundin, die Kinderärztin, denken. Die einzige Frau, die es mit seiner Janine aufnehmen konnte. Was soll das denn? Warum denke ich an sie und nicht an meine Liebste? Verwirrt schüttelte er den Kopf. Mitten in seine Überlegungen klingelt die Türglocke und er eilte erleichtert hinunter zur Haustüre. Als er die Türe öffnete, erkannte er zwei Polizeiuniformen im heftigen Schneetreiben. Eisiges Entsetzen überfiel ihn und seine heile Welt brach unter der Botschaft zusammen.

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Inhaltsverzeichnis

Goldbach Samstag, 21. 11. 2015

15, Juni 2016 Erinnerungen

Zwei Monate später 22. 8. 2016

Maggis Geburtstag

Erste Novemberwoche 2016

23. November, Kindergartenfest

Bruder und Schwester

Neue Pläne

Freitag 1. Dezember 2016

Samstag 24 Dezember 2016 Weihnachten

Sonntag, 8. Januar 2017

Montag, 9. Januar 2017

Sonntag, 5. Februar 2017, 3 Wochen später

Drei Wochen später, Donnerstag, 2. März 2017.

Montag

Dienstag 21, März 2017 Gerichtsverhandlung Stuttgart

Zwei Stunden später im Walker Hof

Freitag, 24. März 2017 Walkerhof Goldbach

Samstag Mittag, Grillfest am Walkerhof.

Freitag, 28. April 2017

Montagmorgen 1, Mai 2017

In der Burg

Befreit

Mittwochmorgen

Fremder Besuch

Im Café in Goldbach

Die Briefe

Wieder im Hof, Heiner weg

Thorsten und Dieter

Auf der Jagt nach Heiner

Wieder im Hof

Donnerstag, 4. Mai 2017

Polizei auf dem Walkerhof

Stuttgart, 8, Mai 2017. Staatsanwaltschaft Stuttgart Vernehmungszimmer

Epilog

Impressum

Goldbach Samstag, 21. 11. 2015

Geschafft, dachte er zufrieden und speichert die Datei ab. Kommissar Bogners neuester Fall war beendet, das Verbrechen nach vielen Irrungen und Wirrungen endlich gelöst. Zufrieden lehnte er sich zurück, bog das schmerzende Kreuz durch und dehnte seine, vom Tippen verkrampften, schmerzenden Finger. Mist, dachte er. Die Nägel sind auch wieder zu lange. Ich muss die dringend schneiden sonst stoße ich ständig gegen die Tasten. Wie machen es die Frauen blos, dass sie mit ihren langen Fingernägeln tippen können, rätselte er grummelnd und schob das Notebook nach hinten. Erst jetzt bemerkte er erst jetzt, dass draußen ein regelrechter Schneesturm tobte. Mit einem Blick auf die Uhr im Regal gegenüber seinem Schreibtisch stellte er erstaunt, fast erschrocken fest, dass es schon kurz vor 23 Uhr war. Schnell stand er auf und ging die Treppe hinauf um nach seinen Kindern zu sehen. Vorsichtig öffnete er die Türe zum Kinderschlafzimmer und stand dann vor seinem schlafenden Engel. Ihre seidigen blonden Haare waren wie ein Tuch um ihren Kopf gebettet. Sie hatte ihr Kissen, wie ein Kuscheltier, fest im Arm. Vorsichtig beugte er sich zu ihr hinunter und küsste sie zart auf die Backe. Leise ging anschließend hinüber zum Bett seines Sohns. Noch schliefen die beiden auf eigenen Wunsch gemeinsam in einem Zimmer. Tom schlief ebenfalls fest und hatte wie seine Schwester das Kissen im Arm. Auch ihn küsste er vorsichtig. Sein Kleiner war ja schon ein richtiger Mann und durfte nicht mehr so einfach geküsst werden, dachte er lächelnd und strich dem vierjährigen Buben zärtlich über den Kopf. Behutsam entfernte er das Bilderbuch mit Texten, dass er unter seinem Kopf liegen hatte. Tom lernte gerade mühsam aber eisern lesen und eiferte seiner Schwester nach. Schmunzelnd legte er das Buch auf den Nachttisch und ging leise wieder hinaus. Wo Janine bloß solange bleibt? Dieses Geschäftsessen muss doch längst zu Ende sein. Von Calw bis hierher sind es knapp 20 Minuten. Na ja bei diesem Wetter vielleicht 30 Minuten, dachte er beim Hinaussehen und begann sich langsam Sorgen zu machen. Janine war schwanger. Ende achter Monat. Er war mit ihrer Teilnahme an dieser Veranstaltung überhaupt nicht einverstanden gewesen. Leider hatte sich Janine nicht davon abbringen lassen. Die Veranstaltung wäre für ihre weitere Karriere außerordentlich wichtig, hatte sie gemeint und hatte ihn bittend in den Arm genommen. Er war sicher, wenn er darauf bestanden hätte, dann wäre sie nicht gegangen, aber er wollte ihrem beruflichen Erfolg nicht im Wege stehen. Er wusste, wie wichtig ihr der Erfolg und die in Aussicht stehende Beförderung war. Sinnend nahm er an seinem Schreibtisch Platz und sah auf den Bildschirm. Unter dem Text stand das Wort ENDE und sprang ihm ins Auge. Der sechzehnte Band seiner Serie um den Schwarzwaldkommissar war fertig und bereit für das Lektorat. Wieder nahm er den Brief des Verlages, der heute gekommen war, in die Hand. Angelika, seine Lektorin und langjährige Freundin beim Ronsbund Verlag wartete schon begierig auf den neuen Roman. Inzwischen waren die Auflagen seiner Romane beträchtlich gestiegen und langsam begannen die Honorare ordentlich zu fließen. Der Scheck, der dem Brief symbolisch beigefügt war trug eine fünfstellige Zahl. Heute schickte niemand mehr einen Scheck, dachte er schmunzelnd, das war ein Gruß von Angelika. Langsam lohnt sich die Schriftstellerein, dachte er zufrieden. Endlich kommt zum Spaß und Vergnügen des Schreibens auch der lange ersehnte Lohn hinzu. Zufrieden musterte er nochmals den Brief. Wieder sah zum Fenster hinaus, aber die schmale Straße an deren Ende ihr Haus lag, war weiter leer, keine Scheinwerfer in Sicht. Während er blicklos auf den leuchtenden Bildschirm sah, schweiften seine Gedanken wieder zurück. Die letzten Jahre waren sehr ereignisreich gewesen. Thomas war zur Welt gekommen und hatte ihr Glück vervollständigt. Ein Jahr vor der Geburt ihres Enkels waren seine Eltern bei einem schweren Autounfall ums Leben gekommen und das Geld, dass er, zusammen mit seinen Schwestern geerbt hatte, ermöglichte es ihm, dieses schöne, alte Bauernhaus zu kaufen, komplett zu renovieren und zu modernisieren. Seine Eltern hatten in Stuttgart Möhringen ein schönes Haus gehabt, dass sie gemeinsam geerbt hatten. Susanne, seine jüngere Schwester hatte das Haus übernommen und ihn und ihre Schwester mit Hilfe der hohen Lebensversicherung, die die Eltern abgeschlossen hatten, ausgezahlt. Susanne, seine Susi, lebte jetzt mit ihrem Mann Holger und den beiden Söhne Franz und Michael in seinem Elternhaus. Er und Ronja, seine ältere Schwester waren mit dieser Lösung sehr zufrieden. Heiner liebte seine beiden Schwestern über alles und war glücklich, dass sie ihr Glück im Unglück durch den schrecklichen Unfall gefunden hatte. Ronja, konnten sich mit ihrem Erbteil ebenfalls ein Eigenheim leisten und so waren alle zufrieden. Inzwischen war es 00 Uhr 45 und noch immer war kein Scheinwerferlicht in Sicht. Langsam begann er sich ernsthaft Sorgen zu machen und begann nervös im Arbeitszimmer umher zu wandern. Janine war eine rasante, aber sehr sichere Fahrerin. Sie würde mit diesem Wetter gut zurechtkommen. Sollte sie sich aus irgendeinem Grund verspäten, hätte sie mit Sicherheit bescheid gesagt, eine SMS oder WhatsApp geschickt. Ein prüfender Blick auf sein Smartphone zeigte keine Meldung an. Brix, der große Schäferhund kam jetzt zu ihm, drückte ihm den Kopf an seinen Schenkel und sah ihn mit seinen großen braunen Augen treu an. „Na, alter Junge. Must du nochmal raus? Dein Frauchen kommt heute aber spät. Komm wir gehen noch kurz, vielleicht kommt sie ja dann.“ Liebevoll beugte er sich hinunter, streichelte den Hund und ging dann zur Treppe. Freudig rannte der Hund vor ihm her die Treppe hinunter zur Türe und fegte dann hinaus in den Schnee. Übermütig tobte er herum. Heiner sah ihm lächelnd zu und warf Schneebälle, die der Hund begeistert jagte. Immer wieder hielt er inne, horchte auf Autogeräusche und sah den Straßenabschnitt entlang, der von seiner Position aus sichtbar war, aber nichts war zu sehen oder zu hören. Nach einer Weile wurde ihn kalt und er stapfte in Richtung Haustüre. „Brix, hier", rief er und wartete. Gehorsam kam der Hund heran und drängte an ihm vorbei durch den Eingang ins Haus. Rechts neben der Haustüre hatten sie einen Vorraum eingerichtet, der als Garderobe, Schuhdepot und Hundereinigung diente. Brix stand bereits vor dem Haken, an dem die alten Handtücher hingen, die zu seiner Reinigung dienten und wartete. Lächelnd machte Heiner sich daran, die Hundepfoten zu säubern, dabei horchte er auf. Es war ihm, als hätte er ein Auto gehört. Schnell sah er durch das kleine, vom schmelzenden Schnee fast undurchsichtige Fenster. Draußen war tatsächlich ein Schatten. Ein Auto, aber nicht Janines Auto. Brix stand inzwischen lauschen an der Türe und knurrte leise. Damit war klar, dass es nicht Janine war. Aber wer konnte das dann sein? „Wer kommt denn um diese Zeit?“, fragte sich Heiner und böse Ahnung befielen ihn. Mitten hinein schrille die Türklocke. Er ging schnell zur, mit einer Kette gesicherten Türe. Diese Kette konnte mit dem richtigen Schlüssel auch von außen gelöst werden. Die hatte er anbringen lassen, weil sie doch etwas abseits vom Schuss wohnten und sich Janine so sicherer fühlte, wenn sie allein im Haus war. Früher war es ein Aussiedlerhof gewesen, aber inzwischen hatte ihn das größer werdende Dorf eingeholt und integriert. Mit banger Ahnung öffnete er. Draußen standen zwei Gestalten. Eine Frau trat an den Spalt und er konnte jetzt erkennen, dass sie eine Uniform trug. Sie wies sich als Polizeihauptmeisterin Ahrend aus. „Sind sie Herr Walker?“, wollte sie wissen, während er die Kette löste und sie hereinließ. Brix stand misstrauisch brummend vor ihnen. „Brix, aus! sei ruhig!" Er streichelte dem Hund den Kopf und der beruhigte sich sofort, er hatte wohl erkannt, dass die Besucher in Ordnung waren. Langsam begann er mit dem Schwarz zu wedeln und die beiden Polizisten entspannten sich erleichtert. „Bitte kommen Sie herein. Um Gottes Willen, ist etwas mit meiner Frau, ich warte schon seit Stunden.“ Bang sah er die Frau, sie schien die Wortführerin zu sein, an. „Sie sind Herr Walker, nehme ich an.“ Heiner nickte. „Es tut mir sehr leid, ihre Frau hatte einen schweren Verkehrsunfall, sie wurde von der Rettung nach Calw ins Krankenhaus gebracht. Sie sollten sofort kommen, wir wollen sie abholen.“ „Was ist ihr denn passiert, lebt sie, ist sie sehr schwer verletzt?“, sprudelt er panisch hervor. Die Beamtin zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht, dass müssen sie die Ärzte fragen, deshalb sollen wir sie ja holen.“ „Meine beiden Kinder schlafen oben, ich kann hier nicht so einfach weg. Bitte kommen sie herauf, ich versuche Freunde zu erreichen, die herkommen und auf sie aufpassen.“ Oben im Wohnbereich bat er die beiden, Platz zu nehmen und nahm mit zitternden Händen sein Handy vom Tisch, auf dem es gelegen hatte. Er musste mehrmals ansetzen, bis er Manfred Eberts Nummer gefunden hatte. Man hörte das Rufzeichen. Er ließ es ewig klingeln und wollte schon auflegen, als eine weibliche Stimme zu hören war. „Ebert", meldete sie sich verschlafen. „Melanie, Gott sei Dank. Melanie, Janine hatte einen Unfall und liegt im Krankenhaus. Die Polizei ist hier und ich soll mit ihnen kommen. Könntest du oder Manfred herkommen und solange auf Tom und Maggi aufpassen?“ „Ich komme, ich bin schon auf dem Weg.“ Melanie stellte keine weiteren Fragen, es klickte und sie hatte aufgeregt. Das nenne ich Freunde, dachte Frau Ahrend, die sich inzwischen umgesehen hatte. Neben dem Wohnzimmer war ein Arbeitszimmer, in dem der Bildschirm eines Computers leuchtete. Der Walker ist Schriftsteller, fiel ihr ein. Ich glaube Matze Wucher und er sind befreundet. Matthias Wucher war ein Kollege von der Kripostation Calw, den sie sehr mochte. Ich glaube ich habe sogar ein paar seiner Bücher gelesen und die waren nicht schlecht, wenn ich mich richtig erinnere. Matze berät ihn in Polizeidingen. Auf dem Regal über dem Computer stand eine ganze Reihe seiner Bücher und es waren viele, wie sie erstaunt feststellte. Inzwischen hatte er das Telefonat beendet und eilte einen Stock höher um nach den Kindern zu sehen, aber die hatten von der Aufregung nichts mitbekommen. Kurze Zeit später klingelte es und Heiner rannte hinunter zur Haustüre. „Gott sei Dank, Melanie. Komm schnell herein“ meinte er und zog sie hastig in den Flur, wo jetzt die beiden Polizeibeamten, die ihm gefolgt waren, standen. „Was ist passiert? Janine hatte einen Unfall? Ist sie schwer verletzt? Wie geht es dem Kind?“, stieß sie fragend hervor. „Ich weiß es nicht. Die Polizei ist hier um mich zu holen.“ „Welches Kind?“, wollte die Polizistin wissen. „Meine Frau ist hoch schwanger, ende achter Monat“, antwortete Heiner und zog seine Jacke an. In dem Moment summte das Handy der Polizistin, sie lauschte einige Zeit und wurde leichenblass. „Ja, ist gut. Wir sind bei ihm und bringen ihn", schloss sie und sah ihn stumm an. Entsetzt sah Melanie auf die Szene. Heiner sah die Beamtin mit weit aufgerissenen Augen an. „Was ist mit meiner Frau?“ schrie er. Die Polizistin schüttelte nur den Kopf und sah dann zu Boden. In Heiner explodierte etwas, er hatte verstanden. Janine, seine Janine war gestorben, hatte sie verlassen. Auf der Stelle drehte er sich herum, riss die Haustüre auf und rannte hinaus in die dunkle Nacht. Dann schrie er nur noch. Entsetzt hörten die drei zurückgebliebenen die fürchterlichen Schreie. Melanie hatte noch nie einen Menschen so schreien gehört. Auch die beiden Polizisten sahen sich entsetzt an. Der Mann schreit seinen ganzen Schmerz in die Nacht hinaus. Er muss seine Frau sehr geliebt haben, dachte die Beamtin erschüttert. Melanie war inzwischen bei ihm und nahm den im Schnee kauernden, schluchzenden Mann in die Arme. Minutenlang hielt sie ihn nur fest und stemmte sich seinem Versuch sich in den Matsch zu stürzen, entgegen. „Beruhige dich Heiner, vielleicht lebt sie ja noch“, versuchte sie ihm Hoffnung zu machen, aber er schüttelte den Kopf. „Sie ist gerade gestorben, ich fühle es. Ein Teil von mir ist verschwunden. Wir konnten uns immer in unserem Inneren spüren und jetzt ist sie weg, da ist nur noch ein tiefes, großes Loch.“ Schmerzvoll weinend vergrub er sich in ihre Arme. Inzwischen war auch Manfred gekommen. Er hatte eine Nachbarin geholt, die auf die seine Kinder aufpasste. Jetzt übernahm er den Freund und nahm ihn in die Arme. „Komm wir gehen hinein, hier ist es saukalt", meinte Manfred und zog ihn mit sich ins Haus. Langsam straffte sich Heiner. Ich muss sofort nach Calw. Janine ist tot, aber das Kind hat überlebt, ich kann es jetzt ganz deutlich spüren. Janine hätte gewollt, dass ich mich um meine kleine Tochter kümmere und das werde ich jetzt sofort tun, sie braucht mich, ich muss, um der Kinder willen, den Schmerz ertragen. Die Polizistin, die gerade wieder einen Anruf bekommen hatte, sah ihn fassungslos an. Sie hatte gerade die Mitteilung bekommen, dass die Frau schwanger war und das Kind gerettet werden konnte. Der Mann hatte das ganz offensichtlich irgendwie gespürt. Bewundernd sah sie, wie er sich zusammenriss, sich hochrichtete, nochmals nach seinen Kindern sah und dann zusammen mit Manfred nach unten ging. Was für eine scheiß Nacht. Das sind die Momente in denen ich meinen Beruf hasse. Diese Familie wurde mitten aus ihrem Glück gerissen. Bewundernd sah sie Heiner zu, der sich mit eiserner Energie straffte und seinem Freund folgte. „Sie bleiben hier und passen auf die beiden Kinder auf?“, fragend sah sie Melanie an. Die nickte. Ich bleibe hier und versuche seine Schwester Susanne zu erreichen. Die beiden sind sehr eng miteinander, sie kann vielleicht helfen. Mein Gott, tut mir das Ganze leid. Die beiden waren so ein tolles Paar und jetzt das. Kopfschüttelnd stand sie erschüttert da, ein paar Tränen rollten ihre Wange hinab und sie wischte sie energisch weg. Langsam ging sie die Treppe hinauf um nach den Kindern zu sehen. Die schliefen zum Glück ruhig und ungestört. Schnell rannte sie nochmals nach unten und stoppte die Autos die gerade wendeten. Heiner, nimm dein Familienstammbuch und deinen Ausweis mit, es kann sein das du die Papiere im Krankenhaus brauchst, rief sie hastig. Heiner raste nochmals herauf, steckte das Familienstammbuch ein und stolperte hastig wieder hinunter. Gut das er wusste wo das Stammbuch war und nicht suchen musste, dachte Melanie und sah ihm hinterher. Sinnend stand sie danach wieder im Treppenhaus und ging dann hinunter in sein Arbeitszimmer, wo das Telefon in seiner Basisstation stand. Sie nahm es heraus, ging wieder in den Wohnbereich und versuchte Susanne Winter, die Schwester zu erreichen, aber niemand meldete sich. Manfred fuhr inzwischen durch die Nacht hinter dem Streifenwagen her. Heiner saß auf dem Beifahrersitz und sah blicklos die dunklen Schemen vorbeihuschen. Sein Kopf war total leer, Er fühlte und empfand nichts, saß nur teilnahmslos da und antwortete auf keine von Manfreds Fragen. Verdammte Scheisse, dachte er. Ich bin schuld. Warum habe ich sie zu dieser Veranstaltung gelassen? Warum in ihrem Zustand? Ich bin schuld, ich Idiot. Tränen kullerten über sein Gesicht. Wütend schlug er sich auf die Schenkel und erstarrte dann wieder zur Reglosigkeit. Straßenlaternen huschten vorbei. Sie fuhren durch das nächtliche, winterliche Calw. Kurz darauf bogen sie zum Krankenhaus ab und standen wenig später auf dem dunklen Parkplatz. Heiner saß immer noch reglos da und machte keine Anstalten, auszusteigen. Erst als Manfred um den Wagen herum ging und die Beifahrertüre öffnete, sah er erstaunt, fast erschrocken hoch und sah sich um. Langsam dämmerte ihm, wo sie waren und er stieg schwerfällig aus. Sie gingen auf das hell erleuchtete Portal zu. Notaufnahme stand in hellen Buchstaben darüber und sie traten ein. Drinnen an dem Empfangsbereich wurden sie von einer, müde aussehenden Schwester empfangen, die, nachdem sie in ihrer Liste nachgesehen hatte, entsetzt die Augen aufriss. Sie hatte die Einlieferung von Janine mit betreut und wusste, was passiert war. Eine, auf ihren Ruf herbei herbeieilende Ärztin, nahm sie mit in die Unfallnotaufnahme und von dort aus in den Aufbahrungsraum, wo seine Janine auf einer Liege lag und zu schlafen schien. Mit einem schmerzvollen Gurgeln brach er über seiner leblosen Frau zusammen. Die Ärztin hatte ihn mit Hilfe der Schwester behutsam vorbereiten wollen, aber er hatte nur unwirsch, fast zornig, abgewunken. Er wusste ja schon was passiert war. Er spürte seine Janine nicht mehr. Als er sich nach einiger Zeit wiederaufrichtete, sah er die vor ihm liegenden Gestalt immer noch fassungslos an. Das war nicht mehr seine Janine, das war nur noch lebloses Fleisch. Das, was seine Janine ausgemacht hatte, ihre Wesenseinheit, so hatten sie es genannt, war nicht mehr da. Still und schmerzerfüllt horchte er in sich hinein und stutzte dann plötzlich. Halt, es war nicht alles weg. Ein winziges kleines Licht war noch da. Ein winziger Teil von Janine. Mit einem Ruck richtete er sich auf. Er wusste jetzt was es war, er hatte seine Tochter gespürt. Ein kleiner Teil von Janine war noch da, hatte überlebt. Er fuhr mit einem heftigen Ruck herum. „Bringen sie mich bitte schnell zu meiner Tochter, sie braucht mich dringend und ich sie“, bat er die verblüffte Schwester, die bis jetzt schweigend im Hintergrund gestanden hatte. Die junge Frau nickte erstaunt, aber inzwischen hatte sie bemerkt, dass dieser Mann nicht wie die anderen war. Er strahlte trotz seiner tiefen Trauer Liebe und Herzensgüte aus. Eine andere Benennung fiel ihr nicht ein. Sie ging voraus zum Aufzug, den sie mit einer Code Karte entsperren musste, da er dem Personal vorbehalten war und sie fuhren schweigend nach oben. Manfred folgte seinem Freund wie ein Schatten, was Heiner nicht zu bemerken schien. Dann traten sie auf den Gang und schon am Geruch erkannte er, dass sie in der Säuglingsstation waren. Bevor die Schwester etwas sagen konnte, strebte er bereits den Gang entlang und betrat dann ein Zimmer, in dem mehrere Schwestern die Säuglinge wickelten, pflegten und fütterten. Hier waren anscheinend nur Kinder, deren Mütter nicht stillten, oder nicht stillen konnten. Wie meine Janine, sie kann jetzt ihre Tochter auch nicht mehr stillen, dachte er bedrückt. Schwester Olga, so hieß die Schwester, die auf ihn zuschoss, wollte ihn hinauswerfen, aber er sah sie nur an und sagte leise. „Ich will zu meiner Tochter. Meine Frau ist gestorben, aber meine Tochter lebt und ist hier", sagte er und ging auf eine junge Schwester zu, die vergeblich versuchte, den kläglich schreienden Säugling in ihren Armen zu beruhigen. Schon beim Eintritt in den Raum hatte er die Desinfektionsanlage ausgiebig benutzt und die Schwester neben Olga reichte ihm einen Krankenhauskittel. Sie wussten jetzt wer er war. Lächelnd nahm er der jungen Schwester, sie hieß Verena, wie er dem Schildchen entnehmen konnte, den weinenden Säugling vom Arm und das Weinen verstummte schlagartig. Liebevoll küsste er seine Tochter und die schien ihn aufmerksam zu mustern. Als er das Trinkfläschchen, dass neben dem Bettchen stand nahm und ihr hinhielt, schnappte sie fast gierig nach dem Schnuller und begann kräftig zu trinken. Fassungslos betrachteten die Schwestern das Bild. Olga meinte. „Das gibt’s doch nicht. Seit einer Stunde versuchen wir das Kind zu beruhigen und jetzt liegt sie brav wie ein Lämpchen in ihres Vaters Armen und trinkt Gott sei Dank, als wäre sie am Verhungern, was vermutlich sogar stimmt. Das sie ganz offensichtlich der Vater sind spürt man und ihre kleine Tochter spürt es anscheinend auch. Sie glauben ja nicht, wie froh ich darüber bin. Ich habe schon befürchtet, dass wir eine Magensonde brauchen, aber diese Gefahr ist jetzt ganz offensichtlich gebannt.“ Liebevoll sah sie zu, wie die Kleine kräftig nuckelte und dabei ihren Vater ansah, dem Tränen über die Wangen liefen. Schnell drehte er sich zum Fenster und sah scheinbar interessiert hinaus, aber allen im Rum war klar, dass er sich seiner Tränen schämte. Verena, die junge Schwester nahm ein Papiertuch und wischte ihm behutsam die Tränen ab. Dann gab sie ihm noch eine Stoffwindel und er nickte dankend und legte sie sich auf die Schulter. Er würde sie brauchen, denn beim Bäuerchen machen ging oft etwas daneben, dass wusste er, er hatte ja schließlich schon zwei Kinder großgezogen. Verdammt Maggi und Tom habe ich fast vergessen. Ich muss so schnell wie möglich wieder heim. Das darf nicht sein, dass ich meine zwei Großen wegen Caro vergesse. Das Baby war inzwischen, mit der Flasche fertig und er hob sie geübt auf seine Schulter und ließ sie aufstoßen, was sie auch prompt tat. Zärtlich küsste er sie lobend und sie kuschelte sich regelrecht an ihn. Atemlos und gerührt hatten die im Raum anwesenden ihm zugesehen. Olga meinte zufrieden. „Ich sehe schon, sie wissen Bescheid, ich brauche ihnen nichts erklären. Wenn ihre Tochter schläft, dann legen sie die Kleine doch in das Bettchen und gehen sie rüber in die Verwaltung, es gibt noch einiges zu regeln. Sie müssen noch mal kommen und ihre Heiratsurkunde und ihren Ausweis mitbringen sonst können wir die Papiere nicht fertig machen.“ „Habe ich alles dabei. Melanie, seine Frau, er deutete auf Manfred, ist gelernte Kinderkrankenschwester und Erzieherin. Sie hat mir geraten, unser Familienstammbuch mit zu nehmen. Meinen Ausweis habe ich immer bei mir, es kann also alles gleich erledigt werden.“ Vorsichtig bettete er seine schlafende Tochter und deckte sie zu. „Ich komme gleich wieder mein Schatz", murmelte er, leise und streichelte das Bäckchen. Schnell eilte er mit Manfred hinaus und ließ sich den Weg beschreiben. Es war praktisch nur um die Ecke. Dass er hier war, hatte sich in Windeseile herumgesprochen, er wurde schon erwartet. Die Dame nickte anerkennend als sie das Familienstammbuch sah, das er zusammen mit seinem Personalausweis vor sie hinlegte. Olga war mitgekommen und ergänzte die Papiere mit den Stationspapieren und der Geburtsbescheinigung. Eigentlich war es ja keine Geburt gewesen, sondern eine Notoperation, mit der die Ärzte das Kind aus der sterbenden Mutter holten. Janine war kurz vor der OP gestorben. Sie hatten schnell handeln müssen um das Kind zu retten. Müde und blass stand Heiner da. Manfred stand jetzt dicht neben ihm. Er hatte Angst, dass Heiner zusammenbrechen würde, merkte aber erstaunt, dass sich sein Freund ganz offensichtlich wieder erholt hatte. Geduldig warteten sie, bis die Verwaltungsangestellte die Urkunden aus dem Stammbuch zusammensuchte und kopierte. Dann nach einer weiteren Viertelstunde war es endlich soweit. Carolas Papiere waren fertig, er musste in den nächsten Tagen das Jugendamt aufsuchen und alles bestätigen lassen. „Ich kann meine Tochter jetzt mitnehmen?“, fragte er hoffnungsvoll. „Wenn die ärztliche Untersuchung nicht dagegenspricht. Sie als Vater, und damit Erziehungsberechtigter haben die letzte Entscheidung sofern, wie gesagt, keine medizinischen Gründe dagegensprechen. Gehen Sie jetzt wieder zu Ihrer Tochter und sprechen Sie mit der Ärztin. Wie ich sehe haben Sie noch zwei weitere Kinder. Ich wünsche Ihnen viel Glück und auch viel Kraft. Als sie das Verwaltungsbüro verließen, kam Bruno Tillmann, Oberarzt und Freund von Heiner den Gang entlang. Wortlos nahm er seinen Freund in die Arme. „Ich habe davon gehört. Mensch tut mir das leid" Er drückte Heiner wieder fest. Wenn du irgend etwas brauchst, wir sind da", sagte er ernst. „Geniere dich nicht, Freunde sind zum helfen da. Anke müsste jeden Moment auch kommen, vielleicht ist sie ja schon da. Komm wir gehen zu deiner Kleinen. Im Säuglingszimmer sahen sie Anke, die zornig mit einer Ärztin redete. Beide versuchten sie, die kleine Caro zu beruhigen, die weinend nackt auf dem Untersuchungstisch lag. „Was geht hier vor?“ fauchte Heiner wütend und schob die beiden Frauen weg. Behutsam nahm er Caro hoch, die sofort verstummte und sich in seinem Arm entspannte. Mit funkelnden Augen sah er die mittelalte Frau an und erkannte an dem Schild, dass sie anscheinend die Ärztin war. „Was soll das?“ fauchte er sie an. Lassen sie das arme Kind doch in Ruhe. Endlich war sie eingeschlafen und dann kommen sie. Das ist eine Patientin und nicht ihre Daseinsberechtigung.“ Erschrocken prallte die Frau zurück. „Ich habe momentan neun Säuglinge zu untersuchen. Wenn ich bei jedem warte, bis er aufwacht, dann komme ich nicht durch“, meinte sie, wurde aber milder als sie in Heiner den besorgten Vater erkannte, in dessen Armen der Säugling zufrieden schlief. „Es tut mir natürlich leid, aber ich muss manchmal die Kleinen eben im Schlaf stören. Wenn sie ihre Tochter jetzt halten, dann können wir die Untersuchung sicher ohne Weinen beenden. Heiners Zorn war inzwischen abgeflaut, er erkannte natürlich das Dilemma der Ärztin, die von seiner wütenden Reaktion betroffen war und jetzt seiner Tochter fast zärtlich über die Wangen strich. „In Ordnung, entschuldigen sie bitte meine heftige Reaktion. Ich bin jetzt wohl im Vater Modus und verteidige meine Tochter“, meinte er mit einem schiefen, verlegenen Lächeln. Langsam nickte die Ärztin und sah ihn fast bewundernd an. Wenn sie doch nur alle so wären, dachte sie. Sie hatte schon viele Väter erlebt. Der ihr Gegenüberstehende war anscheinend von ganz besonderer Art. Anke half bei der weiteren Untersuchung und da Heiner seine Tochter nach wie vor hielt, ließ sie alles klaglos über sich ergehen und schlief hinterher entspann in seinen Armen wieder ein. Bruno hatte die Kollegin beiseite gezogen und redete eindringlich mit ihr. Nach einer Weile wandte sie sich an Heiner. „Ich höre, sie wollen ihre kleine Tochter gleich mitnehmen. Bruno hat mir gerade erklärt, dass verwaltungstechnisch alles geklärt ist. Ihre kleine Carola ist gesund. Da Bruno und Anke ihre direkten Nachbarn sind, habe ich keine Einwände, vor allem wenn ich sehe, wie sie mit ihrer Tochter umgehen. Anke hat mir gesagt, dass zwei weitere Kinder zuhause auf sie warten, also machen sie sich auf den Weg, meinen Segen haben sie. Bitte kommen Sie in einigen Tagen entweder zu uns, oder einem Kinderarzt Ihrer Wahl zur Nachuntersuchung. Anke kennt sich aus und wird Ihnen alles Wichtige erklären, sofern sie es nicht schon wissen. Mein herzliches Beileid zum Tod ihrer Frau, es ist schrecklich.“ Sie reichte ihm ihre Hand und er sah in ihren Augen den mitfühlenden Schmerz. Eine Stunde später, der Morgen graute bereits, betraten sie seinen Hof und wurden zuerst von dem freudigen Brix und dann von der wartenden Melanie begrüßt. Wenig später hatte Melanie Caro auf dem Arm und zerschmolz förmlich. „Mein Gott, ist die süß", meinte sie leise und küsste Caro zart. Heiner hatte sich müde in einen Sessel gesetzt. Manfred stellte eine Cognac Flasche und die passenden Gläser auf den Tisch und schenkte zwei Gläser ein, Melanie wollte nichts. Heiner schüttelte sich, als der Alkohol brennend seine Speiseröhre hinunter rann. Schweigend sah er auf Melanie, in deren Armen seine Caro friedlich schlief. So müsste jetzt eigentlich Janine dasitzen, mit ihrer Tochter im Arm. Er spürte, wie sich wieder Tränen ankündigten, stand schnell auf und ging in die Küche. Dort setzte er die Kaffeemaschine in Betrieb und meinte. „Was meinst du Manfred, soll ich Brötchen aufbacken oder geht jemand zum Bäcker. Melanie stand auf, und drückte ihm seine Tochter in den Arm. „Du musst sie frisch wickeln. Ich gehe schnell zum Bäcker und bringe auf dem Rückweg Simone und Axel mit. Dann Frühstücken wir gemeinsam. Tom und Maggi sind dann vielleicht etwas abgelenkt. Mir graut schon davor, dass du es ihnen sagen musst. Du musst sie behutsam trösten, sie hingen sehr an Janine.“ Sie wollte noch etwas sagen, schüttelte dann aber erschüttert den Kopf und eilte hinaus, nachdem sie ihrem Mann den Schlüssel abgenommen und ihm schnell geküsst hatte. Heftiger Schmerz und Trauer durchfuhren Heiner bei diesem Anblick und er sah das Bild seiner Janine vor sich, die ihn anlächelte. Scheisse, nie wieder werde ich sie küssen oder umarmen. Scheisse, Scheisse, Scheisse. Warum habe ich sie fahren gelassen. Ich hätte sie daran hindern sollen. Wie soll ich es jetzt den Kindern beibringen? Still fluchte er in sich hinein, dann stand er auf und ging mit Caro in das Kinderzimmer, dass er zusammen mit Janine, liebevoll eingerichtet hatte. Tom und Maggi hatten begeistert geholfen und sich auf das Geschwisterchen gefreut. „Na komm, meine kleine Maus“, sagte er leise, begann seine Tochter zu reinigen und nahm eine frische Windel. Zum Glück haben wir schon eine Erstausstattung gekauft, so muss ich nicht gleich losgehen. Mir graut schon ordentlich vor den neugierigen, scheinheiligen Fragen. Ich sehe sie schon vor mir, wie sie sich die Mäuler zerreißen. Sich fragen, warum die Frau so spät in der Nacht noch unterwegs war und das im achten Monat. Da war doch sicher was, dass ist doch nicht normal. Begierig würden sie hinten herumschnüffeln, ob sich nicht doch etwas finden ließ. Der arme Mann, hockt jetzt mit drei Kindern da und… Erschrocken zuckte er hoch als seine kleine Caro loszappelte und unwirsch zu greinen begann. Schnell nahm er sie hoch und küsste sie zart auf die Nase. Sofort verstummte das Jammern und sie lag ruhig in seinen Armen. Manfred, der sich mit Kindern natürlich auch auskannte hatte in der Küche die Fertigmilchprodukte für Säuglinge entdeckt und genau nach Anleitung ein Fläschen zubereitet. Fragend sah er Heiner an und der nickte erleichtert. „Manfred, du bist ein Engel, genau das brauchen wir jetzt, mein kleiner Engel hat sicher Hunger. Könntest du noch Tee machen, irgendwo ist eine Fencheltee Mischung. Sicher in dem Schrank, links oben.“ Er überprüfte die Temperatur des Fläschchens indem er es an seine Wange hielt, nickte zufrieden und hielt es seiner Tochter hin, die sofort danach schnappte und gierig zu nuckeln begann. Draußen war es inzwischen hell und plötzlich stand Maggi in der Küche und sah erstaunt auf ihren Vater und das Kind in seinen Armen. Mit einem Blick erfasste sie die Situation. „Wo ist Mama?“, fragte sie und sah sich suchend um. Heiner sah sie nur schmerzerfüllt an, ihm versagte die Sprache, er brachte kein Wort heraus, sah seine große Tochter nur tränenüberströmt an. Maggi rannte auf ihn zu, kuschelte sich zu ihm und dem Baby, dass friedlich und zufrieden weiternuckelte. „Was ist mit Mama?“, fragte sie nochmal. „Ist das unser Baby?“ Erschüttert nickte er stumm. „Ja, dass ist deine kleine Schwester. Mama hatte einen schweren Unfall.“ Seine Stimme brach, er konnte nicht weiterreden und nahm seine Große noch fester in den Arm. „Ist Mama?“ „Ja“, nickte er. „Sie ist jetzt im Himmel“, sagte er leise und Maggi begann bitterlich zu weinen und presste sich noch enger an ihren Vater, den sie innig liebte. „Lass mich geschwind etwas los, Caro ist fertig.“ Vorsichtig legte er sie sich an die Schulter und ließ sie ausstoßen. Dann legte er den Säugling in Maggis Arme, die ihn zuerst erschrocken, dann aber lächelnd an sich drückte. Die beiden Schwestern sahen sich an, dann schloss Caro zufrieden die Augen und schlief in den Armen der großen Schwester ein. Gerührt und staunend sah er seine beiden Töchter an. Als Maggi zu ihm aufsah, erschrak er. Janine saß vor ihm. Maggi hatte die Augen ihrer Mutter geerbt und Heiner hatte jetzt das Gefühl, als sehe ihn seine Janine mit diesem, für sie so typischen, liebevollen Blick an. Vorsichtig nahm er beide in den Arm. Sie saßen schweigend da und sahen sich weiter an. „Papa, wir schaffen das“, meinte sie leise und legte ihren Kopf an seine Brust, ihre kleine Schwester hatte sie immer noch im Arm und streichelte sie zart. Wieder hatte Heiner das Gefühl, seine Janine redete mit ihm und plötzlich erkannte er, dass er gar nicht so falsch lag. In beiden Töchtern steckten Teile seiner Janine, sie war nicht wirklich vollständig weg, ein Stück von ihr lebte in ihren Kindern weiter. Erschüttert sah er auf, als ihm das immer deutlicher bewusst wurde. In seinem Gehirn wirbelte es durcheinander. Wie erschlagen saß er da und bemerkte mit Entsetzen, dass ihn ein Glücksgefühl durchflutete, dass seine Trauer dämpfte. Er wusste aber mit glasklarer Sicherheit, dass er kein schlechtes Gewissen zu haben brauchte. Im Gegenteil. Janine hätte es freudig gebilligt, dass er etwas Trost finden konnte, da war er sich vollkommen sicher. Manfred hatte dem Ganzen fasziniert zugesehen und war ebenfalls zutiefst betroffen.

15, Juni 2016 Erinnerungen

Über ein halbes Jahr war seit dem Unfall vergangen. Heiner saß an diesem warmen Montagabend auf der Terrasse. Es war kurz vor 23 Uhr, die Kinder schliefen alle drei. Tief in Gedanken versunken saß er da und ließ die letzte Zeit an sich vorüberziehen. Vor Weihnachten hatte er am meisten Angst gehabt, aber es war dann doch ein schönes, ja fast vergnügtes Fest geworden. Zum Glück hatten Janine und er die meisten Geschenke schon besorgt und so konnte er in dieser Hinsicht entspannen. Am Heiligen Abend saß er nach den traditionellen Würstchen mit Kartoffelsalat auf der Couch und sah seinen beiden Großen zu, wie sie mit leuchtenden Augen die verschiedenen Pakete aufrissen. Maggi bekam das ersehnte Smartphone und Tom die Playstation. Beide hatten schon mehrere Shirts ausgepackt und beide hatten auch die gewünschten Schlittschuhe entdeckt. Zufrieden hatten sie sich anschließend an ihn gekuschelt und waren dann mit ihren Schätzen in ihre Zimmer verschwunden. Er blieb allein mit seiner schlafenden Caro im Wohnzimmer sitzen und war seinen Gedanken nachgehangen. Als er später in die Zimmer gespickt hatte, chattete Maggi gerade mit einer Freundin, vermutlich Bea und Tom probierte das neue Spiel aus. Es hatte über Weihnachten geschneit und das Land lag unter einer dicken Schneeschicht. Sie waren fast jeden Tag mit den Schlitten unterwegs, er mit Caro auf dem Bauch. Viele Blicke der anderen Eltern hatten ihn getroffen und er erkannte, dass es meist anerkennende, ja fast bewundernde Blicke waren, was ihn zu Anfang verwirrt hatte. Später wurde ihm klar, dass viele gedacht hatten, dass er es mit seinen Kindern nicht schaffen würde, aber er hatte sie alle eines Besseren belehrt und darüber war er sehr stolz. Von Angelika war eine tolle Nachricht gekommen. Sein neuester Roman war angenommen worden, bereits lektoriert und im Druck. In der dritten Jannuarwoche war er von der örtlichen Buchhandlung gebeten worden, eine Signierstunde zu halten. Es waren überraschend viele Leute dagewesen, vor allem von außerhalb. Es war ihm überhaupt nicht bewusst, dass er so viele Fans hatte. Mit Viola, der Besitzerin des kleinen Buchladen hatte er sich angefreundet und unterstützte sie bei ihren Aktionen, was ihr deutlich mehr Kunden verschaffte. Angelika hatte ihm weiter mitgeteilt, dass der Verlag angefragt worden war. Man wollte aus der Schwarzwaldkommissar Reihe eine Filmserie drehen. Da er die Filmrechte nicht freigegeben hatte, würden sie sich bald an ihn wenden. Der Alltag hatte ihn auf Trab gehalten. Tom ging wieder in den Kindergarten und Maggi in die Schule. Jeden Vormittag musste er kochen und einkaufen, was ihm aber zu seinem Erstaunen Spaß machte. Mit Caro im Kinderwagen, war er bald ein vertrautes Bild im Dorf. Überall waren freundliche Mütter, die ihn unterstützten. Manchmal war ihm das richtig peinlich. Caro aber genoss die Ausflüge und die Beachtung sichtlich und strampeln vergnügt. Sie war ein richtiger Wonneproppen. Immer gut aufgelegt, nahm sie ihre Umwelt anscheinend sehr bewusst zur Kenntnis. Manchmal war sie ihm richtig unheimlich. Sie weinte sehr selten, schlief die Nächte in ihrer Wiege, die neben seinem Bett stand, durch und genoss die morgendliche Kuschelstunde. Er hatte im Frühjahr das alte Schlafzimmer entsorgt. Zu viel von Janine steckte darin und erinnerte ihn ständig, bis er es nicht mehr ausgehalten hatte. Zusammen mit Maggi, Tom interessierte sich nicht für Möbel, hatte er neue Schlafzimmermöbel ausgesucht. Helles goldfarbenen Eschenholz, einfach aber sehr elegant. Seitdem schlief er wieder ganz gut. Er hatte sein Schlafzimmer nach unten neben seinen Arbeitsraum in das ursprüngliche zweite Kinderzimmer verlegt und Maggi war in das ehemalige Schlafzimmer nach oben gezogen, dass deutlich größer war und momentan noch als Schlafzimmer der Großen diente. Jetzt hatte er Caros Zimmer neben sich, was ihn außerordentlich beruhigte. Immer seltener durchwachte er noch die Nächte und wanderte geplagt von den Erinnerungen, durchs Haus, Brix, den treuen Hund auf den Fersen. Auch jetzt wurde er aus seinen Erinnerungen gerissen, als Brix seinen Kopf auf seine Schenkel legte und ihn fordernd ansah. Wohlig grunzend schloss er seine Hundeaugen, als Heiner seinen Kopf kraulte. Was bist du doch für eine treue Seele, dachte er und streichelte ihn weiter. Die Kerze auf dem Tisch flackert leicht und er sah sich auf der Terrasse um. Es war schön hier. Im schwachen Sternenhimmel lag der Hof vor ihm. Im Hintergrund der dunkle Schatten des alten Schuppens. Dort muss ich in nächster Zeit aufräumen. Er plante, sich dort neben seinem Trainingsraum eine kleine Werkstatt einzurichten. Auf einem alten Bauernhof gab es immer etwas zu reparieren und zu tun. Wieder versank er in Erinnerungen, Hof und Terrasse verschwanden aus seiner Wahrnehmung. Nach Ostern war, wie angekündigt, der Verlag an ihn herangetreten. Eine Produktionsgesellschaft plante tatsächlich eine Verfilmung seiner Romanreihe und die Verantwortlichen wollten sich mit ihm treffen. Sie waren zu zweit gekommen. Ein älterer Mann und eine gutaussehende Mittdreißigerin. Sie wollten die Filmrechte an seinen Romanen und boten eine großzügige Bezahlung. Wichtig war, sie wollten seine Mitarbeit an den Drehbüchern und am Set. Nach mehreren Treffen hatten sie sich vor zwei Wochen geeinigt und der Notar seines Verlages hatte den Vertrag aufgesetzt. Im Herbst sollten die Dreharbeiten beginnen, vorher sollte er sich mit der Drehbuchschreiberin zusammensetzen. Vor drei Tagen war er in Maggis Klasse zum Elternabend gewesen und hatte aufmerksam dem Geschehen gelauscht. Die letzten Male hatte Janine daran teilgenommen. Für ihn war alles neu und unbekannt. Die Klassenlehrerin, die die Klasse im nächsten Schuljahr übernehmen sollte, kannte er nicht, sie war neu an der Schule, schien aber ganz nett zu sein. Im ersten Moment hatte er den Eindruck, dass sie sehr schüchtern war, aber das legte sich schnell, als sie engagiert ihre Pläne für das nächste Schuljahr vorstellte. Ihr vorher scheinbar desinteressiertes Verhalten hatte sich schlagartig geändert, sie sprüht förmlich vor Energie, er war sehr von ihr beeindruckt. Von den Eltern kannte er nur Frau König, die Kinderärztin und Frau Zerne, die Mutter von Beatrix (Bea), Maggis bester Freundin. Frau Zerne, eine dunkelhaarige, sehr attraktive Frau, blauäugig mit fantastischer Figur, gefiel ihm ganz gut, kam aber im Aussehen Janine schon ein bisschen zu nahe. Frau König, die Kinderärztin, war ebenfalls sehr attraktiv. Sie war die Mutter von Andi, mit dem sich Maggi angefreundet hatte und den sie toll fand. Bei dem Gedanken schmunzelte er innerlich. Seine Maggi näherte sich mit großen Schritten dem Alter, in dem Jungs nicht mehr nur Störenfriede waren. Wieder wandte er sich der Mutter zu und ihr Bild entstand vor seinem Inneren Auge. Groß, super Figur, lange dunkelblonde Haare, die sie meisten als Pferdeschwanz oder als Dutt trug. Sie hatte sehr schöne, ebenmäßige Gesichtszüge und wunderbare leuchtende grüne Augen. Er hatte so eine Augenfarbe noch nie gesehen, zumindestens nicht in dieser Intensität. Auch sie gefiel ihm sehr, aber sie hatte anscheinend einen festen Freund, der oft bei ihr übernachtete. Erst neulich, als er mit dem Buggy unterwegs zum Bäcker war, kam der Mann aus ihrem Haus, winkte ihr nochmals lachend zu und ging dann. Scheisse Was mache ich denn da? dachte er bestürzt. Janine ist gerade mal ein halbes Jahr tot und Ich schaue mich nach anderen Frauen um. Tief beschämt schüttelte er den Kopf. Wieder stritten sich die Stimmen in seinem Kopf. Die eine schaltet ihn giftig. Schäm dich, fauchte sie. Du musst dich um deine Kinder kümmern, nicht nach anderen Weibern schauen. Das bist du deinen drei Schätzen schuldig, sie brauchen wenigstens ihren Papa. Dann meldete sich die andere Stimme. Hör nicht darauf, du hast ein Recht auf ein glückliches Leben. Janine hätte nicht gewollt, dass du unglücklich allein bleibst. Sie hätte gewollt, dass deine Kinder, die ja auch ihre Kinder sind, eine liebe Mutter bekommen, die sie dringend brauchen. Schäme dich deiner Gedanken nicht, sie sind Ok. Dann verstummte es in seinem Kopf, er sah verwirrt um sich und streichelte dann den wohlig brummenden Brix. „Du hast diese Probleme nicht, mein guter. Du machst es genau richtig, du nimmst das Leben wie es ist und bist zufrieden mit dem, was du gerade hast. Was morgen ist, interessiert dich nicht, du hast keine Angst vor der Zukunft. Sinnend sah er seinen Hund an und kraulte ihn weiter. Wieder dachte er an die beiden Frauen, die momentan seine Gedanken beherrschten. Seine Favoritin war Annalena König, aber die war leider vergeben. Wenn die nicht gebunden wäre, er würde es versuchen, aber so? Narr, versuch es doch einfach, was kann schon passieren? Im schlimmsten Fall sagt sie nein. Hör nicht auf sie, deine Kinder brauchen keine Ersatzmama. Janine ist ihre Mama und sonst keine. Sie würden es als Verrat empfinden, wenn du sie durch eine andere Frau ersetzt, du würdest sie ja betrügen, dass geht überhaupt nicht. So ein Unsinn, schimpfte die andere Stimme, Kinder brauchen eine reale Mutter, nicht eine die nur in der Erinnerung ist und immer mehr verblasst. Schluss jetzt schrie er zornig und bemerkte an Brix, der erschrocken aufsprang, dass er laut geschrien hatte. „Entschuldigung Alter Junger", sagte er zu dem fiependen Hund, kniete sich zu ihm und nahm ihn in den Arm. „Mit dir schimpfe ich doch nicht, du bist doch mein Guter.“ liebevoll streichelte er ihn und Brix wedeln freudig mit dem Schwanz und leckte mit seiner rauen Zunge über Herrchens Gesicht, das im Moment in seiner Reichweite war. Lachend fuhr er zurück und stand dann auf. „Komm, drehen wir noch eine Runde durch den Hof und dann marsch ins Bett.“ Der Hund sauste voraus und stand wedeln an der Haustür. Wieder mal wunderte sich Heiner, wie genau Brix ihn verstand. Wenn doch alle Menschen so verständig wären, seufzte er und öffnete die Türe. Später in seinem Bett, Caro schief entspann in ihrer Wiege, begann das Gedankenkarussell sich wieder zu drehen. Mit einem Blick auf seine Tochter dachte er sinnend. Ich muss das Kinderbett von der Bühne holen und aufbauen, die Wiege ist bald zu klein. Hoffentlich ist es noch in Ordnung, sonst muss ich noch eins kaufen gehen. Weiter verwirbelten seine Gedanken und dann stand wieder Annalenas Bild vor ihm. Scheisse, die Frau geht mir nicht aus dem Kopf, das darf nicht sein, ich dränge mich auf keinen Fall in eine Beziehung. Warum nicht? meldete sich seine innere Stimme. So etwas mache ich nicht. Blödsinn, auf die Art wirst du nie zu etwas kommen. Sei jetzt ruhig, die Frau ist für mich tabu, basta. Er versuchte, sich auf die zweite Frau zu konzentrieren. Vor seinem Inneren Auge zwang er ihr Bild hervor, aber es gelang einfach nicht, die schöne Kinderärztin verdrängte alle anderen Bilder. Mit diesem Bild in seinen Gedanken schlief er ein.

Zwei Monate später 22. 8. 2016

Wieder ein Montag und wieder saß er abends auf der Terrasse, den Hund zu seinen Füssen und war wieder mal in Gedanken versunken. Seit vier Wochen waren Schulferien und er war mit seinen drei Schätzen am Wagner See in Bayern gewesen. Das Wohnmobil, dass er gebraucht gekauft hatte, hatte sich sehr bewährt. Die beiden Großen hatten das ungezwungene Leben auf dem Campingplatz in vollen Zügen genossen. Drei Wochen, lang war ein tolles Wetter gewesen, sie konnten viel baden und machten einige Radtouren in die nähere Umgebung des Sees. Maggi und auch Tom fuhren schon sehr gut Rad und so wurden die kleinen Ausflüge immer Umfangreicher. Er hatte dann Caro im Tragegestell auf dem Rücken, was sehr gut ging und ihr anscheinend viel Spaß machte. Vorgestern, am Samstag, waren sie wieder heimgekommen und die drei schliefen jetzt in ihren bequemen Betten. Auch Caro hatte jetzt ein Kinderbettchen, das alte war noch einwandfrei in Schuss gewesen. Gedankenverloren kraulte er Brix mit seinem Fuß den Bauch, den er ihm hingebungsvoll darbot. Alter Genusslümmel, dachte er grinsend und sah auf seinen wohlig grunzenden Hund. In fünf Tagen hat Maggi Geburtstag. Sieben Jahre alt wird meine Große, dachte er wehmütig. Sie ist ja schon eine richtige kleine Dame, eigentlich schon viel zu reif. Ich sollte mal mit Frau König reden, ob das in Ordnung ist. Sie hat versprochen, dass sie mir bei der Geburtstagsfeier hilft und Simone Zerne, die Mutter von Beatrix hilft ebenfalls. Mit beiden Frauen war er inzwischen per du und sie sprachen sich mit den Vornamen an. Beide waren leider anscheinend fest vergeben, Roland, der Freund von Simone, half ebenfalls mit. Den Partner von Lena kannte er nur aus der Ferne vom Sehen. Maggi wünschte sich ganz spezielle Jeans und er hatte Bea gebeten ihm bei der Besorgung zu helfen. Die hatte begeistert zugestimmt und nun lag das Päckchen sicher verstaut ganz hinten in seinem Schrank. Mit Simones Hilfe hatte er ein Körperpflegeset mit einer kleinen Schminktasche besorgt. Simone hatte ihm versichert, dass die beiden Mädels immer mehr Zeit vor dem Spiegel verbrachten und es für das Alter Mädchentypisch war. Das Schmuckstück aber war das neue Fahrrad. Ihr jetziges war inzwischen einfach zu klein. Das neue Rad hatte eine 5-Gang Schaltung und war ein wahres Schmuckstück. Wieder wirbelten seine Gedanken davon und blieben bei Annalena, der für ihn Unerreichbaren stehen. Wie eine Königin stand sie in seinen Gedanken vor ihm und lächelte ihn an. Dann näherten sich die strahlenden grünen Augen immer mehr, wurden immer größer und er erwachte mit einem Schlag und fiel fast vom Stuhl. Brix zuckt erschreckt jaulend davon und sah ihn vorwurfsvoll an. Heiner begann leise zu lachen und zog den widerstrebenden Hund zu sich her. „Sorry alter Junge, ich bin nur plötzlich aufgewacht. Ich muss eingeschlafen sein und habe geträumt", erklärte er dem Hund, der ihn aufmerksam ansah, als würde er ihn verstehen. Heiner war sich ziemlich sicher, dass das Tier ihn tatsächlich verstand und streichelte ihn fest über den Kopf. Ob er wohl denken kann? Und wenn ja, was denkt er dann über mich? Vielleicht ist es besser so, dass ich es nicht weiß, aber ich bin mir sicher, er liebt mich rückhaltlos", lächelte er, als sich Brix schanzwedelnd auf ihn stürzte und ihn begeistert ableckte. Einige Zeit später lag er in seinem Bett. Caro, inzwischen in ihrem Bettchen im Kinderzimmer, schlief tief und entspann. Auch die beiden anderen waren ruhig. Er hatte ihnen allen eigene Zimmer angeboten, die sie auch genossen, aber schlafe wollten sie vorerst noch zusammen und er fand die Lösung hervorragend. Maggi und Tom hatten jeder ein eigenes Zimmer, dass sie tagsüber nutzten und so ihren Rückzugsraum hatten. Langsam begann er in die Traumwelt ab zu gleiten. Wie so oft beherrschte Lena seinen Traum und er ertrank wieder in ihren grünen, leuchtenden Augen. Am Morgen lag er lange wach und dachte über seinen Traum nach. „Mach endlich etwas, so geht es doch nicht weiter“, schrie die eine Stimme. „Hör nicht auf sie, du musst dich um deine Kinder und um deine Arbeit kümmern, du brauchst keine Frau, Janine würde dir das nie verzeihen.“ „So ein Mist“, meldete sich die andere wieder. „Was glaubst du, warum du dauernd solche Träume hast? Natürlich brauchst du eine Frau und deine Kinder brauchen eine Mutter, eine weibliche Bezugsperson.“ Gequält schrie er auf und befahl beiden energisch, zu Schweigen. In seinem Kopf dröhnte es und er zog sich verzweifelt die Decke über den Kopf.

Maggis Geburtstag

Am 27. August war es endlich soweit, Maggi wurde sieben und wachte schon früh auf. Aufgeregt lag sie hellwach in ihrem Bett und horchte. War Papa schon auf? Kein Laut war zu hören. Kein klappern in der Küche. Schlief Papa etwa noch? Gerade als sie überlegte, ob sie aufstehen und nach Papa sehen sollte, hörte sie die Haustüre knarren und dann das Trappeln mehrerer Füße, oder Pfoten. Die Kinderschlafzimmertüre wurde aufgestoßen und Brix war mit einem Satz bei ihr im Bett. Er hatte genau gespürt, dass sie wach war und verpasste ihr eine morgendliche Waschung, die sie kichernd über sich ergehen ließ. Fest nahm sie den großen Hund in den Arm und schmiegte sich in sein weiches Fell. Wohlig brummend genoss Brix das weiche Bett und dass kraulende, kichernde Mädchen. „Na ihr beiden, euch geht es ja richtig gut. Mit einer Geste befahl er Brix aus dem Bett und setzte sich zu seiner Großen. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag mein Schatz.“ Zärtlich nahm er sie in den Arm und küsste sie. Zufrieden kuschelte sie sich in seine Arme und genoss den Augenblick. Sie liebte ihren Papa innig. „Stehst du mit auf und hilfst mir beim Frühstück? Ich war mit Brix schon beim Bäcker und hab dir auch Nusshörnchen mitgebracht.“ Mit einem Ruck war sie auf und folgte ihm barfuß in die Küche. Als sie seinen tadelnden Blick bemerkte, zog sie schnell ihre Hauslatschen an. Papa mochte es nicht, wenn sie barfuß auf den kalten Fließen herumlief. Aufgeregt lief sie in ihr Zimmer und tatsächlich, es standen mehrere Päckchen und Pakete auf dem Tisch. Ihr Blick fiel auf das neue Fahrrad und sie stieß einen Jubelschrei aus. „Das ist genau das Rad, dass ich mir gewünscht habe“, sagte sie mit leuchtenden Augen und fiel ihrem Vater um den Hals. Mein Gott, ist meine Kleine schon groß geworden, dachte er, während er sie ihm Arm hielt. Ich muss mich ja kaum noch zu ihr herunter bücken. Inzwischen war auch Tom ins Zimmer gestürmt und betrachtete die Geschenke seiner Schwester. „Komm Tom, hilf mir auspacken. Während seine zwei Großen beschäftigt waren, holte er Caro, die natürlich von dem Lärm wach geworden war und schon in ihrem Bettchen stand was sie seit einiger Zeit gut konnte. Kurze Zeit später saßen sie alle in der Küche an dem großen Tisch und schlemmten. Maggi liebte neben süßen Sachen auch Rührei und mampfte begeistert. Am Nachmittag tobte der Kindergeburtstag. Im Haus wimmelt es von Kindern und den ganzen Nachmittag spielten sie die eingängigen Spiele auf der Wiese hinter dem Haus, die Heiner extra frisch gemäht hatte. Susanne, seine Schwester war mit Hans und Michael gekommen. Hans, der ältere wurde dieses Jahr auch sieben, Michael war ein Jahr jünger. Veronika, Ronja und Bettina, die weiteren Tanten waren ebenfalls gekommen und alle saßen auf den Biergarnituren, die er auf der Wiese unter dem großen Apfelbaum aufgestellt hatte. Simone und Annalena waren ebenfalls da und er fühlte sich von dem Frauenpower fast erschlagen. Aufstöhnend lehnte er sich zurück. Die Jungs spielten auf der Wiese Fußball, die Mädchen hatten sich ins Haus zurückgezogen und man hörte immer wieder ihr fröhliches Lachen. Zufrieden schloss er einen Moment die Augen. Susanne, die ihn beobachtete, registrierte wohl die Blicke der beiden Damen, die immer wieder auf Ihrem großen Bruder ruhten. Hoffentlich entschließt er sich endlich einmal. Die Blonde, die Ärztin scheint ihm ja zu gefallen. Warum kümmert er sich den nicht um sie, die wartet doch nur darauf. Die ist reif wie ein Apfel, der gepflückt werden will. Die andere scheint nicht interessiert, die hat sicher einen Mann oder Partner, dachte sie und sah ihren Bruder wieder sinnend an. Das er um Janine trauert ist ja ok, aber wie lange noch. Für die Kinder wäre es besser, wenn wieder eine Frau im Haus wäre, obwohl er es super hinkriegt, dass hätte ich ihm nicht zugetraut. Wie er mit seiner kleinen Tochter umgeht ist schon sagenhaft, dass macht er wirklich toll. Diese Lena ist offensichtlich die Mutter von dem großen Buben, dem Freund von Maggi und zudem die Kinderärztin hier im Dorf, die würde hervorragend zu ihm passen. Ich muss mal nachprüfen, warum er sich so in Zurückhaltung übt, sie scheint ihm doch zu gefallen. Ronja, Heiners ältere Schwester war zu den Mädchen ins Haus gegangen um sie etwas im Auge zu behalten. Susanne sah ihr nach und dachte bei sich. „Ronja wird immer schöner. Wann packt sie es endlich und erhört Klaus. Der steht doch in den Starlöchern, traut sich aber nicht. Der ist genauso stur wie Heiner. Der bräuchte auch nur zuzugreifen. Männer sind manchmal einfach schwer von Begriff. Aber Ronja ist mindestens genau so blöd. Klaus wäre so ein lieber Kerl, der würde sie auf Händen tragen. Ronny wird nächsten Monat 35, langsam wird es Zeit. Ich glaube ich muss ihr mal so richtig in den Arsch treten, der mache ich jetzt richtig Beine bevor es zu spät ist. Klaus wäre doch ideal. Oberarzt in Böblingen, sehr gutaussehend, sportlich. Sie hier in Calw am Krankenhaus, dass passt doch. Ronjas Haus liegt in Deckenpfronn, das liegt genau in der Mitte. Die beiden könnten perfekt zusammenziehen. Susanne war weiter in Gedanken versunken und merkte nicht, dass sich ihr Bruder zu ihr setzte. Erst als der sie in den Arm nahm, merkte sie auf, sah sich erschrocken um und ließ sich dann in die Arme des großen Bruders sinken. Heiner genoss es richtig, mal wieder eine Frau in den Armen zu haben, auch wenn es nur die Schwester war, die er aber aufrichtig liebte. „Ach Heini“, seufzte sie dann und grinst über seine grimmige Miene. Er hasste diesen Spitznamen seiner Jugend, aber er konnte seiner schalkhaften jungen Schwester auch nicht böse sein. Er grummelte also nur leise vor sich hin, bis sie ihn lachend in den Arm nahm und küsste. „Ach Heini", wiederholte sie und er zuckte wieder zusammen, beherrschte sich aber diesmal. „Du bist genau so stur wie unsere große Schwester.“ „Wie meinst du denn das?“, fragte er stirnrunzelnd und sah sie an. „Denk mal darüber nach, vielleicht kommst du ja von selbst drauf“, meinte sie und sah ihn mit ihren schönen Augen an. Augen die er kannte und liebte, Augen die er jeden Morgen im Spiegel sah. Nachdenklich und leicht verwirrt sah er sie ratlos an, dann riss ihn Kindergeschrei aus seinen Überlegungen, er zuckte hoch, sprang auf und eilte zur Quelle des Lärms. Tom und Andi hatten sich wegen des neuen Fußballs in der Wolle. Worum es eigentlich wirklich ging, wussten sie beide nicht mehr so recht und er bot ihnen beiden ein Glas Spezi und einen Kuchen an. Beide mampften zufrieden und grinste sich an. Er hatte sie beide im Verdacht, dass sie den Streit nur vom Zaun gebrochen hatten um zu einer weiteren Verköstigung zu kommen und grinste in sich hinein. Dann nahm er beide Jungs kurz in den Arm und schickte sie dann wieder zum Spielen. Annalena hatte dem Ganzen zugesehen und dachte bei sich bewundernd. „Toll wie er das macht, lenkt sie einfach ab und umarmt sie. Er darf das, ohne ihre Männlichkeit zu verletzen, wenn ich das gemacht hätte, dann wäre mein Andi in seinem Mannesstolz beleidigt gewesen und ich hätte alles nur noch schlimmer gemacht.“ Sie musterte ihn unauffällig. Er ist Schriftsteller und anscheinend inzwischen recht erfolgreich. Ich muss mir doch mal eines seiner Bücher kaufen. Vielleicht signiert er es mir ja, wenn ich ihn bitte. Eigentlich sieht er toll aus und wie er sich um seine Kinder kümmert ist auch bemerkenswert, dachte sie weiter und sah dem Mann zu, wie er seine kleine Tochter auf dem Schoss hielt und mit ihr schmuste. Caro ist aber auch ein kleiner Engel. Ich habe noch nie ein so zufriedenes, glückliches Kind gesehen. Ihren Vater liebt sie abgöttisch, wickelt ihn aber auch mühelos um den Finger, dacht sie lächelnd und sah den beiden gerührt zu. Ich glaube, ich frag ihn mal wegen seiner Bücher, vielleicht kann ich ihn ja aus seinem Schneckenhaus locken in das er sich sofort verkriecht. Ich glaube er trauert immer noch um seine Frau. Sie muss doch noch fantastischer gewesen sein, als ich sie erlebte. Janine war mir immer eine liebe Freundin gewesen, aber das habe ich nicht gewusst. Ich muss mal mit seiner Schwester reden, die weiß sicher Näheres über ihre Ehe, was ich nicht weiß.